
Das Potenzial von Routineanalysen des mikrobiellen CF-Atemwegsmetagenoms
Autoren:
Marie-Madlen Pust, MSc
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Burkhard Tümmler
Klinik für pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie
Medizinische Hochschule Hannover
E-Mail: pust.marie-madlen@mh-hannover.de
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Bakterielle Pathogene spielen bei der Besiedlung der Atemwege eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Eine stark reduzierte bakterielle Diversität bei gleichzeitig erhöhter Präsenz eines oder mehrerer Pathogene gilt als typisch für das CF-Lungenmikrobiom. Routinemässige Atemwegsmetagenomanalysen sowie die Festlegung von Grenzwerten könnten bei CF-Patienten erheblich zum Behandlungserfolg beitragen.
Obwohl die Mukoviszidose (bzw. cystische Fibrose, CF) eine Multisystemerkrankung ist, lassen sich die erhöhte Morbidität und vorzeitige Mortalität der Patienten primär durch chronische Infektionen und Entzündungen der unteren Atemwege erklären. Die bakteriellen Pathogene und ihre Antibiotikaresistenzdeterminanten werden routinemässig über kulturabhängige Verfahren bestimmt. Da zwischen Probenahme und Diagnostik oftmals 48–72 Stunden liegen, kann sich der Therapiebeginn mit erregerspezifischen Antibiotika verzögern.1 Währenddessen destabilisiert die empirische Breitbandantibiotikatherapie unter Umständen das gesamte Lungenmikrobiom und begünstigt ein konkurrenzloses Wachstum von resistenten Keimen.2 Ausserdem muss die Bakterienlast des Erregers mindestens 103–105KbE/ml betragen, damit dieser erfolgreich im Kulturmedium der Mikrobiologie anwächst.1 Das Auftreten dieses Lungenmikrobiommusters mit stark reduzierter Bakteriendiversität und der erhöhten Präsenz einer oder mehrerer Pathogene wurde in der Literatur als CF-typisch und als irreversible Mikrobiomsignatur im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf beschrieben.3
Die Atemwegsmetagenomik
In der Atemwegsmetagenomik wird die gesamte in der Patientenprobe befindliche humane und mikrobielle Erbsubstanz isoliert und sequenziert, z.B. aus dem tiefen Rachenabstrich, der bronchoalveolären Lavage oder dem induzierten Sputum. Die DNS-Fragmente werden daraufhin gegen eine Datenbank kartiert, welche die Referenzsequenzen der humanen Chromosomen, Bakterien, DNS-Viren, Phagen und Pilzen enthält. Mit dem Verfahren der sensitiven Hochdurchsatzsequenzierung können innerhalb weniger Stunden Mikroorganismen aus einer einzigen Patientenprobe taxonomisch bestimmt werden.1, 3, 4 Es ist zusätzlich möglich, die Virulenz- und Antibiotikaresistenz-assoziierten Gene der Mikroorganismen in der Patientenprobe zu analysieren.1, 5
Im Rahmen einer kürzlich durchgeführten longitudinalen Atemwegsmetagenomstudie konnten wir zeigen, dass geringe DNS-Mengen des CF-Erregers Pseudomonas aeruginosa in den unteren Atemwegen von Neugeborenen und Kleinkindern mit CF vorhanden sein können, bevor der Erreger in der Kultur nachweisbar ist. Dabei waren die folgenden drei P.-aeruginosa-Erscheinungsmuster im Kindesalter erkennbar (Abb.1):
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Der klassische CF-Modus (selten im Kleinkindalter) mit akuter und dann chronischer Besiedlung der unteren Atemwege, nachgewiesen über das kulturunabhängige Sequenzierverfahren und die kulturabhängige Diagnostik (Abb. 1A)
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Kein Nachweis von P.-aeruginosa-spezifischer DNS (Abb. 1B)
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Der stochastische Nachweis von P.-aeruginosa-spezifischer DNS ohne Anhaltspunkte für eine bakterielle Persistenz in den Atemwegen. In diesem Fall wurde P. aeruginosa ausschliesslich über das Sequenzierverfahren detektiert (Abb. 1C).
Abb. 1: Die drei P.-aeruginosa-Erscheinungsmuster im Kindesalter. (A) Der klassische CF-Modus mit pathogener Besiedlung der unteren Atemwege. (B) Kein Nachweis von P.-aeruginosa-spezifischer DNS. (C) Der stochastische Nachweis von P.-aeruginosa-spezifischer DNS ohne Anhaltspunkte für eine bakterielle Persistenz in den Atemwegen. BCPHC: «bacterial cell per human cell»3
Interessanterweise war das P.-aeruginosa-Erscheinungsmuster 3 (Abb. 1C) nicht krankheitsassoziiert. Auch bei gesunden Kleinkindern liess sich der Erreger stochastisch mit ähnlicher Detektionsrate nachweisen. Da P. aeruginosa in der Umwelt weit verbreitet ist, gehen wir davon aus, dass auch gesunde Kleinkinder regelmässig in Kontakt mit geringen Mengen des Erregers kommen und es eventuell von Vorteil sein könnte, um eine spezifische Immunantwort auszubilden, die vor späteren Atemwegsinfektionen mit P. aeruginosa schützt. Ein routinemässiges Screening des Lungenmetagenoms mit einem longitudinalen Tracking pathogenspezifischer DNS könnte dazu beitragen, bakterielle Atemwegsinfektionen zu verhindern und die Entstehung einer irreversiblen CF-Mikrobiomsignatur im weiteren Krankheitsverlauf zu vermeiden.
