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Die Spiroergometrie in der Pneumologie
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Thomas Sigrist
Chefarzt Pneumologie<br> Klinik Barmelweid AG<br> 5017 Barmelweid<br> E-Mail: thomas.sigrist@barmelweid.ch
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Die Spiroergometrie ist eine umfassende Untersuchung der körperlichen Leistungsfähigkeit und gilt als Goldstandard. Sie ermöglicht es, die für die Belastung limitierenden Faktoren zu beschreiben. Damit eignet sie sich in hervorragendem Masse, eine Dyspnoe abzuklären, Risiken abzuschätzen und therapeutische Interventionen zu planen und zu überprüfen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine unklare Dyspnoe sollte durch eine Spiroergometrie abgeklärt werden.</li> <li>Je nach Fragestellung ist die pneumologische, sportmedizinische oder kardiologische Betrachtungsweise sinnvoll. Dies beeinflusst die Durchführung und Auswertung.</li> <li>Die Gesamtbeurteilung beruht auf der Interpretation der Dynamik einzelner Messparameter während verschiedener Ruhe- und Belastungsphasen.</li> <li>Das Hauptaugenmerk bei der pneumologischen Beurteilung liegt auf dem Gasaustausch und der Ventilation.</li> </ul> </div> <p>Die Spiroergometrie ist eine ausgezeichnete Untersuchungsmethode, um die Patienten funktionell als Gesamtorganismus zu erfassen. Es werden komplexe physiologische Funktionen der Lungen- und Gewebeatmung anhand eines einzelnen Messverfahrens erhoben. Die Lunge, das kardiovaskuläre System und die Muskulatur spielen eine zentrale Rolle. Als Hauptparameter wird die Sauerstoffaufnahme (V'O<sub>2</sub>) herangezogen. Die Spiroergometrie erfasst mehrere Parameter: Herzfrequenz, Atemzugvolumen, Atemfrequenz und Atemgase werden in Beziehung zueinander, gegenüber der Zeit und der Leistung gestellt. Damit lässt sich eine Aussage über die Leistungsfähigkeit durch Erkennen der limitierenden Faktoren treffen. <br />Wesentlich bei der Befundung sind die Fragestellung, die Untersuchungsmodalitäten, die Patientenfaktoren und die Betrachtungsweise. Der Untersucher muss dafür die technischen Grundlagen ebenso wie die Patientenfaktoren berücksichtigen. So hat die Fragestellung beispielswiese einen Einfluss darauf, ob eine Blutgasanalyse durchgeführt wird oder nicht. Gilt es, bei einem gesunden Probanden die Frage nach der Trainingssteuerung zu beantworten, unterscheidet sich dies wesentlich von einer präoperativen Abklärung eines Patienten. Je nach körperlicher Konstitution kommen unterschiedliche Normwerte oder Berechnungsmodelle zum Tragen. <br />Im Folgenden wird auf die pneumologischen Aspekte bei der Fragestellung, der Durchführung und der Auswertung eingegangen. Bezüglich der weiteren, umfangreichen Themen wird auf die weiterführende Literatur verwiesen (physiologische Grundlagen, technische Ausrüstung, verschiedene Belastungsmodalitäten, Grundlagen der Auswertung inklusive Bestimmung der aeroben und anaeroben Bereiche, Normwerte). Als Standardwerke gelten im deutschsprachigen Raum das «Kursbuch Spiroergometrie» von Kroidl<sup>1</sup>, im englischsprachigen Raum die «Principles of Exercise Testing and Interpretation» von Wasserman<sup>2</sup>. Weiter kann die kürzlich erschienene ERS-Monografie «Clinical Exercise Testing» von Palange<sup>3</sup> empfohlen werden.</p> <h2>Pneumologische Fragestellung</h2> <p>Wie eingangs erwähnt, beeinflusst die Fragestellung die Untersuchungsmodalitäten. So muss zum Beispiel bei der Frage nach einer Gasaustauschstörung eine Blutgasanalyse durchgeführt werden. Die Fragestellung nach einer dynamischen Überblähung bedingt eine korrekte Messung der inspiratorischen Kapazität (IC). Bei der pulmonalen Rehabilitation steht die Frage nach der Gewichtung einzelner Störungen im Vordergrund. Dabei ist der Verlauf der verschiedenen Messparameter über die Belastungsphasen hinweg vordergründig, die maximale Leistung rückt in den Hintergrund. Die maximale Leistung wiederum ist bei der (präoperativen) Risikoabschätzung zentral. Eine korrekte Fragestellung ist somit Grundvoraussetzung für die Untersuchung. Die typischen pneumologischen Fragestellungen sind:</p> <ul> <li>die Frage nach einer möglichen Ursache für die Wahrnehmung von Atemnot («Dyspnoeabklärung»)</li> <li>die präoperative Abklärung vorwiegend bei grösseren thorakalen Eingriffen (Thorax- und Herzchirurgie)</li> <li>die Feststellung der Leistungsfähigkeit zur Trainingssteuerung sowie bei versicherungsrechtlichen Fragestellungen</li> <li>die Überprüfung einer medikamentösen und chirurgischen Therapie oder einer rehabilitativen Massnahme</li> </ul> <p>Bei der Therapieüberprüfung (Verlaufskontrolle) gilt es zu beachten, dass die Messmodalität jener der Voruntersuchung entspricht. Zwar ist es möglich, Fahrradund Laufbandtests zu vergleichen; bei unterschiedlicher Testanordnung muss aber in Kauf genommen werden, dass dadurch die Verlaufsmessung an Aussagekraft verliert.</p> <h2>Durchführung</h2> <p>Bei der pneumologischen Untersuchung werden die üblichen spiroergometrischen Messmethoden durch eine Blutgasanalyse und die Messung der Atemlage ergänzt. Blutgasanalyse (BGA) Die BGA ist notwendig, um unter anderem die alveolär-arterielle O<sub>2</sub>-Differenz und den Totraum zu bestimmen. Sie muss zu einem adäquaten Zeitpunkt durchgeführt werden und orientiert sich an der Fragestellung. In der Regel ist die Entnahme in Ruhe und unter maximaler Belastung im Rahmen eines Rampenprotokolls genügend. Serielle Messungen bringen keinen wesentlichen Zusatznutzen. Der zusätzliche Vorteil ist, dass neben der Bestimmung des O<sub>2</sub>-Wertes die Ventilation mit einer Messung des CO<sub>2</sub> bestimmt wird und dies in Beziehung zu den endexspiratorischen Atemgasen gesetzt werden kann (vgl. unten). Ein erhöhter Gradient der Atemgase deutet auf eine pulmonale Limitierung hin. Ob eine (am hyperämisierten Ohrläppchen) arterialisierte oder arterielle Blutgasanalyse erfolgt, wird häufig durch die vorhandene Infrastruktur vorgegeben (Laborgeräte, Entnahmeutensilien). Diese kann sich je nach Einrichtung (Praxis, Spital) unterscheiden. Für die Beurteilung ist dies nicht relevant.</p> <p><strong>Messung der inspiratorischen Kapazität (IC)</strong><br />Die physiologische Reaktion auf den vermehrten O<sub>2</sub>-Bedarf unter Belastung ist unter anderem eine Erhöhung des Atemminutenvolumens (V'E). Dies wird zunächst durch eine Zunahme der Atemzugtiefe gefolgt von einer Zunahme der Atemfrequenz erreicht. Die Zunahme der Atemzugtiefe führt beim Gesunden zu einem Tiefertreten der Atemlage in Richtung Residualvolumen. Die Atemlage kann durch unterschiedliche Messmethoden bestimmt werden. Diese wird mittels Ganzkörperplethysmografie durch die Messung des Verschlussdruckes bestimmt und entspricht der funktionellen Residualkapazität (FRC), welche mit einer Volumenangabe (in der Regel Liter) angegeben wird. Hierfür bedarf es einer geschlossenen Kabine. Diese Möglichkeit fällt bei der Spiroergometrie weg. Um die Atemlage dennoch bestimmen zu können, wird die IC gemessen. Die IC ist das Volumen ausgehend von einer normalen Ausatmung bis hin zur maximalen Inspiration. Das bedeutet, dass durch Subtraktion der IC von der totalen Lungenkapazität (TLC) die Atemlage ermittelt werden kann. Aufgrund der zur Plethysmografie unterschiedlichen Messmethodik wird diese in der Regel als endexspiratorisches Lungenvolumen (EELV) angegeben. Es ist offensichtlich, dass zur Bestimmung des EELV zunächst die TLC erhoben werden muss. Die TLC wiederum wird durch die Ganzkörperplethysmografie bestimmt und kann übertragen werden. In diesem Falle kann das EELV ebenfalls in Liter angegeben werden. Wird zuvor lediglich die Vitalkapazität (VC) bestimmt (unmittelbar vor der Untersuchung mithilfe eines integrierten Spirometers mittels forcierter oder langsamer Spirometrie), wird das EELV im Verhältnis zur VC angegeben (sinkend, gleichbleibend, steigend). Das bedeutet, das EELV sollte beim Gesunden bei