
COPD und Asthma: State of the Art
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
Sowohl COPD als auch Asthma sind nicht nur häufige, sondern auch ausgesprochen heterogene Erkrankungen, denen man sich am diesjährigen CHEST-Kongress gewidmet hat. Neue Therapiealgorithmen tragen dem Rechnung und insbesondere beim Asthma erlauben mehrere zugelassene Biologika bei einem Teil der Patienten eine personalisierte, auf den pathophysiologischen Hintergrund der Erkrankung zugeschnittene Therapie.
Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) steht aktuell weltweit bei den Todesursachen auf Platz drei. Glücklicherweise ist der Anteil der COPD an den Todesfällen weltweit und speziell in den industrialisierten Ländern leicht rückläufig. «Wir sehen die ersten Früchte unseres Kampfes gegen das Rauchen und vielleicht auch gegen die Umweltverschmutzung», sagt Prof. Bartolome Celli von der Universität Bologna.
Allerdings kann das Problem nicht mehr auf das Rauchen beschränkt werden. Celli verweist auf eine mittlerweile fünf Jahre alte Arbeit, die die Entwicklung der Lungenfunktion (gemessen als Einsekundenkapazität) bei mehr als 2000 Individuen nachverfolgte. Ab der Geburt kommt es zu einer steilen Zunahme, bis im jungen Erwachsenenalter ein Maximum erreicht ist, auf das eine mehr oder weniger schnelle Abnahme folgt. Um den kritischen Bereich zu erreichen, in dem von einer COPD gesprochen wird, braucht es von einer voll ausgebildeten Lungenfunktion eine deutliche Abnahme, wie sie zum Beispiel als Raucherschaden eintreten kann. Allerdings habe sich gezeigt, dass rund die Hälfte aller Menschen mit COPD nie eine voll entwickelte Lungenfunktion hatte und der Abfall daher mehr oder weniger steil von einem niedrigerem Niveau aus erfolgte.1 Celli: «Wir haben uns all die Jahre auf Faktoren konzentriert, die einen schnellen Verlust an Lungenfunktion begünstigen. Wir wissen viel weniger darüber, welche Faktoren die Zunahme der Lungenfunktion in der Kindheit bzw. schon vor der Geburt beeinflussen. Ich denke, dieses Forschungsgebiet wird in den kommenden Jahren eine erhebliche Menge an neuen Informationen liefern.»
Bronchodilatation wirkt sowohl kurz- als auch langfristig
Aktuell sei es auch an der Zeit, mit dem Mythos aufzuräumen, dass «COPD nicht auf Therapie reagiert». Celli erläutert dies am Beispiel einer Substudie der UPLIFT-Studie, für die Patienten mit moderater oder schwerer COPD 80µg des kurz wirksamen Muskarinrezeptor-Antagonisten (SAMA) Ipratropium, gefolgt von 400µg Salbutamol inhalierten. Dies führte bei rund der Hälfte der Patienten innerhalb einer Studie zu einer Zunahme des FEV1 um mindestens 20%. Akzeptiert man eine FEV1-Zunahme von 10% als klinisch signifikant, so steigt der Anteil der Responder auf über 70%.2 Celli betont, dass diese Verbesserung mit einer Abnahme von Überblähung, einer wichtigen Ursache von Dyspnoe, assoziiert war. Celli: «Die Entblähung ist für überblähte Patienten ebenso wichtig wie die Verbesserung des Atemflusses.» Dass sich Therapie auch langfristig bezahlt macht, zeigte die TORCH-Studie mit einer Laufzeit über drei Jahre, mehr als 6000 Patienten und dem harten Endpunkt Mortalität. Verglichen wurden die Kombination von 50µg Salmeterol plus 300µg Fluticasonpropionat zweimal täglich mit Placebo, Salmeterol alleine oder Fluticasonpropionat alleine.3 Celli: «Obwohl der primäre Endpunkt ganz knapp verfehlt wurde, sah man doch unter der Kombinationstherapie eine Verbesserung des FEV1 um 92ml im Vergleich zu Placebo, eine Reduktion der Exazerbationen um 25% und eine Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zum Ausgangswert.» Wichtig waren auch die Auswertungen im Bezug auf Nebenwirkungen, da sie bei Patienten, die ein inhalatives Steroid (ICS) erhielten, eine höhere Inzidenz fanden als bei Patienten, die kein ICS bekamen.4 Besonders gefährdet waren Patienten über 55 Jahre, mit niedrigem BMI, einem FEV1 von weniger als 50% vom Soll und Exazerbationen in der Anamnese. Celli: «Diese Patienten sind also keine guten Kandidaten für inhalative Kortikosteroide.»
