© MangTeng iStockphoto

„Smart Wound Dressings“

Die Zukunft der modernen Wundversorgung

Trotz bemerkenswerter Entwicklungen in der Behandlung von Verbrennungspatienten spielen Wundinfekte im klinischen Alltag immer noch eine große Rolle. Hierbei kommt einem neuen Verbandmaterial eine besondere Bedeutung zu – der biotechnologisch hergestellten bakteriellen Nanocellulose. Um noch einen Schritt weiter zu gehen, wurden verschiedene Modifikationen dieses Materials erprobt, welches damit nicht nur therapeutische, sondern auch diagnostische Eigenschaften besitzen wird können.

Adäquates Wundmanagement ist für die komplikationslose Abheilung von Wunden essenziell. Die Frage, wie Wunden am besten behandelt werden sollen, und was einen „idealen“ Wundverband ausmacht, wurde wiederholt diskutiert. Die Aufrechterhaltung eines feuchten und infektfreien Wundmilieus haben sich als entscheidende Faktoren entpuppt. Um dies zu gewährleisten, stehen verschiedene fortschrittliche alloplastische Wundauflagen zur Verfügung. Ein besonders vielversprechendes Produkt ist die biotechnologisch hergestellte bakterielle Nanocellulose (BNC), ein Biomaterial, das von Komagataeibacter xylinus gebildet wird. Im Vergleich zu synthetischen Fasern besitzt BNC eine nanofibrilläre Struktur, eine höhere Reinheit, eine höhere Zugfestigkeit und ist vollständig biokompatibel. Zusätzlich schützt BNC mit einem Wassergehalt von 95% die Wunde vor übermäßigem Flüssigkeitsverlust und absorbiert gleichzeitig Wundexsudat, was den Heilungsprozess maßgeblich beschleunigt. Dank dieser Eigenschaften wird BNC erfolgreich in der Behandlung von akuten Wunden, insbesondere Verbrennungen zweiten Grades, eingesetzt.1,2

„Intelligente Verbände“ mit Monitoring-Funktion

Trotz idealer Behandlungsmaßnahmen ist man im klinischen Alltag immer wieder mit nichtheilenden Wunden konfrontiert. Daher zeigten die jüngsten Entwicklungen im Wundmanagement einen Trend zu sogenannten „Smart Wound Dressings“. Es gilt, die Limitationen konventioneller Verbände zu überwinden und Verbände mit diagnostischen Eigenschaften zu schaffen. Die Suche nach Biomarkern, um einen beeinträchtigten Heilungsprozess frühzeitig zu erkennen, stellt eine zentrale Forschungsfrage dar. Zu den bis dato etablierten Biomarkern, die nachweislich mit der Wundheilung korrelieren, zählen vor allem der pH-Wert, Temperatur, Sauerstoff und Feuchtigkeit.3 Mostafalu et al. haben beispielsweise einen drahtlosen Verband mit einem maßgeschneiderten Sauerstoffsensor aus einer elektrochemischen galvanischen Zelle auf einem flexiblen Parylene-C-Substrat entwickelt, um das Wundbett in Echtzeit zu überwachen.4 In einer weiteren bemerkenswerten Studie wurden elektrochemische Sensoren unter Verbänden verwendet, um den Feuchtigkeitsgehalt zum Zeitpunkt des Verbandwechsels zu messen. Die Ergebnisse zeigten, dass mehr als 40% der Verbandwechsel vor dem optimalen Zeitpunkt erfolgten, was auf die Notwendigkeit hinwies, die derzeitigen klinischen Abläufe zu verbessern.5

