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COPD: Neuigkeiten und offene Fragen
Jatros
30
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13.12.2018
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<p class="article-intro">Mehrere aktuelle Studien liefern neue Evidenz zum klinischen Management der COPD. Für Patienten und Behandler sind jedoch auch Fragen abseits des optimalen Medikamenteneinsatzes relevant. So zum Beispiel jene nach der Adhärenz im klinischen Alltag. Nicht zuletzt wird gegenwärtig auch diskutiert, wie weit es sich bei COPD überhaupt um eine homogene Entität handelt.</p>
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<p class="article-content"><p>Abseits aller aktuellen Entwicklungen im Management der COPD bleibt ein Problem über die Jahre bestehen: die sehr eingeschränkte Therapieadhärenz zahlreicher Patienten. Laut Empfehlungen der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) sollte der Patient bei jedem Arztbesuch nach seiner Adhärenz gefragt werden, so Prim. Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht vom Kepler Universitätsklinikum Linz. Dies sei in der Praxis allerdings gar nicht so einfach, zumal Ärzte von manchen Patienten im Hinblick auf die Medikamenteneinnahme schlichtweg belogen würden. <br />Insgesamt ist die Adhärenz von COPD-Patienten schlecht. Eine rezente Studie aus Portugal zeigt, dass 31,3 % der Patienten eingeschränkt adhärent und 16,7 % überhaupt nicht adhärent sind. Die Studie zeigte, dass adhärente Patienten deutlich überzeugter davon waren, dass ihnen die Therapie nützt. Sorgen hinsichtlich Nebenwirkungen waren hingegen bei adhärenten und nicht adhärenten Patienten gleichermaßen ausgeprägt. Patienten, die sich durch die Medikamenteneinnahme in ihrem Tagesablauf gestört fühlten oder sich Bedarfsmedikation wünschten, tendierten zu schlechter Adhärenz. Umgekehrt waren Patienten mit schwerer Erkrankung und Symptomatik eher adhärent als Patienten, die kaum unter Symptomen litten.<sup>1</sup> <br />Daten aus Oberösterreich zeigen ein ähnliches Bild: Insgesamt waren 42 % der Patienten schlecht adhärent, was dadurch definiert war, dass weniger als 50 % der verschriebenen Medikamente in der Apotheke abgeholt wurden.<sup>2</sup> Auch in dieser Studie nahm die Adhärenz mit dem Krankheitsverlauf zu, allerdings waren 28 % der Patienten mit COPD Stage IV noch immer nicht ausreichend adhärent. Adhärenz war mit signifikant längerem Überleben assoziiert. <br />Damit stellt sich die Frage, wie sich diese suboptimale Situation verbessern ließe. Ein potenzieller Ausweg läge in einer Anpassung der Dosierung an erwartbar schlechte Adhärenz. Derartige Modelle würden gegenwärtig zwar berechnet, seien aber nicht reif für den praktischen Einsatz, so Lamprecht. Daher stellen im klinischen Alltag regelmäßige und ausführliche Schulungsmaßnahmen die einzige Option dar. Diese können nicht nur die Adhärenz verbessern, sondern haben auch das Potenzial, den Patienten bei der korrekten Anwendung des Inhalationsdevices zu helfen. Im Rahmen der Visiten sollte jedenfalls immer nach der Anwendung der Medikamente und etwaigen Problemen gefragt werden. „Smart Devices“, die ein Monitoring der Inhalation ermöglichen, könnten die Versorgungssituation in Zukunft verbessern.</p> <h2>Wer braucht inhalative Kortikosteroide?