
OPs am gesunden Gewebe: kontralaterale und prophylaktische Mastektomie
Autoren:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Rupert Koller
Dr. Sara Abayev
Dr. Wenzel Stracke
OÄ Dr. Beate Stocker
Brustgesundheitszentrum
Klinik Ottakring des Wiener Gesundheitsverbundes
Akademisches Lehrkrankenhaus der MUW
E-Mail: rupert.koller@wienkav.at
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Seit Angelina Jolies spektakulärem Outing in der New York Times im Mai 2013, bei welchem sie über ihre prophylaktische (besser: risikoreduzierende) Mastektomie und die Rekonstruktion mit Expandern berichtete, wird dieses Thema auch bei uns von vielen Laien angesprochen. Zudem hat auch die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema exponentiell zugenommen. Als Mitarbeiter eines Brustgesundheitszentrums ist man sehr häufig mit betroffenen Frauen konfrontiert, deren Beratung in der Regel ein hohes Maß an zeitlichen Ressourcen in Anspruch nimmt.
Definitionen
Wenn wir von risikoreduzierenden Mastektomien, die in der Regel eine Sofortrekonstruktion nach sich ziehen, sprechen, haben wir es mit zwei verschiedenen Gruppen von Patientinnen zu tun.
Gesunde Frauen mit Genmutation
Gesunde Frauen mit bestimmten Genmutationen, zumeist „Breast Cancer 1/2“ (BRCA1/2), haben ein bis zu 80%Risiko, im Laufe des Lebens an einem Mammakarzinom zu erkranken.
Die Beratung dieser Betroffenen stellt hohe Ansprüche an das Einfühlungsvermögen der Mediziner, da wir erstens nicht direktiv beraten dürfen und es zweitens auch die Meinung gibt, dass engmaschige Kontrollen mit jährlichen Kontrollen via Brust-Magnetresonanztomografie (MRT) eine probate Alternative darstellen.
Hat sich die Betroffene zur beidseitigen Mastektomie mit Sofortrekonstruktion entschlossen, kann ihr definitiv mitgeteilt werden, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass durch diesen Eingriff sowohl die Krebsinzidenz als auch die Sterblichkeit gesenkt werden können. Man muss sich bei der Beratung allerdings im Klaren sein, dass wir als Operateure einem gewissen Prozentsatz an Frauen eine Operation zumuten, von der sie nicht profitieren, da sie niemals manifest erkranken würden.
Frauen mit einseitigem Mammatumor
Frauen, die an einem einseitigen Mammatumor erkrankt sind, können sich mit der Fragestellung nach einer kontralateralen prophylaktischen Mastektomie (CPM) an den Operateur wenden.
In erster Linie sind hier psychologische Gründe ausschlaggebend, da die Betroffenen oft in ständiger Furcht vor einem Fortschreiten der Erkrankung leben. Außerdem spielen ästhetische Faktoren, konkret der Wunsch nach Symmetrie, eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grund gibt es in den USA durchaus prominente Kliniken (z.B. Memorial Sloane Kettering Cancer Center in New York), an denen bis zu ein Drittel der Mastektomien bereits beidseitig erfolgt.
Derzeitiger, durch Studien fundierter Wissensstand ist, dass lediglich Trägerinnen einer BRCA/2-Mutation einen Überlebensvorteil aus einer CPM ziehen, sodass momentan folgende Empfehlungen gegeben werden können:Zur kontralateralenprophylaktischen Mastektomie sollte nur Patientinnen mit familiärem Risiko geraten werden, konkret BRCA1/2-positiven Betroffenen mit einseitigem Karzinom sowie Frauen mit Mantelfeldbestrahlung des Thorax in der Anamnese (Morbus Hodgkin etc.).
Eine relative Indikation für eine CPM ist gegeben bei Nicht-BRCA-Genträgerinnen (Checkpoint-Kinase 2 [CHEK2], „partner and localizer of BRCA2“ [PALP2], p53) mit hoher familiärer Belastung sowie bei BRCA-negativen Frauen mit hoher familiärer Belastung und hohem psychischem Druck.
