© Getty Images/iStockphoto

Das österreichische Tabakgesetz

Ein Trauerspiel in Fortsetzungen

<p class="article-intro">Österreichs Parlament hat unlängst als einziges Land weltweit eine Verschlechterung des Nichtraucherschutzes beschlossen. Dies entspricht allerdings nicht den Wünschen der Bevölkerung, wie der breite Zulauf an Unterstützungswilligen für das Volksbegehren „Don’t smoke“ deutlich werden lässt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die in Tabelle 1 zusammengefassten R&uuml;ckschl&auml;ge beim Versuch, ein Tabakgesetz &auml;hnlich jenen in unseren Nachbarstaaten, in Nord- und Westeuropa, in Nordamerika oder Australien zu entwickeln, fordern folgende Fragen heraus: Wer hat den Wahlkampf von Parteien finanziert, die sich danach f&uuml;r Interessen von Tabakindustrie und Trafikanten engagiert haben? Welche Politiker geben vor, &bdquo;Raucherinteressen&ldquo; zu verteidigen, um ihre eigene Schw&auml;che aus dem Bewusstsein zu verdr&auml;ngen, und welche sind einfach korrupt? Welche Politiker waren skrupellos, um an die Macht zu kommen, und welche waren nur so einf&auml;ltig, dass sie nicht merkten, wie sie von der Tabakindustrie geg&auml;ngelt wurden?</p> <p>&Ouml;sterreich ist weltweit das einzige Land, in dem das Parlament eine Verschlechterung des Nichtraucherschutzes beschlossen hat. Internationale Studien haben nachgewiesen, dass die Tabakindustrie der einzige Verlierer bei Einf&uuml;hrung einer rauchfreien Gastronomie w&auml;re (Tab. 2).</p> <p>Die am 11. Dezember 2017 getroffene Koalitionsvereinbarung wurde als &bdquo;Berliner L&ouml;sung&ldquo; bezeichnet, was ein Etikettenschwindel ist, weil weder die Raucherplatzabgabe noch das Rauchverbot auf Tanzfl&auml;chen von Berlin &uuml;bernommen wurde. Au&szlig;erdem ist in Deutschland die Raucherquote in Berlin am h&ouml;chsten und die Umsetzung des partiellen Rauchverbots stie&szlig; dort auf &auml;hnliche Probleme wie in &Ouml;sterreich, w&auml;hrend das Rauchverbot in allen Lokalen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland einfach zu &uuml;berwachen war, als gerecht empfunden wurde und die Zustimmungsraten in der Bev&ouml;lkerung ansteigen lie&szlig;.</p> <p>Scheinheilig war auch die von der &ouml;sterreichischen Regierung gro&szlig;spurig angek&uuml;ndigte &bdquo;Verbesserung des Jugendschutzes&ldquo;. Schon im M&auml;rz 2017 hatten zwar die daf&uuml;r zust&auml;ndigen Landesjugendreferenten auf Dr&auml;ngen der &Auml;rzteinitiative und der Jugendanwaltschaften die Anhebung der Altersgrenze f&uuml;r Tabakkauf von 16 auf 18 Jahre beschlossen und wollten das bis Mitte 2018 in allen Bundesl&auml;ndern einf&uuml;hren, aber die Bundesregierung, die sich jetzt mit fremden Federn schm&uuml;ckt, hat die Einf&uuml;hrung lediglich bis 2019 verz&ouml;gert und bis heute nichts beigetragen (kein &bdquo;mystery shopping&ldquo; zur Alterskontrolle durch eine unabh&auml;ngige Stelle aus Mitteln der Tabaksteuer, keine Abschaffung der Zigarettenautomaten, deren elektronische Alterskontrolle nachweislich versagte). Das angek&uuml;ndigte Verbot des Zutritts zu Raucherr&auml;umen f&uuml;r Minderj&auml;hrige wurde wieder zur&uuml;ckgenommen. Das Gesch&auml;ft der Wirte mit Familien inklusive Kindern im Raucherbereich und mit Jugendlichen, die dort oft ihre erste Zigarette rauchen, war den Regierungsparteien wichtiger als der Jugendschutz. Auch die schon bisher weiche Bestimmung zum Schutz der Lehrlinge in der Gastronomie wird durch eine Kann-Bestimmung (m&ouml;gliche Verordnung) kaum verbessert. Der Wirt hat keine Verpflichtung, minderj&auml;hrige G&auml;ste abzuweisen, und