
Atemwegserkrankungen phänotypisieren
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Welche Informationen eine Eosinophilie, das Gesamt-IgE oder fraktioniertes Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft bei obstruktiven Lungenerkrankungen liefern und was funktionelle Atemtests über die «small airways» aussagen, erfuhr man am Jahreskongress der SGP in Luzern.
Interleukin(IL)-5 ist ein von T-Helferzellen Typ 2 (Th-2) produziertes Zytokin, das als Reaktion auf eine Antigenprovokation z.B. durch Allergene in der Atemluft oder respiratorische Viren freigesetzt wird und zur Aktivierung, Maturation und Migration von eosinophilen Granulozyten aus dem Knochenmark in die Zirkulation führt. Dort verbleiben sie für circa 4 Stunden und werden anschliessend in das Gewebe beispielsweise der Lunge oder des Verdauungstrakts rekrutiert. Die Eosinophilenzellzahl im Blut repräsentiert weniger als 1% der Gesamtzahl der eosinophilen Granulozyten im Körper.1
Eosinophile Granulozyten spielen sowohl in der Pathogenese von Asthma wie auch von COPD eine Rolle. Beim Asthma ist insbesondere der Phänotyp des «Th-2-high»-Asthma, zu dem das allergische sowie das «Late onset»-Asthma bei Erwachsenen gehören, mit einer eosinophilen Entzündung assoziiert. Ein «Late onset»-Asthma geht häufiger mit einem schweren Krankheitsverlauf einher.2
Die Rationale, eosinophile Granulozyten auch als Biomarker bei COPD zu bestimmen, stammt aus den beiden Studien ETHOS und IMPACT über den Einsatz und Nutzen einer inhalativen Tripeltherapie inkl. inhalativer Steroide (ICS) bei COPD, im Vergleich zu einer dualen Bronchodilatation mit lang wirksamen Muskarin-Rezeptor-Antagonisten (LAMA) und lang wirksamen Beta-2-Rezeptor-Antagonisten (LABA).3,4 Dabei wurde gezeigt, dass mit der Tripeltherapie bei steigender Eosinophilenzahl über die Reduktion von Exazerbationen hinaus ein positiver Effekt auf das Überleben erreicht werden kann.3,4
Die Bestimmung der eosinophilen Granulozyten im Blut ist einfach, breit verfügbar und kostengünstig. Die Zellzahl der Eosinophilen erlaubt keine unmittelbaren Rückschlüsse auf organspezifische Manifestationen oder den Schweregrad der eosinophilen Entzündung. Die Interpretation muss immer unter Einbezug von Komorbiditäten und der medikamentösen Therapie erfolgen. Die Eosinophilenzellzahl ist abhängig vom zirkadianen Rhythmus und von der Jahreszeit. Die höchsten Werte werden zwischen 6 und 12 Uhr und von Oktober bis April gemessen. Eine Untersuchung in der Allgemeinbevölkerung, die versucht hat, die normale Eosinophilenzellzahl zu definieren, zeigte, dass Männer höhere Werte aufweisen als Frauen (im Median 120/μl vs. 100/µl).5 Der Anstieg der Eosinophilenzellzahl bei initial gesunden Personen mit einer normalen Lungenfunktion ist mit einem erhöhten Risiko für eine obstruktive Lungenerkrankung assoziiert. «Noch nicht restlos geklärt ist die Frage, bei welcher Eosinophilenzellzahl eine obstruktive Atemwegserkrankung als stabil bezeichnet werden kann», sagte Dr. med. Matthias Josef Herrmann vom Universitätsspital Basel. Wiederholte Bestimmungen der Eosinophilenzellzahl bei Patienten mit stabiler COPD über einen Zeitraum von 12 Monaten ergaben bei 55% der Patienten beständige Werte <400/µl, bei 35% Werte von circa 400/μl und bei 10% durchgehend Werte >400/μl.6 Neuere Daten zeigen allerdings, dass die Zellzahlen der Eosinophilen, stratifiziert gemäss GOLD-Guidelines in Werte <100/μl, 100– <300/μl und ≥300/μl, bei den meisten Patienten innerhalb eines Jahres stabil bleiben.7 Am höchsten ist die Krankheitslast eosinophiler Atemwegserkrankungen, gemessen an der «health-related quality of life» und Exazerbationen, im Vergleich zu schwerem Asthma und COPD bei einem Asthma-COPD-Overlap (ACO).8
Vom Biomarker zum behandelbaren Entzündungsmarker
