Microfracturing: auch in der Schulter eine Option

<p class="article-intro">Durch die steigende Anzahl an durchgeführten Schulterarthroskopien werden auch bei jüngeren Patienten vermehrt glenohumerale Knorpelläsionen diagnostiziert. Die Therapie solcher Läsionen stellt in diesem Patientenkollektiv eine Herausforderung für die behandelnden Ärzte dar. Ziel der Behandlung ist, neben der Wiederherstellung bestmöglicher Funktion, eine Progression zur Omarthrose zu verzögern und einen frühen Gelenkersatz zu vermeiden. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Knorpell&auml;sionen bedeuten f&uuml;r den Patienten neben Schmerzen auch eine Einschr&auml;nkung der Funktion und f&uuml;hren in weiterer Folge zur Progression einer Omarthrose. W&auml;hrend die Therapieoptionen f&uuml;r diffuse Knorpelsch&auml;den in einem &auml;lteren, sportlich inaktiven Patientenkollektiv im Sinne einer endoprothetischen Versorgung hinl&auml;nglich bekannt sind, so stellen isolierte, umschriebene Knorpell&auml;sionen vor allem bei j&uuml;ngeren Patienten eine therapeutische Herausforderung dar.<sup>1, 2</sup> Konservative Therapieoptionen bestehen haupts&auml;chlich aus oraler Medikation mit antiinflammatorischen Pr&auml;paraten, intraartikul&auml;ren Injektionen oder physikalischer Therapie.<sup>1</sup> Jedoch hat sich in der Literatur gezeigt, dass es bei diesen Knorpell&auml;sionen nahezu nie zu einer selbstst&auml;ndigen Heilung bzw. vollst&auml;ndigen Beschwerdebesserung kommt, unabh&auml;ngig davon, ob die L&auml;sion akut, chronisch oder degenerativ auftritt.<sup>3, 4</sup><br /> Letztlich ist somit oft eine chirurgische Therapie indiziert. F&uuml;r die Wahl des chirurgischen Verfahrens sind vor allem Gr&ouml;&szlig;e, Tiefe und Lokalisation des Defekts entscheidend. Zu ber&uuml;cksichtigen sind weiters die Stabilit&auml;t des Gelenks, Begleitpathologien sowie patientenspezifische Faktoren.</p> <h2>Diagnose</h2> <p>Die Diagnose osteochondraler L&auml;sionen l&auml;sst sich glenohumeral nicht immer eindeutig stellen. Hohen Stellenwert haben einerseits die klinische Untersuchung, andererseits die radiologische Bildgebung. Mittels Standardr&ouml;ntgen der Schulter kommen allerdings meist nur sehr gro&szlig;e Knorpeldefekte des Humeruskopfes und Glenoids zur Darstellung. Goldstandard der radiologischen Bildgebung osteochondraler L&auml;sionen ist die MRT, wobei die Sensitivit&auml;t hierbei durch die Knorpeldicke der glenohumeralen Gelenkspartner limitiert ist.<sup>5</sup> In einer Studie von Krishnan et al.<sup>6</sup> zeigt sich dabei, dass mittels MRT 70 % der nachfolgend arthroskopisch best&auml;tigten chondralen L&auml;sionen identifiziert werden. Bei j&uuml;ngeren Patienten k&ouml;nnen fokale chondrale L&auml;sionen oft nur als Ausschlussdiagnose gestellt werden.<sup>7</sup> Die Pr&auml;valenz symptomatischer chondraler L&auml;sionen (Outerbridge II&ndash;IV)<sup>8</sup> in diagnostischen Arthroskopien wurde dabei mit bis zu 17 % beschrieben.<sup>9, 10</sup></p> <p>W&auml;hrend im Kniegelenk seit Steadman et al.<sup>11</sup> der positive Effekt knochenmarkstimulierender Verfahren bereits gr&uuml;ndlich erforscht und in der Literatur belegt ist, zeigt sich im Vergleich dazu im Bereich des Schultergelenks nur eine sehr sp&auml;rliche Datenlage. Morphologisch zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede zwischen dem Knie und dem Schultergelenk mit einer geringeren Knorpeldicke vor allem im Bereich des Glenoids und des Humeruskopfes von etwa 1,88mm bzw. 1,24mm.<sup>12, 13</sup></p> <p>Die Indikation zur arthroskopischen Mikrofrakturierung der Schulter kann bei hochgradigen fokalen Knorpelsch&auml;den von limitierter Ausdehnung gestellt werden.<sup>14</sup> Die maximale Defektgr&ouml;&szlig;e, bei der das Verfahren sinnvoll ist, wird mit ca. 25mm im Durchmesser angegeben.