
Covid-19 und die Lunge
Bericht:
Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
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Covid-19 war erwartungsgemäss auch am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie ein wichtiges Thema. Wir greifen im Folgenden zwei Aspekte auf, zu denen im vergangenen Jahr nicht zuletzt dank der Forschung von Schweizer Pneumologen eine Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen wurde.
Therapie des akuten respiratorischen Versagens bei Covid-19 ausserhalb der IPS
Nicht invasive respiratorische Therapien bieten die Möglichkeit, die hypoxämische respiratorische Insuffizienz im Rahmen einer Covid-19-Infektion ausserhalb der Intensivpflegestation (IPS) zu behandeln und so eventuell eine Intubation zu vermeiden und den Druck auf die IPS zu vermindern. Infrage kommen die konventionelle Sauerstofftherapie (COT), die nasale «High flow»-Therapie (HFNC), CPAP-Beatmung und die nicht invasive Beatmung (NIV).1 «Man muss sich bewusst sein, dass es bei diesen Therapien zwei Probleme gibt: Einerseits handelt es sich dabei um sog. aerosolgenerierende Verfahren, die mit einem erhöhten Infektionsrisiko für das Gesundheitspersonal einhergehen und deshalb besondere Schutzmassnahmen erfordern. Andererseits besteht das Risiko einer verspäteten Intubation, wenn die Patienten nicht eng überwacht werden können», stellte PD Dr. med. Dan Adler, Leitender Arzt, Pneumologie, Universitätsspital Genf (HUG), fest. Zudem gibt es für die nicht invasiven Strategien bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz, anders als für die hyperkapnische respiratorische Insuffizienz, bisher nur wenig Evidenz. «Der Erfolg der nicht invasiven Therapie hängt von der rigorosen Patientenselektion, einem gut geschulten Team, der geeigneten Ausrüstung sowie der Kapazität, die Patienten sehr eng zu überwachen, ab», so der Referent.
Auf der normalen Abteilung beginnt man die Behandlung in der Regel mit einer COT mittels Nasenbrille (1–6l/min).2 Um die Oxygenierung zu verbessern, ist es von Vorteil, wenn der Patient auf dem Bauch liegt. «In einer kleinen Studie mit 27 Covid-19-Patienten konnten wir zeigen, dass die Bauchlage die Oxygenierung auch bei Patienten mit COT deutlich verbessert und den Sauerstoffbedarf senkt»,3 berichtete Adler. Bei einer Verschlechterung kann man zur Venturi-Maske übergehen mit einem FiO2 von 28–50%.2
Nasale «High flow»-Therapie (HFNC)
Wird der Zielwert für die Sauerstoffsättigung von 90–94% mit der COT nicht erreicht, können die Patienten mit HFNC allein (FiO2 >50%, Bauchlage) oder in Kombination mit CPAP behandelt werden.2 Dafür werden die Patienten auf die Überwachungsstation («intermediate care unit», IMCU) verlegt. Es gibt viele Hinweise, die dafür sprechen, dass die «High flow»-Therapie nicht bloss eine Sauerstofftherapie ist, sondern eine Reihe von wichtigen und voneinander abhängigen physiologischen Effekten auf eine Vielzahl von Faktoren ausübt, die das klinische Ergebnis bestimmen können.4 Dies wird auch durch klinische Daten gestützt, die zeigen, dass die HFNC bei schwerer hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz mit einer niedrigeren Intubationsrate und einer niedrigeren Mortalität einhergeht als die COT und die NIV.5
Der Flow wird bei HFNC auf 30–60l/min eingestellt, das FiO2 so, dass eine Sauerstoffsättigung von 93% erreicht wird, die Temperatur wird auf 31–37°C eingestellt. «Ein Monitoring mittels ROX-Index ist wichtig, um zu sehen, ob die Atemfrequenz sinkt und der Bedarf an FiO2 abnimmt», so Adler. Der ROX-Index errechnet sich aus dem Verhältnis von SpO2 zu FiO2 geteilt durch die Atemfrequenz und wird zu Beginn der Therapie nach 2, 6, 12 und 24 Stunden bestimmt und danach 2- bis 3-mal täglich. Ein steigender ROX-Index spricht für eine Verbesserung des respiratorischen Status.6 «Es gibt keine klar definierten Cut-off-Werte, aber der Trend ist wichtig», erklärte Adler.
Bei erhöhtem Sauerstoffbedarf kann zusätzlich ein Versuch mit CPAP gemacht werden. Gestartet wird mit 10cmH2O und dann wird die Rekrutierbarkeit geprüft. Ziel ist eine Verbesserung des Verhältnisses von PaO2 zu FiO2 um >15–20%. Um kein Volutrauma zu riskieren, sollten die Atemhubvolumina nicht mehr als 9ml/kg betragen. In einer französischen Studie wurde gezeigt, dass mit CPAP im Vergleich zur alleinigen Sauerstofftherapie Intubationen verhindert werden können.7
Welche Therapie für welchen Patienten?
