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EAACI 2016

Allergien individuell behandeln

<p class="article-intro">Endlich gibt es zusehends auch Biologika-Therapien gegen allergische Erkankungen, womit gestörte Signalwege gezielt unterbrochen werden können. Nachfolgend präsentieren wir Ihnen dazu einige Highlights vom Kongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology in Wien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mehr als 7.400 &Auml;rzte und Forscher trafen einander Anfang Juni in Wien beim Allergiekongress der EAACI. &bdquo;Wir europ&auml;ische Allergologen k&ouml;nnen stolz sein&ldquo;, sagte Priv.-Doz. Dr. Stefan W&ouml;hrl, Allergologe am Floridsdorfer Allergiezentrum. &bdquo;Der EAACI ist inzwischen wichtiger als der gro&szlig;e amerikanische Allergiekongress.&ldquo; <br />Eines der interessantesten Themen, die diskutiert wurden, betraf die personalisierte Medizin: Krankheiten werden schon seit L&auml;ngerem erfolgreich mit gezielten Tests und &bdquo;personalisierten&ldquo; Medikamenten behandelt, die in gest&ouml;rte Stoffwechselwege eingreifen, zum Beispiel diverse Krebsarten oder Psoriasis. &bdquo;Bei allergischen Krankheiten haben wir jetzt endlich auch mehr solcher Tests und Medikamente&ldquo;, berichtete W&ouml;hrl. <br />Mithilfe der komponentenbasierten Dia&shy;&shy;gnostik (&bdquo;component resolved diagnosis&ldquo;, CRD) k&ouml;nnen Allergologen inzwischen bestimmen, gegen welche Allergene jemand sensibilisiert ist. &bdquo;Damit k&ouml;nnen wir zum Beispiel sagen, ob eine Immuntherapie Erfolg haben wird oder wie schlimm eine m&ouml;gliche allergische Reaktion wird&ldquo;, sagte Prof. Dr. Heimo Breiteneder, Allergieforscher an der MedUni Wien. So l&ouml;sen die Haselnuss-Allergene Cor a1 oder 2 meist nur ein Kribbeln oder ein pelziges Gef&uuml;hl auf der Zunge aus, und Cor a9 oder 11 eine heftigere Reaktion mit Atemnot. Patienten mit milder Allergie vertragen noch kleine Mengen Haseln&uuml;sse, w&auml;hrend bei jenen mit der schweren Form schon geringe Spuren einen lebensbedrohlichen Schock ausl&ouml;sen k&ouml;nnen und sie Haseln&uuml;sse strikt vermeiden m&uuml;ssen. Reagiert ein Birkenpollenallergiker auf Bet v1 oder ein Gr&auml;serpollenallergiker auf Phl p1 oder 5, ist die Wahrscheinlichkeit gro&szlig;, dass er mit der Immuntherapie seine Al&shy;lergie los wird. &bdquo;Die besten Tests n&uuml;tzen aber nichts, wenn man sie nicht interpretieren kann&ldquo;, erkl&auml;rte Doz. W&ouml;hrl. &bdquo;Einige Kollegen lassen leider oft eine ganze Palette Tests durchf&uuml;hren, ohne eine vern&uuml;nftige Anamnese zu machen. Die CRD ist super, aber man sollte gezielt nur auf die Allergene testen, bei denen man eine Allergie vermutet.&ldquo; <br />Allergologen tr&auml;umen schon seit Langem davon, die Immuntherapie st&auml;rker zu personalisieren. Bisher sind in den Immuntherapie-L&ouml;sungen (Impfl&ouml;sungen) Extrakte enthalten, zum Beispiel aus Pollen oder Insektengift. &bdquo;Diese enthalten aber nicht immer alle Allergene in ausreichenden Mengen, was f&uuml;r den Therapieerfolg problematisch sein kann&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Breiteneder. So erlitt ein Patient mit Bienengiftallergie in Z&uuml;rich trotz einer mehrj&auml;hrigen Immuntherapie einen schweren allergischen Schock. Sp&auml;ter stellte sich heraus, dass er gegen Api m3 allergisch ist, wovon in der Impfl&ouml;sung wenig enthalten war.<sup>1</sup> <br />Aktuell werden neue Immuntherapien mit einzelnen Allergenen oder Mischungen daraus, etwa Gr&auml;ser- oder Birkenpollenallergenen, getestet. &bdquo;Bei diesen Studien hat man aber zuvor nicht untersucht, ob die Studienteilnehmer wirklich gegen diese oder gar gegen andere Allergene aller&shy;gisch sind, die in den Pr&auml;pa&shy;raten nicht enthalten waren&ldquo;, berichtete Prof. Stefan Vieths, Vizepr&auml;sident des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen, Deutschland. &bdquo;Die Therapien waren nicht wirksamer als die klassische Immuntherapie mit dem Extrakt.