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Die Radiofrequenztherapie beim Kreuzschmerzpatienten

<p class="article-intro">Bei der Behandlung des Kreuzschmerzes bekommt die Radiofrequenztherapie einen immer höheren Stellenwert. Die Effektivität dieser Methode steht und fällt jedoch mit der Indikationsstellung. Es ist daher unerlässlich, vor jeder Intervention eine Lege-artis-Testung mit engmaschiger Erhebung des Schmerzverlaufes durchzuführen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das Kreuz mit dem Kreuz &ndash; ich erspare Ihnen die Zahlen, mit denen schon ausf&uuml;hrlich Fr&uuml;hpensionen, Krankenst&auml;nde, Seitenspr&uuml;nge, Privatkonkurse und Urlaubsstornos beschrieben wurden, die eindeutig auf Kreuzschmerzen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind. Mittlerweile sind &Auml;rzte, die sich t&auml;glich mit dem &bdquo;low back pain&ldquo; besch&auml;ftigen &ndash; &auml;hnlich wie der &ouml;sterreichische Fu&szlig;ballteamchef &ndash; mit Millionen von Co-Trainern bzw. Kreuzschmerzspezialisten konfrontiert, Dr. Google sei Dank. Die Vielzahl der Therapieoptionen l&auml;sst au&szlig;er Acht, dass die Ursache f&uuml;r Kreuzschmerzen in den meisten F&auml;llen einen gemeinsamen Nenner hat. Ich spiele auf den nat&uuml;rlichen Feind des zivilisierten, tr&auml;gen und meist sitzenden Arbeitnehmers an: die Bewegung. Das soll nicht hei&szlig;en, dass regelm&auml;&szlig;ige AMS-Besucher diesbez&uuml;glich bessere Karten h&auml;tten. Eher im Gegenteil, wenn man die Yellow Flags ber&uuml;cksichtigt. Bewegung und Aktivit&auml;t k&ouml;nnen also die Grundlage f&uuml;r eine erfolgreiche Kreuzschmerztherapie sein. Die Aufgabe des Arztes ist es, diese Bewegungstherapie und forcierte Aktivit&auml;t einerseits zu erm&ouml;glichen und andererseits in der an den Patienten angepassten Form anzubieten. Die Radiofrequenztherapie kann bei richtiger Indikationsstellung ein Weg sein, um dem Patienten durch Schmerzreduktion eben diese Aktivit&auml;t zu erm&ouml;glichen. Ich wiederhole es noch einmal, um jedes Missverst&auml;ndnis zu vermeiden: Die Radiofrequenztherapie ist als Grundlage f&uuml;r eine Aktivierung des Patienten zu sehen &ndash; und nicht als Allheilmittel und Garant f&uuml;r Schmerzlosigkeit, wie es unseri&ouml;serweise von manchen Kolleginnen und Kollegen versprochen wird.</p> <h2>Radiofrequenz</h2> <p>Die Radiofrequenztherapie, &uuml;ber die ich berichte, umfasst die Thermokoagulation von sensiblen Nerven an der Wirbels&auml;ule. Es handelt sich um eine kontinuierlich angewandte Hochfrequenztechnik, die ein starkes elektrisches und schwaches magnetisches Feld aufbaut, wodurch eine Temperaturerh&ouml;hung induziert wird. Die Denervierung erfolgt bei ca. 80&deg; und wird pro Nerv f&uuml;r 90 bis 150 Sekunden durchgef&uuml;hrt. Glaubt man der Literatur, so ist ein gro&szlig;er Teil der vermeintlich unspezifischen Kreuzschmerzen auf schmerzhafte Facetten- und Iliosakralgelenke sowie Rupturen der Anulusfasern von Bandscheiben zur&uuml;ckzuf&uuml;hren.</p> <h2>Das Facettensyndrom</h2> <p>Facettengelenke haben eine vergleichsweise hohe Dichte an Nozizeptoren, die vor allem die Kapsel versorgen. Dementsprechend k&ouml;nnen &Uuml;berlastungen sowie Fehlbelastungen vor allem in Kombination mit muskul&auml;rer Insuffizienz Schmerzen verursachen. Das Facettensyndrom hat bei der Behandlung von Kreuzschmerzen einen immer h&ouml;heren Stellenwert, was in den klassischen konservativen Ma&szlig;nahmen (Physiotherapie und physikalische Medizin, manuelle Medizin, therapeutische Lokalan&auml;sthesie, medikament&ouml;se Schmerztherapie) seinen Niederschlag findet.