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Lunge – Umwelt – Arbeitsmedizin

Dieselskandale gibt es mehrere – NO2 ist nicht unter den ersten drei

<p class="article-intro">Sind Stickoxide relativ harmlos? Ultrafeine Partikel (UFP) samt Beladung mit polyzyklischen Aromaten (PAK) und Metallabrieb aus dem Motor scheinen großteils für die epidemiologisch dem Stickstoffdioxid (NO<sub>2</sub>) zugeschriebenen Gesundheitsschäden verantwortlich zu sein.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die medial viel diskutierte Expositionsstudie von Prof. Kraus, Aachen, hat mit bislang einmaliger Genauigkeit gezeigt, dass beim Gesunden unterhalb von 3000&mu;g/m&sup3; NO<sub>2</sub> keine akuten Effekte auftreten. Die WHO spricht von Studien, die ab 1500&mu;g/m&sup3; leichte Effekte zeigen, andere finden bis 6000&mu;g/m&sup3; (Arbeitsplatzgrenzwert in der Schweiz) nichts. Bei Asthmatikern spricht die WHO von einem klaren &bdquo;lowest observed effect level&ldquo; (LOEL) von 400&ndash;500&mu;g/m&sup3;. Wie kommt es dann zu Jahresmittelwerten von 40&mu;g/m&sup3; und einem Einstundenmittel von 200&mu;g/ m&sup3;?<br /> Die Datenlage verdichtet sich, dass f&uuml;r die epidemiologisch dem Stickstoffdioxid (NO<sub>2</sub>) zugeschriebenen Gesundheitssch&auml;den der ultrafeine Partikel (UFP) samt Beladung mit polyzyklischen Aromaten (PAK) und Metallabrieb aus dem Motor verantwortlich zeichnet. Diese Verwechslung konnte nur deswegen geschehen, weil man glaubte, UFP w&uuml;rden mit PM<sub>2,5</sub> ausreichend erfasst. Dabei wurde allerdings der Fortschritt der Motorentechnik &uuml;bersehen &ndash; seit dem Jahr 2000 ist der Druck im Dieselmotor bis auf 4000bar (PKW) oder sogar 12 000bar (Lkw) gestiegen (lt. pers&ouml;nlicher Auskunft eines Entwicklers der Fa. Bosch). Die mit NO<sub>x</sub> korrelierenden ultrafeinen Partikel d&uuml;rften f&uuml;r 95 % der NO<sub>2</sub>-Sch&auml;den verantwortlich sein (Abb. 1). Der gestiegene Druck hat die Masse der Partikel extrem reduziert, die Anzahl nicht. Ein Euro-V-Lkw emittiert die gleiche Zahl, aber nur ein Zehntel der Masse eines Euro III, im Vergleich zu Euro I gar nur ein Drei&szlig;igstel. Das leichteste 1 % der Masse hat aber 80 % der &ndash; f&uuml;r die Gesundheit relevanten &ndash; Oberfl&auml;che. Wenn wir ein Partikel mit 5&mu;m (wird teils sogar bei PM<sub>2,5</sub> mit erfasst) aus einer Mischung mit 1 Mio. Partikeln mit 50nm (frisches Dieselabgas) entfernen, ist die Luft scheinbar um 50 % besser geworden, die Oberfl&auml;che ist immer noch 99 % . Eine weitere T&auml;uschung brachte die sinnvolle Entfernung des Schwefels aus dem Diesel: Der Sulfatmantel hat viel Wasser um den Partikel gebunden, nun sind wir um diesen harmlosen Teil &bdquo;besser&ldquo;. Das erkl&auml;rt auch Ger&uuml;chte, dass die Containerschiffe &bdquo;ja mehr emittieren als alle Dieselfahrzeuge zusammen&ldquo; &ndash; der hohe Schwefelanteil des Schiffsdiesels bringt einen h&ouml;heren Wassergehalt auf die &bdquo;PM<sub>10</sub>- Waage&ldquo;. F&uuml;r die Gesundheit gilt diese Aussage nicht. Aus dem schwarzen Ru&szlig; ist unsichtbarer, alle biologischen Barrieren durchdringender, ultrafeiner Partikel weit unter den Lichtwellenl&auml;ngen geworden.<br /> Ru&szlig;/&bdquo;black carbon&ldquo; ist ex aequo mit Methan als Klimatreiber anerkannt. Weil diese beiden viel schneller aus der Atmosph&auml;re verschwinden, haben 400 Wissenschaftler 2012 dazu aufgerufen, sich mehr auf sie als auf CO<sub>2</sub> zu konzentrieren.