&ldquo; Daher k&ouml;nnte es sich m&ouml;glicherweise als sinnvoller erweisen, die Extrakte auf andere Weise zu verbessern, etwa indem man dem Extrakt einzelne Allergene, zum Beispiel Api m3 bei Bienengiftallergie oder Stoffe, die die Immun&shy;antwort verst&auml;rken, hinzuf&uuml;gt.</p> <h2>Fortschritte in der Biologika-Therapie</h2> <p>Weiter fortgeschritten ist die personalisierte Therapie mit Biologika, die gezielt in gest&ouml;rte Signalwege eingreifen. Mehr als ein Dutzend Wirkstoffe werden zurzeit in Studien an Allergiepatienten ge&shy;testet, zwei Therapeutika sind bereits auf dem Markt.<sup>2</sup> Die Biologika blockieren Botenstoffe, die f&uuml;r die Allergie verantwortlich sind. Der Antik&ouml;rper Omalizumab wurde in der Europ&auml;ischen Union 2005 und in der Schweiz 2006 gegen schweres Asthma zugelassen; in Wien wurde nun ein weiterer Antik&ouml;rper vorgestellt: Mepolizumab, der seit Anfang 2016 erh&auml;ltlich ist. <br />Als &bdquo;wissenschaftlichen Durchbruch&ldquo; bezeichneten viele Allergologen in Wien Dupilumab, den neuen Wirkstoff gegen Neurodermitis. &bdquo;Darauf haben wir zwanzig Jahre lang gewartet&ldquo;, sagte Doz. W&ouml;hrl. &bdquo;Wir haben nichts, womit wir schwere F&auml;lle behandeln k&ouml;nnen.&ldquo; Der Hersteller reicht demn&auml;chst den Antrag zur Zulassung in den USA ein. In den Zulassungsstudien SOLO-1, SOLO-2 und CHRONOS erhiel&shy;ten insgesamt 2.119 Patienten entweder Dupilumab oder Placebo 1x pro Woche oder 1x alle 2 Wochen injiziert.<sup>3, 4</sup> Bei rund 40 % der Patienten verschwanden die Hautl&auml;sionen unter Dupilumab fast oder vollst&auml;ndig, bei denen unter Placebo in rund 10 % . In der mit einem Jahr am l&auml;ngsten dauernden CHRONOS-Studie erreichten 64 % der Patienten mit Dupilumab und 22 % derjenigen mit Placebo einen sogenannten EASI-Score von 75, das ist ein Ma&szlig; f&uuml;r die Gr&ouml;&szlig;e und die Schwere der Hautver&auml;nderungen. &bdquo;Die Studienergebnisse klingen sehr vielversprechend&ldquo;, sagte Prof. Thomas Bieber, Direktor der Klinik f&uuml;r Dermatologie und Allergologie an der Uni in Bonn, &bdquo;aber wir m&uuml;ssen nat&uuml;rlich noch abwarten, bis die Beh&ouml;rde sie gepr&uuml;ft hat. Gibt sie gr&uuml;nes Licht, k&ouml;nnte es sein, dass Dupilumab im kommenden Jahr in den USA und sp&auml;ter auch in Europa zugelassen wird.&ldquo; <br />Milde Formen von Neurodermitis haben Patienten mit Juckreiz stillenden und entz&uuml;ndungshemmenden Salben ganz gut im Griff. In schweren F&auml;llen werden Immunsuppressiva verschrieben, welche aber aufgrund der Nebenwirkungen nicht dauerhaft eingenommen werden d&uuml;rfen. &bdquo;Manche Patienten m&uuml;ssen sich eine Woche lang im Spital messerdick mit Salben eincremen, um den Ausschlag unter Kontrolle zu bekommen&ldquo;, so Doz. W&ouml;hrl. &bdquo;Doch zu Hause kommt er rasch wieder &ndash; die Betroffenen leiden f&uuml;rchterlich.&ldquo; Gegen Neurodermitis wurden zwar schon einige Biologika getestet, die Studien waren jedoch entweder zu klein, oder die Medikamente wirkten nicht oder l&ouml;sten erhebliche Nebenwirkungen aus. Dupilumab blockiert Rezeptoren f&uuml;r die Botenstoffe Interleukin 4 (IL-4) und IL-13. Dr. Claudio Rhyner, Molekularbiologe am Schweizerischen Institut f&uuml;r Allergieforschung in Davos, h&auml;lt den Ansatz f&uuml;r eine gute Idee. &bdquo;Bei Neurodermitis werden vermehrt IL-4 und IL-13 produziert, was &uuml;ber verschiedene Signalwege dazu f&uuml;hrt, dass die Haut durchl&auml;ssiger wird&ldquo;, erkl&auml;rte er. &bdquo;So k&ouml;nnen Bakterien, Viren und andere Substanzen aus der Umwelt leichter in die Haut eindringen, und sie reagiert mit Entz&uuml;ndung und juckendem Ausschlag.