© Getty Images/iStockphoto

Mikrovaskuläre Transplantate vom medialen und lateralen Femurkondyl

<p class="article-intro">Die Region um den medialen und lateralen Femurkondyl hat sich in den letzten Jahren als zuverlässige und vielseitige Spenderregion für die Entnahme von mikrovaskulären Transplantaten unterschiedlichster Konfiguration etabliert. Neben dem hohen rekonstruktiven Potenzial ist die steigende Popularität dieser Region in der mikrochirurgischen Rekonstruktion bedingt durch zuverlässige anatomische Verhältnisse und geringe Hebedefektmorbidität. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Lag der Fokus in den Anfangsjahren vor allem auf der Rekonstruktion karpaler Defekte mit Knochen-Knorpel-Transplantaten vom medialen Femurkondyl, wurden sowohl die Heberegion wie auch das Indikationsspektrum in den letzten Jahren zunehmend ausgeweitet. So haben sich durch die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten von der lateralen Kondylenregion wie auch durch die Entnahme von der Kondylenregion benachbarten Strukturen (Sehne, Faszie, Weichteile) neue und vielversprechende rekonstruktive M&ouml;glichkeiten er&ouml;ffnet (Abb. 1). <br /> Heute finden mikrovaskul&auml;re Transplantate dieser Region in der mikrochirurgischen Rekonstruktion unterschiedlichster Pathologien nahezu am gesamten K&ouml;rper Anwendung. In Tabelle 1 sind die etablierten wie auch die erweiterten, in der Literatur beschriebenen Einsatzgebiete nach Indikation und Lokalisation zusammengefasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_1.jpg" alt="" width="2150" height="807" /></p> <h2>Anatomie und Technik</h2> <p>Stand anfangs die Region um den medialen Femurkondyl im Fokus des rekonstruktiven Interesses, konnten das Indikationsspektrum wie auch die Transplantatzusammensetzung durch die Entnahme von mikrovaskul&auml;ren Transplantaten aus der lateralen Kondylenregion nochmals deutlich erweitert werden. Im Folgenden werden die wichtigsten anatomischen Details der medialen und lateralen Kondylenregion sowie die Hebetechnik der jeweiligen Lappenplastik kompakt zusammengefasst.</p> <h2>Medialer Femurkondylenlappen</h2> <p>Die Charakteristika sowie die M&ouml;glichkeiten der Transplantatzusammensetzung sind in Tabelle 2 zusammengefasst. <br /> Der Hautschnitt erfolgt distal im Sinne einer medialen Mitt-Seit-Inzision auf H&ouml;he des Kniegelenkes und wird nach proximal in Richtung Adduktorenkanal verl&auml;ngert. Longitudinale Inzision der Fascia lata und Retraktion des darunter liegenden M. vastus medialis nach ventral. Identifikation der A. descendens genus mit ihren peri&shy;ostalen &Auml;sten in der Tiefe am medialen Femurkondyl gelegen. Pedikelpr&auml;paration bis zum Abgang der A. descendens genus aus der A. femoralis superficialis. Je nach Indikation und gew&uuml;nschter Zusammensetzung (Periost/Knochen/Knorpel) wird das mikrovaskul&auml;re Transplantat &uuml;ber den periostalen &Auml;sten der A. descendens genus markiert und mittels Knochenmei&szlig;el vorsichtig mobilisiert. Bei Bedarf kann eine Hautinsel vaskularisiert &uuml;ber einen Hautperforator der A. descendens genus nach vorheriger Dopplermarkierung in die Lappenplastik inkludiert werden. Im Weiteren kann die in unmittelbarer N&auml;he gelegene Adductor-magnus-Sehne vaskularisiert &uuml;ber &Auml;ste der A. descendens genus in die Lappenplastik inkludiert werden.