
COPD: optimierte Strategien bei Exazerbationen und Anämie
Bericht:
Reno Barth
Medizinjournalist
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Beim ERS wurden Publikationen zu den teils ausgeprägten Komorbiditäten in der COPD-Population und zur Bedeutung der kardiovaskulären Prävention präsentiert. Bei der häufigen Anämie hat sich die Kombination aus intravenösem Eisen und Erythropoietin als wirksamste Behandlung erwiesen. Die Studie STARR2 zeigte die Nichtunterlegenheit einer individualisierten Glukokortikoid-Therapie bei Exazerbationen, die auf der Messung der eosinophilen Granulozyten im Blut basiert.
Auch neu diagnostizierte Patienten in frühen Stadien einer COPD haben über zehn Jahre ein beträchtliches kardiovaskuläres Risiko. Das zeigt eine in Nordmazedonien durchgeführte Kohortenstudie, die die Assoziation zwischen COPD und tödlichen kardiovaskulären Ereignissen sowie zum Ausmass der Atemwegsobstruktion untersuchte.1
In die Studie wurde 220 COPD-Patienten im Alter zwischen 40 und 75 Jahren sowie 58 nach Geschlecht, Alter, BMI und Nikotin-Status gematchte Kontrollen eingeschlossen. Alle Teilnehmer unterzogen sich einer pneumologischen und kardiologischen Untersuchung, bei der auch der Lipid- und Glykämie-Status untersucht wurde. Das kardiovaskuläre Risiko wurde bei einem Score <5% als niedrig, zwischen 5 und <7,5% als grenzwertig (borderline), zwischen 7,5 und <20% als moderat sowie über 20% als hoch eingestuft.
Die Auswertung ergab eine statistisch signifikante Differenz bezüglich des Risikos für tödliche kardiovaskuläre Ereignisse zwischen den COPD-Patienten und den gematchten Kontrollen. In der Untersuchungsgruppe lag das Risiko über zehn Jahre bei 21,69±13,86% im Vergleich zu 15,83±9,92% in der Kontrollgruppe (p=0,0028). Damit zeigte die COPD-Kohorte ein hohes Risiko, während das Risiko der Kontrollen moderat war. Die Auswertung ergab weiter, dass das Risiko in allen COPD-Subgruppen abgesehen von GOLD 1 jenseits der 20% lag. Die schwerstkranken Patienten in GOLD 4 hatten ein etwas geringeres Risiko als in GOLD 2 und GOLD 3. Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass die kardiovaskuläre Prävention bei COPD-Patienten bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung von essenzieller Bedeutung ist.
Eisensubstitution am besten mit Erythropoietin
Eine in der gleichen Postersession präsentierte Arbeit aus der Ukraine unterstrich die Bedeutung der Anämie und deren Behandlung in der COPD-Population.2 Rund jeder fünfte Patient dürfte betroffen sein. Dennoch ist die Studienlage zu den Effekten einer Behandlung der Anämie dünn, so die Autoren.
In ihrer Studie verglichen sie unterschiedliche Schemata zur Korrektur der ACD («anemia of chronic disease») bei Patienten mit COPD. Die 52 Studienpatienten wurden randomisiert entweder über 21 Tage entweder mit Eisen2+ 2x80mg/d p.o. (Gruppe 1) oder mit Eisen(III)-hydroxid-Saccharose-Komplex 3x100mg/Woche i.v. über vier Wochen (Gruppe 2) oder Eisen(III)-hydroxid-Saccharose-Komplex 3x100mg/Woche i.v. über vier Wochen plus rekombinantem humanem Erythropoietin 3x3000IU/Woche über vier Wochen (Gruppe 3) behandelt. Vor und nach der Behandlung wurden der COPD Assessment Test (CAT), die «Modified medical-research-council»-(mMRC)-Dyspnoe-Skala sowie das FEV1 erhoben.
Die Studie ergab für Gruppe 3 im Vergleich zu Gruppe 1 und 2 signifikante Vorteile hinsichtlich aller untersuchten Parameter inklusive der Lungenfunktion (Abb.1). Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass die Kombination von intravenösem Eisen mit Erythropoietin die Strategie der Wahl für die Behandlung von COPD-Patienten mit Anämie ist.
Abb. 1: Lungenfunktion vor und nach der Eisen-Therapie (Gruppe 1: Eisen p.o.; Gruppe 2: Eisen i.v.; Gruppe 3: Eisen i.v. plus Erythropoietin) (modifiziert nach Kovchun et al.)2
Individualisierte Steroidtherapie bei COPD-Exazerbationen
Orale Steroide sind eine wichtige Stütze des Managements schwerer COPD-Exazerbationen und stellen eine Standardtherapie in dieser Indikation dar. Allerdings wurden bislang, so Prof. Mona Bafadhel vom King’s College London, weniger als 1000 Patienten in randomisierten, kontrollierten Studien so behandelt, und von den durchgeführten Studien waren nur wenige positiv. Die Evidenz ist ausserdem mehr als 20 Jahre alt.