&ldquo; Dupilumab verhindert die Bindung von IL-4 und IL-13, was die intrazellul&auml;re Signalkaskade unterbricht, und der Ausschlag geht zur&uuml;ck. <br />Einen wichtigen Faktor stellt nat&uuml;rlich auch die Kostenfrage von Biologika-Therapien dar. &bdquo;Wir m&uuml;ssen deshalb Marker finden, die uns Auskunft dar&uuml;ber geben, welche Patienten davon profitieren&ldquo;, forderte Dr. Rhyner. &bdquo;Die Interleukine zu blockieren w&uuml;rde zum Beispiel nur dann Sinn haben, wenn sie auch wirklich erh&ouml;ht sind.&ldquo; Vor einem Einsatz des IL-5-Antik&ouml;rpers Mepolizumab bestimmen die &Auml;rzte die Eosinophilenzahl, die einen Hinweis f&uuml;r vermehrte IL-5-Bildung darstellt. Der Einsatz von Omalizumab ist hingegen nur bei erh&ouml;hten IgE-Spiegeln sinnvoll. &Auml;hnliche Marker, um festzustellen, ob eine Therapie wirksam sein kann, versuchen Forscher aktuell auch f&uuml;r andere Therapien zu identifizieren. Diese Marker zu bestimmen, dauert mitunter mehrere Tage. Das Team um Dr. Claudio Rhyner hat daher ein Instrument entwickelt, mit dem sich solche Marker innerhalb von 10 Minuten direkt beim Patienten messen lassen. &bdquo;Bis es auf dem Markt ist, kann es aber noch ein bis zwei Jahre dauern&ldquo;, sagt Dr. Rhyner.</p> <div id="fazit"> <h2>Die 4-P-Medizin</h2> <p>&bdquo;Nur&ldquo; personalisiert reicht den Forschern nicht. Der neue Ansatz ist eine &bdquo;4-P-Medizin&ldquo;: &bdquo;Wir m&uuml;ssen noch viel mehr Biomarker finden, damit wir den Erfolg einer Therapie vorhersagen (&bdquo;to predict&ldquo;) k&ouml;nnen &ndash; auch im Zuge der immer knapper werdenden Ressourcen&ldquo;, sagte Prof. Nikos Papadopoulos, Professor f&uuml;r Allergologie an der Universit&auml;t Manchester. Viel mehr geforscht werden m&uuml;sse auch daran, wie man Allergien vermeiden (&bdquo;to prevent&ldquo;) k&ouml;nne. Der Patient solle zudem aktiv am Therapieentscheidungsprozess mitwirken (&bdquo;to participate&ldquo;). &bdquo;Im Zuge der digitalen Medien geht das heute auch viel einfacher&ldquo;, wei&szlig; Papadopoulos, zum Beispiel mit Asthma-Apps. &bdquo;Mit 4-P-Medizin k&ouml;nnen wir die Forschung zum Patienten bringen &ndash; das ist die Zukunft der Allergiebehandlung.&ldquo;</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Schmid-Grendelmeier P, Universit&auml;tsSpital Z&uuml;rich, pers&ouml;nliche Mitteilung <br /><strong>2</strong> Runkel L: Novel biologics for asthma: steps on the long road to therapies for uncontrolled asthma. Citeline&rsquo;s Pharmaprojects&reg;, Trialtrove&reg;, <a href="https://citeline.com/wp-content/uploads/Nov2015_Asthma_Laura-Runkel.pdf" target="_blank">https://citeline.com/wp-content/uploads/Nov2015_Asthma_Laura-Runkel.pdf</a>; letzter Zugriff 4. Juli 2016; 12:00 Uhr <br /><strong>3</strong><a href=" % 20http:/mediaroom.sanofi.com/sanofi-and-regeneron-announce-positive-dupilumab-topline-results-from-two-phase-3-trials-in-inadequately-controlled-moderate-to-severe-atopic-dermatitis-patients/" target="_blank"> http://mediaroom.sanofi.com/sanofi-and-regeneron-announce-positive-dupilumab-topline-results-from-two-phase-3-trials-in-inadequately-controlled-moderate-to-severe-atopic-dermatitis-patients/</a>; letzter Zugriff 4. Juli 2016; 13:00 Uhr <br /><strong>4</strong> <a href="http://mediaroom.sanofi.com/regeneron-and-sanofi-announce-that-dupilumab-used-with-topical-corticosteroids-tcs-was-superior-to-treatment-with-tcs-alone-in-long-term-phase-3-trial-in-inadequately-controlled-moderate-to-severe-a/" target="_blank">http://mediaroom.sanofi.com/regeneron-and-sanofi-announce-that-dupilumab-used-with-topical-corticosteroids-tcs-was-superior-to-treatment-with-tcs-alone-in-long-term-phase-3-trial-in-inadequately-controlled-moderate-to-severe-a/</a>; letzter Zugriff 4. Juli 2016; 14:00 Uhr</p> </div> </p>
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