<p class="article-intro">Die Region um den medialen und lateralen Femurkondyl hat sich in den letzten Jahren als zuverlässige und vielseitige Spenderregion für die Entnahme von mikrovaskulären Transplantaten unterschiedlichster Konfiguration etabliert. Neben dem hohen rekonstruktiven Potenzial ist die steigende Popularität dieser Region in der mikrochirurgischen Rekonstruktion bedingt durch zuverlässige anatomische Verhältnisse und geringe Hebedefektmorbidität. </p>
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<p class="article-content"><p>Lag der Fokus in den Anfangsjahren vor allem auf der Rekonstruktion karpaler Defekte mit Knochen-Knorpel-Transplantaten vom medialen Femurkondyl, wurden sowohl die Heberegion wie auch das Indikationsspektrum in den letzten Jahren zunehmend ausgeweitet. So haben sich durch die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten von der lateralen Kondylenregion wie auch durch die Entnahme von der Kondylenregion benachbarten Strukturen (Sehne, Faszie, Weichteile) neue und vielversprechende rekonstruktive Möglichkeiten eröffnet (Abb. 1). <br /> Heute finden mikrovaskuläre Transplantate dieser Region in der mikrochirurgischen Rekonstruktion unterschiedlichster Pathologien nahezu am gesamten Körper Anwendung. In Tabelle 1 sind die etablierten wie auch die erweiterten, in der Literatur beschriebenen Einsatzgebiete nach Indikation und Lokalisation zusammengefasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_1.jpg" alt="" width="2150" height="807" /></p> <h2>Anatomie und Technik</h2> <p>Stand anfangs die Region um den medialen Femurkondyl im Fokus des rekonstruktiven Interesses, konnten das Indikationsspektrum wie auch die Transplantatzusammensetzung durch die Entnahme von mikrovaskulären Transplantaten aus der lateralen Kondylenregion nochmals deutlich erweitert werden. Im Folgenden werden die wichtigsten anatomischen Details der medialen und lateralen Kondylenregion sowie die Hebetechnik der jeweiligen Lappenplastik kompakt zusammengefasst.</p> <h2>Medialer Femurkondylenlappen</h2> <p>Die Charakteristika sowie die Möglichkeiten der Transplantatzusammensetzung sind in Tabelle 2 zusammengefasst. <br /> Der Hautschnitt erfolgt distal im Sinne einer medialen Mitt-Seit-Inzision auf Höhe des Kniegelenkes und wird nach proximal in Richtung Adduktorenkanal verlängert. Longitudinale Inzision der Fascia lata und Retraktion des darunter liegenden M. vastus medialis nach ventral. Identifikation der A. descendens genus mit ihren peri­ostalen Ästen in der Tiefe am medialen Femurkondyl gelegen. Pedikelpräparation bis zum Abgang der A. descendens genus aus der A. femoralis superficialis. Je nach Indikation und gewünschter Zusammensetzung (Periost/Knochen/Knorpel) wird das mikrovaskuläre Transplantat über den periostalen Ästen der A. descendens genus markiert und mittels Knochenmeißel vorsichtig mobilisiert. Bei Bedarf kann eine Hautinsel vaskularisiert über einen Hautperforator der A. descendens genus nach vorheriger Dopplermarkierung in die Lappenplastik inkludiert werden. Im Weiteren kann die in unmittelbarer Nähe gelegene Adductor-magnus-Sehne vaskularisiert über Äste der A. descendens genus in die Lappenplastik inkludiert werden.</p> <p> </p> <h2>Lateraler Femurkondylenlappen</h2> <p>Die Charakteristika sowie die Möglichkeiten der Transplantatzusammensetzung sind in Tabelle 3 zusammengefasst.