zunehmender Belastung im Verhältnis zur VC (als indirekte Funktion der zunehmenden IC) sinken. Der Umstand, dass das EELV nicht stets in einer absoluten Literanzahl angegeben werden kann, führt im Alltag öfters zu Unsicherheiten. Für die Aussage einer allfälligen Überblähung ist dies jedoch irrelevant (Abb. 1). Bei der Frage nach einer dynamischen Überblähung sollte die Bestimmung der EELV in Ruhe und in regelmässigen Abständen während der Belastungsphase erfolgen (z. B. in Abständen von zwei Minuten). Dabei wird der Proband angewiesen, nach einer normalen Exspiration (also nach einer normalen exspiratorischen Atemexkursion) maximal tief einzuatmen, womit die IC bestimmt wird. Eine forcierte Exspiration im Sinne der forcierten Spirometrie ist nicht notwendig. Zudem führt eine forcierte Spirometrie während der Belastungsphase häufig zu Unterbrechungen der Trittfrequenz bis hin zum Abbruch der Belastung. Aus diesem Grund ist die forcierte Spirometrie bei der Spiroergometrie zumindest kritisch zu beurteilen (sowohl was die Durchführung als auch was die Interpretation betrifft).</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_lo_innere_1902_s24_abb1_sigrist.jpg" alt="" width="800" height="466" /></p> <h2>Auswertung im Hinblick auf die pneumologischen Fragestellungen</h2> <p>Die Spiroergometrie ergibt sehr viele Messparameter über eine Zeitspanne mit Ruhe-, Belastungs- und Erholungsphase. Die Auswertung soll sich infolgedessen nicht nur auf die Beurteilung zu einzelnen Zeitpunkten wie beispielsweise zum Zeitpunkt VT1 (Ventilatory Threshold 1) oder bei maximaler Leistung beschränken, sondern eine Beurteilung der gesamten Dynamik während der verschiedenen Aufzeichnungsphasen umfassen. Für die Beurteilung zu einem bestimmten Zeitpunkt eignen sich einzelne Zahlenwerte. Die Dynamik kann am besten bei der Betrachtung der verschiedenen Grafiken vorgenommen werden. Hier hat sich die grafische Darstellung nach Wasserman bewährt. Sie wird in neun teilweise etwas modifizierten Feldern ausgewiesen. Wie die Anordnung der einzelnen Felder auf dem Untersuchungsrapport vorgenommen wird, ist dem Untersucher überlassen (die Inhalte der verschiedenen Grafiken und damit die Aussage der Felder selbst ändert sich hierdurch nicht). Die ventilatorischen Parameter sind in den Feldern 1, 4 und 7 abgebildet. Dort lässt sich die maximale Ventilation (V'E<sub>max</sub>) ebenso wie auf dem Datenblatt ablesen. Die V'E<sub>max</sub> wird auf den individuellen Sollwert (FEV<sub>1</sub>x35, entspricht der MVV) und auch auf den Sollwert der gesunden Population bezogen. Bei Gesunden werden die ventilatorischen Reserven nicht ausgeschöpft («breathing reserve», BR = MVVV'E). Sie wird mit Werten von 20–30 % oder absolut 15 l*min<sup>–1</sup> als normal gewertet. Bei der Betrachtung der Inspirationsund Exspirationszeit gilt ein Verhältnis von 40 % zu 60 % als normal. In der Spiroergometrie wird das Verhältnis als Inspirationszeit in Bezug zur Gesamtzeit pro Atemzug angegeben, also Ti/Ttot (normal 40 %). Obstruktive Störungen äussern sich durch einen Abfall auf ca. 30 %, restriktive Störungen durch eine Zunahme auf ca. 50 %.<br />Wenn man die Atemgase in Beziehung zum V'E setzt, so widerspiegeln diese Atemäquivalente die Effizienz der Atmung (wie viel V'E wird benötigt, um 1 l O<sub>2</sub> aufzunehmen bzw. CO<sub>2</sub> abzugeben). Da sich die Atemeffizienz über die verschiedenen Belastungsphasen ändert, werden die Zahlenwerte zum Zeitpunkt der effizientesten Atmung gewertet (tiefster Punkt der Grafen, häufig im Bereich VT1; vgl. auch Feld 6). Bei Gesunden liegt dieser Bereich bei 25 (± 3). Werte > 35 sind sicher pathologisch. Pathologische Werte weisen sehr sensibel auf eine (spirometrisch bestimmte) Ventilationsstörung, eine Perfusions-/ Ventilationsstörung oder eine funktionelle Störung hin, ohne dass dies als spezifisch für eine Krankheit gewertet werden kann.