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Die Korrekturosteotomie an der distalen Speiche

<p class="article-intro">Die Verheilung in Fehlstellung ist eine häufige Komplikation nach distaler Radiusfraktur. Bei symptomatischen Patienten mit einer posttraumatischen Fehlstellung steht uns die Möglichkeit der Korrekturosteotomie zur Verfügung, wobei es neben der Spätkorrektur auch die Möglichkeit der Frühkorrektur gibt.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Folgen der Fehlstellungen am distalen Speichenende (Biomechanik)</h2> <p>Folgende Fehlstellungen k&ouml;nnen am distalen Radius nach distaler Speichenfraktur beobachtet werden (Abb. 1): Fehlstellungen mit Achsabweichung in der sagittalen (vermehrte dorsale/palmare Neigung) und koronalen Ebene (verminderte ulnare Inklination), Rotationsfehlstellung (oft nur im CT erkennbar), Radiusverk&uuml;rzung und Verschiebung des distalen Fragments in der sagittalen und/ oder koronalen Ebene. Klinische und biomechanische Untersuchungen konnten zeigen, dass die &Auml;nderungen der kn&ouml;chernen Architektur am distalen Radiusende zu folgenschweren Ver&auml;nderungen an der Biomechanik des Handgelenkes f&uuml;hren.<br /> Die axiale Kraft&uuml;bertragung am Handgelenk erfolgt zu 80 % &uuml;ber den distalen Radius und zu 20 % &uuml;ber die Ulna. Eine vermehrte dorsale Neigung am distalen Speichenfragment hat nicht nur Auswirkungen auf das radiokarpale Gelenk, sondern auch auf das midkarpale Gelenk und das distale Radioulnargelenk (DRUG). Durch eine Achsabweichung in der Sagittalebene kommt es zu einer &Auml;nderung der Kraft&uuml;bertragung im Handgelenk mit &Auml;nderung der Druckverteilung an den Gelenkskontaktfl&auml;chen (pr&auml;disponierender Faktor f&uuml;r eine Arthrose), zu einer Kompensation der radiokarpalen Fehlstellung im midkarpalen Gelenk (Carpus adaptivus), zu einer Zunahme der ulnaren Handgelenksbelastung (&Auml;nderung der Kraft&uuml;bertragung) und zur Bewegungseinschr&auml;nkung.<br /> Die Radiusverk&uuml;rzung f&uuml;hrt zu einem relativen Ellenvorschub mit erh&ouml;hter Belastung des TFCC (triangul&auml;rer fibrokartilagin&auml;rer Komplex). Die Folge kann ein &bdquo;Ulna impaction&ldquo;-Syndrom sein (schmerzhafte Schwellung, vorwiegend ulnokarpaler Schmerz, Perforation des ulnokarpalen Komplexes, Arrosion des Lunatums).<br /> Achsabweichungen und Radiusverk&uuml;rzung haben eine Inkongruenz am DRUG zur Folge, was neben einer Beeintr&auml;chtigung der Unterarmrotation auch zu einer Instabilit&auml;t am DRUG f&uuml;hren kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s14_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1010" /></p> <h2>Klinische Symptome</h2> <p>Die Beschwerden nach einer in Fehlstellung verheilten distalen Radiusfraktur k&ouml;nnen sein: Schmerzen, Schwellneigung, Bewegungseinschr&auml;nkung, verminderte Kraft, ein Schnappen bei Unterarmrotation (als Ausdruck der Instabilit&auml;t im DRUG) und ulnokarpaler Schmerz (typisch f&uuml;r ein &bdquo;Ulna impaction&ldquo;-Syndrom bei Radiusverk&uuml;rzung). Oft ist das &auml;u&szlig;ere Erscheinungsbild der Fehlstellung (Bajonett- Fehlstellung) f&uuml;r den Patienten st&ouml;rend. Ein Karpaltunnelsyndrom kann ebenfalls die Folge einer in Fehlstellung verheilten Fraktur sein. Andererseits ist aus der Literatur bekannt, dass nicht alle in Fehlstellung verheilten distalen Speichenfrakturen zu Beschwerden f&uuml;hren. Wir alle kennen Patienten, bei denen das radiologische Ergebnis nicht mit dem subjektiven korreliert.