</p> <p>&nbsp;</p> <h2>Lateraler Femurkondylenlappen</h2> <p>Die Charakteristika sowie die M&ouml;glichkeiten der Transplantatzusammensetzung sind in Tabelle 3 zusammengefasst.<br /> Der Hautschnitt erfolgt distal im Sinne einer lateralen Mitt-Seit-Inzision auf H&ouml;he des Kniegelenkes und wird nach proximal zwischen M. vastus lateralis und M. biceps femoris verlaufend fortgef&uuml;hrt. Inzision der Fascia lata und Retraktion des M. vastus lateralis nach ventral. Identifikation des poplitealen Gef&auml;&szlig;b&uuml;ndels in der Tiefe zwischen Femur und kurzem Kopf des M. biceps femoris und Darstellen des Abganges der A. superior lateralis genus. Ration der A. superior lateralis genus nach distal und Identifikation der periostalen &Auml;ste am lateralen Femurkondyl. Je nach Indikation und gew&uuml;nschter Zusammensetzung (Periost/Knochen/Knorpel) wird das mikrovaskul&auml;re Transplantat &uuml;ber den periostalen &Auml;sten der A. superior lateralis genus markiert und mittels Knochenmei&szlig;el vorsichtig mobilisiert. Bei Bedarf k&ouml;nnen ein &uuml;ber einen fasziokutanen Perforator der A. superior lateralis genus versorgtes Teilst&uuml;ck des Tractus iliotibialis sowie eine Hautinsel isoliert oder im Sinne einer Composit-Lappenplastik gehoben werden.<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_2.jpg" alt="" width="1419" height="2215" /></p> <h2>Charakteristika der medialen und lateralen Kondylenregion in der mikrochirurgischen Rekonstruktion</h2> <p>Durch die Verwendung von mikrovaskul&auml;ren Transplantaten rund um den lateralen Femurkondyl konnte das Indikationsspektrum f&uuml;r mikrovaskul&auml;re Transplantate der Knieregion nochmals deutlich erweitert werden. Die Wahl der Heberegion (medialer oder lateraler Femurkondyl) richtet sich bei &auml;hnlicher Hebedefektmorbidit&auml;t vor allem nach der Indikationsstellung (Lokalisation und ben&ouml;tigtes Gewebe). Als Vorteile von mikrovaskul&auml;ren Transplantaten der medialen Kondylenregion k&ouml;nnen die vereinfachte intraoperative Lagerung (Au&szlig;enrotation des betroffenen Beins), der l&auml;ngere Pedikel sowie die gesteigerte Transplantatgr&ouml;&szlig;e (Knochen) genannt werden. Vorteile der lateralen Kondylenregion sind dagegen die etwas konstantere Anatomie, die erleichterte Pedikelpr&auml;paration (l&auml;ngere epiperiostale Pr&auml;paration medial), der schnellere Kalibersprung des Pedikels, die einfachere Hebung eines Knorpeltransplantates (steilerer Knochen-/Knorpelwinkel an der lateralen Femurtrochlea) wie auch die geringere Gefahr einer iatrogenen Nervenl&auml;sion (medial N. saphenus/R. infrapatellaris im Operationsgebiet). Medial wie auch lateral kann nach pr&auml;operativer Dopplerkontrolle (Perforator unterliegt einer gewissen Variabilit&auml;t) ein fasziokutaner Perforatorlappen (Perfusion &uuml;ber A. descendens genus bzw. A. superior lateralis genus) in die Lappenplastik inkludiert werden. Die mediale Kondylenregion erm&ouml;glicht im Weiteren die Mitnahme eines &uuml;ber &Auml;ste der A. descendens genus vaskularisierten Adductor-magnus-Sehnentransplantates, w&auml;hrend am lateralen Kondyl ein vaskularisierter Faszienstreifen (Tractus iliotibialis/Fascia lata) perfundiert &uuml;ber &Auml;ste der A. superior lateralis genus in die Lappenplastik inkludiert werden kann. Rezente Studien zeigten eine niedrige Hebedefektmorbidit&auml;t bei der Entnahme von Knochen-Knorpel-Transplantaten von der medialen Kondylenregion. Trotz noch ausstehender Studien unterscheidet sich die Hebedefektmorbidit&auml;t lateral nach unserer klinischen Erfahrung nicht wesentlich von der bei Entnahme aus der medialen Kondylenregion.