Auch die UPLIFT-Studie, die Tiotropium mit Placebo verglich, bestätigte in ihrer Gesamtheit die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der COPD-Therapie. Endpunkte waren hier FEV1, Exazerbationen und Lebensqualität. Ergebnisse waren betreffend das FEV1 ein Vorteil von 110ml für Tiotropium gegenüber Placebo, eine Reduktion der Exazerbationen um 16% sowie eine Verbesserung der Lebensqualität.5 Celli: «Letztlich zeigt das, dass man mit einem Anticholinergikum oder einer ICS/LABA-Kombination sehr ähnliche Ergebnisse bekommt. Wir haben mittlerweile Hunderte Studien, die diese Ergebnisse bestätigen. Die Pharmakotherapie ist wirksam, unabhängig davon, welche Medikamente man verwendet.» Andererseits sei die Landschaft der medikamentösen COPD-Therapien mit immer mehr Einzelsubstanzen und Fixkombinationen sowie unterschiedlichen Inhalern in den letzten Jahren so komplex geworden, dass es für den Kliniker schwierig sein könne, für den individuellen Patienten die beste Therapie zu finden. Das GOLD-Komitee versucht hier, mit einem simplen, auf dem Schweregrad der Obstruktion sowie auf dem Risiko (Symptome, Hospitalisierungen und Exazerbationen) aufbauenden Algorithmus Klarheit zu schaffen:
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Gruppe A (mässig symptomatisch, wenig Exazerbationen): Behandlung mit einem Bronchodilatator
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Gruppe B (stärker symptomatisch, wenig Exazerbationen): Behandlung mit einem lang wirksamen Bronchodilatator (LAMA oder LABA)
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Gruppe C (mässig symptomatisch, häufigere und/oder schwere Exazerbationen): Behandlung mit einem LABA
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Gruppe D (stärker symptomatisch, häufigere und/oder schwere Exazerbationen): Behandlung mit einem LAMA oder, wenn dies nicht ausreicht, eine Kombination aus LAMA und LABA oder ICS und LABA.
Sonderfall: COPD kombiniert mit Eosinophilie
Celli betont jedoch, dass die Therapie auch regelmässiges Monitoring und etwaige Anpassung benötigt. GOLD gibt dazu detaillierte Empfehlungen, die Celli als «lehrreich, aber etwas kompliziert» beschreibt. Aus diesem Grund publizierten Celli und Wedzicha im vergangenen Jahr einen alternativen Algorithmus.6 Dieser sieht vor, dass Patienten mit milder COPD initial ein LAMA erhalten sollen. Bei schwereren Erkrankungen wird eine Unterscheidung zwischen dem Emphysem-Phänotyp (überbläht, keine erhöhte Eosinophilenzahl) und einem Phänotyp mit Asthma-Eigenschaften (Wheezing, Allergien, Eosinophile über 200 Zellen/µl) vorgeschlagen. Beim Emphysem-Phänotyp wird eine LAMA/LABA-Kombination vorgeschlagen, beim Phänotyp mit Asthma-Eigenschaften eine LABA/ICS-Kombination. Wird nicht der gewünschte Erfolg erreicht, soll bei beiden Phänotypen auf eine LAMA/LABA/ICS-Dreifachkombination eskaliert werden. Kommen ICS zum Einsatz, ist wegen des erhöhten Pneumonierisikos ein sorgfältiges Monitoring erforderlich. Darüber hinaus sieht der Algorithmus auch weitere Eskalationsschritte und Therapieanpassungen für sehr schwer erkrankte bzw. schwer behandelbare Patienten vor.6 Celli: «Es gibt Hinweise, dass bei Patienten mit erhöhten Eosinophilen, die unter maximaler Therapie immer noch nicht gut kontrolliert sind, Biologika hilfreich sein können. Zu dieser Fragestellung benötigen wir definitiv mehr Daten.» Celli weist auch auf chirurgische bzw. interventionelle Verfahren hin, von denen ausgewählte Patienten profitieren können. So wurden mit endobronchialen Ventilen bei Patienten mit massivem Emphysem deutliche Verbesserungen der Lungenfunktion, der Belastbarkeit und der Lebensqualität erreicht.7
Die pulmonale Rehabilitation sollte nichtvergessen werden. Diese bewährt sich nicht nur bei Patienten, bei denen trotz maximaler Therapie keine zufriedenstellende Symptomkontrolle erreicht wird, sondern bereits früher bzw. bei leichteren Erkrankungen. Ein Cochrane-Review, der mehr als 60 Studien umfasst, fand statistisch signifikante Verbesserungen in wichtigen Parametern wie Atemnot, emotionalem Wohlbefinden und der 6-Minuten-Gehstrecke.8 Celli: «Ob sich damit eine Reduktion der Mortalität erreichen lässt, ist fraglich, aber nach den verfügbaren Daten haben die Patienten in ihrer verbleibenden Lebenszeit mehr Lebensqualität.»