Therapeutisch ist als Basismassnahme bei Patienten mit «Th-2-high»-Asthma die Allergenkarenz sinnvoll. Daneben existieren mit ICS, oralen Kortikosteroiden (OCS) und Biologika gegen IL-5 oder den IL-5-Rezeptor (IL-5R) wirksame Pharmakotherapien. Die Beziehung zwischen der Eosinophilenzellzahl und dem Verlust der Asthmakontrolle sowie dem Auftreten von schweren Exazerbationen ist gut untersucht.1 «Die Behandlung des schweren «Th-2-high»-Asthmas mit Anti-IL-5/IL-5R Antikörpern (AK) ist effektiv und ein fester Bestandteil der klinischen Praxis», so der Spezialist. Gemäss einem kürzlich publizierten Algorithmus zur Abklärung und Behandlung von Patienten mit schwerem Asthma stehen bei einer Eosinophilenzellzahl zwischen 150 und 1500/μl über die erwähnten Biologika hinaus auch Anti-IgE-, Anti-IL-4-Rα- oder Anti-TSLP-AK zur Verfügung. Beim Vorliegen einer Hypereosinophilie mit Werten >1500/μl wird dagegen eine Behandlung mit Anti-IL-5/IL-5R klar empfohlen.9
Weniger klar ist die Situation bei COPD. Studien zeigten zwar eine Reduktion von Exazerbationen, nicht aber eine Verbesserung der Lungenfunktion und des allgemeinen Gesundheitszustands bei den Betroffenen.10 Die European Respiratory Society (ERS) empfiehlt eine ICS-Behandlung bei COPD-Patienten mit einer Eosinophilenzellzahl >300/μl. Bei einer Eosinophilenzellzahl <300/μl und <2 Exazerbationen pro Jahr wird ein bedingter ICS-Behandlungsstopp empfohlen. Limitierte Evidenz existiert für Patienten mit einer Eosinophilenzellzahl <300/μl und ≥2 Exazerbationen pro Jahr. Hier empfiehlt die Fachgesellschaft, die Entscheidung zusammen mit dem Patienten und unter Abwägung des Nutzens und der Risiken zu treffen.11
FeNO und IgE
Ein weiterer Surrogatmarker für die Atemwegsentzündung ist das in der Ausatemluft gemessene fraktionierte Stickstoffmonoxid (FeNO). Die Interpretation der FeNO-Werte ist nicht immer einfach, da die FeNO-Produktion dem IL-13 unterliegt, während die eosinophilen Granulozyten von IL-5 abhängig sind. Es ist daher möglich, dass der FeNO-Wert nicht mit der Eosinophilenzellzahl korreliert oder der FeNO-Wert von der Therapie mit Anti-IL-5-AK unbeeinflusst bleibt. Faktoren wie allergische Rhinitis, eosinophile Bronchitis und chronische Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis (CRSwNP) verursachen erhöhte FeNO-Werte und können fälschlicherweise zu einer Asthmadiagnose führen.12 Rauchen kann dagegen einen erhöhten FeNO-Wert fälschlicherweise normalisieren.
Die Kombination einer Eosinophilenzellzahl >300/μl mit FeNO-Werten >50ppb hat sich hingegen als bester Prädiktor für eine Exazerbation bei Patienten mit schwerem Asthma erwiesen.13 Ein weiterer Biomarker für die Th-2-Entzündung, der aber noch nicht für den klinischen Einsatz zur Verfügung steht, ist IL-13.
Obwohl das IgE eine wichtige Rolle in der Pathogenese des «Th-2-high»-Asthmas spielt, lässt sich anhand des Gesamt-IgE nicht feststellen, ob es sich um ein allergisches Asthma handelt. Auch die Sensibilisierung auf inhalative Allergene, beispielsweise im Pricktest, bestätigt die Diagnose allergisches Asthma nicht. Nur wenn die Sensibilisierung auch im Bereich der unteren Atemwege klinisch relevant ist, handelt es sich um ein allergisches Asthma.14
Nutzen funktioneller Tests bei «small airways disease»
Die Spirometrie wird zur Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung und Bestimmung der Lungenvolumina eingesetzt. Welchen Beitrag die «small airways» an der Obstruktion haben, respektive welche Informationen die Spirometrie und andere Untersuchungsmethoden diesbezüglich liefern können, erfuhr man von Dr. med. Thomas Rothe, Kantonsspital Graubünden in Chur und Spital Davos. Der am meisten zitierte Parameter für eine Obstruktion der kleinen Atemwege ist der mittels Spirometrie gemessene mittlere forcierte expiratorische Flow (FEF 25–75%). Dieser gibt aber nur dann eine verlässliche Auskunft, wenn die forcierte Vitalkapazität (FVC) normal ist und keine Hyperinflation besteht. Übersteigt die inspiratorische Vitalkapazität (IVC) die FVC deutlich, könnte dies ein Hinweis auf Verengungen und kollabierende distale Atemwege sein. Eine Abnahme der FEV1 (Einsekundenkapazität) und eventuell auch der FVC ist auch bei einem normalen FEV1/FVC-Verhältnis ein klarer Hinweis auf eine Obstruktion, wenn gleichzeitig das Verhältnis von RV/TLC (Residualvolumen/totale Lungenkapazität) erhöht ist.15 Informationen über den Zustand der kleinen Atemwege kann zudem die Spirometrie vor und nach der Inhalation eines Helium-Sauerstoff-Gemischs (Heliox) liefern.