<br />Die Differenz der Atemgase zwischen Alveolarluft und arteriellem Blut liefert wichtige Hinweise für eine Gasaustauschstörung oder eine vermehrte Totraumventilation. Ersteres wird durch die alveolär- arterielle O<sub>2</sub>-Differenz ausgewiesen. Ein Wert von maximal 20 mmHg in Ruhe und 30 mmHg unter Belastung gelten als normal. Eine Differenz von > 35 mmHg unter Belastung ist sicher pathologisch und dokumentiert eine Gasaustauschstörung. Die arterio-alveoläre CO<sub>2</sub>-Differenz sollte nahe 0 mmHg sein. Eine Differenz von > 5 mmHg weist auf eine vermehrte Totraumventilation hin. Beim Totraum werden ein anatomischer und ein funktioneller Teil unterschieden. Der anatomische Totraum entspricht den oberen und unteren Atemwegen. Er ändert sich ebenso mit der Atemfrequenz wie der funktionelle Totraum. Letzterer resultiert aus diversen Krankheitsprozessen, welche zu einer Verteilungsstörung führen. Die Totraumventilation sollte 20–25 % der Gesamtventilation nicht überschreiten.<br />Die wesentlichen pneumologischen Felder sind im Folgenden beschrieben (gemäss klassischer Bezeichnung der Wasserman- Grafiken). Es sei erwähnt, dass zur vollständigen Befundung alle 9 Felder berücksichtigt werden müssen.<br />Im Feld 4 wird das V'E gegenüber der V'CO<sub>2</sub> aufgetragen (Abb. 2). Der schraffierte Korridor zeigt den Normalbefund. Messwerte oberhalb lassen eine Mehrventilation erkennen (Hyperventilation), darunterliegende Werte weisen entsprechend auf eine Minderventilation (Hypoventilation) hin. Da der Begriff «Hyperventilation» nach allgemeinem Sprachgebrauch eine übermässige Ventilation in Bezug auf die Stoffwechselbedürfnisse beschreibt (psychische Hyperventilation), sollten in der Spiroergometrie die Begriffe der Mehrund Minderventilation verwendet werden. Eine Mehrventilation kann folglich auf einen pathologischen Prozess hindeuten (vorwiegend im kardiozirkulatorischen Bereich, wie z. B. pulmonale Hypertonie, bei Perfusions-Ventilations-Missverhältnissen, Gasaustauschstörungen) oder auf eine Hyperventilation psychischer Genese (welche mithilfe der Blutgasanalyse problemlos von Ersterem unterschieden werden kann). Die Mehrventilation kommt in der Steigung der Kurve zum Ausdruck («slope»). Eine flache Steigung wird bei Störungen der Atempumpe beobachtet (z. B. neurodegenerative und muskuläre Erkrankungen, alveoläre Hypoventilation anderer Ursache). Im Weiteren kommt hier der Begriff des «Intercept» (Schnittpunkt) zur Anwendung. Er beschreibt den Schnittpunkt der Tangente mit der y-Achse. Liegt dieser oberhalb des Nullpunktes (hoher Intercept), so widerspiegelt dies die erhöhten Werte für EqCO<sub>2</sub> (in der Regel vermehrte Totraumventilation). Damit kann die Kurve in Feld 4 eine steile oder flache Steigung und zusätzlich eine parallele Verschiebung aufweisen.<br />Das Feld 6 widerspiegelt in Bezug auf das CO<sub>2</sub> dieselben Zusammenhänge wie das zuvor Besprochene (Abb. 3). Es werden hierbei das V'E und V'CO<sub>2</sub> zum Atemäquivalent zusammengefasst (EqCO<sub>2</sub> = V'E/V'CO<sub>2</sub>) und dies gegenüber der Zeit aufgetragen. Analog wird die V'O2 in Beziehung zur V'E gegenüber der Zeit aufgetragen. Der Verlauf ist durch eine zunehmende Effizienz der Atmung (EqO<sub>2</sub> wie auch EqCO<sub>2</sub>) von der Ruhe- zur Belastungsphase gekennzeichnet (abfallende Kurve), welches sich mit einer ineffizienteren Atmung bezogen auf den O<sub>2</sub> (VT1) beziehungsweise das CO<sub>2</sub> (VT2) gegen Ende der Belastung ändert (erneuter Anstieg der Grafen und damit muldenförmiger Verlauf). Damit lassen sich die Vorgänge der Atemeffizienz in diesem Feld besser als im Feld 4 erkennen. Der tiefste Punkt sollte wie oben erwähnt < 25 ± 3 betragen.