Die Rolle des pH-Wertes

Der pH-Wert gilt als relevanter prognostischer Faktor für den Wundheilungsverlauf. Unter normalen Umständen herrscht auf der Hautoberfläche ein saures Milieu. Bei der Heilung von akuten Wunden wird eine vorübergehende physiologische Azidose beobachtet, die auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist.6 Ein in-vitro-Modell mit menschlichen Hautfibroblasten für akute Wunden hat eine signifikante Abnahme der Zellmigration und der DNA-Synthese nach einer Erhöhung des pH-Wertes gezeigt.7 Im Gegensatz zu akuten Wunden bleibt der pH-Wert in chronischen sowie infizierten Wunden für die meiste Zeit in den alkalischen Bereich verschoben.6 Die für den Gewebsabbau verantwortlichen proteolytischen Enzyme haben laut Studien ein deutlich alkalisches pH-Optimum von 8,0. Eine Senkung des Wund-pH-Wertes auf 6,0 würde eine 40- bis 90%ige Abnahme der Enzymaktivität bedeuten und somit einen positiven Einfluss auf das Gleichgewicht zwischen Gewebeabbau und Gewebeneubildung ausüben.8 Bei Verbrennungswunden konnte bereits ein Anstieg des pH-Wertes in den alkalischen Bereich beobachtet werden, bevor sich eine klinisch bemerkbare Infektion zeigte. Daher könnte die routinemäßige Überwachung des pH-Wertes ein vielversprechender Ansatz sein, um Wundinfekte in einem frühen Stadium zu erkennen und somit frühzeitig Gegenmaßnahmen setzen zu können.6,9,10 Der Nachteil ist jedoch, dass eine sehr genaue Überwachung von Wunden bisher häufige ambulante Konsultationen und regelmäßige Verbandswechsel erfordert. Gemeinsam mit dem JR-Institut MATERIALS haben wir jüngst eine neue „intelligente Wundauflage“ entwickelt. Hierfür wurde BNC über die chemische Kopplung mit dem Indikatorfarbstoff GJM-534 so modifiziert, dass über einen Farbumschlag des Materials eine Aussage über den im Wundmilieu herrschenden pH-Wert getroffen werden kann. In einem experimentellen Setting wurde an einem humanen Hautexplantat eine Verbrennung induziert und die Wundauflage angelegt (Abb. 1A). Diese wurde dann mit einer basischen Flüssigkeit beträufelt, wodurch es zu einem deutlichen Farbumschlag des Materials kam. Abb. 1B wurde mit einer Wärmebildkamera aufgenommen und zeigt anhand der unterschiedlichen Farbtemperatur zwischen der behandelten und unbehandelten Stelle, dass das modifizierte Material, genau wie das Ursprungsprodukt, eine lokale Kühlung des Gewebes bewirkt. Durch diese Neuentwicklung kann in Zukunft eine Wundbeurteilung erfolgen, ohne die für den Patienten oft schmerzhaften und zeitaufwendigen Verbandswechsel.11

Abb. 1: Testung der Indikator-gekoppelten BNC in einem Ex-vivo-Versuch

Verbände mit antiseptischer Wirkung

Die Zunahme multiresistenter Mikroben stellt eine große Gefahr für die globale Gesundheit dar. Patienten mit supprimiertem Immunsystem, ältere Patienten oder Patienten mit großen Wundflächen, wie z.B. Verbrennungsopfer, sind besonders gefährdet. Es besteht daher die Notwendigkeit, häufiger auf andere Methoden als Antibiotika zur Bekämpfung von Infektionen zurückzugreifen. Wundauflagen mit antimikrobiellen Eigenschaften werden seit einiger Zeit klinisch verwendet. Silberbeschichtete Verbände gehören inzwischen zur Standardausrüstung in modernen Krankenhäusern, dennoch bergen sie Risiken wie elevierte Leberenzyme, Leukopenien oder Argyria-ähnliche Symptome.12–14 Daher werden neue Ansätze benötigt, um die mit traditionellen Wundauflagen verbundenen Komplikationen zu beherrschen. Studien von Wiegand et al. haben gezeigt, dass BNC nicht nur hervorragende Eigenschaften bei der Aufnahme von Antiseptika, sondern auch bei deren Freisetzung besitzt.

In einer Vorstudie wurde die BNC zur Beladung für 48 Stunden in Polyhexamethylenbiguanid (PHMB) eingelegt und in einem Orbitalschüttler bei 70U/min geschüttelt.15,16 Die Struktur von PHMB ähnelt den antimikrobiellen Peptiden, die in Wunden produziert werden, um Infektion zu bekämpfen. Da dieser Ansatz jedoch sehr zeitintensiv ist, haben wir eine einfachere Methode getestet, die effizient und kostengünstig durchführbar ist. In Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Silikatforschung und QRSKIN GmbH haben wir gezeigt, dass bereits durch ein 30-minütiges Einlegen von BNC in zwei verschiedene Formulierungen von PHMB – Prontosan® und LAVANID® (Abb. 2) – relevante antiseptische Konzentrationen nachweisbar sind (0,05% bzw. 0,019%). Studien zufolge kann eine PHMB-Konzentration von 0,001% bereits das Bakterienwachstum hemmen, was bedeutet, dass die Konzentration in den BNC-basierten Wundauflagen die minimale Hemmkonzentration weit übersteigt.17 In einem weiteren Projekt haben wir die BNC bezüglich der Aufnahme und Freisetzung von zwei anderen, kommerziell erhältlichen Antiseptika – Octenisept® und Betaisodona® – untersucht. Octenisept® zeigte eine ausgezeichnete Aufnahmerate, die sogar die von PHMB überstieg. Die Aufnahmekapazität von Betaisodona® war im Vergleich jedoch wesentlich langsamer und erreichte auch nach 120 Min. nicht 100%. Hinsichtlich der Freisetzung der antiseptischen Lösungen aus den BNC-Platten zeigten sich entgegengesetzte Ergebnisse. So war die Freisetzung von Betaisodona® nach 3,24 und 48 Std. deutlich höher als die von Octenisept®. Schließlich wurde noch die antiseptische Wirksamkeit von BNC in Kombination mit Antiseptika gegen Staphylococcus aureus untersucht. Zu jedem Zeitpunkt waren die berechneten Durchschnittswerte für die Hemmfläche bei den mit Betaisodona® beladenen BNC-Stanzen viel höher als bei Octenisept®. Nach einer kurzen Inkubationszeit von 10 Min. war die Hemmfläche sogar mehr als 1,5 Mal größer als bei der Positivkontrolle mit Betaisodona Wundgaze®. Die höhere Wirksamkeit, die durch die Kombination von BNC und den Antiseptika erzielt wurde, könnte ein nützliches Instrument gegen Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) sein.18 Ein großer Vorteil ist außerdem, dass das Beladen von BNC schnell und einfach durchgeführt werden kann und sich daher besonders gut für den klinischen Einsatz in Notfallsituationen eignet, die eine sofortige Behandlung mit infektionsmindernden Substanzen und biokompatiblen Materialien erfordern.17,18