</h2> <p>Die Frage nach dem Stellenwert inhalativer Kortikosteroide im Management der COPD ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Prof. Dr. Claus Vogelmeier vom Universitätsklinikum Gießen/Marburg verweist auf die Ergebnisse der FLAME-Studie, welche die LAMA/LABA-Kombination Indacaterol/Glycopyrronium (IND/GLY) mit Salmeterol/Fluticason im Hinblick auf die Exazerbationsrate von Hochrisiko-Patienten verglich. Dabei zeigte sich für alle Arten von Exazerbationen eine Reduktion des Risikos unter IND/GLY.<sup>4</sup> Unklar sind allerdings potenzielle Vor- und Nachteile von Dreifachkombination, die zusätzlich zu einem langwirksamen Muskarinrezeptor- Antagonisten (LAMA) und einem lang wirksamen β2-Agonisten (LABA) noch ein inhalatives Kortikosteroid (ICS) enthalten. Solche Dreifachtherapien wurden in den vergangenen Jahren in den Studien TRIBUTE und IMPACT untersucht. <br />TRIBUTE verglich die Dreifachkombination Beclometasondipropionat, Formoterolfumarat und Glycopyrronium (BDP/ FF/G) mit einer dualen Therapie mit Inda- caterol/Glycopyrroniumbromid (IND/GLY) (Abb. 1). Die Studie zeigte einen signifikanten Vorteil für die Dreifachkombination, wobei Vogelmeier betont, dass die Inzidenz von Exazerbationen in der Studie insgesamt sehr gering war. Eine Analyse der Daten im Hinblick auf die Eosinophilenzahl zeigt, dass Patienten mit mehr als 200 Eosinophilen pro μl Blut signifikant von der Dreifachkombination profitierten, während bei Patienten mit niedriger Eosinophilenzahl der Vorteil nicht signifikant war. Eine weitere Analyse zeigte auch, dass der Vorteil durch ICS bei Patienten mit einer hohen Zahl von Exazerbationen in der Anamnese am deutlichsten war.<sup>5</sup> <br />Die IMPACT-Studie verglich die Dreifachkombination des ICS Fluticasonfuroat mit dem LABA Vilanterol und dem LAMA Umeclidinium in einem dreiarmigen Design sowohl mit Fluticasonfuroat/Vilanterol als auch mit Umeclidinium/Vilanterol. Die Studie weist, so Vogelmeier, einige Besonderheiten auf. So wurde eine Gruppe von Patienten eingeschlossen, die bei relativ guter Lungenfunktion ein sehr hohes Exazerbationsrisiko aufwiesen. Weiters wurde auf eine Run-in-Phase verzichtet. IMPACT zeigte unter Dreifachtherapie eine Reduktion der Exazerbationsrate um 17 % gegenüber den beiden Vergleichsarmen.<sup>6</sup> Die Zahl der Eosinophilen im Blut war ein starker Prädiktor für einen Benefit durch das ICS. Patienten mit weniger 100 Eosinophilen pro μl Blut profitierten nicht vom Steroid. Auch die Exazerbationshistorie lieferte einen starken Hinweis auf einen Vorteil durch das ICS. Vogelmeier: „Je mehr Exazerbationen ein Patient hat, desto größer sind die Chancen, dass er von einer ICS-haltigen Kombination profitiert.“ <br />Für Diskussionen sorgte allerdings das bessere Abschneiden der ICS/LABA-Kombination im Vergleich zu LAMA/LABA, das in deutlichem Gegensatz zu den Resultaten der FLAME-Studie steht. Dies sei, so Vogelmeier, durch die extrem „exazerbationsfreudige“ Population der IMPACT-Studie erklärbar. Ein im Rahmen des ERS 2018 präsentierter Vergleich der Studien FLAME und IMPACT zeigt, dass ICS/LAMA nur bei Patienten mit sehr häufigen und/oder schweren Exazerbationen die bessere Option war.