<br /> Mechanische Generierung (Abrieb etc.) bringt praktisch nur Partikel &uuml;ber 1000nm hervor, die h&auml;ufig auch nat&uuml;rlichen Ursprungs sind (Pollen, Erosion, salzhaltige Luft am Meer). Weil es sie schon vor dem Menschen gegeben hat, haben wir daf&uuml;r mehrere &bdquo;Filtermechanismen&ldquo;. Mundatmer haben daher ein deutlich h&ouml;heres Risiko f&uuml;r Staublunge, Vorgesch&auml;digte wie Raucher leiden st&auml;rker unter gr&ouml;beren Partikeln, wie sie mit PM<sub>10</sub> erfasst werden. Die sekund&auml;r durch Kondensation aus Ammoniak aus der Landwirtschaft oder aus Stickoxiden entstandenen Partikel sind weniger gef&auml;hrlich, da sie l&ouml;slich sind.<br /> 1000nm gilt zwar als alveoleng&auml;ngig, allerdings penetriert diese Gr&ouml;&szlig;e die Alveolarwand nicht. Unter 100nm geht der nun penetrierende Partikel auch durch Zellw&auml;nde und wurde bereits sogar in Gehirnen von Ungeborenen sowie Erwachsenen (&uuml;ber nasale Translokation wie Herpesviren via Bulbus olfactorius) gefunden. Kinder&auml;rzte haben Anfang 2018 davor gewarnt, dass die Partikel pr&auml;natal die Blut-Hirn-Schranke besch&auml;digen k&ouml;nnen; zahlreiche Folgesch&auml;den, vor allem im Sinn mentaler Beeintr&auml;chtigungen, werden bef&uuml;rchtet.<br /> Die Hauptlast stellt epidemiologisch, experimentell gesichert und biologisch plausibel, die Zunahme an Herzinfarkten und Schlaganf&auml;llen dar. Die kleinsten Partikelgr&ouml;&szlig;en f&uuml;hren &uuml;ber eine Erh&ouml;hung der Blutgerinnung und permanente Entz&uuml;ndung &ndash; unter anderem &uuml;ber oxidativen Stress &ndash; zu mehr thrombotischen Ereignissen. Damit wird eine Erh&ouml;hung der Sterblichkeit plausibel.</p> <h2>Die L&ouml;sung &ndash; Partikelfilter auch zur Nachr&uuml;stung</h2> <p>Selten ist eine Technik derart wirksam. Studien von AVL und der ETH Z&uuml;rich haben gezeigt, dass 99,99 % Reduktion Standard sind und manchmal im Abgas weniger Partikel zu finden sind als in der Ansaugluft. Beim Pkw wurde der Filter mit Euro V (2010) Pflicht, beim Lkw leider erst mit Euro VI (2014). Deutlich wird die Reduktion der Mutagenit&auml;t durch den Filter (PKW Euro V+VI; Abb. 2).<br /> Was macht die Politik? Diese Erkenntnisse haben in der Schweiz zu einer langj&auml;hrigen Diskussion, aber auch zielgerichtetem Handeln gef&uuml;hrt. Busse in &ouml;ffentlichem Interesse fahren nur dann von der Mineral&ouml;lsteuer befreit, wenn sie Filter haben &ndash; 95 % der Busse wurden nachger&uuml;stet bzw. sind Euro VI. Gr&ouml;&szlig;ere Baumaschinen m&uuml;ssen Partikelfilter haben &ndash; und die Funktion wird auf den Baustellen streng &uuml;berpr&uuml;ft. Selbst Schiffe und Dieselloks der Schweiz wurden nachger&uuml;stet. So kann unser Nachbar den PM<sub>2,5</sub>-Grenzwert von 12,5&mu;g/m&sup3; vermutlich bald einhalten, w&auml;hrend wir bei doppelt so hohen Grenzwerten &Uuml;berschreitungen verzeichnen m&uuml;ssen. Die WHO hat 2017 darauf hingewiesen, dass selbst ihr Grenzwertvorschlag von 10&mu;g/m&sup3; die Gesundheit nicht ausreichend sch&uuml;tzt. Israel wird ab 10/2018 Lkw ohne Filter bei den j&auml;hrlichen Kontrollen aus dem Verkehr ziehen, auch in anderen L&auml;ndern wurden insgesamt bereits bald zwei Millionen Partikelfilter nachger&uuml;stet.