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ÖGP 2016

Duale Bronchodilatation: „Länger und weiter ist besser“

<p class="article-intro">Die duale Bronchodilatation mittels LAMA und LABA ist eine relativ junge Option in der Therapie der COPD. Studien zeigen, dass sie nicht nur theoretisch-mechanistische Vorteile hat, sondern auch zu deutlichen Verbesserungen der Lungenfunktion und einer Reduktion der Exazerbationsrate führt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Gem&auml;&szlig; der aktuellen GOLD-Leitlinie<sup>1</sup> ist COPD ein durch inhalative Noxen (Partikel oder Gase) verursachter Lungenschaden, der zu persistierender Behinderung des Atemflusses (&bdquo;persistent airflow limitation&ldquo;) f&uuml;hrt. Wichtige Faktoren sind dabei die Zerst&ouml;rung des Parenchyms (Emphysem), Erkrankung der kleinen Atemwege (&bdquo;small airways disease&ldquo;) sowie Hypersekretion von Mucus (chronische Bronchitis). &bdquo;Bronchodilatation ist die wichtigste S&auml;ule der COPD-Therapie. Diese f&uuml;hrt zur Reduktion von Bronchokonstriktion und zu &bdquo;air trapping&ldquo; und damit zur Linderung der Beschwerden und zur Steigerung der k&ouml;rperlichen Belastbarkeit&ldquo;, sagte Prof. Dr. Roland Buhl, Universit&auml;tsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universit&auml;t Mainz. F&uuml;r die Bronchodilatation gilt: &bdquo;L&auml;nger und weiter ist besser.&ldquo; Prof. Buhl: &bdquo;Je l&auml;nger wir die Atemwege freihalten, desto besser ist das f&uuml;r den Patienten.&ldquo; Die Auswahl von Substanz und Wirkdauer erfolgt nach individuellem Effekt auf die Beschwerden sowie nach dem Nebenwirkungsspektrum.</p> <h2>Bessere Wirkung durch komplement&auml;re Wirkmechanismen</h2> <p>Grunds&auml;tzlich wirken sowohl LAMA (&bdquo;long-acting muscarinic antagonists&ldquo;) als auch LABA (long-acting beta agonists) auf die Symptomatik, im Hinblick auf die Exazerbationen sind LAMA den LABA etwas &uuml;berlegen und werden daher h&auml;ufig als erste Substanz eingesetzt. Prof. Buhl unterstreicht, dass LAMA und LABA &uuml;ber zwei unterschiedliche, komplement&auml;re Mechanismen wirken. LABA greifen als Agonisten am Beta-2-Rezeptor an, LAMA als Antagonisten am M3-Rezeptor. Daher wirken die beiden Substanzgruppen auch an unterschiedlichen Orten. M3-Rezeptoren finden sich vor allem in den proximalen Atemwegen, Beta-2-Rezeptoren eher in der distalen Lunge.<sup>2</sup> Damit sind LAMA und LABA logische Kombinationspartner. Prof. Buhl: &bdquo;Wenn wir zwei Substanzen mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien, aber gleicher Endstrecke haben, k&ouml;nnen wir einen optimalen Effekt erzielen, weil die Substanzen einander in ihrer Wirkung addieren, nicht aber in den Nebenwirkungen. Die optimale Therapieeskalation nach einem Bronchodilatator ist ein zweiter Bronchodilatator mit komplement&auml;rem Wirkmechanismus.&ldquo; <br />Die duale Bronchodilatation wirkt sich im Hinblick auf die drei zentralen Therapieziele Lebensqualit&auml;t, Symptomkontrolle und Pr&auml;vention von Exazerbationen g&uuml;nstig aus. Prof. Buhl: &bdquo;Wenn wir unseren Patienten mehr Luft geben, bedeutet das weniger Atemnot. Damit ist der Patient leistungsf&auml;higer und aktiver.&ldquo; Welche praktischen Auswirkungen das haben kann, zeigt beispielsweise die im Rahmen des diesj&auml;hrigen ERS-Kongresses vorgestellte PHYSACTO-Studie, die eine Zunahme der Belastbarkeit durch die Kombination von dualer Bronchodilatation mit Ausdauertraining demonstrierte.<sup>3</sup> Prof. Buhl: &bdquo;Es macht Sinn, wenn die Patienten ihre zus&auml;tzliche Luft f&uuml;r das Training n&uuml;tzen.&ldquo; Dass sich die Patienten unter dieser Therapie auch unter Alltagsbedingungen mehr bewegen, konnte ebenfalls mittlerweile in einer Studie gezeigt werden.<sup>4</sup> Die duale Bronchodilatation reduziert auch das Risiko eines kombinierten Endpunkts aus unterschiedlichen pulmonalen Ereignissen.