<sup>15</sup><br /> Ziel dieser Operationstechnik ist die Stimulation von Knorpelersatzgewebe. Durch Perforation des subchondralen Knochens soll eine Blutung induziert werden.<sup>16</sup> Nach dem Wolff&rsquo;schen Gesetz k&ouml;nnen sich undifferenzierte Stammzellen aus dem Knochenmark (Fibroblasten) in Abh&auml;ngigkeit von der mechanischen Beanspruchung zu Tenozyten (unter Zugbeanspruchung), Osteozyten (unter Druck) oder Chondrozyten (unter wechselnden Druck- und Zugkr&auml;ften bzw. Scherkr&auml;ften) ausdifferenzieren.<sup>17, 18</sup><br /> Gelangen Fibroblasten mit einem Blutkoagel aus dem Knochenmark in einen Knorpeldefekt, so kann sich das Koagel unter g&uuml;nstigen mechanischen Bedingungen (Gelenkbewegungen ohne &Uuml;berbelastung) zu Faserknorpel entwickeln und eine Defektauff&uuml;llung bewirken. Im angloamerikanischen Raum wird in diesem Zusammenhang oft der Begriff des &bdquo;Superclots&ldquo; verwendet, welcher das gro&szlig;e Potenzial eines Blutkoagels mit entwicklungsf&auml;higen Zellen und Zytokinen beschreibt.<sup>19, 20</sup> Entscheidend hervorzuheben ist, dass der Ersatzknorpel nicht die Qualit&auml;t eines hyalinen Knorpels aufweist, wobei der Anteil an Kollagen Typ II unter 50 % liegt.<sup>21&ndash;23</sup></p> <h2>OP-Technik</h2> <p>Zun&auml;chst wird im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie eine Evaluation des Knorpelschadens vorgenommen. Die Lokalisation und Ausdehnung des Defektes m&uuml;ssen inspektorisch und durch Tasthakenuntersuchung bestimmt werden. Eine Beurteilung m&ouml;glicher Begleitverletzungen der Rotatorenmanschette, des Labrums oder der Bizepssehne ist obligat. Nach &Uuml;berpr&uuml;fen der Indikation wird zun&auml;chst ein sorgf&auml;ltiges D&eacute;bridement durchgef&uuml;hrt. Degeneratives Knorpelgewebe muss radikal und vollst&auml;ndig bis in die Randbereiche des Defektes entfernt werden. Entscheidend f&uuml;r den Erfolg der Technik ist die Schaffung einer stabilen Schulter am Defektrand. Nur dadurch wird ein mechanisch gesch&uuml;tzter Hohlraum geschaffen, in dem die Organisation eines Blutkoagels stattfinden kann.<sup>15</sup> F&uuml;r die eigentliche Mikrofrakturierung stehen gebogene Ahlen mit verschiedenen Winkelgraden zur Verf&uuml;gung. Der subchondrale Knochen wird nun von peripher beginnend perforiert. Die L&ouml;cher sollten mindestens 3&ndash;4mm auseinanderliegen, um einen Kollaps der Knochenbr&uuml;cken zu verhindern.<sup>11</sup></p> <h2>Nachbehandlung</h2> <p>Die postoperative Therapie wurde nach dem Vorbild des arthroskopischen Microfracturing am Kniegelenk modifiziert. Das Tragen und Heben von schweren Gewichten soll unterlassen werden. Eine passive und assistive Physiotherapie ist bereits direkt postoperativ m&ouml;glich, w&auml;hrend eine aktive Physiotherapie erst nach 6 Wochen begonnen werden soll.<sup>24</sup> Das postoperative Nachbehandlungsschema muss jedoch je nach Behandlung der Begleitpathologie adaptiert werden.<sup>16</sup><br /> Bereits publizierte mittel- bis langfristige Ergebnisse in der Literatur zeigen sich vielversprechend. Mikrofrakturierung im Schulterbereich erzielt demnach gute Ergebnisse zur Reduktion der Schmerzsymptomatik und der Bewegungseinschr&auml;nkung. Einige Autoren postulieren, dass die Erfolgsrate abh&auml;ngig von der Lokalisation des Knorpelschadens ist und bessere Ergebnisse bei isolierten humeralen Defekten erzielt werden k&ouml;nnen.<sup>24&ndash;26</sup> Eine Studie von Kerr und McCarty<sup>25</sup> verglich unipolare mit bipolaren L&auml;sionen und konnte zeigen, dass Patienten mit unipolaren L&auml;sionen h&ouml;here Outcome-Scores aufwiesen. H&uuml;nnebeck et al.