
Strategien der Behandlung und Prävention
Jatros
Autor:
Mag. Christine Lindengrün
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Das 59. Symposium der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Handchirurgie (DAH) fand vom 3. bis 5. Mai 2018 in Wien statt. Prof. Dr. Martin Leixnering, Leiter der Handambulanz im European Hand Trauma Center am AUVA-Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler, berichtet über die erfolgreiche Veranstaltung und gibt einen Einblick in die aktuellen Schwerpunkte und Pläne der österreichischen Handchirurgie.</p>
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<p class="article-content"><h2>Über die DAH</h2> <p>„Ursprünglich war die DAH ein Lesezirkel für deutschsprachige Ärzte, die sich mit Handchirurgie beschäftigen“, erzählt Leixnering. „Heute ist die Handchirurgie in der Schweiz eine eigene Facharztausbildung. In Deutschland und Österreich ist sie eine Spezialisierung der Fächer Orthopädie, Unfallchirurgie, Chirurgie oder plastische Chirurgie, für die eine dreijährige Zusatzausbildung in definierten Ausbildungszentren notwendig ist.“ Die Jahrestagungen der DAH, bei denen jeweils ein bestimmtes Thema diskutiert wird, finden in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Südtirol statt. Mittlerweile hat die DAH an die 600 Mitglieder. Etwa 250 davon kamen heuer im Mai zum Symposium nach Wien. Als Leitthema wählte Prof. Leixnering, der die Tagung organisierte, „Die komplexe Handverletzung“.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s74.jpg" alt="" width="1295" height="1011" /></p> <h2>Organisationsstrategien</h2> <p>Eine Sitzung beim 59. DAH-Symposium war den Organisationsstrukturen gewidmet. Es ging um Organisationsstrategien von der Primär- bis zur Definitivversorgung. „Wir haben uns damit auseinandergesetzt, wie wir in Zukunft – auf Basis der hohen Qualitätsansprüche, unserer Erfahrung und auch ökonomischer Überlegungen – die Handchirurgie positionieren werden“, so Leixnering. „Es hat wenig Sinn, wenn seltene Verletzungen und sekundäre Rekonstruktionen einmal im Jahr an einer kleinen Abteilung ohne Spezialisten versorgt werden. Es ist wichtig, dass sowohl die einzelnen Handchirurgen als auch die Zentren eine ausreichende Fallzahl vorweisen können, um die Qualität der Versorgung und der Ausbildung zu gewährleisten.“ Da die Definitivversorgung komplexer Handverletzungen – mit Ausnahme der Replantation – keine Akutbehandlung darstellt, habe man genügend Zeit, die Strategie zu zentralisieren.<br />Traumazentrum Wien der Allgemeinen Unfallversicherung, Standort Lorenz Böhler, ist schon seit vier Jahrzehnten auf die Versorgung von Handverletzungen spezialisiert. Unter der Leitung von Prof. Leixnering wurde das Handtraumazentrum schließlich 2011 von der Europäischen Gesellschaft für Handchirurgie (FESSH) als „European Hand Trauma Center“ anerkannt. Mittlerweile ist fast jede dritte Operation im Traumazentrum Wien eine handchirurgische. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der rekonstruktiven Handchirurgie. „Die Spezialisierung hat dazu geführt, dass wir eine hohe Anzahl an Patienten und eine dementsprechend große Erfahrung vorweisen können“, so Leixnering.</p> <h2>Amputation und Transplantation</h2> <p>Ein international viel diskutiertes Thema sind derzeit Handtransplantationen. Auch beim 59. DAH-Symposium war eine Sitzung diesem Thema gewidmet. „Der Aspekt, der in Diskussion steht, ist die Indikation“, berichtet Leixnering. „Transplantationspatienten müssen ihr Leben lang Immunsuppressiva einnehmen, die Indikation muss daher sehr eng gestellt werden.“ Man einigte sich darauf, dass nur bei Menschen, die beide Hände verloren haben, eine Handtransplantation durchgeführt werden sollte. „Ein einseitiger Handverlust stellt unserer übereinstimmenden Meinung nach keine Indikation zur Transplantation dar“, so Leixnering.