Asthma bronchiale: Phänotypisierung entscheidet
Deutlich erweitert wurden in den vergangenen Jahren die therapeutischen Optionen bei Asthma bronchiale – insbesondere beim schweren Asthma. Schweres Asthma ist laut ERS/ATS-Leitlinie von 2014 definiert als Asthma, das eine Behandlung mit hoch dosierten ICS plus einem zweiten Controller oder systemischen Kortikosteroiden erforderlich macht, um nicht «unkontrolliert» zu werden, bzw. auch unter den genannten Therapien «unkontrolliert» bleibt. Dies setze natürlich voraus, so Prof. Sandhya Khurana von der University of Rochester, dass eine bestätigte Asthmadiagnose vorliegt und modifizierbare Risikofaktoren, wie zum Beispiel vermeidbare Trigger oder Komorbiditäten, berücksichtigt wurden. Zunehmend habe sich in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich bei Asthma um eine sehr heterogene Erkrankung mit mehreren Phänotypen und innerhalb dieser Phänotypen einer Vielzahl unterschiedlicher Endotypen handle. Eine Phänotypisierung anhand der Sputumanalyse ergibt vier Kategorien von Asthma mit unterschiedlicher Häufigkeit bestimmter Granulozyten: nämlich eosinophiles, neutrophiles, gemischt-granulozytäres und pauci-granulozytäres Asthma. Beim gemischt-granulozytären Asthma treten sowohl Eosinophile als auch Neutrophile vermehrt auf. Dieser Asthma-Typ ist, so Khurana, oft besonders schwer zu kontrollieren. Beim pauci-granulozytären Asthma fehlt die Entzündung der Atemwege. Ursache kann beispielsweise eine Dysfunktion der glatten Muskulatur der Atemwege sein.
Ein wesentlicher Parameter für die Unterscheidung der verschiedenen Asthmatypen ist die Rolle der Typ-2-Inflammation. Diese ist beispielsweise beim allergischen Asthma sehr ausgeprägt, spielt aber etwa beim Adipositas-assoziierten Asthma allenfalls eine untergeordnete Rolle. Asthmatypen mit geringer Typ-2-Inflammation sprechen schlecht bis gar nicht auf Steroide an. Im Gegensatz dazu ist Typ-2-Asthma der heute am besten verstandene Asthma-Phänotyp. Beim Typ-2-Asthma setzen externe Noxen wie Allergene oder Umweltschafstoffe über dendritische Zellen, die die Konversion naiver Th0-Zellen in Th2-Zellen triggern, eine inflammatorische Kaskade in Gang. Th2-Zellen setzen IL-5 frei, das die Reifung und das Überleben eosinophiler Granulozyten fördert, sie wirken über IL-13 auf die glatte Muskulatur und sie aktivieren über IL-4/13 B-Zellen. Zellen des unspezifischen Immunsystems («innate lymphoid cells type 2») beteiligen sich an diesen Vorgängen. Hinzu kommt die direkte Freisetzung der Zytokine IL-25, IL-33 und TSLP direkt aus dem Epithel. Aus diesem Verständnis der Pathophysiologie ergeben sich jene Biomarker, die für die Therapiesteuerung herangezogen werden können. Khurana: «Eosinophile aus dem Sputum sind der Goldstandard in der Diagnostik des eosinophilen Asthmas. Allerdings sind sie nicht leicht zu gewinnen, sodass sie als Biomarker nur in klinischen Studien relevant sind.» Eine einfacher zugängliche Alternative ist die Eosinophilenzahl im Blut, die in der Praxis beispielsweise für die Indikationsstellung zur Biologikatherapie herangezogen wird. Da in den Atemwegen von Entzündungszellen Stickstoffmonoxid (NO) gebildet wird, ist das ausgeatmete NO (fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid – FeNO) ebenfalls als Marker für die Inflammation der Atemwege brauchbar. FeNO ist leicht zu messen und gewinnt als Biomarker an Bedeutung. Periostin im Blut hat sich hingegen nicht als Biomarker bei Asthma durchgesetzt.9