Die Body-Plethysmografie dient zur Ermittlung des RV und der TLC. Den verlässlichsten Hinweis auf eine Hyperinflation oder ein «air trapping» liefert die RV/TLC-Ratio. Mit dem einfachen Stickstoffauswaschtest lässt sich das «closing volume» (CV) bestimmen. Ein erhöhtes CV und eine erhöhte «closing capacity» (Summe aus RV plus CV) findet man bei Rauchern oder Personen mit einer beginnenden «small airways disease».15
Eine weitere Möglichkeit, den Atemwegswiderstand zu bestimmen, ist die forcierte Impulsoszillometrie (FOT). Verglichen mit der Spirometrie weist die FOT eine höhere Sensitivität bei der Detektion einer «small airways disease» und einer «persistent bronchodilator response» (PBR) als Zeichen einer unzureichenden Asthmakontrolle auf.16,15 Ein Vorteil der Untersuchung ist, dass sie auch bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen und koordinativen Problemen eingesetzt werden kann.
Quelle:
Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 30. März bis 1. April 2022, Luzern
Literatur:
1 Jackson DH et al.: Eosinophils and eosinophilic immune dysfunction in health and disease. Eur Respir Rev 2022; 31: 210150 2 Wenzel SE et al.: Asthma phenotypes: the evolution from clinical to molecular approaches. Nat Med 2012; 18: 716-25 3 Martinez FJ et al.: Reduced all-cause mortality in the ETHOS trial of budesonide/glycopyrrolate/formoterol for chronic obstructive pulmonary disease. A randomized, double-blind, multicenter, parallel-group study. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 553-64 4 Pascoe S et al.: Blood eosinophils and treatment response with triple and dual combination therapy in chronic obstructive pulmonary disease: analysis of the IMPACT trial. Lancet Respir Med 2019; 7: 745-56 5 Hartl S et al.: Blood eosinophil count in the general population: typical values and potential confounders. Eur Respir J 2020; 55: 1901874 6 Rabe KF et al.: Peripheral eosinophil count as a biomarker for the management of COPD: not there yet. Eur Respir J 2017; 50: 1702165 7 Long GH et al.: The stability of blood eosinophils in chronic obstructive pulmonary disease. Respir Res 2020; 21: 15 8 Hiles SA et al.: Disease burden of eosinophilic airway disease: Comparing severe asthma, COPD and asthma-COPD overlap. Respirology 2021; 26: 52-61 9 Brusselle GG, Koppelmann GH: Biologic therapies for severe asthma. N Engl J Med 2022; 386: 157-71 10 Brightling C, Greening N: Airway inflammation in COPD: progress to precision medicine. Eur Respir J 2019; 54: 1900651 11 Chalmers JD et al.: Withdrawal of inhaled corticosteroids in COPD: a European Respiratory Society guideline. Eur Respir J 2020; 55: 2000351 12 Kobayashi Y et al.: Residual exhaled nitric oxide elevation in asthmatics is associated with eosinophilic chronic rhinosinusitis. 2015; 52: 1060-4 13 Busse WW et al.: Understanding the key issues in the treatment of uncontrolled persistent asthma with type 2 inflammation. Eur Respir J 2021; 58: 2003393 14 Wenzel SE et al.: Asthma: defining of the persistent adult phenotypes. Lancet 2006; 368: 804-13 15 Katsoulis KK et al.: Techniques for assessing small airways function: Possible applications in asthma and COPD. Respir Med 2016; 119: e2-e9 16 Cottee AM et al.: Bronchodilator response assessed by the forced oscillation technique identifies poor asthma control with greater sensitivity than spirometry. Chest 2020; 157: 1435-41
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