Die Entscheidung, welche Patienten mit einem erhöhten Sauerstoffbedarf (sPO2 <90% trotz FiO2 >50%) auf der IMCU mit nicht invasiven Therapien behandelt werden können und welche zur Intubation auf die IPS verlegt werden müssen, kann schwierig sein und wird kontrovers diskutiert. «Im Universitätsspital Genf machen wir die Entscheidung davon abhängig, ob bereits klinische Atemnotzeichen vorhanden sind oder nicht», sagte Adler. «Patienten mit einer Hypoxämie und Dyspnoe oder anderen Atemnotzeichen müssen auf der IPS behandelt werden. Patienten mit einer Hypoxämie ohne Dyspnoe oder andere Atemnotzeichen, also solche mit einer sog. ‹happy hypoxemia› oder ‹silent hypoxemia›, behandeln wir primär auf der IMCU mit nicht invasiven Therapien.»8 Da sich ihr Zustand rasch verschlechtern und eine Verlegung auf die IPS zur Intubation nötig werden kann, müssen diese Patienten streng überwacht werden.
Am Universitätsspital Genf wurden zwischen dem 28. März und dem 27. April 2020 157 Patienten wegen einer Covid-19-assoziierten Pneumonie auf die IMCU aufgenommen. Von den 85 Patienten, die wegen zunehmender respiratorischer Insuffizienz mit nicht invasiven Therapien behandelt wurden, konnten 52 (61%) nach drei Tagen auf die Normalstation verlegt werden. Nur 33 (39%) benötigten eine orale Intubation und mussten auf die IPS verlegt werden. In einer multivariaten Analyse erwiesen sich der PaO2/FiO2-Quotient und der BMI als Prädiktoren für einen schwereren Verlauf mit Verlegung auf die IPS. Auf der IMCU traten keine Todesfälle auf und es mussten keine Notfallintubationen vorgenommen werden.2 «Wir konnten mit unserer Strategie die IPS vor einer Überlastung schützen. Dank der nicht invasiven Therapie können viele Patienten erfolgreich auf der Überwachungsstation behandelt werden», schloss Adler.
Nachbetreuung von Patienten mit Covid-19-Pneumonie
Die meisten Covid-19-Patienten erholen sich ohne Residuen von der Erkrankung, bei einigen persistieren jedoch über mehrere Wochen oder sogar Monate nach der akuten Erkrankung sog. postakute oder Long-Covid-Symptome. Dazu gehören Fatigue, Dyspnoe und Husten, aber auch Depressionen oder eine posttraumatische Belastungsstörung, Palpitationen, Brustschmerzen oder ein stressbedingter Haarausfall können auftreten.9 «Pulmonale Residuen können sich als Broncholitis, organisierende Pneumonie, bronchiale Obstruktion, bronchiale Hyperreagibilität und zum Glück nur selten als Lungenfibrose manifestieren»,10 sagte PD Dr. med. Manuela Funke-Chambour, stellvertretende Chefärztin, Pneumologie, Inselspital/Universitätsspital Bern.
Swiss Covid-19 lung study
Seit der ersten Covid-19-Welle im Frühjahr 2020 werden in neun Zentren aus der ganzen Schweiz prospektiv Daten für die «Swiss national Covid-19 lung study» erhoben. Eine erste im Januar 2021 publizierte Auswertung zeigt, dass bei Patienten mit schwerer oder sehr schwerer Covid-19-Erkrankung vier Monate später signifikante funktionelle und radiologische pulmonale Residuen nachweisbar sein können, die wahrscheinlich durch eine Erkrankung der kleinen Atemwege und des Lungenparenchyms bedingt sind.11 Patienten mit einem milden bis mittelschweren Verlauf zeigten im Vergleich zu solchen mit einem schweren oder sehr schweren Verlauf in der Lungenfunktion bessere Volumina, eine bessere Diffusionskapazität, höhere arterielle Sauerstoffwerte und eine bessere Sauerstoffsättigung. Bei Patienten mit einem schweren oder sehr schweren Verlauf fand sich unter Belastung eine erhöhte Sauerstoffentsättigung. In der CT fand sich bei diesen Patienten signifikant häufiger ein Mosaikmuster («mosaic attenuation pattern») mit hypodensen Arealen, retikulärer Veränderung und Architekturstörungen.11
Aus einer kürzlich publizierten chinesischen Studie gibt es erste prospektive Daten mit einem Follow-up bis 12 Monate nach der akuten Erkrankung.12 Sie zeigen, dass die pulmonalen Post-Covid-Symptome bei den meisten Patienten mit der Zeit abnehmen und ein Grossteil der Patienten nach 12 Monaten symptomfrei ist. Gleichzeitig verbessern sich während dieser Zeit die Diffusionskapazität, die forcierte Vitalkapazität und die 6-Minuten-Gehstrecke.12
Empfehlungen für Follow-up und Behandlung
«Bis jetzt gibt es leider noch keinen Standard für die Behandlung von Patienten mit persistierenden Symptomen», so Funke-Chambour. Die Swiss Covid lung study group und die Schweizerische Gesellschaft für Pneumologie SGP formulierten deshalb 13 Fragen zu diesem Thema und liessen diese in einem Delphi-Prozess von Schweizer Pneumologen beantworten und diskutieren.13 Basierend darauf wurden unter anderem folgende Empfehlungen für das Follow-up und die Behandlung von Patienten mit pulmonalen Long-Covid-Symptomen formuliert:13
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Bei allen Patienten, die wegen Covid-19 hospitalisiert wurden, sollte ein pulmonales Follow-up gemacht werden, auch bei solchen mit einem milden, aber symptomatischen Verlauf. Das Follow-up sollte Plethysmografie, Messungen der Diffusionskapazität und Blutgasanalysen umfassen (Konsens für starke Empfehlung).