</p> <h2>Anwendungsgebiete von mikrovaskul&auml;ren Transplantaten der Kondylenregion</h2> <p>Durch die Verwendung von mikrovaskul&auml;ren osteochondralen Transplantaten vom medialen Femurkondyl konnte die Behandlung von avaskul&auml;ren Nekrosen des Karpus sowie von Kahnbeinpseudarthrosen in den letzten Jahren revolutioniert werden (Abb. 2).<br /> Das rekonstruktive Potenzial dieser Lappenplastik in der Versorgung karpaler Pathologien konnte durch zahlreiche Langzeitstudien belegt werden. Gest&uuml;tzt durch die vielversprechenden Ergebnisse und die niedrige Hebedefektmorbidit&auml;t wurde das Indikationsspektrum dieser Lappenplastik in den letzten Jahren deutlich ausgedehnt. So kommen vaskularisierte Knochen-Knorpel-Transplantate dieser Region in der Sanierung unterschiedlichster Defekte nahezu am gesamten kn&ouml;chernen Skelett zur Anwendung. <br /> Durch die Verwendung von mikrovaskul&auml;ren Knorpeltransplantaten vom lateralen Femurkondyl, die im Vergleich zum medialen Kondyl eine ver&auml;nderte geometrische Konfiguration zeigen (steilerer Knorpelwinkel), k&ouml;nnen nun auch Knorpeldefekte, die aufgrund ihrer Konfiguration der Rekonstruktion mittels medialer Femurkondylenlappenplastik nur erschwert zug&auml;nglich sind, erfolgreich versorgt werden. Als Beispiel sei hier die Rekonstruktion der Talusrolle genannt (Abb. 3).<br /> Gest&uuml;tzt durch die Beobachtung, dass der von Periost umgebene Pedikel im Follow-up nicht selten Ossifikationstendenzen zeigt, wurde die Idee geboren, sich das hohe osteogene Potenzial eines Periostlappens bei der Sanierung von Pseudarthrosen zunutze zu machen. So kommt bei uns der kortikoperiostale &bdquo;Wrap-around&ldquo;-Lappen in der Sanierung unterschiedlichster Pseud&shy;arthrosen erfolgreich zur Anwendung (Abb. 4).<br /> Neben der Verwendung von vaskularisiertem Knochen/Knorpel/Periost zeichnet sich die Kondylenregion auch durch die M&ouml;glichkeit aus, weitere vom jeweiligen Gef&auml;&szlig;stiel perfundierte Gewebequalit&auml;ten (Sehne/Faszie/Weichteile) in die Lappenplastik zu inkludieren oder diese auch isoliert zu heben. So besteht am medialen Kondyl die M&ouml;glichkeit, ein &uuml;ber die A. descendens genus vaskularisiertes freies Adductor-magnus-Transplantat zu heben, w&auml;hrend am lateralen Kondyl ein &uuml;ber die A. superior lateralis genus vaskularisiertes St&uuml;ck Fascia lata (Tractus iliotibialis) gehoben werden kann. Sowohl das vaskularisierte Sehnentransplantat wie auch der vaskularisierte Faszienstreifen haben sich in der Rekonstruktion unterschiedlichster Sehnendefekte, vor allem aber bei der Achillessehnenrekonstruktion (Abb. 5), bew&auml;hrt. <br /> Die simultane Hebung eines fasziokutanen Perforatorlappens, der &uuml;ber die jeweiligen Lappengef&auml;&szlig;e (A. descendens genus oder A. superior lateralis genus) perfundiert wird, ist medial wie lateral m&ouml;glich. Aufgrund der Variabilit&auml;t des Hautperforators wird pr&auml;operativ jedoch die Dopplerkontrolle empfohlen. Letztendlich k&ouml;nnen alle oben beschriebenen Gewebequalit&auml;ten im Sinne einer Composit-Lappenplastik zur Rekonstruktion komplexer Defekte zur Anwendung kommen (Abb. 6).