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Duale Bronchodilatation: „Länger und weiter ist besser“
Jatros
30
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08.12.2016
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<p class="article-intro">Die duale Bronchodilatation mittels LAMA und LABA ist eine relativ junge Option in der Therapie der COPD. Studien zeigen, dass sie nicht nur theoretisch-mechanistische Vorteile hat, sondern auch zu deutlichen Verbesserungen der Lungenfunktion und einer Reduktion der Exazerbationsrate führt.</p>
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<p class="article-content"><p>Gemäß der aktuellen GOLD-Leitlinie<sup>1</sup> ist COPD ein durch inhalative Noxen (Partikel oder Gase) verursachter Lungenschaden, der zu persistierender Behinderung des Atemflusses („persistent airflow limitation“) führt. Wichtige Faktoren sind dabei die Zerstörung des Parenchyms (Emphysem), Erkrankung der kleinen Atemwege („small airways disease“) sowie Hypersekretion von Mucus (chronische Bronchitis). „Bronchodilatation ist die wichtigste Säule der COPD-Therapie. Diese führt zur Reduktion von Bronchokonstriktion und zu „air trapping“ und damit zur Linderung der Beschwerden und zur Steigerung der körperlichen Belastbarkeit“, sagte Prof. Dr. Roland Buhl, Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Für die Bronchodilatation gilt: „Länger und weiter ist besser.“ Prof. Buhl: „Je länger wir die Atemwege freihalten, desto besser ist das für den Patienten.“ Die Auswahl von Substanz und Wirkdauer erfolgt nach individuellem Effekt auf die Beschwerden sowie nach dem Nebenwirkungsspektrum.</p> <h2>Bessere Wirkung durch komplementäre Wirkmechanismen</h2> <p>Grundsätzlich wirken sowohl LAMA („long-acting muscarinic antagonists“) als auch LABA (long-acting beta agonists) auf die Symptomatik, im Hinblick auf die Exazerbationen sind LAMA den LABA etwas überlegen und werden daher häufig als erste Substanz eingesetzt. Prof. Buhl unterstreicht, dass LAMA und LABA über zwei unterschiedliche, komplementäre Mechanismen wirken. LABA greifen als Agonisten am Beta-2-Rezeptor an, LAMA als Antagonisten am M3-Rezeptor. Daher wirken die beiden Substanzgruppen auch an unterschiedlichen Orten. M3-Rezeptoren finden sich vor allem in den proximalen Atemwegen, Beta-2-Rezeptoren eher in der distalen Lunge.<sup>2</sup> Damit sind LAMA und LABA logische Kombinationspartner. Prof. Buhl: „Wenn wir zwei Substanzen mit unterschiedlichen pharmakologischen Wirkprinzipien, aber gleicher Endstrecke haben, können wir einen optimalen Effekt erzielen, weil die Substanzen einander in ihrer Wirkung addieren, nicht aber in den Nebenwirkungen. Die optimale Therapieeskalation nach einem Bronchodilatator ist ein zweiter Bronchodilatator mit komplementärem Wirkmechanismus.“ <br />Die duale Bronchodilatation wirkt sich im Hinblick auf die drei zentralen Therapieziele Lebensqualität, Symptomkontrolle und Prävention von Exazerbationen günstig aus. Prof. Buhl: „Wenn wir unseren Patienten mehr Luft geben, bedeutet das weniger Atemnot. Damit ist der Patient leistungsfähiger und aktiver.“ Welche praktischen Auswirkungen das haben kann, zeigt beispielsweise die im Rahmen des diesjährigen ERS-Kongresses vorgestellte PHYSACTO-Studie, die eine Zunahme der Belastbarkeit durch die Kombination von dualer Bronchodilatation mit Ausdauertraining demonstrierte.<sup>3</sup> Prof. Buhl: „Es macht Sinn, wenn die Patienten ihre zusätzliche Luft für das Training nützen.“ Dass sich die Patienten unter dieser Therapie auch unter Alltagsbedingungen mehr bewegen, konnte ebenfalls mittlerweile in einer Studie gezeigt werden.<sup>4</sup> Die duale Bronchodilatation reduziert auch das Risiko eines kombinierten Endpunkts aus unterschiedlichen pulmonalen Ereignissen.