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Selbstmanagement bei COPD

Der Patient als Experte seiner chronischen Erkrankung

<p class="article-intro">Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Patienten vom Arzt therapiert wurden, gilt es mit der wachsenden Zahl von Patienten mit einer oder mehreren chronischen Erkrankungen, diese zu schulen, um als aktive Partner eine bestmögliche Krankheitsbewältigung zu erwirken. Dem Patienten soll Wissen vermittelt, aber auch ein neues Bewältigungsverhalten ermöglicht werden: der Patient als „Fachmann für die Auswirkungen der chronischen Erkrankung auf sein Leben“.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Patientenschulung</h2> <p>Unter therapeutischer Patientenschulung versteht man den Einsatz von wissenschaftlich &uuml;berpr&uuml;ften Schulungsprogrammen, die sich durch ein strukturiertes Vorgehen und Ma&szlig;nahmen auszeichnen, die chronisch Kranke in die Lage versetzen, ihre Krankheit und damit verbundene Belastungen eigenst&auml;ndiger und eigenverantwortlicher zu bew&auml;ltigen und zu managen. Therapeutische Patientenschulung bedeutet also nicht einfache Wissensvermittlung, sondern ist ein Prozess, in dem es vor allem um das auf die Einzelperson abgestimmte Aneignen von F&auml;higkeiten geht, die Selbstkontrolle und das Selbstmanagement im Rahmen einer chronischen Erkrankung erm&ouml;glichen. Es handelt sich um eine Schulung, die von &Auml;rzten und Fachpersonen, welche in der &bdquo;Schulung von Patienten&ldquo; ausgebildet sind, durchgef&uuml;hrt wird.<sup>1, 2</sup></p> <h2>Definition &bdquo;Selbstmanagement&ldquo;</h2> <p>Als Selbstmanagement wird die F&auml;higkeit bezeichnet, nicht nur mit den Symptomen und der Behandlung umgehen zu k&ouml;nnen, sondern auch mit den k&ouml;rperlichen und psychosozialen Folgen sowie den Auswirkungen auf die Lebensf&uuml;hrung. Der Erfolg eines Schulungsprogramms h&auml;ngt von der Lernf&auml;higkeit, der Motivation und der Selbstkompetenz des Patienten ab.</p> <h2>Selbstkompetenz (&bdquo;self-efficacy&ldquo;)</h2> <p>J. Bourbeau definiert Selbstkompetenz als pers&ouml;nlichen Glauben an und Zuversicht in die eigene F&auml;higkeit, die f&uuml;r spezielle Situationen notwendigen Ma&szlig;nahmen umsetzen zu k&ouml;nnen.<sup>3</sup></p> <h2>Selbstmanagement bei COPD</h2> <p>Bis 2015 gab es keine universell akzeptierte Definition von Selbstmanagement und der Begriff wurde in Publikationen teilweise sehr locker verwendet. H&auml;ufig war damit Schulung (&bdquo;education&ldquo;) in Form von Informationsweitergabe gemeint. Information allein beeinflusst aber das Verhalten der Patienten nicht.<sup>4</sup></p> <p>Im Mai 2014 startete eine Gruppe mit insgesamt 29 namhaften Experten f&uuml;r COPD ein Projekt zur Definition von Selbstmanagement mittels des Delphi- Verfahrens. Dabei wurden Grundvoraussetzungen erhoben und eine theoretische, allgemein g&uuml;ltige Definition daf&uuml;r erzielt, was eine COPD-Selbstmanagement-Intervention ist:<sup>5</sup></p> <p>Die Intervention soll strukturiert, aber personalisiert sein und aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen. Es gilt, Patienten zu motivieren, ihr Engagement zu f&ouml;rdern und sie zu unterst&uuml;tzen, ihre Verhaltensweise positiv zu ver&auml;ndern und F&auml;higkeiten zu entwickeln, um mit ihrer Erkrankung besser umgehen zu k&ouml;nnen.</p> <p>Oberste Ziele des Selbstmanagements:</p> <ul> <li>Optimieren und Erhalten der k&ouml;rperlichen Gesundheit;</li> <li>Reduktion der Symptome und funktionellen Beeintr&auml;chtigungen im t&auml;glichen Leben mit Steigerung des psychischen und sozialen Wohlbefindens sowie der Lebensqualit&auml;t;</li> <li>Etablieren von Partnerschaften (Allianzen) mit Familie, Freunden, Gesellschaft. Die patientenzentrierten Ma&szlig;nahmen sollen auf folgende Themen fokussiert sein:</li> <li>Identifikation von Bed&uuml;rfnissen, Gesundheitsglaube, F&ouml;rdern der intrinsischen Motivation;</li> <li>Festlegen pers&ouml;nlicher Ziele;</li> <li>Formulieren geeigneter Strategien (z.B. Exazerbationsmanagement), um diese Ziele zu erreichen. Auch gilt es, diese Strategien zu &uuml;berpr&uuml;fen und erforderlichenfalls zu adaptieren (Tab. 1).</li> <li>Zur Erh&ouml;hung der Motivation, des Selbstvertrauens und der Selbstkompetenz sollen verhaltenstherapeutische Interventionen angewendet werden.</li> <li>Diese Strategien werden allerdings nur dann umgesetzt, wenn sich der Betroffene dazu in der Lage sieht und auch ein Benefit f&uuml;r ihn zu erwarten ist. Die daf&uuml;r erforderlichen Kompetenzen (&bdquo;skills&ldquo;) sind in Tabelle 2 aufgelistet (nach Lorig KR<sup>6</sup>).