<br /> Die bei uns mangelnde Nachr&uuml;stung aller viel und noch lange im Betrieb stehenden Schwerfahrzeuge etc. f&uuml;hrt zu einem direkten Gesundheitsschaden von mindestens 10 Cent pro Liter und dem Doppelten durch Produktionsverlust in der Wirtschaft. Ein zweiter Aspekt ist beim Diesel besonders &auml;rgerlich: die steuerliche Beg&uuml;nstigung (in &Ouml;sterreich 8 Cent pro Liter). W&uuml;rden wir CO<sub>2</sub>-Steuern wie in Schweden oder British Columbia einf&uuml;hren (was den momentanen Klimaschaden von 80 Euro pro Tonne abbildet), m&uuml;ssten pro Liter Diesel 21 Cent zus&auml;tzlich abgef&uuml;hrt werden, da pro Liter 2,6kg CO<sub>2</sub> entstehen. Sehr langfristig wird mit bis zu 500 Euro Schaden pro Tonne CO<sub>2</sub> gerechnet.<br /> Weitere Dieselskandale sind die gr&ouml;&szlig;ere L&auml;rmerregung im Bereich von Wohnstra&szlig;en und der Zusatz von Palm&ouml;l, der in &Ouml;sterreich die Menge erreicht, die in Lebensmitteln verarbeitet wird. Palm&ouml;l ist das Fett mit dem geringsten Bodenverbrauch und kann nachhaltig gewonnen werden, auch wenn das in der Praxis heute noch selten erfolgt. F&uuml;r eine kaum sauberere Verbrennung in Motoren und Kraftwerken sind unsere Lebensmittel viel zu schade (von der Menge Mais, die eine Tankf&uuml;llung Ethanol ergibt, kann man ein Jahr lang leben) und zuk&uuml;nftig zu knapp.<br /> Ein weiterer Skandal sind die Zerst&ouml;rung von Partikelfiltern und der Einbau von sogenannten Emulatoren, die den Harnstoffverbrauch stark reduzieren und damit die Stickoxidbelastung vervielfachen. Den eingesparten Kosten steht ein Vielfaches an Sch&auml;den an der Allgemeinheit gegen&uuml;ber.<br /> Mit Benzin, Kerosin, Heiz&ouml;l und anderen &Ouml;lprodukten teilt Diesel auch die milit&auml;rischen Kosten. Der Gro&szlig;teil der au&szlig;erhalb der USA positionierten Streitkr&auml;fte ist in und um die &Ouml;llieferl&auml;nder stationiert, die USA importieren immer noch die H&auml;lfte ihres Bedarfes. Das soll zu Kosten von 10 bis 100 Cent pro Liter f&uuml;hren.<br /> Arbeitsmediziner sind gewohnt, Ratschl&auml;ge an Kosten-Nutzen-&Uuml;berlegungen auszurichten. In diesem Fall bedeutet das eine Nachr&uuml;stung intensiv genutzter Schwerfahrzeuge mit Filtern &ndash; evtl. durch eine Anpassung der Mineral&ouml;lsteuer auf Diesel finanziert. Die Elektromobilit&auml;t ist als Teil der Energiewende zu bejahen, der Schwerpunkt sollte zun&auml;chst auf Zweir&auml;dern liegen, da hier mit wenig Geld auch L&auml;rm eingespart werden kann.<br /> Nat&uuml;rlich wissen wir um die Bedeutung von Hausbrand und die Wichtigkeit von Alltagsbewegung. Pr&auml;vention kommuniziert jedoch dann besonders effektiv, wenn sie Bewusstseinsfenster nutzt wie die Dieseldiskussion, die derzeit an der Gesundheit vorbeigef&uuml;hrt wird.<br /> Eine Software, die niedrige Werte vort&auml;uscht, ist ein schwerer Betrug. Kaum ein Hersteller kann die NO<sub>2</sub>-Grenzwerte ohne teure Technik zur Stickstoffminimierung (selektive katalytische Reduktion, SCR) einhalten. Die Stickoxide sind problematisch wegen ihres Beitrags zur &Uuml;berd&uuml;ngung, zur Entstehung von Ozon in trockener Hitze, wie sie in kommenden hei&szlig;en, niederschlagsarmen Sommern wieder zum Problem werden k&ouml;nnte &ndash; besonders f&uuml;r Lungenkranke, die die Hitze schlecht vertragen. Aber die Deutsche Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) forderte auf ihrer Pressekonferenz am 7. M&auml;rz 2018 ein, sich dem gef&auml;hrlicheren Feinstaub zu widmen. Es ist Unsinn, viel Geld in die Reduktion eines gesundheitlich wenig relevanten Stoffes zu investieren, wenn hocheffizient der Hauptsch&auml;diger beseitigt werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1802_Weblinks_jatros_pneumo_1802_s38_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="1530" /></p></p>
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