Autologe Dermistransplantate zur biogenen Bauchwandrekonstruktion
Autoren:
Dr. med. Rik Osinga1,2,3
Dr. med. Ilario Fulco1,4
Dr. med. Fiorenzo Angehrn5
Prof. Dr. Dirk Johannes Schaefer1,2
1 Klinik für Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie, Universitätsspital Basel
2 Zentrum für muskuloskelettale Infektionen, Universitätsspital Basel
3 Praxis beim Merian Iselin, Basel
4 BelCare, Plastische Chirurgie, Aarau
5 Clarunis, Klinik für Viszeralchirurgie, St. Claraspital und Universitätsspital Basel
Korrespondierender Autor:
Dr. med. Rik Osinga
E-Mail: rik.osinga@hin.ch
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Häufig werden bei Rekonstruktionen Kunststoffnetze zur Bauchwandverstärkung eingesetzt. Sie können zu erheblichen fremdkörperbedingten Komplikationen führen. Wir berichten, wie und wann körpereigene Dermistransplantate eine wertvolle Alternative mit vergleichbarem Outcome darstellen.
Keypoints
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Die Standardbehandlung von Bauchwandhernien und Bauchwandschwäche (Rektusdiastase) beinhaltet häufig die Implantation eines Kunststoffnetzes.
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Fremdmaterialien können zu Komplikationen wie Infektion, Wundheilungsstörung, Fistelbildung, Vorwölbung, Fremdkörpergefühl und chronischen Schmerzen führen.
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Körpereigene (autologe) Dermistransplantate können zur Verstärkung der Bauchwandrekonstruktion als Kunststoffersatz dienen – vor allem bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Fremdmaterial-assoziierte Komplikationen wie zum Beispiel bei Immunsuppression oder bei ablehnender Patientenhaltung gegenüber Fremdmaterial.
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Anhand aktueller Studien und aus eigenen Erfahrungen erscheint die Bauchwandrekonstruktion mit körpereigenem Material in ausgewählten Fällen dem Einsatz von Fremdmaterial gleichwertig oder sogar überlegen, insbesondere hinsichtlich Schmerzen sowie abdomineller Langzeitbeschwerden.
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Die autologe Dermis wird rasch vaskularisiert und vollständig biologisch integriert. Dies ist bei einer akuten postoperativen Infektion ein Vorteil. Denn hier wird zur Infektbehandlung häufig der komplette Ausbau des Kunststoffnetzes empfohlen, nicht jedoch des autologen Dermistransplantates.
Für die chirurgische Versorgung abdominaler Hernien gehören Kunststoffnetze zur Standardtherapie.1 Die Häufigkeit der damit verbundenen Fremdmaterial-assoziierten Komplikationen darf aber nicht unterschätzt werden. Die Infektionsrate nach Hernienversorgung mit Kunststoffnetzen beispielsweise beträgt bis zu 7%.2,3 Problematisch ist dies, da zur Infektbehandlung häufig das Kunststoffnetz operativ wieder entfernt werden muss. Weitere erhebliche Risiken sind Wundheilungsstörung, Fistelbildung, Vorwölbung, Fremdkörpergefühl und chronische Schmerzen, die den Heilverlauf verlängern oder eine erneute Operation mit schwieriger Entfernung des Fremdmaterials erfordern können. Nebenerkrankungen und eine geschwächte Körperabwehr, z. B. infolge medikamentöser Immunsuppression, wirken sich negativ aus.
