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«Ein klares Signal»
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Autor:
PD Dr. med. Macé Schuurmans
Chefarzt Pneumologie<br> Kantonsspital Winterthur
30
Min. Lesezeit
02.10.2019
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<p class="article-intro">PD Dr. med. Macé Schuurmans beurteilt die Studienergebnisse zu Nintedanib bei Sklerodermie-assoziierter interstitieller Lungenerkrankung.<sup>1</sup></p>
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<p class="article-content"><p><em><strong>Wie beurteilen Sie den in der Studie des Universitätsspitals Zürich1 beobachteten Effekt auf die Lungenfunktion? 41 ml mehr mit Nintedanib tönt nicht gerade viel … </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Der Unterschied ist schon beachtlich, wenn man bedenkt, dass diese Patienten das Studienmedikament zusätzlich zu anderen empfohlenen Medikamenten erhalten haben. Jeder zweite Patient hat in der Studie Mycophenolatmofetil oder MTX genommen, sodass die beobachtete Wirkung von Nintedanib über das hinausgeht, was Mycophenolat oder MTX potenziell bewirkt haben. Interessant wäre zu sehen, ob der Unterschied jenseits des ersten Jahres weiter besteht bzw. der Unterschied mit der Zeit stärker ausgeprägt ist. Dazu braucht es Studien mit einem längeren Beob achtungszeitraum bzw. die weitere Beobachtung der Population der Studie, die bereits im Gange ist.</p> <p><em><strong>Wie sehr schränkt eine Lungenfibrose die Patienten ein? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Am Anfang steht der Husten im Vordergrund: Das kann sehr belastend sein, weil die Betroffenen sich kaum noch ins Kino, ins Theater oder in Konzerte wagen, um die Mitmenschen mit ihrem Husten nicht zu stören. Medikamente können den Husten nicht vollständig unterdrücken. Auch Atemnot bei Belastung ist in Frühstadien möglich. In späten Stadien führt die Krankheit oft zu sozialer Isolation, da die Patienten wegen der ausgeprägten Atemnot kaum noch das Haus verlassen können. Sie sind oft von Sauerstoff abhängig und müssen diesen 24 Stunden mit Sauerstoffkonzentrator, Flüssigsauerstoff oder Sauerstoffflaschen anwenden. Manchmal ist das Atmen so anstrengend und kostet so viel Energie, dass die Patienten das mit dem Essen gar nicht ausgleichen können und Gewicht ver lieren. Sie werden mager und sehen krank aus, ähnlich wie bei einer Tumorerkrankung.</p> <p><em><strong>Nintedanib ist schon für die IPF zugelassen, die Behandlung kostet mehr als 35 000 CHF/Jahr. Ist es das Geld wert? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Bei der systemischen Sklerose ist die Lungenbeteiligung einer der Hauptrisikofaktoren für einen frühzeitigen Tod. Wenn man den Lungenfunktionsverlust durch die Krankheit mit Nintedanib vermindern kann, ist das sehr ermutigend, weil damit der Krankheitsprozess in der Lunge beeinflusst wird. Die Kosten sind in der gleichen Grössenordnung für beide Antifibrotika auf dem Markt und deutlich günstiger als onkologische Medikamente, die zur selben Zeit entwickelt wurden. Beide Krankheiten führen in einem hohen Prozentsatz zum frühzeitigen Tode der Betroffenen.</p> <p><em><strong>In der Studie konnte aber nicht gezeigt werden, dass Nintedanib die Lebensqualität verbessert … </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Das stimmt, aber grundsätzlich ist die Verlangsamung der Krankheitsprogression der Lunge ein Marker für einen günstigeren Verlauf. Ob Sterblichkeit und Lebensqualität im längerfristigen Verlauf günstig beeinflusst werden, muss noch geklärt werden. Aber grundsätzlich ist es gut möglich, dass auch die Mortalität dadurch beeinflusst wird. Wir Pneumologen setzen dieses Medikament für andere Formen von Lungenfibrosen ein und im Falle eines guten Ansprechens ist die Fortführung der Therapie sinnvoll und ein solcher Preis gut zu rechtfertigen, weil die Patienten wirklich profitieren und der Lungenfunktionsverlust gebremst wird.</p> <p><em><strong>Wie beurteilen Sie das Nebenwirkungsprofil? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> 3 von 4 Patienten in der Nintedanib-Gruppe litten unter Durchfall – in der Placebogruppe war es nur etwa einer von 3 Patienten. Wir kennen diese Nebenwirkung von Nintedanib bei der Behandlung der IPF; mir scheint, dass in der Studie von Oliver Distler mehr Patienten betroffen waren, als wir das von der idiopathischen Fibrose kennen. Das könnte daran liegen, dass die systemische Sklerose auch die Darmfunktion beeinflusst. Trotzdem haben die meisten das Medikament weitergenommen, das heisst, offenbar haben sie den Durchfall toleriert.</p> <p><em><strong>Welche Patienten könnten von Nintedanib profitieren? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Grundsätzlich wäre zu klären, ob Nintedanib einen additiven oder synergistischen Effekt hat in Bezug auf die vorbestehende Begleitmedikation, also MTX, Mycophenolat und niedrig dosierte Steroide. Subgruppenanalysen könnten dies klären, allerdings müsste man eventuell grössere Fallzahlen in jeder Gruppe haben, um dies konklusiv zu beantworten. Auch wäre der direkte Vergleich mit Cyclophosphamid interessant für eine zukünftige Studie, besonders wenn man die anderen Begleitmedikamente weglassen würde. Doch auch wenn wir diese Antworten noch nicht haben: Für mich ist diese Studie ein klares Signal, dass man Nintedanib auch bei Lungenfibrose im Rahmen einer systemischen Sklerose einsetzen sollte. Bei der idiopathischen Lungenfibrose gehen wir so vor, dass wir nach einigen Monaten eine Verlaufskontrolle machen, und nur wenn Nintedanib wirkt und der Patient es verträgt, geben wir es weiter.</p> <p> </p> <p>Lesen sie auch: <a href="https://ch.universimed.com/fachthemen/1000001886">«Gezieltere Therapie der Lungenfibrose»</a></p></p>
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<p><strong>1</strong> Distler O et al.: N Engl J Med 2019; 380: 2518-28</p>
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