</p> <h2>Indikation und Kontraindikation zur Radiuskorrekturosteotomie</h2> <p>Klare Richtlinien f&uuml;r die Indikation zur Korrekturosteotomie gibt es nicht, da das radiologische Ergebnis nicht immer mit dem funktionellen einhergeht. Allgemein wird gesagt, dass sich die Indikation zur Korrekturosteotomie aus der Beschwerdesymptomatik des Patienten und weniger aus dem R&ouml;ntgenbild ergibt. Zur Entscheidungsfindung tragen bei: Schmerzsymptomatik, funktionelle Beeintr&auml;chtigung, begleitende Symptome vonseiten des DRUG, &auml;sthetische Aspekte und funktionelle Anspr&uuml;che des Patienten an das Handgelenk. Andererseits stellt die korrekte Anatomie die Grundvoraussetzung f&uuml;r eine normale Handgelenksfunktion dar, und diese kann nur durch eine Korrekturosteotomie wiederhergestellt werden.<br /> Voraussetzung f&uuml;r einen operativen Eingriff ist eine freie Fingerbeweglichkeit. Aufgrund der winkelstabilen Plattensysteme stellt ein h&ouml;heres Alter nicht zwingend eine Kontraindikation dar. Kontraindikationen sind ein reduzierter Allgemeinzustand, degenerative Ver&auml;nderungen am Handgelenk und CRPS (&bdquo;complex regional pain syndrome&ldquo;). Ein abgelaufenes CRPS mit fehlenden trophischen St&ouml;rungen und freier Fingerbeweglichkeit stellt keine absolute Kontraindikation dar. Eine Instabilit&auml;t am DRUG ist ebenfalls keine Kontraindikation, da durch den korrigierenden Eingriff in den meisten F&auml;llen eine Stabilit&auml;t wiederhergestellt werden kann.<br /> Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob eine Fr&uuml;h- oder Sp&auml;tkorrektur (verz&ouml;gertes Vorgehen) durchgef&uuml;hrt werden soll. Die Vorteile der Fr&uuml;hkorrektur bestehen darin, dass die Fraktur noch nicht kn&ouml;chern konsolidiert ist und eine Korrektur im ehemaligen Frakturverlauf ohne Osteotomie und Knochentransplantation m&ouml;glich ist. F&uuml;r die Indikation zur Fr&uuml;hkorrektur werden radiologische Kriterien herangezogen, die ein nicht zufriedenstellendes Ausheilungsergebnis erwarten lassen (dorsale Neigung &gt;10&deg;, palmare Neigung &gt;20&deg;, Radiusverk&uuml;rzung mit relativem Ellenvorschub im Vergleich zur Gegenseite, Abflachung der ulnaren Inklination, Verschiebung des distalen Fragments). Fr&uuml;hkorrekturen sind oft technisch einfacher durchzuf&uuml;hren, die Funktionsst&ouml;rungen bestehen weniger lange und die Behandlungsdauer ist verk&uuml;rzt. Im Gegensatz dazu steht die Sp&auml;tkorrektur, die erst nach kn&ouml;cherner Frakturkonsolidierung erfolgt. Durch die kn&ouml;cherne Konsolidierung findet man eine gute Knochenqualit&auml;t vor. Die notwendige Osteotomie ist nicht im ehemaligen Frakturverlauf m&ouml;glich und der entstandene Knochendefekt im Osteotomiespalt wird mit einem Knochentransplantat aufgef&uuml;llt. Ein verz&ouml;gertes Vorgehen hat den Vorteil, dass durch den verl&auml;ngerten Behandlungsverlauf eine Besserung der Funktion durch Physiotherapie und Anpassung erreicht werden kann und eine Korrekturoperation eventuell gar nicht mehr erforderlich ist.<br /> Die Indikation zur Fr&uuml;h- oder Sp&auml;tkorrektur ist individuell und nach Absprache mit dem Patienten zu stellen. Bei j&uuml;ngeren Patienten, die noch aktiv im Berufsleben stehen und hohe Anspr&uuml;che an das Handgelenk haben, wird man eher die Indikation zur Fr&uuml;hkorrektur stellen.</p> <h2>Ziel der Radiuskorrekturosteotomie</h2> <p>Das Ziel der Operation ist die Wiederherstellung der Anatomie am distalen Radius, um eine normale Lastverteilung, ein mechanisches Gleichgewicht im midkarpalen Gelenk und kongruente Verh&auml;ltnisse am DRUG zu erreichen.