<sup>5</sup></p> <h2>FLAME: signifikante Reduktion der Exazerbationen</h2> <p>Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die in diesem Jahr publizierte FLAME-Studie, die in einer Hochrisikopopulation über 52 Wochen signifikante Reduktionen von Exazerbationen aller Schweregrade durch eine LAMA/LABA-Kombination im Vergleich zu einem LABA und einem Steroid demonstriert hat (Abb. 1).<sup>6</sup> Diese Ergebnisse sind insofern von Bedeutung, als die WISDOM-Studie gezeigt hat, dass bei Absetzen inhalativer Steroide das Exazerbationsrisiko von COPD-Patienten nicht ansteigt.<sup>7</sup> Damit ergibt sich eine Rationale für den Einsatz von LAMA/LABA-Kombinationen ohne Steroid zur Prävention von Exazerbationen. Allerdings rät Prof. Buhl hier zur Vorsicht: „Bei häufigen Exazerbierern würde ich das nicht machen. Diese Akte ist noch nicht geschlossen“, sagt Prof. Buhl und verweist auf Subgruppenanalysen von WISDOM, die bei Patienten mit erhöhter Eosinophilenzahl im Blut sehr wohl ein erhöhtes Exazerbationsrisiko nach Absetzen des Steroids gezeigt haben.<sup>8</sup> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1606_Weblinks_seite16.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Phänotypen bei Therapie-entscheidungen berücksichtigen</h2> <p>Prof. Dr. Klaus F. Rabe von der LungenClinic Großhansdorf unterstreicht die zahlreichen ungelösten Probleme, vor denen Kliniker in der Behandlung von COPD-Patienten nach wie vor stehen: „Wir haben gemäß GOLD einerseits die Einteilung in Grade gemäß der Lungenfunktion und andererseits die Bewertung der Symptomatik und des Exazerbationsrisikos. Obwohl Letztere von hoher klinischer Bedeutung ist, denke ich doch, dass wir die Klassifikation nach dem FEV<sub>1</sub> nicht verlassen sollten. Wenn es aber darum geht, den Verlauf abzuschätzen, ist das Exazerbationsrisiko wichtig. Die Frage ist nur, was wir in der Praxis damit anfangen. Meine persönliche Meinung ist, dass die Therapieentscheidungen wesentlich davon abhängen sollten, ob der Patient prädominant ein Emphysem oder eine Bronchitis hat. Aus meiner Sicht bietet sich – als Hypothese – die duale Bronchodilatation für Patienten mit ausgeprägterem Emphysem an, während Patienten mit deutlicher Hypersekretion eher von entzündungshemmenden Therapien profitieren dürften, wie auch die neuesten Daten zu Roflumilast nahelegen. In der Praxis ist es allerdings oft so, dass einfach alle Patienten alles bekommen – und das ist nicht gut.“ <br />Auch Prof. Rabe weist auf die hohe Bedeutung von körperlicher Aktivität hin. Diese erweist sich in Kohortenstudien als der beste Prädiktor der Sterblichkeit.<sup>9</sup> Dieser Umstand könnte in Zukunft in die Therapiealgorithmen einbezogen werden und ein starkes Argument für den Einsatz dualer Bronchodilatation darstellen. Eine weitere ungeklärte Frage ist die nach einer Verringerung der Mortalität. Prof. Rabe: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass COPD tötet, und unser wichtigstes Ziel besteht darin, hier gegenzusteuern.“ Bislang sei es allerdings nicht gelungen, mit den verfügbaren Therapien einen krankheitsmodifizierenden Effekt zu erzielen. Ob sich das nun mit der dualen Bronchodilatation ändern wird, ist noch unklar. Prof. Rabe verweist auf mehrere gegenwärtig laufende, große Studien, die den Einfluss der dualen Bronchodilatation auf das Exazerbationsrisiko untersuchen. Generell empfiehlt Prof. Rabe für die Zukunft, bei der Indikationsstellung zu COPD-Therapien über die GOLD-Definition der Erkrankung hinauszugehen und pathophysiologische Hintergründe stärker in die Entscheidungen einzubeziehen. Entsprechende Algorithmen sind zu definieren. Prof. Rabe: „Wir brauchen mehr Studien, die zeigen, dass wir die Leute durch konsequente Therapie wieder so weit fit machen können, dass sie sich mehr bewegen, und ich bin überzeugt, dass das dann auch Einfluss auf die Mortalität haben wird. Fünfzehn Minuten moderate Bewegung am Tag bedeuten bereits einen Unterschied.