Bei Vorliegen einer relativen Indikation sollte jedoch immer eine Empfehlung des Tumorboards eingeholt werden.
Keinesfalls sollte Frauen mit einem einseitigen Tumor niedrigen Risikos (luminal A, duktales Carcinoma in situ) die kontralaterale Op angeboten werden.
Gründe, die gegen eine breite Ausrollung der CPM sprechen, sind
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der schon oben erwähnte fehlende onkologische Nutzen,
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das beträchtliche Risiko für eine operative Komplikation an der gesunden Brust: Wundheilungsstörung, Implantatverlust (Abb. 1),
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eine unklare Rechtssituation, wer für die Operation an einem gesunden Organ aufkommt und welche juridischen Folgen eine misslungene Operation bei fehlender medizinischer Indikation für den Operateur haben kann.
Abb. 1: Patientin mit familiärem Hochrisiko und Tumor links, Wundheilungsstörung in der an sich gesunden rechten Brust
Chirurgisches Vorgehen
Als standarsisiertes, wissenschaftlich fundiertes und onkologisch sicheres chirurgisches Vorgehen bei der risikoreduzierenden Mastektomie kann die Brustwarzen erhaltendende („nipple sparing“) Mastektomie mit synchroner Sofortrekonstruktion empfohlen werden. Die Rekonstruktion kann je nach anatomischen Gegebenheiten mit Eigengewebe (Lappen) oder Implantaten (Abb. 2) durchgeführt werden, wobei naturgemäß auch der Wunsch der mündigen Patientin eine wesentliche Rolle spielt. Situationen, in denen wir zur Eigengeweberekonstruktion raten, sind:
Abb. 2: A: gesunde von BRCA1-Genmutation Betroffene. B: Zustand nach beidseitiger Mastektomie über inframammären Schnitt und Sofortrekonstruktion mit Implantat und Titannetz präpektoral
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ptotische Brüste bei Frauen mit höherem Body-Mass-Index (BMI) bzw. Gewebeüberschuss am Abdomen (Abb. 3),
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ungünstige Lokalsituation, z.B. schon bestrahltes OP-Gebiet,
Patientinnenwunsch, keinen Fremdkörper zu tragen (Abb. 4).
Abb. 3: A: gesunde Frau mit BRCA-Genmutation und höherem BMI. B: Zustand nach beidseitiger Skin-Sparing-Mastektomie über periareolären Schnitt und Sofortrekonstruktion mit beidseitigem DIEP(„deep inferior epigastric artery perforator flap“)-Lappen vom Unterbauch sowie Autotransplantation der Mamillen
Abb. 4: A: Patientin mit Genmutation, einseitigem Tumor und Wunsch nach Entfernung der Brustwarzen und Eigenweberekonstruktion. B: Zustand nach beidseitiger Skin-Sparing-Mastektomie über periareolären Schnitt und Sofortrekonstruktion mit beidseitigem Latissimuslappen und Sofortrekonstruktion der Brustwarzen mit lokalem Lappen
Die Frage, ob das Implantat retro- oder präpektoral eingesetzt werden soll, wird sich erst nach Vorliegen von Langzeitergebnissen klären lassen.
Bei richtiger Indikationsstellung lassen sich in Zentren mit hohen Fallzahlen in interdisziplinärer Kooperation für die Betroffenen sowohl onkologisch als auch kosmetisch gute Langzeitergebnisse erzielen.
Schlussfolgerung
Wir stehen heute als mit Brustkrebs befasste Ärzte vor dem Dilemma, dass einerseits durch verbesserte adjuvante Maßnahmen die chirurgische Lokaltherapie der Erkrankten grundsätzlich immer weniger invasiv wird, wir aber andererseits grundsätzlich gesunde Frauen mit sehr aufwendigen und mitunter folgenschweren chirurgischen Eingriffen konfrontieren müssen. Den Fachgesellschaften kommt hier die Aufgabe zu, den Behandlern Empfehlungen für ein medizinisch fundiertes und forensisch sicheres Vorgehen zu geben.
Literatur:
beim Verfasser