Bafadhel betonte, dass Kortikosteroide keineswegs harmlos sind und Schäden verstärken können. So zeigt eine aktuelle Studie, dass bei COPD-Patienten die kumulative Dosis oraler Kortikosteroide mit erhöhter Mortalität assoziiert ist. Selbst kurze Behandlungen mit oralen Kortikosteroiden erhöhen das Risiko für Sepsis, tiefe Beinvenenthrombosen und Frakturen erheblich.3
Strategien, jene Patienten zu identifizieren, die tatsächlich von systemischen Kortikosteroiden profitieren, und die Therapie auch auf diese Patienten zu beschränken, sind daher dringend gefragt. Die Eosinophilenzahl im Blut stellt einen potenziellen Biomarker dar, anhand dessen diese Entscheidung getroffen werden könnte.
Tatsächlich zeigte eine randomisierte, placebokontrollierte Proof-of-Concept-Studie, dass Eosinophile im Blut als sicherer Indikator für einen Bedarf an systemischen Steroiden gewertet werden können.4 Eine multizentrische, offene Studie mit Patienten mit schweren Exazerbationen zeigte zudem die Nichtunterlegenheit einer auf der Eosinophilenzahl basierenden Therapie.5 Bafadhel betonte jedoch, dass diese Evidenz bislang zu keiner Änderung der Empfehlungen geführt habe.
Studienergebnisse von STARR2
Vor diesem Hintergrund wurde die Studie STARR2 (Stratified TreAtment to Reduce Risk in COPD) als multizentrische, placebokontrollierte, randomisierte Studie in der Grundversorgung durchgeführt. Bei Patienten im Interventionsarm wurde mittels Point-of-Care-Test der Anteil der eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut bestimmt. Lag dieser bei mindestens 2%, wurde mit Prednisolon behandelt. Bei einem Eosinophilenanteil unter 2% erhielt der Patient das Placebo. Im Kontrollarm wurden alle Patienten leitliniengerecht mit Prednisolon behandelt. Der primäre Endpunkt war Therapieversagen zu Tag 30 und Tag 90. Als sekundärer Endpunkt wurde unter anderem die Lungenfunktion erhoben.
Die Studie fand hinsichtlich des primären Endpunkts keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (Tab. 1). Ein Therapieversagen trat bei 27% der Patienten in der Interventions- und 34% in der Kontrollgruppe ein, woraus sich ein Risikoverhältnis von 0,82 (95% CI: 0,54–1,23; p = 0,34) ergibt. Damit konnte die Nichtunterlegenheit eines auf die Eosinophilenzahl gestützten Vorgehens gezeigt werden. In der Per-Protocol-Analyse ergaben sich sogar Hinweise auf Überlegenheit des Interventionsarms. Auch hinsichtlich der Lungenfunktion und der CAT- und VAS-Symptomscores zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Armen.
Tab. 1: STARR2: Ein Therapieversagen trat bei 27% der Patienten in der Interventions- und bei 34% in der Kontrollgruppe ein (modifiziert nach Bafadhel et al., ERS 2022)
Bafadhel unterstrich, dass STARR2 die bislang grösste Studie zu oralen Kortikosteroiden bei COPD-Exazerbationen ist und die untersuchte Population rund 20% der insgesamt zu dieser Fragestellung untersuchten Population ausmacht. Angesichts dieser Daten hält sie die Aufnahme einer personalisierten Steroidverschreibung auf Basis der Eosinophilenzahl in die Leitlinien für fällig.
Quellen:
Thematic poster session: «COPD management: comorbidities, cohorts and real-world studies» und Clinical trial session: «ALERT 1: COPD and hospital management» im Rahmen des ERS-Kongresses, 4. und 5. September 2022, Barcelona
Literatur:
1 Buklioska D et al.: COPD as a risk factor for coronary artery disease (CAD): overview of 10-year atherosclerotic cardiovascular disease (ASCVD) risk assessment. Poster präsentiert am ERS 2022 2 Kovchun A et al.: Clinical efficacy of anemia of chronic disease treatment in patients with COPD. Poster präsentiert am ERS 2022 3 Waljee AK et al.: BMJ 2017; 357: j1415 4 Bafadhel M et al.: Am J Respir Crit Care Med 2012; 186: 48-55 5 Sivapalan P et al.: Lancet Respir Med 2019; 7: 699-709