<sup>5</sup></p> <h2>FLAME: signifikante Reduktion der Exazerbationen</h2> <p>Von gro&szlig;er Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die in diesem Jahr publizierte FLAME-Studie, die in einer Hochrisikopopulation &uuml;ber 52 Wochen signifikante Reduktionen von Exazerbationen aller Schweregrade durch eine LAMA/LABA-Kombination im Vergleich zu einem LABA und einem Steroid demonstriert hat (Abb. 1).<sup>6</sup> Diese Ergebnisse sind insofern von Bedeutung, als die WISDOM-Studie gezeigt hat, dass bei Absetzen inhalativer Steroide das Exazerbationsrisiko von COPD-Patienten nicht ansteigt.<sup>7</sup> Damit ergibt sich eine Rationale f&uuml;r den Einsatz von LAMA/LABA-Kombinationen ohne Steroid zur Pr&auml;vention von Exazerbationen. Allerdings r&auml;t Prof. Buhl hier zur Vorsicht: &bdquo;Bei h&auml;ufigen Exazerbierern w&uuml;rde ich das nicht machen. Diese Akte ist noch nicht geschlossen&ldquo;, sagt Prof. Buhl und verweist auf Subgruppenanalysen von WISDOM, die bei Patienten mit erh&ouml;hter Eosinophilenzahl im Blut sehr wohl ein erh&ouml;htes Exazerbationsrisiko nach Absetzen des Steroids gezeigt haben.<sup>8</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1606_Weblinks_seite16.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Ph&auml;notypen bei Therapie-entscheidungen ber&uuml;cksichtigen</h2> <p>Prof. Dr. Klaus F. Rabe von der LungenClinic Gro&szlig;hansdorf unterstreicht die zahlreichen ungel&ouml;sten Probleme, vor denen Kliniker in der Behandlung von COPD-Patienten nach wie vor stehen: &bdquo;Wir haben gem&auml;&szlig; GOLD einerseits die Einteilung in Grade gem&auml;&szlig; der Lungenfunktion und andererseits die Bewertung der Symptomatik und des Exazerbationsrisikos. Obwohl Letztere von hoher klinischer Bedeutung ist, denke ich doch, dass wir die Klassifikation nach dem FEV<sub>1</sub> nicht verlassen sollten. Wenn es aber darum geht, den Verlauf abzusch&auml;tzen, ist das Exazerbationsrisiko wichtig. Die Frage ist nur, was wir in der Praxis damit anfangen. Meine pers&ouml;nliche Meinung ist, dass die Therapieentscheidungen wesentlich davon abh&auml;ngen sollten, ob der Patient pr&auml;dominant ein Emphysem oder eine Bronchitis hat. Aus meiner Sicht bietet sich &ndash; als Hypothese &ndash; die duale Bronchodilatation f&uuml;r Patienten mit ausgepr&auml;gterem Emphysem an, w&auml;hrend Patienten mit deutlicher Hypersekretion eher von entz&uuml;ndungshemmenden Therapien profitieren d&uuml;rften, wie auch die neuesten Daten zu Roflumilast nahelegen. In der Praxis ist es allerdings oft so, dass einfach alle Patienten alles bekommen &ndash; und das ist nicht gut.&ldquo; <br />Auch Prof. Rabe weist auf die hohe Bedeutung von k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t hin. Diese erweist sich in Kohortenstudien als der beste Pr&auml;diktor der Sterblichkeit.<sup>9</sup> Dieser Umstand k&ouml;nnte in Zukunft in die Therapiealgorithmen einbezogen werden und ein starkes Argument f&uuml;r den Einsatz dualer Bronchodilatation darstellen. Eine weitere ungekl&auml;rte Frage ist die nach einer Verringerung der Mortalit&auml;t. Prof. Rabe: &bdquo;Wir m&uuml;ssen uns dar&uuml;ber im Klaren sein, dass COPD t&ouml;tet, und unser wichtigstes Ziel besteht darin, hier gegenzusteuern.&ldquo; Bislang sei es allerdings nicht gelungen, mit den verf&uuml;gbaren Therapien einen krankheitsmodifizierenden Effekt zu erzielen. Ob sich das nun mit der dualen Bronchodilatation &auml;ndern wird, ist noch unklar. Prof. Rabe verweist auf mehrere gegenw&auml;rtig laufende, gro&szlig;e Studien, die den Einfluss der dualen Bronchodilatation auf das Exazerbationsrisiko untersuchen. Generell empfiehlt Prof. Rabe f&uuml;r die Zukunft, bei der Indikationsstellung zu COPD-Therapien &uuml;ber die GOLD-Definition der Erkrankung hinauszugehen und pathophysiologische Hintergr&uuml;nde st&auml;rker in die Entscheidungen einzubeziehen. Entsprechende Algorithmen sind zu definieren. Prof. Rabe: &bdquo;Wir brauchen mehr Studien, die zeigen, dass wir die Leute durch konsequente Therapie wieder so weit fit machen k&ouml;nnen, dass sie sich mehr bewegen, und ich bin &uuml;berzeugt, dass das dann auch Einfluss auf die Mortalit&auml;t haben wird. F&uuml;nfzehn Minuten moderate Bewegung am Tag bedeuten bereits einen Unterschied.