<br /> Der Hautschnitt erfolgt distal im Sinne einer lateralen Mitt-Seit-Inzision auf Höhe des Kniegelenkes und wird nach proximal zwischen M. vastus lateralis und M. biceps femoris verlaufend fortgeführt. Inzision der Fascia lata und Retraktion des M. vastus lateralis nach ventral. Identifikation des poplitealen Gefäßbündels in der Tiefe zwischen Femur und kurzem Kopf des M. biceps femoris und Darstellen des Abganges der A. superior lateralis genus. Ration der A. superior lateralis genus nach distal und Identifikation der periostalen Äste am lateralen Femurkondyl. Je nach Indikation und gewünschter Zusammensetzung (Periost/Knochen/Knorpel) wird das mikrovaskuläre Transplantat über den periostalen Ästen der A. superior lateralis genus markiert und mittels Knochenmeißel vorsichtig mobilisiert. Bei Bedarf können ein über einen fasziokutanen Perforator der A. superior lateralis genus versorgtes Teilstück des Tractus iliotibialis sowie eine Hautinsel isoliert oder im Sinne einer Composit-Lappenplastik gehoben werden.<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_2.jpg" alt="" width="1419" height="2215" /></p> <h2>Charakteristika der medialen und lateralen Kondylenregion in der mikrochirurgischen Rekonstruktion</h2> <p>Durch die Verwendung von mikrovaskulären Transplantaten rund um den lateralen Femurkondyl konnte das Indikationsspektrum für mikrovaskuläre Transplantate der Knieregion nochmals deutlich erweitert werden. Die Wahl der Heberegion (medialer oder lateraler Femurkondyl) richtet sich bei ähnlicher Hebedefektmorbidität vor allem nach der Indikationsstellung (Lokalisation und benötigtes Gewebe). Als Vorteile von mikrovaskulären Transplantaten der medialen Kondylenregion können die vereinfachte intraoperative Lagerung (Außenrotation des betroffenen Beins), der längere Pedikel sowie die gesteigerte Transplantatgröße (Knochen) genannt werden. Vorteile der lateralen Kondylenregion sind dagegen die etwas konstantere Anatomie, die erleichterte Pedikelpräparation (längere epiperiostale Präparation medial), der schnellere Kalibersprung des Pedikels, die einfachere Hebung eines Knorpeltransplantates (steilerer Knochen-/Knorpelwinkel an der lateralen Femurtrochlea) wie auch die geringere Gefahr einer iatrogenen Nervenläsion (medial N. saphenus/R. infrapatellaris im Operationsgebiet). Medial wie auch lateral kann nach präoperativer Dopplerkontrolle (Perforator unterliegt einer gewissen Variabilität) ein fasziokutaner Perforatorlappen (Perfusion über A. descendens genus bzw. A. superior lateralis genus) in die Lappenplastik inkludiert werden. Die mediale Kondylenregion ermöglicht im Weiteren die Mitnahme eines über Äste der A. descendens genus vaskularisierten Adductor-magnus-Sehnentransplantates, während am lateralen Kondyl ein vaskularisierter Faszienstreifen (Tractus iliotibialis/Fascia lata) perfundiert über Äste der A. superior lateralis genus in die Lappenplastik inkludiert werden kann. Rezente Studien zeigten eine niedrige Hebedefektmorbidität bei der Entnahme von Knochen-Knorpel-Transplantaten von der medialen Kondylenregion. Trotz noch ausstehender Studien unterscheidet sich die Hebedefektmorbidität lateral nach unserer klinischen Erfahrung nicht wesentlich von der bei Entnahme aus der medialen Kondylenregion.</p> <h2>Anwendungsgebiete von mikrovaskulären Transplantaten der Kondylenregion</h2> <p>Durch die Verwendung von mikrovaskulären osteochondralen Transplantaten vom medialen Femurkondyl konnte die Behandlung von avaskulären Nekrosen des Karpus sowie von Kahnbeinpseudarthrosen in den letzten Jahren revolutioniert werden (Abb. 2).<br /> Das rekonstruktive Potenzial dieser Lappenplastik in der Versorgung karpaler Pathologien konnte durch zahlreiche Langzeitstudien belegt werden. Gestützt durch die vielversprechenden Ergebnisse und die niedrige Hebedefektmorbidität wurde das Indikationsspektrum dieser Lappenplastik in den letzten Jahren deutlich ausgedehnt. So kommen vaskularisierte Knochen-Knorpel-Transplantate dieser Region in der Sanierung unterschiedlichster Defekte nahezu am gesamten knöchernen Skelett zur Anwendung. <br /> Durch die Verwendung von mikrovaskulären Knorpeltransplantaten vom lateralen Femurkondyl, die im Vergleich zum medialen Kondyl eine veränderte geometrische Konfiguration zeigen (steilerer Knorpelwinkel), können nun auch Knorpeldefekte, die aufgrund ihrer Konfiguration der Rekonstruktion mittels medialer Femurkondylenlappenplastik nur erschwert zugänglich sind, erfolgreich versorgt werden. Als Beispiel sei hier die Rekonstruktion der Talusrolle genannt (Abb. 3).