Berechnung der Wachstumsdynamik einer Erregerpopulation
Neben der taxonomischen Bestimmung der Mikroorganismen in einer Probe lassen sich weitere wichtige Informationen aus den Sequenzierdaten herauslesen. Die am häufigsten vorkommenden Bakterien der Atemwege haben ein zirkuläres Genom und teilen sich bidirektional; die Replikation beginnt am Replikationsursprung und endet dort, wo die beiden Replikationsgabeln aufeinandertreffen (Terminus). In der exponentiellen Wachstumsphase starten Replikationszyklen, bevor die vorhergegangenen abgeschlossen sind. Sequenziert man die DNS einer sich schnell teilenden Erregerpopulation und kartiert die Fragmentstücke gegen das dazugehörige Referenzgenom, erhält man einen Gradienten aus Fragmentstücken entlang des Genoms mit einer erhöhten Anzahl von Fragmenten am Replikationsursprung und einer reduzierten Anzahl am Terminus.6 Das Ausmass des Gradienten kann quantitativ bestimmt werden, um die Wachstumsdynamik der Erregerpopulation bzw. die Teilungsrate des Pathogens in der mikrobiellen Lebensgemeinschaft zu berechnen. Routineanalysen des CF-Atemwegsmetagenoms würden es ermöglichen, Pathogene mit reduzierter Aktivität in der CF-Lunge von Pathogenen in der frühen oder späten exponentiellen Wachstumsphase zu unterscheiden. Ausserdem könnte der Effekt von Umwelteinflüssen auf die Erregerpopulation longitudinal evaluiert werden, wie z.B. der Beginn einer medizinischen Intervention oder ein Therapiewechsel.
Limitationen
Die Qualität und die Reproduzierbarkeit der Sequenzierergebnisse werden sowohl von dem Probentyp, der Qualität der Probenahme, dem ausgewählten Labor- und Bioinformatikverfahren als auch von der Sauberkeit der Klinik- und Laborumgebung beeinflusst.7,8 Bisher gibt es keine Standardrichtlinien für die Probenaufarbeitung, Sequenzierverfahren oder die zu nutzenden Referenzdatenbanken. Ebenfalls ist unser aktuelles Wissen über ein gesundes Lungenmikrobiom limitiert. Unsere neueste Erkenntnis, dass das CF-Pathogen P. aeruginosa auch in geringen Mengen im gesunden Lungenmikrobiom bei Kleinkindern auftauchen kann, ohne dass eine medizinische Intervention benötigt wird, zeigt, wie wichtig es ist, klinisch relevante Grenzwerte festzulegen. Solange diese Standardrichtlinien und Grenzwerte nicht vorhanden sind, bleibt die kultur-abhängige Diagnostik ein unersetzbares Verfahren, um das harmlose und nicht persistente Erscheinen geringer Mengen an Pathogenen von einer krankhaften Besiedlung der unteren Atemwege zu unterscheiden.
Literatur:
1 Charalampous T et al.: Nanopore metagenomics enables rapid clinical diagnosis of bacterial lower respiratory infection. Nat Biotechnol 2019; 37: 783-92 2 Langdon A et al.: The effects of antibiotics on the microbiome throughout development and alternative approaches for therapeutic modulation. Genome Med 2016; 8: 39 3 Losada PM et al.: The cystic fibrosis lower airways microbial metagenome. ERJ 2019; 2: 00096-2015 4 Pienkowska K et al.: Airway microbial metagenomics. Microbes and Infection 2018; 20(9): 536-42 5 Bacci G et al.: A different microbiome gene repertoire in the airways of cystic fibrosis patients with severe lung disease. Int J Mol Sci 2017; 18: 1654 6 Pienkowska K et al.: Metagenome-inferred bacterial replication rates in cystic fibrosis airways. J Cyst Fibros 2019; 18: 653-56 7 Glassing A et al.: Inherent bacterial DNA contamination of extraction and sequencing reagents may affect interpretation of microbiota in low bacterial biomass samples. Gut Pathog 2016; 8: 24 8 Salter SJ et al.: Reagent and laboratory contamination can critically impact sequence-based microbiome analyses. BMC Biol 2014; 12: 87
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