</p> <h2>Planung</h2> <p>Eine Korrekturoperation erfordert eine genaue Planung. Die klinische Untersuchung des Patienten und R&ouml;ntgenaufnahmen der Gegenseite sind eine unabdingbare Voraussetzung f&uuml;r den chirurgischen Eingriff. F&uuml;r die Operationsplanung sind oft auch die R&ouml;ntgenbilder vom Unfalltag und die ersten R&ouml;ntgenbilder nach Reposition hilfreich. Eine pr&auml;operative Computertomografie dient dem Ausschluss degenerativer Ver&auml;nderungen am Handgelenk sowie der Beurteilung des DRUG und einer Rotationsfehlstellung. An den R&ouml;ntgenbildern werden die palmare/dorsale Neigung, die ulnare Inklination und der Ellenvorschub eingezeichnet (Abb. 2). Durch den Vergleich mit der Gegenseite l&auml;sst sich der erforderliche Korrekturwinkel bestimmen. Der Osteotomiewinkel ist die Winkelhalbierende des Korrekturwinkels. Die geplante Osteotomieh&ouml;he und der Osteotomiewinkel sowie der Ellenvorschub werden im R&ouml;ntgenbild eingezeichnet (evtl. Operationsskizze, Abb. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s15_abb2.jpg" alt="" width="963" height="1241" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s15_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="823" /></p> <h2>Operationstechnik</h2> <p>Da die Extensionsfehlstellungen die h&auml;ufigeren sind, wird hier die Operationstechnik f&uuml;r diese Form der Fehlstellung beschrieben. Die Korrekturoperation wird &uuml;ber den palmaren Zugang durchgef&uuml;hrt. Der Zugang zur distalen Speiche erfolgt &uuml;ber eine Inzision zwischen Flexor-carpiradialis( FCR)-Sehne und Arteria radialis, am distalen Ende weicht der Hautschnitt zur Radialseite hin ab. Die FCR-Sehne wird gemeinsam mit der darunterliegenden Beugemuskulatur zur Ulnarseite weggehalten. Die Brachioradialissehne wird abh&auml;ngig vom Korrekturausma&szlig; teilweise oder vollst&auml;ndig vom Ansatzbereich abgel&ouml;st, um kein Korrekturhindernis darzustellen. Eine Alternative ist die Z-f&ouml;rmige Inzision der Sehne mit nachfolgender Adaptation und Verl&auml;ngerung.<br /> Anschlie&szlig;end wird das 1. Strecksehnenfach gespalten. Zur Vorbeugung einer Ruptur der langen Daumenstrecksehnen wird &uuml;ber eine dorsale Inzision, knapp ulnar des Lister&rsquo;schen Tuberkels, das 3. Strecksehnenfach gespalten. Diese Wunde kann mit Sit-N&auml;hten verschlossen werden. Danach erfolgen die L-f&ouml;rmige Inzision des Musculus pronator quadratus und das Abschieben der Muskulatur zur Ulnarseite. Dadurch hat man eine freie Sicht auf den distalen Radius.<br /> Zur Vorbereitung der Osteotomie wird die distale Speiche radial und dorsal mit einem Raspatorium unterfahren. Die genaue Osteotomieh&ouml;he (Bildwandler) wird festgelegt und markiert. Die verwendete anatomisch pr&auml;formierte Radiuskorrekturplatte wird nun so weit distal wie m&ouml;glich am Radius aufgelegt und tempor&auml;r mit Bohrdr&auml;hten an den daf&uuml;r vorgesehenen Plattenl&ouml;chern fixiert. Durch diese Ma&szlig;nahme steht die distal fixierte Platte, entsprechend dem Korrekturwinkel der dorsalen Neigung, proximal um den Korrekturwinkel vom Speichenschaft ab. Bei gleichzeitiger Fehlstellung in der koronalen Ebene entspricht der Winkel zwischen dem radialen Rand der Platte und dem radialen Rand der Speiche dem Korrekturwinkel, d.h., die Platte &uuml;berragt den Radius zur Ulnarseite. Die Plattenlage wird im Bildwandler kontrolliert. Danach wird die Platte distal mit winkelstabilen Schrauben fixiert und die tempor&auml;ren Bohrdr&auml;hte werden entfernt.