<br />Im Feld 7 wird das exspiratorische Atemzugvolumen (VTex) gegenüber dem V'E aufgetragen (Abb. 4). Hier zeigt sich die Veränderung des V'E über die Belastungsphase wie eingangs beschrieben: Zunächst wird das V'E durch Vergrösserung der VTex gesteigert und erst wenn dies nicht mehr möglich beziehungsweise nicht effizient ist, wird die Atemfrequenz gesteigert. VTex wird bis etwa 60 % der Vitalkapazität gesteigert, die Atemfrequenz in der Regel bis 50 min<sup>–1</sup>. Diesem Umstand wird Rechnung getragen, indem man von einem Ventilationsmuster spricht. Um dies in der Grafik besser zu erkennen, werden zwei Hilfslinien zur Verfügung gestellt. Die obere Linie (Isoplethe als Linie gleicher Zahlenwerte) entspricht einer Atemfrequenz von 20 min<sup>–1</sup>, die untere von 50 min<sup>–1</sup>. Zur Beurteilung wird der Kurvenverlauf betrachtet. Wenn sich das V'E mehrheitlich nur durch Steigerung der VTex erreichen lässt, spricht man von einem obstruktiven Ventilationsmuster, wenn es sich mehrheitlich nur durch Steigerung der Atemfrequenz erreichen lässt, von einem restriktiven Muster. Bei Letzterer liegen die Messwerte im Bereich der 50er-Isoplethe, beim obstruktiven Muster bei der 20er-Isoplethe. Diese Muster sind streng von den plethysmografischen und spirometrischen Befunden einer obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörung zu unterscheiden (z. B. kann ein Patient mit COPD durchaus ein normales Atemmuster aufweisen). Die im Feld 9 gezeigten Partialdrücke von O2 und CO2 am Ende der Exspiration (PET O2, PET CO2) werden über die Zeit aufgetragen (Abb. 5). PET O<sub>2</sub> und PET CO<sub>2</sub> verlaufen gegenläufig. Zunächst wird bis zur VT1 das PET CO<sub>2</sub> zunehmen, dann konstant verlaufen, um nach VT<sub>2</sub> wieder abzufallen. Dies widerspiegelt den CO2-Anfall während der aeroben Phase mit einer respiratorischen Kompensation der Laktatazidose gegen Ende der Belastung und damit dem Abfall des PET CO2. Falls eine Blutgasanalyse erfolgt, können die einzelnen Werte nachträglich in die Grafik übertragen werden. Hierdurch lassen sich die Differenzen der Atemgase zwischen Alveolarluft und arteriellem Blut grafisch erkennen (vgl. Zahlenwerte oben).</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_lo_innere_1902_s25_abb2_sigrist.jpg" alt="" width="350" height="530" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_lo_innere_1902_s25_abb3_sigrist.jpg" alt="" width="350" height="491" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_lo_innere_1902_s25_abb4_sigrist.jpg" alt="" width="350" height="447" /></p> <h2>Zusammenfassende Beurteilung</h2> <p>Zur pneumologischen Gesamtbeurteilung ist es wichtig, die einzelnen Felder, die Blutgasanalyse und die EELV-Analyse zu berücksichtigen. Die Erkenntnisse werden nun durch das Zusammenfügen der einzelnen Parameter gewonnen und so krankhafte Veränderungen durch eine ventilatorische Störung, eine Gasaustauschstörung oder eine Ventilations-Perfusions-Störung erfasst. Ebenso können kombinierte Störungen differenziert werden. Der Befund lässt in weiterer Folge Rückschlüsse über die pathophysiologischen Veränderungen zu. Diese wiederum werden im klinischen Kontext mit der Katamnese und weiteren Befunden einem oder mehreren Krankheitsbildern zugeordnet. Zum besseren Verständnis soll ein Beispiel geschildert werden:<br /> Bei einer führend ventilatorischen Limitierung wird sich ein obstruktives Atemmuster im Feld 7, ein fehlendes Absinken des EELV (dynamische Überblähung) mit eventuell sogar Anstieg des CO<sub>2</sub>-Partialdruckes in der BGA abzeichnen (am Ende der Belastung ventilatorische Insuffizienz bei Annahme einer schweren COPD; siehe auch Abb. 5). Im Feld 4 würde dies durch einen erhöhten Intercept die vermehrte Totraumventilation erkennen lassen, wobei bei einer steilen Steigung der Kurve zusätzlich eine pulmonalzirkulatorische Komponente angenommen werden müsste (schwere COPD mit pulmonaler Hypertonie). Diese Veränderungen werden in Feld 6 deutlich (erhöhte Lage der Kurven mit fehlendem Absinken der Atemäquivalente unter Belastung). Im genannten Beispiel würde sich dies in Feld 9 nicht charakteristisch in der Kinetik oder dem a-A-CO<sub>2</sub>D erkennen lassen, da hier die Summe der Ventilations- und der Perfusionsstörung sowie des Ventilations-Perfusions-Mismatches bei der Kurve PET CO<sub>2</sub> zum Tragen käme. Durch das Verständnis der einzelnen Felder ist es folglich auch möglich, bei kardiovaskulären oder anderen Komorbiditäten das Ausmass der pulmonalen Anteile abzuschätzen (beispielsweise zusätzliche Betablocker-Therapie, welche in den Feldern 2 und 5 erkennbar wäre).