<br /> Wie schon eingangs erw&auml;hnt, stehen die Bewegungstherapie und Aktivierung des Patienten im Vordergrund. Sollten diese jedoch schmerzbedingt nicht im ausreichenden Ma&szlig; m&ouml;glich sein, besteht die Indikation zur Testung der Facettengelenke. Hierzu kann eine kleine Auffrischung des Wissens zur Neuroanatomie nicht schaden: Die Kapsel eines Facettengelenkes wird von zwei sensiblen &Auml;sten innerviert (den Rami mediales, welche von den Rami dorsales abgehen): einerseits vom Ramus medialis der kranialen Etage und andererseits vom R. medialis aus der &bdquo;eigenen&ldquo; Etage. So wird zum Beispiel das Facettengelenk L4/5 vom R. medialis L3 (von kranial) und vom R. medialis L4 (aus der &bdquo;eigenen&ldquo; Etage) versorgt. M&ouml;chte ich nun wissen, ob das Facettengelenk L4/5 als Schmerzgenerator infrage kommt, muss ich die Rr. mediales L3 &amp; L4 blockieren, sprich mit einer geringen Menge Lokalan&auml;sthetikum r&ouml;ntgengezielt umsp&uuml;len (Abb. 1). Hinsichtlich der Zuverl&auml;ssigkeit dieser Testmethode herrscht Uneinigkeit in der Literaturszene. Tatsache ist, dass die sehr aufwendige Durchf&uuml;hrung mit zwei unterschiedlich lang wirksamen An&auml;sthetika und einem Placebo zwar die besten Resultate zeigt, aber trotzdem noch eine relativ hohe Zahl an falsch positiven Ergebnissen bringen kann (Falco 2009, Manchikanti 2010). Umso wichtiger sind daher eine &bdquo;saubere&ldquo; Testung und engmaschige Dokumentation der Schmerzreduktion. Je nach Autor solle die VAS-Abnahme nach R.-medialis-Blockade zwischen 50 und 80 % betragen, um ein entsprechend positives Outcome der Denervierung erwarten zu k&ouml;nnen. Am h&auml;ufigsten erfolgt die Radiofrequenztherapie der Rr. mediales L3 bis L5 (korrekt w&auml;re R. dorsalis L5), d.h. der Facettengelenke L4/5 und L5/S1. Die Intervention erfolgt in Lokalan&auml;sthesie und kann tagesklinisch durchgef&uuml;hrt werden. Die Sonden werden unter Bildwandler positioniert (Abb. 2). Vor der Denervierung erfolgt noch eine sensible und motorische Testung mit 50Hz bzw. 2Hz, um die Thermokoagulation eines Spinalnervs auszuschlie&szlig;en. Womit wir auch schon bei den Komplikationen w&auml;ren: Neben H&auml;matomen und Infektionen ist die eben angef&uuml;hrte Verletzung eines Spinalnervs denkbar, aber extrem selten (Nath 2008, Tekin 2007, Van Kleef 1999).<br /> Es handelt sich um eine minimal invasive Methode mit entsprechend schneller Rehabilitation. Bei unkompliziertem Verlauf kann bereits nach zwei Tagen mit vorsichtigen physiotherapeutischen Einheiten begonnen werden. Sportliche Aktivit&auml;ten sind nach zwei und schwere k&ouml;rperliche Arbeiten nach vier Wochen m&ouml;glich.<br /> Hinsichtlich des Versorgungsgebietes der Rr. mediales muss festgehalten werden, dass dieses nicht nur die sensiblen Fasern f&uuml;r die Facettengelenke, sondern auch die motorischen Fasern der Mm. multifidi umfasst. Diese Muskelgruppe spielt bei der Rumpfstabilisierung keine unwesentliche Rolle. Eine Auswirkung auf das Gleichgewichtsverhalten bzw. die muskul&auml;re Stabilisierung konnte bisher nicht eindeutig belegt werden und ist Gegenstand von laufenden Studien.