Abb. 2: Beladen von BNC durch einfaches Einlegen in antiseptische Flüssigkeit

Fazit

Aufgrund seiner hervorragenden physikalisch-chemischen und biologischen Eigenschaften ist BNC aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Die bis dato etablierten Modifikationen stellen sehr praktikable und vielversprechende Ansätze zur Verbesserung der Wundsituation und der damit eng verbundenen Lebensqualität der Patienten dar. Wir glauben, dass dieses und andere Materialien als Plattform für neue Entwicklungen im Bereich der Wundbehandlung und Wunddiagnostik dienen können.

1 Rajwade JM et al.: Applications of bacterial cellulose and its composites in biomedicine. Appl Microbiol Biotechnol 2015; 99(6): 2491-511 2 Resch A et al.: Nanocellulose-based wound dressing for conservative wound management in children with second-degree burns. Int Wound J 2021; 18(4): 478–86 3 Derakhshandeh H et al.: Smart Bandages: The Future of Wound Care. Trends Biotechnol 2018; 36(12): 1259-74 4 Mostafalu P et al.: Wireless Flexible Smart Bandage for Continuous Monitoring of Wound Oxygenation. IEEE Trans Biomed Circuits Syst 2015; 9(5): 670-7 5 Milne SD et al.: A wearable wound moisture sensor as an indicator for wound dressing change: an observational study of wound moisture and status. Int Wound J 2016; 13(6): 1309-14 6 Schneider LA et al.: Influence of pH on wound healing: a new perspective for wound therapy? Arch Dermatol Res 2007; 298(9): 413-20 7 Lengheden A, Jansson L.: pH effects on experimental wound healing of human fibroblasts in vitro. Eur J Oral Sci 1995; 103(3): 148-55 8 Greener B et al.: Proteases and pH in chronic wounds. J Wound Care 2005; 14(2): 59-61 9 Gethin G et al.: Monitoring of pH and temperature of neuropathic diabetic and nondiabetic foot ulcers for 12 weeks: An observational study. Wound repair Regen Off Publ Wound Heal Soc [and] Eur Tissue Repair Soc 2018; 26(2): 251-6 10 Sharpe JR et al.: Progression of wound pH during the course of healing in burns. J Burn care Res Off Publ Am Burn Assoc 2013; 34(3): e201-8 11 Nischwitz SP et al.: Continuous pH monitoring in wounds using a composite indicator dressing - A feasibility study. Burns 2019; 1;45(6): 1336-41 12 Trop M et al.: Silver-coated dressing acticoat caused raised liver enzymes and argyria-like symptoms in burn patient. J Trauma 2006; 60(3): 648-52 13 Brouillard C et al.: Silver absorption and toxicity evaluation of silver wound dressings in 40 patients with chronic wounds. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32(12): 2295-9 14 Lariviere CA et al.: Silver toxicity with the use of silver-impregnated dressing and wound vacuum-assisted closure in an immunocompromised patient. J Am Col Certif Wound Spec 2011; 3(1): 8-12 15 Wiegand C et al.: Antimicrobial functionalization of bacterial nanocellulose by loading with polihexanide and povidone-iodine. J Mater Sci Mater Med 2015; 26(10): 245 16 Moritz S et al.: Active wound dressings based on bacterial nanocellulose as drug delivery system for octenidine. Int J Pharm 2014; 471(1–2): 45-55 17 de Mattos IB et al.: Uptake of PHMB in a bacterial nanocellulose-based wound dressing: A feasible clinical procedure. Burns 2019; 45(4): 898-904 18 Bernardelli de Mattos I et al.: Delivery of antiseptic solutions by a bacterial cellulose wound dressing: Uptake, release and antibacterial efficacy of octenidine and povidone-iodine. Burns 2020; 46(4): 918-27

Back to top