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«Ein klares Signal»

<p class="article-intro">PD Dr. med. Macé Schuurmans beurteilt die Studienergebnisse zu Nintedanib bei Sklerodermie-assoziierter interstitieller Lungenerkrankung.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Wie beurteilen Sie den in der Studie des Universit&auml;tsspitals Z&uuml;rich1 beobachteten Effekt auf die Lungenfunktion? 41 ml mehr mit Nintedanib t&ouml;nt nicht gerade viel &hellip; </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Der Unterschied ist schon beachtlich, wenn man bedenkt, dass diese Patienten das Studienmedikament zus&auml;tzlich zu anderen empfohlenen Medikamenten erhalten haben. Jeder zweite Patient hat in der Studie Mycophenolatmofetil oder MTX genommen, sodass die beobachtete Wirkung von Nintedanib &uuml;ber das hinausgeht, was Mycophenolat oder MTX potenziell bewirkt haben. Interessant w&auml;re zu sehen, ob der Unterschied jenseits des ersten Jahres weiter besteht bzw. der Unterschied mit der Zeit st&auml;rker ausgepr&auml;gt ist. Dazu braucht es Studien mit einem l&auml;ngeren Beob achtungszeitraum bzw. die weitere Beobachtung der Population der Studie, die bereits im Gange ist.</p> <p><em><strong>Wie sehr schr&auml;nkt eine Lungenfibrose die Patienten ein? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Am Anfang steht der Husten im Vordergrund: Das kann sehr belastend sein, weil die Betroffenen sich kaum noch ins Kino, ins Theater oder in Konzerte wagen, um die Mitmenschen mit ihrem Husten nicht zu st&ouml;ren. Medikamente k&ouml;nnen den Husten nicht vollst&auml;ndig unterdr&uuml;cken. Auch Atemnot bei Belastung ist in Fr&uuml;hstadien m&ouml;glich. In sp&auml;ten Stadien f&uuml;hrt die Krankheit oft zu sozialer Isolation, da die Patienten wegen der ausgepr&auml;gten Atemnot kaum noch das Haus verlassen k&ouml;nnen. Sie sind oft von Sauerstoff abh&auml;ngig und m&uuml;ssen diesen 24 Stunden mit Sauerstoffkonzentrator, Fl&uuml;ssigsauerstoff oder Sauerstoffflaschen anwenden. Manchmal ist das Atmen so anstrengend und kostet so viel Energie, dass die Patienten das mit dem Essen gar nicht ausgleichen k&ouml;nnen und Gewicht ver lieren. Sie werden mager und sehen krank aus, &auml;hnlich wie bei einer Tumorerkrankung.</p> <p><em><strong>Nintedanib ist schon f&uuml;r die IPF zugelassen, die Behandlung kostet mehr als 35 000 CHF/Jahr. Ist es das Geld wert? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Bei der systemischen Sklerose ist die Lungenbeteiligung einer der Hauptrisikofaktoren f&uuml;r einen fr&uuml;hzeitigen Tod. Wenn man den Lungenfunktionsverlust durch die Krankheit mit Nintedanib vermindern kann, ist das sehr ermutigend, weil damit der Krankheitsprozess in der Lunge beeinflusst wird. Die Kosten sind in der gleichen Gr&ouml;ssenordnung f&uuml;r beide Antifibrotika auf dem Markt und deutlich g&uuml;nstiger als onkologische Medikamente, die zur selben Zeit entwickelt wurden. Beide Krankheiten f&uuml;hren in einem hohen Prozentsatz zum fr&uuml;hzeitigen Tode der Betroffenen.</p> <p><em><strong>In der Studie konnte aber nicht gezeigt werden, dass Nintedanib die Lebensqualit&auml;t verbessert &hellip; </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Das stimmt, aber grunds&auml;tzlich ist die Verlangsamung der Krankheitsprogression der Lunge ein Marker f&uuml;r einen g&uuml;nstigeren Verlauf. Ob Sterblichkeit und Lebensqualit&auml;t im l&auml;ngerfristigen Verlauf g&uuml;nstig beeinflusst werden, muss noch gekl&auml;rt werden. Aber grunds&auml;tzlich ist es gut m&ouml;glich, dass auch die Mortalit&auml;t dadurch beeinflusst wird. Wir Pneumologen setzen dieses Medikament f&uuml;r andere Formen von Lungenfibrosen ein und im Falle eines guten Ansprechens ist die Fortf&uuml;hrung der Therapie sinnvoll und ein solcher Preis gut zu rechtfertigen, weil die Patienten wirklich profitieren und der Lungenfunktionsverlust gebremst wird.</p> <p><em><strong>Wie beurteilen Sie das Nebenwirkungsprofil? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> 3 von 4 Patienten in der Nintedanib-Gruppe litten unter Durchfall &ndash; in der Placebogruppe war es nur etwa einer von 3 Patienten. Wir kennen diese Nebenwirkung von Nintedanib bei der Behandlung der IPF; mir scheint, dass in der Studie von Oliver Distler mehr Patienten betroffen waren, als wir das von der idiopathischen Fibrose kennen. Das k&ouml;nnte daran liegen, dass die systemische Sklerose auch die Darmfunktion beeinflusst. Trotzdem haben die meisten das Medikament weitergenommen, das heisst, offenbar haben sie den Durchfall toleriert.</p> <p><em><strong>Welche Patienten k&ouml;nnten von Nintedanib profitieren? </strong></em><br /><em><strong>M. Schuurmans:</strong></em> Grunds&auml;tzlich w&auml;re zu kl&auml;ren, ob Nintedanib einen additiven oder synergistischen Effekt hat in Bezug auf die vorbestehende Begleitmedikation, also MTX, Mycophenolat und niedrig dosierte Steroide. Subgruppenanalysen k&ouml;nnten dies kl&auml;ren, allerdings m&uuml;sste man eventuell gr&ouml;ssere Fallzahlen in jeder Gruppe haben, um dies konklusiv zu beantworten. Auch w&auml;re der direkte Vergleich mit Cyclophosphamid interessant f&uuml;r eine zuk&uuml;nftige Studie, besonders wenn man die anderen Begleitmedikamente weglassen w&uuml;rde. Doch auch wenn wir diese Antworten noch nicht haben: F&uuml;r mich ist diese Studie ein klares Signal, dass man Nintedanib auch bei Lungenfibrose im Rahmen einer systemischen Sklerose einsetzen sollte. Bei der idiopathischen Lungenfibrose gehen wir so vor, dass wir nach einigen Monaten eine Verlaufskontrolle machen, und nur wenn Nintedanib wirkt und der Patient es vertr&auml;gt, geben wir es weiter.</p> <p>&nbsp;</p> <p>Lesen sie auch: <a href="https://ch.universimed.com/fachthemen/1000001886">&laquo;Gezieltere Therapie der Lungenfibrose&raquo;</a></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Distler O et al.: N Engl J Med 2019; 380: 2518-28</p> </div> </p>
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