&ldquo;</p> <h2>Als letzte Option: Reduktion des Lungenvolumens</h2> <p>Eine viel diskutierte Option f&uuml;r Patienten mit pr&auml;dominantem Emphysem stellen Methoden zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion dar. Diese Verfahren zielen, so PD Dr. Arschang Valipour vom Ludwig-Boltzmann-Institut f&uuml;r COPD und Pneumologische Epidemiologie am Otto-Wagner-Spital in Wien, auf eine Verbesserung der Atemmechanik und der elastischen R&uuml;ckstellkr&auml;fte sowie eine Redistribution der Ventilation in besser perfundierte Lungenareale ab. Auf diesem Wege sollen eine Reduktion der Atemnot und bessere Leistungsf&auml;higkeit erreicht werden. Indiziert sind diese Therapien ausschlie&szlig;lich bei selektierten Patienten mit Lungenemphysem, bei denen eine optimierte, maximale konservative Therapie bereits ausgesch&ouml;pft worden ist. Die am besten untersuchte Methode ist die Ventiltherapie, bei der die Luftzufuhr zu einem emphysemat&ouml;sen Lungenlappen mit einem Ventil verschlossen wird, das lediglich die Exspiration erlaubt. Dies bewirkt eine Atelektase des behandelten Lungenlappens und folglich eine Reduktion des Lungenvolumens. Die Methode wurde in teilweise &bdquo;sham&ldquo;-kontrollierten Studien untersucht, wobei sich deutliche Verbesserungen der Lungenfunktion und der Leistungsf&auml;higkeit zeigten.<sup>10,&nbsp;11</sup> Doz. Valipour: &bdquo;Das Sch&ouml;ne an dieser Technik ist, dass sie sowohl beim Oberlappen- als auch beim Unterlappen-betonten Emphysem funktioniert.&ldquo; Allerdings treten nicht selten Nebenwirkungen auf, wobei der Pneumothorax mit 20&ndash;25 % die h&auml;ufigste ist. Auch COPD-Exazerbationen in den ersten drei Monaten nach dem Eingriff, Infektionen und/oder Sekretproblematik kommen vor. Weitere Methoden zur Volumenreduktion der Lunge basieren auf Spiralen aus Nitinol, die das Lungengewebe zusammenziehen (Coils), oder auf der thermischen Ablation von Lungengewebe mittels Dampf.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> <a href="http://goldcopd.org/gold-2017-global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd/" target="_blank">http://goldcopd.org/gold-2017-global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd/</a> <strong>2</strong> Barnes PJ: Distribution of receptor targets in the lung. Proc Am Thorac Soc 2004; 1(4): 345-51 <strong>3</strong> Troosters T et al: Effect of 8 and 12 weeks&rsquo; once-daily tiotropium and olodaterol, alone and combined with exercise training, on exercise endurance during walking in patients with COPD. ERS 2016, Abstract PA976 <strong>4</strong> Sauer R et al: Impact of tiotropium + olodaterol on physical functioning in COPD: results of an open-label observational study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 891-8 <strong>5</strong> Buhl et al: Benefits of tiotropium + olodaterol over tiotropium at delaying clinically significant events in patients with COPD classified as GOLD B. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193: A6779 <strong>6</strong> Wedzicha JA et al: Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med 2016; 374(23): 2222-34 <strong>7</strong>&nbsp;Magnussen H et al: Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med 2014; 371(14): 1285-94 <strong>8</strong> Watz H et al: Blood eosinophil count and exacerbations in severe chronic obstructive pulmonary disease after withdrawal of inhaled corticosteroids: a post-hoc analysis of the WISDOM trial. Lancet Respir Med 2016; 4(5): 390-8 <strong>9</strong> Waschki B et al: Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140(2): 331-42 <strong>10</strong> Klooster K et al: Endobronchial valves for emphysema without interlobar collateral ventilation. N Engl J Med 2015; 373(24): 2325-35 <strong>11</strong> Davey C et al: Bronchoscopic lung volume reduction with endobronchial valves for patients with heterogeneous emphysema and intact interlobar fissures (the BeLieVeR-HIFi study): a randomised controlled trial. Lancet 2015; 386(9998): 1066-73</p> </div> </p>
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