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_3.jpg" alt="" width="2148" height="2038" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_4.jpg" alt="" width="1051" height="1373" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Mit der Transplantation von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten als vitaler Funktionseinheit konnte die Behandlung diverser Pathologien, vor allem am Karpus, im Sinne einer regenerativen Rekonstruktion revolutioniert werden. Wenn auch die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten an sich nicht neu ist, hat sich die Region um den medialen und lateralen Femurkondyl in den letzten Jahren als eine der wichtigsten Spenderregionen f&uuml;r diese Transplantate etabliert. Als gro&szlig;e Vorteile dieser Region k&ouml;nnen die Lokalisation an sich, die f&uuml;r die meisten Eingriffe eine simultane Lappenhebung und Vorbereitung der Empf&auml;ngerregion erlaubt, sowie die konstanten anatomischen Verh&auml;ltnisse, die eine relativ schnelle und sichere Lappenhebung erm&ouml;glichen, genannt werden. Im Weiteren haben Lappenplastiken aus dieser Region ihr rekonstruktives Potenzial bei der Rekonstruktion einer Vielzahl von Pathologien unterschiedlichster Genese eindr&uuml;cklich bewiesen. Neben den oben genannten Faktoren sind die Beliebtheit dieser Methode und die hohe Zufriedenheit der Patienten sicherlich auch der niedrigen Hebedefektmorbidit&auml;t geschuldet. <br /> Durch die Einbeziehung von der Kondylenregion angelagerten Strukturen in die Lappenplastik konnten die rekonstruktiven M&ouml;glichkeiten, die die Entnahme aus dieser Region mit sich bringt, nochmals deutlich erweitert werden. Trotz aller genannten Vorteile, welche die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten der Kondylenregion hat, bleiben, was die Hebedefektmorbidit&auml;t vor allem der lateralen Kondylenregion betrifft, Langzeitergebnisse abzuwarten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; B&uuml;rger HK et al.: Vascularized medial femoral trochlea osteocartilaginous flap reconstruction of proximal pole scaphoid nonunions. J Hand Surg Am 2013; 38(4): 690-700 &bull; B&uuml;rger HK et al.: Vascularized medial femoral trochlea osteochondral flap reconstruction of advanced Kienb&ouml;ck disease. J Hand Surg Am 2014; 39(7): 1313-22 &bull; Doi K, Sakai K: Vascularized periosteal bone graft from the supracondylar region of the femur. Microsurgery 1994; 15(5): 305-15 &bull; Higgins JP, B&uuml;rger HK: Osteochondral flaps from the distal femur: expanding applications, harvest sites, and indications. J Reconstr Microsurg 2014; 30(7): 483-490. doi: 10.1055/s-0034-1372484 &bull; Iorio ML et al.: Cutaneous angiosome territory of the medial femoral condyle osteocutaneous flap. J Hand Surg Am 2012; 37(5): 1033-41 &bull; Neuwirth M et al.: One-stage reconstruction of isolated and combined tendon defects with the vascularized adductor magnus tendon graft: surgical technique and prelim&shy;inary results. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2016; 69(7): 928-35 &bull; Parvizi D et al.: Anatomy of the vascularized later&shy;al femoral condyle flap. Plast Reconstr Surg 2016; 137(6): 1024e-32e &bull; Rao SS et al.: Medial femoral condyle flap donor-site morbidity: a radiographic assessment. Plast Reconstr Surg 2013; 131(3): 357e-62e &bull; Wong VW et al.: Lateral femoral condyle flap: an alternative source of vascularized bone from the distal femur. J Hand Surg Am 2015; 40(10): 1972-80</p> </div> </p>
Back to top