</li> </ul> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s24_tab1+2.jpg" alt="" width="1419" height="1261" /></h2> <h2>COPD-Selbstmanagement: Was bringt es?</h2> <p>Im M&auml;rz 2014 wurde das zweite Update des Cochrane Reviews &bdquo;Self management for patients with chronic obstructive pulmonary disease&ldquo; publiziert.7 Die Ergebnisse zeigen, dass Selbstmanagement sowohl zu einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualit&auml;t als auch zu einer Verringerung der Spitalsaufnahmen aufgrund von Atemwegsproblemen gef&uuml;hrt hat (Tab. 3).</p> <p>Verschiedene Schulungsmodelle:</p> <ul> <li>COBRA &ndash; ambulantes Schulungsprogramm f&uuml;r Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis mit und ohne Emphysem (Deutsche Atemwegsliga)<sup>9</sup></li> <li>Patientenschulung COPD: &bdquo;Chronische Bronchitis und Lungenemphysem nach dem Bad Reichenhaller Modell&ldquo;<sup>10</sup></li> <li>Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement: &bdquo;Ein Leitfaden f&uuml;r das Projekt Leben mit einer Langzeiterkrankung LEILA der st&auml;dtischen Gesundheitsdienste der Stadt Z&uuml;rich&ldquo;<sup>1</sup></li> <li>Schulungsmodell f&uuml;r chronische Bronchitis und Emphysem der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Pneumologie</li> <li>&bdquo;Living well with COPD&ldquo;: Das Programm beruht auf einer erfolgreichen &ouml;ffentlich-privaten Partnerschaft zwischen dem Montreal Chest Institute der McGill University Health Centre, dem Fonds de la recherche en sant&eacute; du Qu&eacute;bec, dem Respiratory Health Network, Boehringer Ingelheim Kanada, Pfizer Kanada, GlaxoSmithKline, Zeneca, Novartis und der kanadischen Lung Association.</li> </ul> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s26_tab3.jpg" alt="" width="2151" height="1224" /></h2> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Wirksames Selbstmanagement zielt darauf ab, Verantwortung f&uuml;r die eigene Gesundheit zu &uuml;bernehmen. Es umfasst die F&auml;higkeit, den eigenen Zustand zu &uuml;berwachen und die kognitiven, verhaltenstechnischen und emotionalen Reaktionen, die f&uuml;r die Aufrechterhaltung einer zufriedenstellenden Lebensqualit&auml;t n&ouml;tig sind, zu bewirken.<sup>2</sup> Es f&uuml;hrt sowohl zur Verbesserung der Lebensqualit&auml;t als auch zur Reduktion von Spitalsaufenthalten.<sup>7</sup> Allerdings gilt es auch zu ber&uuml;cksichtigen, dass aufgrund des n&ouml;tigen Ausma&szlig;es an Gesundheitskompetenz nicht jeder Patient in der Lage ist, gesundheitsrelevante Entscheidungen zu treffen, beziehungsweise nicht jeder Patient dies auch m&ouml;chte. Auch wenn sich ein Patient dazu entscheidet, kein gesundheitsf&ouml;rderndes Verhalten anzunehmen, ist dies eine Form des Umganges mit der Erkrankung.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Steuer-Stey C: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement: Ein Leitfaden f&uuml;r das Projekt Leben mit einer Langzeiterkrankung &bdquo;LEILA&ldquo; der st&auml;dtischen Gesundheitsdienste der Stadt Z&uuml;rich. Universit&auml;t Z&uuml;rich: Z&uuml;rich 2010 <strong>2</strong> Barlow J et al: Self-management approaches for people with chronic conditions: a review. Patient Educ Couns 2002; 48: 177-87 <strong>3</strong> Bourbeau J, Nault D: Self-management strategies in chronic obstructive pulmonary disease. Clin Chest Med 2007; 28(3): 617-28 <strong>4</strong> Kaptein AA et al: Self-management in patients with COPD: theoretical context, content, outcomes, and integration into clinical care. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2014; 9: 907-17 <strong>5</strong> Effing TW et al: Definition of a COPD self-management intervention. International expert group consensus. Eur Respir J 2016; 48(1): 46-54 <strong>6</strong> Lorig KR, Holman H: Self-management education: history, definition, outcomes, and mechanisms. Ann Behav Med; 26(1): 1-7 <strong>7</strong> Zwerink M et al: Self management for patients with chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2014; (3): CD002990 <strong>8</strong> Jonkman NH et al: Do self-management interventions in COPD patients work and which patients benefit most? Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 2063-74 <strong>9</strong> Worth H, Dhein Y: Does patient education modify behaviour in the management of COPD? Patient Educ Couns 2004; 52(3): 267-70 <strong>10</strong> Wittmann M et al: [Patient education in COPD during inpatient rehabilitation improves quality of life and morbidity]. [Article in German]. Pneumologie 2007; 61: 636-42</p> </div> </p>
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