
Beitrag der medizinischen Grundversorgung
Autor:
Dr. med. Gregory Berra
Service de pneumologie
Hôpitaux Universitaires de Genève
E-Mail: gregory.berra@hcuge.ch
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Der Zugang zur Lungentransplantation und deren Erfolgschancen hängen nicht nur von der spezialisierten Betreuung in den Transplantationszentren ab. Der Beitrag des medizinischen Grundversorgungsnetzes ist insbesondere für die Gewährleistung des Zugangs der Patienten zu dieser hochspezialisierten Therapie von entscheidender Bedeutung.
Keypoints
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Ein Patient mit einer chronischen Atemwegserkrankung wird nicht plötzlich zum Kandidaten für eine Transplantation.
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Den Zugang zur Transplantation und deren Erfolg zu gewährleisten ist nicht allein die Aufgabe der Transplantationszentren, sondern sie hängen auch entscheidend vom Beitrag der Grundversorger ab.
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Jede medizinische Fachkraft, die zu irgendeinem Zeitpunkt in die Betreuung potenzieller Transplantationskandidaten eingebunden ist, kann einen wichtigen Beitrag zur Antizipation von Problemen leisten, die den Erfolg des Transplantationsprojekts beeinträchtigen könnten.
DieLungentransplantation ist eine anerkannte Behandlungsoption für Patienten mit fortgeschrittener Atemwegserkrankung und einem 2-Jahres-Sterberisiko von >50%, wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.1 Ziel dieses Artikels ist es nicht, die Indikationen und Kontraindikationen für eine Lungentransplantation detailliert darzustellen, sondern den Beitrag des medizinischen Grundversorgungsnetzes in diesem Zusammenhang zu erläutern.2 Während die eigentliche Transplantation vom Transplantationszentrum übernommen wird, muss das medizinische Grundversorgungsnetz entscheidend dazu beitragen, Komorbiditäten und mögliche Hindernisse bei der Durchführung der Transplantation im Vorfeld zu antizipieren und zu behandeln.
Ein proaktiver Ansatz ist entscheidend
Es ist die Aufgabe des Pneumologen, Patienten, die gemäss den Leitlinien der International Society for Heart and Lung Transplantation für eine Transplantation qualifizieren, an ein Transplantationszentrum zu überweisen. Der Prozess der Beurteilung für eine Transplantation ist zeitaufwendig und es ist besser, wenn dieser Prozess und die Aufnahme auf die Warteliste abgeschlossen sind, bevor die Krankheit des Patienten zu weit fortgeschritten ist und eine Notfalltransplantation erforderlich wird, die mit schlechteren Ergebnissen verbunden sein kann.2,3
Ein Patient mit einer chronischen Atemwegserkrankung wird nicht plötzlich zum Kandidaten für eine Transplantation. Abgesehen von Patienten mit einer Krankheit, deren Verlauf fulminant sein kann, haben Kandidaten für eine Lungentransplantation oft eine komplexe Krankengeschichte mit zahlreichen zu behandelnden Begleiterkrankungen, und ihre Krankengeschichte erstreckt sich meist über mehrere Jahre. Hausärzte, behandelnde Pneumologen und andere Akteure des primären Versorgungsnetzes hatten im Laufe der Jahre die Möglichkeit, sich ein umfassendes Wissen über ihre Patienten anzueignen. Dies ist äusserst wertvoll, da es illusorisch ist, ein solches Mass an Verständnis für einen Patienten bei einer punktuellen Beurteilung anlässlich der ersten Transplantationsberatung zu erreichen. Die Kenntnis über psychische Aspekte (und möglicherweise psychiatrische Komorbiditäten), die Adhärenz des Patienten an die Therapie oder über sein soziales Netzwerk sind äusserst wichtige Informationen, um die Durchführbarkeit einer geplanten Transplantation zu beurteilen und mögliche beeinflussbare Schwächen zu beheben.4
Rechtzeitiges Erkennen potenzieller Risikofaktoren
Grundversorger sind auch in der Lage, vor der ersten Konsultation im Transplantationszentrum modifizierbare Risikofaktoren frühzeitig zu identifizieren, die sich auf die Transplantationskandidatur des Patienten auswirken könnten oder die das Überleben auf der Warteliste für die Lungentransplantation negativ beeinflussen würden, falls das Vorhaben weiter vorangetrieben werden sollte. So sind beispielsweise Begleiterkrankungen wie Adipositas 2. Grades, die eine spezielle Behandlung erfordern, um einen BMI von <30kg/m2 zu erreichen, eine ernährungsbedingte oder trophische Störung, eine schwere Osteoporose, ein optimierbares Gefässproblem oder auch eine Neoplasie, die nach einer kurativen Behandlung ein Überwachungsintervall erfordert, potenziell behebbare Probleme, die ein zumindest vorübergehendes Hindernis für die Transplantation darstellen könnten.1 Werden diese Problembereiche nicht im Vorfeld angegangen und erst bei der Konsultation im Transplantationszentrum erkannt, kann dies zu einer Verschiebung der Aufnahme auf die Warteliste führen, bis die erkannten Probleme beseitigt sind. Diese Verzögerung könnte dazu führen, dass das Transplantationsfenster verpasst wird. Der Zustand des Patienten könnte sich in der Zeit, die zur Behebung dieser Probleme erforderlich ist, verschlechtern, sodass keine Transplantation mehr möglich ist.