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Patienten mit persistierenden Symptomen nach Covid-19 sollten multidisziplinär betreut werden, da neben der Lunge auch andere Organe betroffen sein können, und sie sollten wenn möglich Zugang zu einer speziellen Post-Covid-Sprechstunde haben (Konsens für moderate Empfehlung).
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Bei Patienten, welche nach Covid-19 interstitielle Auffälligkeiten zeigen, sollte nach Ausschluss einer aktiven Infektion eine empirische Behandlung mit systemischen Steroiden evaluiert werden (Konsens für moderate Empfehlung).
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Patienten mit persistierenden respiratorischen Symptomen nach Covid-19 sollten in ein Rehabilitationsprogramm aufgenommen werden (Konsens für starke Empfehlung).
Long-Covid-19-Sprechstunden
«Am Inselspital Bern haben wir auf der Pneumologie eine spezielle Sprechstunde für Patienten mit Long Covid-19 eingerichtet. Sie können uns mit einer E-Mail an folgende Adresse erreichen: LongCOVID.pneumologie@insel.ch», so Funke-Chambour. Auch die anderen Schweizer Universitätsspitäler sowie verschiedene Kantonsspitäler in allen Regionen der Schweiz bieten solche Sprechstunden an. Weitere Informationen dazu finden Sie beispielsweise auf der Website der Lungenliga ( https://www.lungenliga.ch/de/specials/coronavirus.html ) oder des BAG ( https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/krankheit-symptome-behandlung-ursprung/long-covid.html ).
Quelle:
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie (SGP), 17. und 18. Juni 2021
Literatur:
1 Chalmers JD et al.: Management of hospitalised adults with coronavirus disease 2019 (COVID-19): a European Respiratory Society living guideline. Eur Respir J 2021; 57: 2100048 2 Grosgurin O et al.: Role of intermediate care unit admission and noninvasive respiratory support during the COVID-19 pandemic: a retrospective cohort study. Respiration 2021; 100: 1-8 3 Kharat A et al.: Self-proning in COVID-19 patients on low-flow oxygen therapy: a cluster randomised controlled trial. ERJ Open Res 2021; 7: 00692-2020 4 Goligher EC, Slutsky AS: Not just oxygen? Mechanisms of benefit from high-flow nasal cannula in hypoxemic respiratory failure. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 1128-31 5 Frat JP et al.: High-flow oxygen through nasal cannula in acute hypoxemic respiratory failure. N Engl J Med 2015; 372: 2185-96 6 Roca O et al.: An index combining respiratory rate and oxygenation to predict outcome of nasal high-flow therapy. Am J Respir Crit Care Med 2019; 199: 1368-76 7 Oranger M et al.: Continuous positive airway pressure to avoid intubation in SARS-CoV-2 pneumonia: a two-period retrospective case-control study. Eur Respir J 2020; 56: 2001692 8 Breville G et al.: Physiopathologie de l’hypoxémie silencieuse dans le Covid-19. Rev Med Suisse 2021; 17: 831-4 9 Nalbandian A et al.: Post-acute COVID-19 syndrome. Nat Med 2021; 27: 601-15 10 Funke-Chambour M et al.: Das Long-COVID-Syndrom – ein neues Krankheitsbild nach COVID-19-Infekt. Praxis 2021; 110: 377-82 11 Guler SA et al.: Pulmonary function and radiological features 4 months after COVID-19: first results from the national prospective observational Swiss COVID-19 lung study. Eur Respir J 2021; 57: 2003690 12 Wu X et al.: 3-month, 6-month, 9-month, and 12-month respiratory outcomes in patients following COVID-19-related hospitalisation: a prospective study. Lancet Respir Med 2021; 9: 747-54 13 Funke-Chambour M et al.; Swiss COVID Lung Study Group and the Swiss Society of Pulmonology: Swiss Recommendations for the follow-up and treatment of pulmonary long COVID. Respiration 2021; 100: 826-41