Bauchwandverstärkung mit Dermis
Als sinnvolle alternative Therapie erscheint daher der Einsatz von körpereigenem Material. In zwei klinischen Serien wurde über den Einsatz von (deepithelialisierten) Hauttransplantaten anstelle von Kunststoffnetzen berichtet.4,5 Die klinischen Resultate dieser Eigengeweberekonstruktionen waren mit denjenigen nach Einsatz von Fremdmaterial vergleichbar, aber es wurden weniger Schmerzen und weniger abdominale Beschwerden angegeben. In einer kürzlich durchgeführten prospektiven, multizentrischen, randomisierten Studie an 52 Patienten mit ventralen Narbenhernien von mehr als 10cm Länge wurde ein gleichwertiges Ergebnis nach 3 und 12 Monaten Nachbeobachtungszeit aufgezeigt.4,6 Es wurde ausserdem darauf hingewiesen, dass insbesondere bei infiziertem Fremdmaterial nach einer Bauchwandrekonstruktion autologe Dermistransplantate ein ideales Ersatzmaterial für die Faszienverstärkung darstellen.7
Eigene Erfahrungen
Die Studienergebnisse decken sich mit eigenen klinischen Ergebnissen von Patientinnen an unserer Klinik, welche mit autologen Dermistransplantaten sowohl in Onlay- wie auch Sublay-Technik anstelle von Kunststoffnetzen behandelt wurden. Bei einer Patientin lag beispielsweise eine Umbilikalhernie mit periumbilikaler Narbendehiszenz mit Protrusion von Dünndarmanteilen 11 Jahre nach Sectio vor (Abb. 1). Die Implantation von Fremdmaterial wurde strikt abgelehnt.Bei dieser Patientin wurde die Bauchhaut analog einer Standard-Bauchwandstraffung angehoben, sodass die Hernie offen reponiert und die Faszie mit einer direkten Naht verschlossen werden konnte. Aus der überschüssigen Haut wurde durch Deepithelialisierung und Entfettung ein Dermistransplantat gewonnen und als Verstärkung der Bauchwand in Onlay-Technik verwendet (Abb. 1B).
Die Nachbeobachtungszeit betrug 12 Monate. Es gab keine klinische Anzeichen für ein Wiederauftreten der Hernie, eine Infektion oder Wundheilungsstörung. Schmerzen oder Fremdkörpergefühl zeigten sich nicht. Die Patientin war mit dem klinischen und ästhetischen Ergebnis äusserst zufrieden (Abb. 1C).
Abb. 1: (A) Präoperative Ausgangslage im Stehen bei einer 27-jährigen Patientin mit chronischen, belastungsabhängigen Schmerzen nach Unterbauchlaparatomie zur Entbindung 11 Jahre zuvor. Eingezeichnet ist die geplante Schnittführung zur Resektion. (B) Intraoperativer Situs nach Rektusdiastasenraffung sowie Verstärkung mittels deepithelialisierter und entfetteter Dermis aus der zuvor resezierten Haut in Onlay-Technik. (C) Klinisches Bild im Stehen 6 Monate postoperativ bei beschwerdefreier Patientin
Schlussfolgerung
Autologe Dermistransplantate können als Alternative zu Kunststoffnetzen eingesetzt werden. Insbesondere bei Patienten mit Immunsuppression oder einer Abneigung gegen die Implantation von Fremdmaterial bietet sich hier eine unkomplizierte Ausweichmöglichkeit. Aus plastisch-rekonstruktiver Sicht ist das Verfahren besonders günstig, wenn ohnehin ein Hautüberschuss vorliegt, aus dem einfach eine mechanisch stabile Verstärkung der Bauchwand gewonnen werden kann.
Literatur:
1 Luijendijk RW et al.: N Engl J Med 2000; 343(6): 392-8 2 Bueno-Lledo J et al.: Am J Surg 2017; 213(1): 50-7 3 Petersen S et al.: Eur J Surg 2001; 167(6): 453-7 4 Clay L et al.: Hernia 2018; 22(2): 325-32 5 Ozkaya Mutlu O et al.: J Plast Surg Hand Surg 2015; 49(3): 172-6 6 Holmdahl V et al.: Hernia 2019; 23(2): 355-61 7 Samson TD et al.: Plast Reconstr Surg 2005; 116(2): 523-8
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