<br /> Gestützt durch die Beobachtung, dass der von Periost umgebene Pedikel im Follow-up nicht selten Ossifikationstendenzen zeigt, wurde die Idee geboren, sich das hohe osteogene Potenzial eines Periostlappens bei der Sanierung von Pseudarthrosen zunutze zu machen. So kommt bei uns der kortikoperiostale „Wrap-around“-Lappen in der Sanierung unterschiedlichster Pseud­arthrosen erfolgreich zur Anwendung (Abb. 4).<br /> Neben der Verwendung von vaskularisiertem Knochen/Knorpel/Periost zeichnet sich die Kondylenregion auch durch die Möglichkeit aus, weitere vom jeweiligen Gefäßstiel perfundierte Gewebequalitäten (Sehne/Faszie/Weichteile) in die Lappenplastik zu inkludieren oder diese auch isoliert zu heben. So besteht am medialen Kondyl die Möglichkeit, ein über die A. descendens genus vaskularisiertes freies Adductor-magnus-Transplantat zu heben, während am lateralen Kondyl ein über die A. superior lateralis genus vaskularisiertes Stück Fascia lata (Tractus iliotibialis) gehoben werden kann. Sowohl das vaskularisierte Sehnentransplantat wie auch der vaskularisierte Faszienstreifen haben sich in der Rekonstruktion unterschiedlichster Sehnendefekte, vor allem aber bei der Achillessehnenrekonstruktion (Abb. 5), bewährt. <br /> Die simultane Hebung eines fasziokutanen Perforatorlappens, der über die jeweiligen Lappengefäße (A. descendens genus oder A. superior lateralis genus) perfundiert wird, ist medial wie lateral möglich. Aufgrund der Variabilität des Hautperforators wird präoperativ jedoch die Dopplerkontrolle empfohlen. Letztendlich können alle oben beschriebenen Gewebequalitäten im Sinne einer Composit-Lappenplastik zur Rekonstruktion komplexer Defekte zur Anwendung kommen (Abb. 6).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_3.jpg" alt="" width="2148" height="2038" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s74_4.jpg" alt="" width="1051" height="1373" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Mit der Transplantation von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten als vitaler Funktionseinheit konnte die Behandlung diverser Pathologien, vor allem am Karpus, im Sinne einer regenerativen Rekonstruktion revolutioniert werden. Wenn auch die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten an sich nicht neu ist, hat sich die Region um den medialen und lateralen Femurkondyl in den letzten Jahren als eine der wichtigsten Spenderregionen für diese Transplantate etabliert. Als große Vorteile dieser Region können die Lokalisation an sich, die für die meisten Eingriffe eine simultane Lappenhebung und Vorbereitung der Empfängerregion erlaubt, sowie die konstanten anatomischen Verhältnisse, die eine relativ schnelle und sichere Lappenhebung ermöglichen, genannt werden. Im Weiteren haben Lappenplastiken aus dieser Region ihr rekonstruktives Potenzial bei der Rekonstruktion einer Vielzahl von Pathologien unterschiedlichster Genese eindrücklich bewiesen. Neben den oben genannten Faktoren sind die Beliebtheit dieser Methode und die hohe Zufriedenheit der Patienten sicherlich auch der niedrigen Hebedefektmorbidität geschuldet. <br /> Durch die Einbeziehung von der Kondylenregion angelagerten Strukturen in die Lappenplastik konnten die rekonstruktiven Möglichkeiten, die die Entnahme aus dieser Region mit sich bringt, nochmals deutlich erweitert werden. Trotz aller genannten Vorteile, welche die Verwendung von vaskularisierten Knochen-Knorpel-Transplantaten der Kondylenregion hat, bleiben, was die Hebedefektmorbidität vor allem der lateralen Kondylenregion betrifft, Langzeitergebnisse abzuwarten.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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