<br /> Offensichtlich ist die Spiroergometrie ein hervorragendes Instrument, um komplexe Situationen wie Dyspnoe oder Polymorbidität zu beurteilen. Alle Eventualitäten und Kombinationen können weder im vorliegenden Artikel noch in der Literatur beschrieben werden. Der Untersucher kommt deshalb nicht umhin, sich vertieft mit allen Aspekten der Spiroergometrie auseinanderzusetzen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1902_Weblinks_lo_innere_1902_s26_abb5_sigrist.jpg" alt="" width="350" height="528" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Kroidl F et al.: Kursbuch Spiroergometrie. Technik und Befundung verständlich gemacht. 3. Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2015 <strong>2</strong> Wasserman K et al.: Principles of Exercise Testing and Interpretation. Including Pathophysiology and Clinical Applications. Fifth edition. Lippincott Williams and Wilkins Verlag, Philadelphia, 2011 <strong>3</strong> Palange P et al.: Clinical Exercise Testing. ERS monograph. Published by European Respiratory Society, 2018</p> <p><span style="text-decoration: underline;"><strong>Abkürzungen</strong></span></p> <table> <tbody> <tr> <td style="text-align: left;">BGA</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Blutgasanalyse</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">CO<sub>2</sub></td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Kohlendioxid</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">EELV</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">End-exspiratorisches Lungen-Volumen</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">EqCO<sub>2</sub></td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Atemäquivalent für Kohlendioxid</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">EqO<sub>2</sub></td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Atemäquivalent für Sauerstoff</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">FRC</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Funktionelle Residualkapazität</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">IC</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Inspiratorische Kapazität</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">MMV</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Maximal Voluntary Ventilation</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">O2</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Sauerstoff</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">PET</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Partialdruck End Tidal</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">TLC</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Totale Lungenkapazität</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">VC</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Vitalkapazität</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">V'CO<sub>2</sub></td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Kohlendioxidabgabe</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">V'E</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Atemminutenvolumen</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">V'O<sub>2</sub></td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Sauerstoffaufnahme</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left;">VT</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Ventilatory Threshold</td> </tr> <tr> <td style="text-align: left; vertical-align: top;">VTex</td> <td style="text-align: left;"> </td> <td style="text-align: left;">Exspiratorisches Atemzugvolumen<br />(Tidalvolumen)</td> </tr> </tbody> </table>
</div>
</p>
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