Biologika für unterschiedliche Pathways
Als erstes Biologikum für die Asthmatherapie kam 2003 das gegen IgE gerichtete Omalizumab auf den Markt, das bei moderatem bis schwerem allergischem Asthma eingesetzt werden kann. Seine Wirksamkeit hängt, so Khurana, stark vom IgE-Serumspiegel ab, an den auch die Dosierung angepasst werden muss. Ein Cochrane-Review zeigt für Omalizumab eine signifikante Reduktion sowohl der Exazerbationen als auch der Hospitalisierungen wegen Exazerbationen.10
Nach der Zulassung von Omalizumab vergingen ganze 12 Jahre, bis weitere Asthmabiologika verfügbar wurden. Diese sind Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab, die alle drei in den IL-5-Pathway eingreifen, wobei Mepolizumab und Reslizumab direkt gegen IL-5 gerichtet sind, Benralizumab hingegen blockiert den IL-5-Rezeptor. Für Mepolizumab wurde in den Zulassungsstudien im Vergleich zu Placebo eine Reduktion der Exazerbationen in der Grössenordnung von 50% demonstriert.11,12 Ganz ähnliche Ergebnisse wurden mit Reslizumab13 und Benralizumab14,15 erreicht. Das neuste der Asthma-Biologika ist das gegen den IL-4-Rezeptor gerichtete Dupilumab (noch nicht zugelassen für Asthmatherapie), das sowohl IL-4 als auch IL-13 blockiert und damit weiter oben in die Kaskade eingreift als die übrigen Biologika. Die Ergebnisse sind mit den zuvor genannten vergleichbar, wobei ebenfalls eine erhöhte Eosinophilenzahl die Voraussetzung für die Wirksamkeit ist.16,17 Mit allen Biologika können auch signifikante Reduktionen des systemischen Steroidbedarfs erreicht werden.
Bei nicht durch Th2-Inflammation verursachten Asthmaformen stehen vergleichbare Erfolge aktuell noch aus und wirksame Therapien werden, so Khurana, dringend benötigt.
Quelle:
CHEST virtual congress, 26. Juni 2020
Literatur:
1 Lange P et al.: N Engl J Med 2015; 373(2): 111-22 2 Tashkin DP et al.: Eur Respir J 2008; 31(4): 742-50 3 Calverley P et al.: N Engl J Med 2007; 356(8): 775-89 4 Crim C et al.: Eur Respir J 2009; 34(3): 641-7 5 Tashkin DP et al.: N Engl J Med 2008; 359(15): 1543-54 6 Celli BR, Wedzicha JA: N Engl J Med 2019; 381(13): 1257-66 7 Klooster K et al.: N Engl J Med 2015; 373(24): 2325-35 8 McCarthy B et al.: Cochrane Database Syst Rev 2015; 23(2): CD003793 9 Wagener AH et al.: Thorax 2015; 70(2): 115-20 10 Normansell R et al.: Cochrane Database Syst Rev 2014; 13(1): CD003559 11 Pavord ID et al.: Lancet 2012; 380(9842): 651-9 12 Ortega HG et al.: N Engl J Med 2014; 371(13): 1198-207 13 Castro M et al.: Lancet Respir Med 2015; 3(5): 355-66 14 Bleecker ER et al.: Lancet 2016; 388(10056): 2115-127 15 FitzGerald JM et al.: Lancet 2016; 388(10056): 2128-41 16 Wenzel S et al.: Lancet 2016; 388(10039): 31-44 17 Castro M et al.: N Engl J Med 2018; 378(26): 2486-96
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