Alle Mitglieder des Betreuungsnetzes (Hausärzte, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Psychologen) können daher im Vorfeld der Konsultation im Transplantationszentrum entscheidend eingreifen. Tabelle 1 fasst die frühzeitigen Interventionen zusammen, die tendenziell verhindern könnten, dass ein behebbares Problem die Vorbereitungen auf die Transplantation behindert.
Tab. 1: Wichtige Interventionen bei der Behandlung eines Patienten mit fortgeschrittener Atemwegserkrankung, die dazu beitragen können, den Zugang zur Transplantation zu erhalten, falls der Patient ein Transplantationskandidat wird
Prävention und Behandlung von Komorbiditäten
Der Anteil älterer und komorbider Patienten ist im letzten Jahrzehnt stetig gestiegen, was vor allem auf den Rückgang der Transplantationen wegen Mukoviszidose (Aufkommen der CFTR-Modulatoren) und den Anstieg der Zahl an Transplantationen wegen interstitieller Lungenerkrankungen und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zurückzuführen ist. Dies hat zur Folge, dass die Berücksichtigung von Komorbiditäten, die das Risiko einer Transplantation beeinflussen können, in der heutigen Zeit des Organmangels immer wichtiger wird.5,6 COPD-Patienten sind hierfür beispielhaft, da sie eine besonders hohe Prävalenz von Komorbiditäten aufweisen, die ihre Lebensqualität und ihr Überleben unterschiedlich stark beeinträchtigen.7 So haben diese Patienten z.B. ein höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, und eine erhöhte Prävalenz von Stoffwechselproblemen wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes. Sie sind daher auch anfälliger für Gefässerkrankungen wie koronare Herzkrankheit und periphere arterielle Verschlusskrankheit. Sie haben ein höheres Risiko für Gebrechlichkeit in Verbindung mit Muskelabbau, Unterernährung und psychischen Störungen. Die Prävention und Behandlung dieser verschiedenen komorbiden Probleme sind, unabhängig davon, ob eine Transplantation geplant ist, Teil der bewährten Behandlung eines COPD-Patienten. Bei potenziellen Kandiaten für eine Transplantation sind sie umso wichtiger, um den Zugang zu einer möglichen Transplantation zu sichern.
Betreuung während der Zeit auf der Warteliste
Neben dem Transplantationszentrum haben auch niedergelassene Pneumologen und Hausärzte während der Zeit auf der Warteliste für die Transplantation einen wichtigen Beitrag zu leisten, um das Auftreten neuer komorbider Probleme in der langen Zeit zwischen der ersten Untersuchung vor der Transplantation und der Transplantation zu erkennen und um den allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten zu erhalten. Insbesondere die Gebrechlichkeit, die mit der Fried-Skala oder der «Short Physical Performance Battery» gemessen wird, ist mit einer erhöhten Sterblichkeit auf der Warteliste und nach der Transplantation verbunden.8–10 Die Aufnahme in Programme zur Atemwegsrehabilitation, die eine Optimierung des Ernährungszustands, den Muskelaufbau und kardiorespiratorisches Training beinhalten, hat einen positiven Effekt hinsichtlich der Beseitigung der Gebrechlichkeit und der Verringerung der Hospitalisationsdauer nach der Transplantation (Gesamtdauer und Intensivpflege).11,12
Zusammenfassung
Den Zugang zur Transplantation und deren Erfolg zu gewährleisten ist nicht allein eine Aufgabe der Transplantationszentren, auch die Zusammenarbeit mit dem medizinischen Grundversorgungsnetz spielt eine wichtige Rolle. Jeder betreuende Arzt kann entscheidend dazu beitragen, den Erfolg der Transplantation zu gewährleisten.
Literatur:
1 Leard LE et al.: J Heart Lung Transplant 2021; 40: 1349-79 2 Ioakeim F et al.: Rev Med Suisse 2022; 18: 2143-9 3 Schiavon M et al.: J Thorac Dis 2019; 11: 4746-54 4 Nohre M et al.: Front Psychiatry 2021; 12: 704319 5 Perch M et al.: J Heart Lung Transplant 2022; 41: 1335-47 6 Burgel PR et al.: Am J Respir Crit Care Med 2021; 204: 64-73 7 Divo M et al.: Am J Respir Crit Care Med 2012; 186: 155-61 8 Fried LP et al.: J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2001; 56: 146-56 9 Singer JP et al.: Am J Respir Crit Care Med 2015; 192: 1325-34 10 Wilson ME et al.: J Heart Lung Transplant 2016; 35: 173-8 11 Abidi Y et al.: Life (Basel) 2023; 13: 506 12 Li M et al.: J Heart Lung Transplant 2013; 32: 626-32
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