“</p> <h2>Als letzte Option: Reduktion des Lungenvolumens</h2> <p>Eine viel diskutierte Option für Patienten mit prädominantem Emphysem stellen Methoden zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion dar. Diese Verfahren zielen, so PD Dr. Arschang Valipour vom Ludwig-Boltzmann-Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie am Otto-Wagner-Spital in Wien, auf eine Verbesserung der Atemmechanik und der elastischen Rückstellkräfte sowie eine Redistribution der Ventilation in besser perfundierte Lungenareale ab. Auf diesem Wege sollen eine Reduktion der Atemnot und bessere Leistungsfähigkeit erreicht werden. Indiziert sind diese Therapien ausschließlich bei selektierten Patienten mit Lungenemphysem, bei denen eine optimierte, maximale konservative Therapie bereits ausgeschöpft worden ist. Die am besten untersuchte Methode ist die Ventiltherapie, bei der die Luftzufuhr zu einem emphysematösen Lungenlappen mit einem Ventil verschlossen wird, das lediglich die Exspiration erlaubt. Dies bewirkt eine Atelektase des behandelten Lungenlappens und folglich eine Reduktion des Lungenvolumens. Die Methode wurde in teilweise „sham“-kontrollierten Studien untersucht, wobei sich deutliche Verbesserungen der Lungenfunktion und der Leistungsfähigkeit zeigten.<sup>10, 11</sup> Doz. Valipour: „Das Schöne an dieser Technik ist, dass sie sowohl beim Oberlappen- als auch beim Unterlappen-betonten Emphysem funktioniert.“ Allerdings treten nicht selten Nebenwirkungen auf, wobei der Pneumothorax mit 20–25 % die häufigste ist. Auch COPD-Exazerbationen in den ersten drei Monaten nach dem Eingriff, Infektionen und/oder Sekretproblematik kommen vor. Weitere Methoden zur Volumenreduktion der Lunge basieren auf Spiralen aus Nitinol, die das Lungengewebe zusammenziehen (Coils), oder auf der thermischen Ablation von Lungengewebe mittels Dampf.</p></p>
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<p><strong>1</strong> <a href="http://goldcopd.org/gold-2017-global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd/" target="_blank">http://goldcopd.org/gold-2017-global-strategy-diagnosis-management-prevention-copd/</a> <strong>2</strong> Barnes PJ: Distribution of receptor targets in the lung. Proc Am Thorac Soc 2004; 1(4): 345-51 <strong>3</strong> Troosters T et al: Effect of 8 and 12 weeks’ once-daily tiotropium and olodaterol, alone and combined with exercise training, on exercise endurance during walking in patients with COPD. ERS 2016, Abstract PA976 <strong>4</strong> Sauer R et al: Impact of tiotropium + olodaterol on physical functioning in COPD: results of an open-label observational study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 891-8 <strong>5</strong> Buhl et al: Benefits of tiotropium + olodaterol over tiotropium at delaying clinically significant events in patients with COPD classified as GOLD B. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193: A6779 <strong>6</strong> Wedzicha JA et al: Indacaterol-glycopyrronium versus salmeterol-fluticasone for COPD. N Engl J Med 2016; 374(23): 2222-34 <strong>7</strong> Magnussen H et al: Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med 2014; 371(14): 1285-94 <strong>8</strong> Watz H et al: Blood eosinophil count and exacerbations in severe chronic obstructive pulmonary disease after withdrawal of inhaled corticosteroids: a post-hoc analysis of the WISDOM trial. Lancet Respir Med 2016; 4(5): 390-8 <strong>9</strong> Waschki B et al: Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140(2): 331-42 <strong>10</strong> Klooster K et al: Endobronchial valves for emphysema without interlobar collateral ventilation. N Engl J Med 2015; 373(24): 2325-35 <strong>11</strong> Davey C et al: Bronchoscopic lung volume reduction with endobronchial valves for patients with heterogeneous emphysema and intact interlobar fissures (the BeLieVeR-HIFi study): a randomised controlled trial. Lancet 2015; 386(9998): 1066-73</p>
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