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15th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)

Alles rund um die Depression — ein Update für die Praxis

Das 15th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD) der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Depression, welche nach wie vor mit vielen Herausforderungen bei Diagnose, Differenzialdiagnose und Therapie verbunden ist.

Eingeleitet wurde der Konferenztag mit einem Crashkurs zur psychiatrischen Differenzialdiagnose der Depression, in dem der «diagnostische Blick» des Publikums geschärft wurde. Der Nachmittag begann mit einem Exkurs nach Afrika, gefolgt von einer Einführung zu den aktualisierten Therapieempfehlungen der SGAD zur Depression.

Danach wurde die Behandlung der therapieresistenten Depression diskutiert und ein Abstecher zum Thema Negativsymptomatik bei Depression und Psychosen gemacht. Der letzte Programmteil begann mit einem Vortrag zum Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter und thematisierte den Betreuungswechsel von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in die Erwachsenenpsychiatrie.

Ein Referat zu Nebenwirkungen der Psychotherapie bildete den Abschluss des Konferenztages.

Psychische Erkrankungen in Afrika – Prävalenz, Behandlungsmöglich-keiten und neue Ansätze in Lehre und Forschung

«Depression ist ein globales Problem», bekräftigte Prof. Dr. med. Kristina Adorjan, Universität Bern, zu Beginn ihres Vortrags. Etwa 4,4% der Weltbevölkerung sind von Depression betroffen, und Afrika ist mit einer Prävalenz von 6 % unter Frauen ganz vorne mit dabei. Auch in Äthiopien leiden etwa 15% der Erwachsenen an einer psychischen Erkrankung. Aufgrund der Zentralisierung der Versorgung und weil gut ausgebildete Ärzt:innen das Land verlassen, lässt die medizinische Versorgung noch zu wünschen übrig.

Um dem entgegenzusteuern, wirkte Prof. Adorjan beim Center for International Health an der LMU in München an der Förderung der medizinischen Ausbildung in Äthiopien mit. Die Etablierung eines Master-Programms mit erstmaliger Ausbildung im Bereich einiger Technologien, wie etwa des EEG, soll auch als Vorbild für andere Länder dienen. Mittlerweile gibt es schon über 100 Studierende, welche die Master-Ausbildung abgeschlossen haben, und viele davon sind in Äthiopien geblieben.

© SGAD

Praxisnah, aktuell und gut besucht – das 15. Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders

Prof. Adorjan ist überzeugt, dass wir eine nachhaltige Entwicklung fördern können, wenn wir die universitären Infrastrukturen stärken, sodass mehr hochgebildete Leute Chancen in ihrem Heimatland sehen. Sie selbst initiierte biologische Studien in Äthiopien mit Fokus auf dem Zusammenhang von Psychosen mit traumatischen Ereignissen und der amphetaminhaltigen Pflanze Khat. Khat wird in Äthiopien weitläufig angebaut und von vielen täglich konsumiert. Um die Khat-Alkaloide im Urin zu testen, etablierte Prof. Adorjan im Land eine HPLC(«high performance liquid chromatography»)-Methode. Es wurde festgestellt, dass der Konsum von Khat in Kombination mit traumatischen Ereignissen die Wahrscheinlichkeit von psychotischen Symptomen erhöhen kann. Eine Kampagne und Ausbildung gegen die Stigmatisierung und für das Schaffen von Behandlungsoptionen sollen durch die weitere Ausbildung von medizinischem Personal vorangetrieben werden. Mit ihrem Wechsel von der LMU zur Universität Bern will Prof. Adorjan ihren Schwerpunkt für Global Mental Health behalten und auch in der Schweiz neue Kollaborationen schaffen. Ihre Vision ist dabei, die Infrastruktur weiter voranzutreiben, um in Zukunft auch afrikanische Länder in internationale Konsortien und Kongresse miteinzubeziehen und Kooperationen auszubauen. Insgesamt soll dadurch auch eine Entstigmatisierung der psychiatrischen Erkrankungen stattfinden.

«Lost in transition»: Welche Daten und welche Modelle können uns einen Weg weisen?

In ihrem Vortrag beleuchtete Prof. Dr. med. Kerstin von Plessen, Lausanne, die zentralen Fragen zum «transition-age youth» (TAY), dem Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter, der zwischen 16 und 25 Jahren stattfindet. Dieser kritische Zeitraum ist geprägt von psychischen Herausforderungen, weshalb viele Störungen in dieser Phase auftreten oder sich verschlimmern können. TAY ist auch international von grosser Bedeutung: Im globalen Süden sind bis zu 30 % der Bevölkerung unter 24 Jahren alt und befinden sich somit in der Transitionsphase.

Die durch den Pubertätsbeginn angestossene Lebensphase birgt zahlreiche Herausforderungen, wie die Ablösung von der Familie, die Entdeckung der eigenen Identität oder Peer-Abhängigkeiten. Auch biologische Faktoren spielen eine Rolle, da Hormonveränderungen und eine erhöhte Sensibilität für emotionale Reize auftreten. Interessanterweise manifestieren sich die meisten psychischen Erkrankungen vor dem 24. Lebensjahr, mit einem Höhepunkt um das 14. Lebensjahr.

In einem weiteren Teil ihres Referats wies Prof. von Plessen auf die Versorgungslücke im TAY-Alter hin. Nur etwa 10 % der jungen Erwachsenen erleben einen reibungslosen Übergang von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in die Erwachsenenpsychiatrie – sie befinden sich also «lost in transition». Hierbei muss es zu einem gemeinsamen Angehen des Problems sowohl durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie als auch die Erwachsenenpsychiatrie kommen. Eine fehlende therapeutische Kontinuität und mangelnde Zusammenarbeit zwischen diesen Fachbereichen wurden als Hauptprobleme identifiziert. Dabei wären laut Prof. von Plessen verschiedene Faktoren für einen optimalen Übergang von Bedeutung: Planung, Integration und Treffen mit den Familien, klare Kommunikation und Übermittlung der Informationen sowie eine kontinuierliche Betreuung. Wichtig sei es vor allem, diejenigen zu erreichen, die den Übergang nicht schaffen.

Eine Vielfalt von Übergangsmodellen, darunter Übergangsteams und integrierte Programme, können den Übergang von der Jugendpsychiatrie zur Erwachsenenpsychiatrie erleichtern. Prof. von Plessen weist darauf hin, dass das Gesundheitssystem allein nicht ausreicht und andere Faktoren wie Medien, Peers, Bildung und Familie ebenfalls von Bedeutung sind.

Insgesamt sind in der Übergangsphase kombinierte oder komplementäre Fachkompetenzen der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Erwachsenenpsychiatrie erforderlich, um die Jugendlichen in klinischen Einrichtungen optimal zu behandeln. Ein Versorgungskonzept für die psychiatrische Übergangsphase soll immer berücksichtigen, dass Jugendliche herkömmliche psychiatrische Dienste tendenziell wenig nutzen und besser über spezifische Settings und Milieus erreicht werden können, die auf diese Altersgruppe zugeschnitten sind. Prof. von Plessen fasst es so zusammen: «Wir brauchen jemanden, der die Grossen und die Kleinen gleichzeitig versteht.»

15th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD), 11. April 2024, Zürich

bei den Sprecherinnen

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