kann auch seine eigenen Kinder ungestraft im Raucherraum servieren lassen. Der Wirt entscheidet auch, welcher Raum als Raucherraum herangezogen wird (&bdquo;authentische Interpretation&ldquo; des &sect;13a Abs 2, gegen das Urteil des VfGH). Das Feigenblatt &bdquo;Jugendschutz&ldquo; besteht, nach dem am 22. M&auml;rz 2018 beschlossenen Gesetz, nur mehr aus einem Rauchverbot im privaten PKW beim Mitf&uuml;hren Minderj&auml;hriger, f&uuml;r das aber keine Kontrolle und keine Strafen vorgesehen sind. Die Polizei kann auch nicht wie in Italien Strafmandate verh&auml;ngen, wenn sich Wirte und G&auml;ste nicht an das Gesetz halten, sondern es wird weiterhin nur ineffiziente, zeit- und kostenaufwendige Verwaltungsstrafverfahren geben, bei denen ein Gast als Kl&auml;ger auftreten muss, um dann als &bdquo;Vernaderer&ldquo; gebrandmarkt und mit Lokalverbot belegt zu werden.</p> <p>W&auml;hrend bereits mehr als die H&auml;lfte der EU-L&auml;nder keine Zigarettenautomaten mehr haben und Nachbarl&auml;nder wie Ungarn die Zahl ihrer Tabakverkaufsstellen drastisch reduziert haben und keine Au&szlig;enwerbung sowie keinen Zutritt f&uuml;r Minderj&auml;hrige zulassen, gibt es solche Zutrittsverbote in &Ouml;sterreich nur f&uuml;r Spielh&ouml;llen und Solarien. Trafiken bieten Waren f&uuml;r Kinder an und d&uuml;rfen sie der Tabakwerbung und dem Tabakrauch aussetzen. Bei jeder Einf&uuml;hrung einer neuen Marke d&uuml;rfen Trafikanten Gratiszigaretten verteilen. Neben 5784 &bdquo;Tabakfachgesch&auml;ften&ldquo;, die Kinder auch mit Kinderheften, Spielwaren, Softdrinks und S&uuml;&szlig;igkeiten anlocken, gibt es noch 2417 andere Gesch&auml;fte und Tankstellen sowie 933 Gastst&auml;tten, die Tabakwaren f&uuml;hren,<sup>1</sup> und etliche Lebensmittelm&auml;rkte, die neben S&uuml;&szlig;igkeiten f&uuml;r Tabak werben.</p> <p>70 % der &ouml;sterreichischen Bev&ouml;lkerung haben sich heuer f&uuml;r die Beibehaltung der 2015 vom Parlament f&uuml;r 1. Mai 2018 beschlossenen rauchfreien Gastronomie ausgesprochen.<sup>2</sup> Vom 15. Februar bis 4. April 2018 wurden von der &Ouml;sterreichischen &Auml;rztekammer Unterst&uuml;tzungserkl&auml;rungen f&uuml;r das Volksbegehren &bdquo;Don&rsquo;t smoke&ldquo; (www.dontsmoke.at) gesammelt, das voraussichtlich in einer Woche im Oktober komplettiert werden wird. Demokratiepolitisch und gesundheitspolitisch ist zu hoffen, dass m&ouml;glichst viele Menschen von ihrem Wahlrecht auf einem Gemeindeoder Bezirksamt Gebrauch machen oder von zu Hause per Mobiltelefon<sup>3</sup> oder B&uuml;rgerkarte. Auch in Bayern hatte die Regierung nach einem erfolgreichen Volksbegehren eingelenkt und einen Volksentscheid mittels Volksbefragung zugelassen, der zu einer rauchfreien Gastronomie f&uuml;hrte, mit der heute alle zufrieden sind. &Ouml;sterreich muss versuchen, noch w&auml;hrend seiner EU-Ratspr&auml;sidentschaft und vor der FCTC-Konferenz (COP8) im Oktober in Genf seine Rolle als &bdquo;Aschenbecher Europas&ldquo; zu verlassen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1802_Weblinks_jatros_pneumo_1802_s39_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="2153" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1802_Weblinks_jatros_pneumo_1802_s40_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1142" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> http://blogs.bmj.com/tc/2018/01/09/austrias-new-government- a-victory-for-the-tobacco-industry-and-publichealth- disaster <strong>2</strong> http://www.aerzteinitiative.at/UmfrageGfK18. pdf <strong>3</strong> http://www.bmi.gv.at/411/</p> </div> </p>
Back to top