<br /> Weiters muss festgehalten werden, dass die Denervierung aufgrund des relativ kleinen Hitzefeldes reversibel ist. Die Dauer der Reinnervation wird im Schnitt mit 13 Monaten angegeben (Gofeld 2007), wobei nach meiner Ansicht der Therapieerfolg von der aktiven Umsetzung und Nutzung des schmerzfreien Intervalls abh&auml;ngt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite62_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Iliosakralgelenk (ISG)</h2> <p>Wenn Sie einmal bei einem eingefleischten Osteopathen zu Besuch sind, kann es schon vorkommen, dass Sie vor Ort ein Schrein empf&auml;ngt. Dieser beherbergt dann unter Umst&auml;nden nicht etwa eine kleine Marienstatue oder ein Bild vom Dalai Lama, sondern das anmutige Modell eines Iliosakralgelenkes. Auf der anderen Seite k&ouml;nnte man im Gespr&auml;ch mit einem leidenschaftlichen Wirbels&auml;ulenchirurgen frei nach Philip Sheridan (jetzt schnell googeln!) schon einmal den Spruch &bdquo;Nur ein versteiftes Iliosakralgelenk ist ein gutes Iliosakralgelenk&ldquo; h&ouml;ren. Damit ist die Rolle des ISG grob umschrieben. Die einen halten es in seiner Funktion als &bdquo;Dreh- und Angelpunkt&ldquo; zwischen Wirbels&auml;ule und Becken f&uuml;r DAS Gelenk des Bewegungsapparates, die anderen halten es einfach f&uuml;r unn&ouml;tig. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, wobei das ISG als Schmerzgenerator f&uuml;r mich unbestritten ist. Die Affektion des ISG wird in der Literatur mit bis zu 30 % als Ursache f&uuml;r lumbalgiforme Beschwerden beschrieben (DePalma et al 2011). Aufgrund des Fehlens von klaren Daten zur Validit&auml;t und Interreliabilit&auml;t von klinischen Untersuchungstechniken ist derzeit alleine die r&ouml;ntgengezielte intraartikul&auml;re Infiltration beweisend f&uuml;r einen ISG-bedingten Schmerz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite62_2.jpg" alt="" width="359" height="402" /></p> <p>Bei der Denervierung stellen die anatomischen Variationen der sensiblen Nervenversorgung des ISG eine Herausforderung an die technische Umsetzung dar. Ziel ist die L&auml;sion des Ramus dorsalis L5 und aller lateralen &Auml;ste der sakralen Rami dorsales (Abb. 3). Hier haben sich Sonden mit der sogenannten gek&uuml;hlten Radiofrequenztechnologie bew&auml;hrt. Der Begriff &bdquo;gek&uuml;hlt&ldquo; ist irref&uuml;hrend, da es sich ebenso um Hitzel&auml;sionen handelt, die aber durch die K&uuml;hlung der Sondenspitze einen gr&ouml;&szlig;eren Durchmesser haben. Insgesamt sind f&uuml;r die Denervierung eines ISG 9 L&auml;sionen notwendig. Der Eingriff kann in Lokal- oder Sedoanalgesie im tagesklinischen Setting erfolgen (Abb. 4). Auch bei dieser Intervention muss betont werden, dass sie erst nach Aussch&ouml;pfen aller konservativen Ma&szlig;nahmen und nach positiver Austestung erfolgen darf. Besonders h&auml;ufig beobachten wir ISG-Schmerzen nach Spondylodese der unteren LWS bzw. des lumbosakralen &Uuml;bergangs. Hier stellt die Denervierung eine minimal invasive und schonende Alternative zur oft angedrohten Arthrodese dar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite63_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Der diskogene Schmerz</h2> <p>Degenerativ oder traumatisch bedingte Risse im Bereich der Anulusfasern f&uuml;hren zu regenerativen Vorg&auml;ngen mit dem Einsprossen von Gef&auml;&szlig;en und letztendlich auch sensiblen Nervenfasern. So kann eine physiologisch