<br />Bei einseitigem Handverlust ist die Prothese die Behandlung der Wahl, wobei hier eine Vielfalt an Produkten zur Verfügung steht, angefangen bei einfachen Epithesen, über deren technische Struktur – insbesondere durch die enge Zusammenarbeit mit Rehabilitationszentren – neue Erfahrungen gesammelt werden konnten, bis hin zu den modernsten Formen wie der myeloelektrischen Prothese, die mit Anspannung einer Muskelgruppe gesteuert werden kann. <br />„Wir haben aber auch über die Amputationsverletzung gesprochen und darüber, wie wir die Funktion der beeinträchtigten Extremität verbessern können“, sagt Leixnering. „Physio- und Ergotherapeuten, insbesondere spezialisierte Handtherapeuten, spielen eine sehr wichtige Rolle für die Nachbehandlung unserer Patienten. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, der bei solch einem Kongress auch diskutiert werden muss, denn nur zusammen mit den Therapeuten können wir ein gutes funktionelles Ergebnis erzielen.“</p> <h2>Dokumentation als Basis der Prävention</h2> <p>„Lorenz Böhler hat schon 1929 in seinem Buch viele Seiten dafür verwendet, um auf die Bedeutung der sofortigen und korrekten Heilbehandlung von Handverletzungen hinzuweisen“, so Leixnering. Nur so könne man ein gutes Ergebnis und vor allem eine „niedrige Rente“ erreichen. Böhler hat dies damals am Beispiel der Heiratsfähigkeit von Frauen dargestellt: Wenn die Erstbehandlung von schweren Handverletzungen nicht in optimaler Weise erfolgte, bestand die Gefahr, dass die Heiratsfähigkeit vermindert oder nicht gegeben war und den Frauen eine lebenslange Rente gezahlt werden musste. Das Grundprinzip dieser Argumentation gilt bis heute: Eine rasche und optimale Behandlung von Handverletzungen erhöht die Chance, dass die Funktion der Hand erhalten wird, die oder der Betroffene in das Arbeitsleben zurückkehren kann und somit das Gesundheitssystem ökonomisch entlastet wird. <br />Die gesetzmäßig verankerte Unfallversicherung in Österreich bietet aber noch einen weiteren Vorteil: Über die genaue Dokumentation wird eine effektive Prävention möglich, wie Prof. Leixnering erklärt: „Wenn wir wissen, wo und wie Unfälle passieren und Verletzungen entstehen, können wir diese Erkenntnisse, zusammen mit Daten aus Registern, Analysen und Statistiken, in Präventivmaßnahmen einfließen lassen.“ Dadurch werde das Gesundheitssystem weiter entlastet. Die AUVA-Kampagne „Hände gut, alles gut“, die von 2014 bis 2016 lief, sei ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie durch Aufklärung und Instruktion Unfälle und Verletzungen verhütet werden können. Die Kampagne hat weltweit Aufsehen erregt und wurde Vorbild für Deutschland, Italien, Frankreich und die Schweiz.<br />„Die finanzielle Refundierung als vierte Säule der Unfallversicherung kann umso niedriger gehalten werden, je mehr die anderen drei Säulen, also die Heilbehandlung, die Rehabilitation und die Prävention, gestärkt werden“, meint Leixnering zusammenfassend. Dieses Konzept sollte seiner Meinung nach auch auf Freizeitunfälle ausgedehnt werden: „Es ist doch nicht gerecht, dass ein Patient nach einem Freizeitunfall nicht sofort in ein spezialisiertes Zentrum mit bester Ausstattung gelangt. Es wäre doch klug und richtig, keine Unterscheidung mehr zwischen Arbeits- und Freizeitunfällen zu machen.“ <br />70 % der Handverletzungen passieren in der Freizeit. „Davon sind überwiegend Menschen im arbeitsfähigen Alter betroffen. Umso unbegreiflicher ist die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeitunfall, da diese Menschen ja im Arbeitsprozess genauso ausfallen. Und sie kommen umso schneller in den Arbeitsprozess zurück, je besser die Qualität der Therapie ist.“<br />Ein geplantes Projekt für die Zukunft ist der Start eines europaweiten Registers für Handverletzungen – nicht nur für den Arbeits-, sondern auch für den Freizeitunfall. Dieses Modell würde flächendeckend Gesundheitskosten senken, meint Leixnering: „Wir müssen ja daran arbeiten, Kosten einzusparen, und das wäre eine vernünftige Möglichkeit.“</p></p>
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