<sup>24</sup> konnten gute klinische Ergebnisse sowohl bei isolierten humeralen als auch isolierten glenoidalen Knorpell&auml;sionen zeigen. Eigene Untersuchungen zeigten bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 10 Jahren sehr gute klinische Ergebnisse sowohl f&uuml;r isolierte humerale als auch isolierte glenoidale L&auml;sionen. In der Mehrzahl der F&auml;lle konnte radiologisch keine Progression der Arthrose festgestellt werden. Bei bipolaren L&auml;sionen zeigten sich klinisch schlechtere Ergebnisse. An dieser Stelle muss jedoch festgehalten werden, dass in s&auml;mtlichen Studien die Anzahl der bipolaren L&auml;sionen innerhalb der Gruppen sehr klein war und somit nur eine eingeschr&auml;nkte Aussage diesbez&uuml;glich getroffen werden kann.<br /> Bei allen klinisch guten Ergebnissen muss beachtet werden, dass die Patienten auch eine Behandlung von Begleitpathologien erhielten, welche ebenfalls einen Einfluss auf das gute klinische Outcome haben.<sup>12, 24, 25</sup><br /> Nach H&uuml;nnebeck et al.<sup>24</sup> beeinflusst die Mikrofrakturierung nicht die radiologische Arthroseprogression. Bei Patienten ohne radiologische Arthrosezeichen pr&auml;operativ erbringt die Behandlung bessere Ergebnisse und stellt somit eine gute langfristige Therapieoption bei akzidentell entdeckten Chondralsch&auml;den der Schulter dar. Vorteile der Mikrofrakturierung sind die vergleichsweise einfache technische Durchf&uuml;hrbarkeit, die geringe Patientenmorbidit&auml;t und die Kosteneffektivit&auml;t.<sup>2</sup><br /> Auf Basis der bestehenden Literatur zeigt sich die arthroskopische Mikrofrakturierung als zuverl&auml;ssig und erfolgreich, sowohl als eigenst&auml;ndiges als auch als begleitendes Verfahren. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um die Effektivit&auml;t und &Ouml;konomie im Vergleich zu konkurrierenden Verfahren zu untersuchen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1806_Weblinks_jatros_ortho_1806_s13_abb1.jpg" alt="" width="350" height="341" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Millett PJ et al.: Arthroscopy 2009; 25(8): 856-63 <strong>2</strong> Elser F et al.: Arthroscopy 2010; 26(5): 685-96 <strong>3</strong> McCarty LP, Cole BJ: Arthroscopy 2005; 21(9): 1131-42 <strong>4</strong> Mundi R et al.: Am J Sports Med 2016; 44(7): 1888-95 <strong>5</strong> Carroll KW et al.: Am J Roentgenol 2001; 176(2): 393-7 <strong>6</strong> Krishnan SG et al.: J Bone Joint Surg Am 2007; 89(4): 727-34 <strong>7</strong> Bhatia S et al.: Adv Orthop 2012; 2012: 846843 <strong>8</strong> Steadman JR et al.: Arthroscopy 2003; 19(5): 477-84 <strong>9</strong> Paley K J et al.: Arthroscopy 2000; 16(1): 35-40 <strong>10</strong> Gartsman GM, Taverna E: Arthroscopy 1997; 13(4): 450-5 <strong>11</strong> Steadman JR et al.: Clin Orthop Relat Res 2001; (391 Suppl): S362-9 <strong>12</strong> Frank RM et al.: Am J Sports Med 2010; 38(4): 772-81 <strong>13</strong> Yeh LR et al.: Skeletal Radiol 1998; 27(9): 500-4 <strong>14</strong> Outerbridge RE: J Bone Joint Surg Br 1961; 43-B: 752-7 <strong>15</strong> Banke IJ et al.: Orthop&auml;de 2011; 40(1): 85-92 <strong>16</strong> Hensley CP, Sum J: Int J Sports Phys Ther 2011; 6(1): 10-26 <strong>17</strong> Buckwalter JA: J Orthop Sports Phys Ther 1998; 28(4): 192-202 <strong>18</strong> Buckalter JA: Clin Orthop Relat Res 2002; (402): 21-37 <strong>19</strong> Gill TJ et al.: J Orthop Sports Phys Ther 2006; 36(10): 728-38 <strong>20</strong> Lewis PB et al.: J Orthop Sports Phys Ther 2006; 36(10): 717-27 <strong>21</strong> Cu&eacute;llar A et al.: Arthrosc Tech 2016; 5(2): e223-7 <strong>22</strong> Gillogly SD et al.: J Orthop Sports Phys Ther 1998; 28(4): 241-51 <strong>23</strong> Browne JE, Branch TP: J Am Acad Orthop Surg 8(3): 180-9 <strong>24</strong> H&uuml;nnebeck SM et al.: Obere Extrem 2017; 12(3): 165-70 <strong>25</strong> Kerr BJ, McCarty EC: Clin Orthop Relat Res 2008; 466(3): 634-8 26 Snow M, Funk L: Int J Shoulder Surg 2008; 2(4): 72</p> </div> </p>
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