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="1038" height="612" /></p> <p> </p> <h2>Die Lunge als Spiegel der Organentwicklung</h2> <p>Gemäß dem „traditionellen Paradigma“ ist COPD eine Folge langjährigen Tabakkonsums und damit eine Erkrankung, die sich der Betroffene quasi selbst zuzuschreiben hätte. Die kontinuierliche Schädigung durch das Rauchen führt zu Bronchitis und Emphysem und damit zu einer Abnahme der Lungenfunktion – dies allerdings nur bei entsprechend empfindlichen Rauchern, wogegen andere mit der Zigarette zwar ihr Risiko von Krebs und kardiovaskulärer Erkrankung erhöhen, aber keine COPD bekommen. Das ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. „Wir wissen, dass COPD eine hochgradig heterogene Erkrankung ist“, sagt Prof. Dr. Alvar Agustí von der Universität Barcelona. So zeigen epidemiologische Untersuchungen in der COPD-Population, je nach Land, einen Nichtraucheranteil zwischen 20 und 35 %. Agustí weist auch auf die Daten der ECLIPSE-Studie hin, die zeigen, dass sich die Lungenfunktion bei COPD-Patienten schnell, langsam oder gar nicht verschlechtern kann – und dass es bei manchen Patienten sogar zu einer Verbesserung kommt.<sup>8</sup> Auch zeigen nicht alle Patienten mit niedrigem FEV<sub>1</sub> einen vergleichbaren Abfall der Lungenfunktion. Denn die Ausgangspunkte sind unterschiedlich, zumal nicht alle Menschen während des Heranwachsens die volle zu erwartende Lungenfunktion (100 % FEV1 predicted) erreichen (Abb. 2). Und wer mit schlechteren Werten beginnt, kann auch bei einer normalen, altersbedingten Reduktion der Lungenfunktion im höheren Lebensalter in den krankheitswertigen Bereich geraten. Diese Hypothese erwies sich bei Anwendung auf drei große Kohorten als haltbar.<sup>9</sup> Eine schlechte Lungenfunktion in der Jugend erwies sich in einer weiteren Analyse großer Kohorten auch als ungünstiger Prädiktor hinsichtlich der Lebenserwartung.<sup>10</sup> Die Frage sei allerdings, warum Menschen mit kleinen Lungen ein höheres Risiko haben, früh zu versterben. Man nehme heute an, so Agustí, dass die eingeschränkte Lungenentwicklung als Hinweis auf eine ungünstige Verfassung anderer Organsysteme, wie zum Beispiel des Herz-Kreislauf-Systems, gewertet werden könne. Tatsächlich zeigte eine Analyse der Framingham-Kohorte, dass Personen mit eingeschränkter Lungenfunktion in der Jugend früher im Leben unterschiedliche Komorbiditäten entwickeln. Eine Messung der Lungenfunktion in der Jugend könne also als Indikator für generell erhöhtes Risiko dienen. Agustí: „Nicht umsonst sprechen wir von Vitalkapazität.“ Leider würden, so Agustí, nach wie vor Patienten mit ganz unterschiedlichen Krankheitsgeschichten in den klinischen Studien zur COPD als ein und dieselbe Population gewertet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_s10_abb2.jpg" alt="" width="1038" height="610" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 42. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für
Pneumologie (ÖGP), 18.–20. Oktober 2018, Linz
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Duarte-de-Araújo A et al.: Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2018; 13: 2767-73 <strong>2</strong> Humenberger M et al.: BMC Pulm Med 2018; 18(1): 163 <strong>3</strong> Greene G et al.: PLoS One 2018; 13(4): e0195663 <strong>4</strong> Wedzicha JA et al.: N Engl J Med 2016; 374(23): 2222-34<strong> 5</strong> Papi A et al.: Lancet 2018; 391: 1076-84 <strong>6</strong> Lipson DA et al.: N Engl J Med 2018; 378(18): 1671-80 <strong>7</strong> Singh D et al.: ERS 2018, PA4383 <strong>8</strong> Vestbo J et al.: N Engl J Med 2011; 365(13): 1184-92 <strong>9</strong> Lange P et al.: N Engl J Med 2015; 373(2): 111-22 <strong>10</strong> Agustí A et al.: Lancet Respir Med 2017; 5(12): 935-45</p>
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