nozizeptorfreie Bandscheibe zu einem Schmerzgenerator mutieren. Die Schmerzen werden als typischerweise mittig und dumpf beschrieben. In der Literatur wird der Anteil diskogener Schmerzen beim &bdquo;low back pain&ldquo; mit bis zu 39 % beschrieben (Schwarzer 1996). Im MRT kann die sogenannte HIZ (&bdquo;high intensity zone&ldquo;) als zuverl&auml;ssiger Marker f&uuml;r die schmerzhafte Anulusruptur gesehen werden (Peng 2006, Abb. 5). Hierbei handelt es sich um ein fl&uuml;ssigkeitsintenses kleines Areal im Bereich des hinteren Faserrings der Bandscheibe. Auch bei diesem Schmerzbild gibt es keine validierte klinische Untersuchung, die beweisend f&uuml;r die Diagnose ist. Einzig die umstrittene Diskografie gilt als zuverl&auml;ssig. Umstritten deswegen, weil die Punktion einer gesunden &bdquo;Referenzbandscheibe&ldquo; aufgrund der iatrogenen L&auml;sion und Infektionsgefahr eigentlich obsolet ist.<br /> Therapeutisches Ziel ist die Denervierung der neu eingewanderten Nerven&auml;ste, die sich vor allem im dorsalen Anteil der Bandscheibe finden. Hier ist die Durchf&uuml;hrung einer Biacuplastie m&ouml;glich. Dabei wird, wie in Abbildung 6 dargestellt, zwischen zwei &bdquo;gek&uuml;hlten&ldquo; Sonden ein nierenf&ouml;rmiges Hitzeband aufgebaut. Diese Intervention ist bei richtiger Indikationsstellung und sachgem&auml;&szlig;er Durchf&uuml;hrung eine schonende Alternative zum chirurgischen Eingriff (Kapural 2007).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite63_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Die gepulste Radiofrequenztherapie (PRF)</h2> <p>Hierbei handelt es sich nicht um eine Hitzetherapie mit gezielter Gewebsl&auml;sion, sondern um eine hochenergetische W&auml;rmetherapie (42&deg;), die zum lokalen Aufbau eines elektromagnetischen Feldes f&uuml;hrt. Dieses Feld kann offensichtlich neurogene Zellstrukturen anregen, ohne einen Zelluntergang zu bewirken. Im Tierversuch zeigen sich Regenerationen der Myelinscheiden. Die PRF findet als transforaminale epidurale Applikation bei therapieresistenten Radikulopathien ihre Anwendung, die zuvor gut, aber nicht nachhaltig auf r&ouml;ntgengezielte Infiltrationen angesprochen haben. Technisch wird wie bei einer r&ouml;ntgengezielten Infiltration vorgegangen. Die Sondenspitze wird m&ouml;glichst nahe am dorsalen Ganglion platziert und die gepulste Therapie wird pro Therapieort f&uuml;r 4&ndash;5 Minuten durchgef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite64.jpg" alt="" width="739" height="335" /></p> <h2>Conclusio</h2> <p>Das gute Ansprechen auf eine &bdquo;einfache&ldquo; ISG- oder Facettengelenksinfiltration in der Ordination beweist nicht, dass diese Strukturen auch die Schmerzgeneratoren darstellen. Eine Testinfiltration ohne Dokumentation mittels Bildwandler ist f&uuml;r die Indikationsstellung unzul&auml;ssig. Ich betone diesen Punkt noch einmal so ausf&uuml;hrlich, weil es leider Kollegen gibt, die sich zwar der Radiofrequenzmethode bedienen, aber auf eine korrekte Testung verzichten. Somit wird diese Therapieform auf lange Sicht in Verruf kommen, da die Ergebnisse dann auch entsprechend schlecht ausfallen werden. Eine gute &Uuml;bersicht &uuml;ber die derzeitige Datenlage f&uuml;r Facettengelenks- und ISG-Denervierungen bietet der Cochrane Review von 2015 (Maas et al).</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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