<br /> Bei liegender Platte wird nun die Osteotomie entsprechend dem geplanten Osteotomiewinkel (Winkelhalbierende des Korrekturwinkels in Relation zur Radiusl&auml;ngsachse, Osteotomie in 1 oder 2 Ebenen) durchgef&uuml;hrt. Zur Schonung der Weichteile werden zwei Hohmann-Hebel eingesetzt. Die Osteotomie darf auf keinen Fall in der Incisura ulnaris enden. Durch die Verwendung eines Wirbelspreizers (im dorsalen Drittel der Osteotomiefl&auml;che) wird der Osteotomiespalt aufgeweitet. Durch gleichzeitigen Druck auf das proximale Plattenende legt sich die Platte an den Radiusschaft an. Gleichzeitig kann auch eine Fehlstellung in der koronalen Ebene korrigiert werden. Ein wesentlicher Schritt ist die Wiederherstellung der Radiusl&auml;nge. Die Platte wird mit Plattenhaltezangen an den Knochen fixiert, Plattenlage und Korrektur werden im Bildwandler kontrolliert. Die Platte wird mit einer Schraube im ovalen Plattenloch an den Schaft fixiert. Eine geringe &Uuml;berkorrektur der Speichenl&auml;nge sollte angestrebt werden, damit der Knochenblock nach Lockerung der Schraube im Plattenl&auml;ngsloch &bdquo;press-fit&ldquo; fixiert wird. In den Osteotomiespalt wird ein bikortikaler Knochenblock vom Beckenkamm eingebracht und die Platte proximal mit winkelstabilen Schrauben fixiert. In den meisten F&auml;llen kann der Musculus pronator quadratus r&uuml;ckvern&auml;ht werden. Die Brachioradialissehne wird adaptiert und die Wunde verschlossen.<br /> Die postoperative Nachbehandlung erfolgt mit einer abnehmbaren dorsalen Kunststoffschiene f&uuml;r 4 Wochen. Mit Fingerbewegungs&uuml;bungen kann sofort postoperativ begonnen werden. Die erste postoperative R&ouml;ntgenkontrolle erfolgt nach der Wundheilung (10.&ndash;12. Tag postoperativ). Danach kann die Schiene f&uuml;r aktiv gef&uuml;hrte und passive Bewegungs&uuml;bungen abgenommen werden. Routinem&auml;&szlig;ige R&ouml;ntgenkontrollen erfolgen nach 4, 8 und 12 Wochen und nach 6 Monaten.<br /> Die weitaus selteneren Flexionsfehlstellungen werden ebenfalls &uuml;ber den palmaren Zugang versorgt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s16_abb4+5.jpg" alt="" width="1417" height="2012" /></p> <h2>Komplikationen</h2> <p>Bei exakter Planung und durch die Kenntnisse der Komplikationsm&ouml;glichkeiten im Rahmen der operativen Versorgung einer distalen Speichenfraktur kann die Komplikationsrate gering gehalten werden. Bei Verwendung eines Knochentransplantats ist die Begleitmorbidit&auml;t am Beckenkamm zu ber&uuml;cksichtigen. Die kn&ouml;cherne Einheilung des Transplantats stellt an sich kein Problem dar.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Bei richtiger Indikationsstellung und korrekter Ausf&uuml;hrung verbessert die Korrekturosteotomie an der distalen Speiche die Handgelenks- und Unterarmbeweglichkeit sowie die Griffkraft und f&uuml;hrt zu einer deutlichen Schmerzlinderung. Durch die stabile Versorgung mit winkelstabilen Implantaten k&ouml;nnen Korrekturverluste vermieden und die kn&ouml;cherne Ausheilung gesichert werden. Eine gute Heilungspotenz der Radiusmetaphyse mit einer ausgezeichneten Remodellierung findet man auch im fortgeschrittenen Alter. Aufgrund dieser positiven Ergebnisse wird man Patienten mit einer in Fehlstellung verheilten distalen Radiusfraktur bei entsprechenden Beschwerden die Korrekturoperation empfehlen. Unklar bleibt bisher allerdings, welcher Zeitpunkt daf&uuml;r am g&uuml;nstigsten ist.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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