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Deskbike, Schreibtischlaufband & Co

Wie man im Bürojob in Bewegung bleibt

Ein Grossteil der Menschen sitzt täglich zu lange am Schreibtisch. Mit Veloschreibtisch, Laufband, Sitzball und anderen aktiven Arbeitsgeräten scheint man gesünder zu arbeiten, doch die Arbeitsleistung könnte leiden. Was man Vielsitzern raten kann, um das ungesunde Dauersitzen zu vermeiden.

Sitzen ist das neue Rauchen – so schrieben einschlägige Medien vor einigen Jahren. Hintergrund waren diverse Studien aus den vergangenen 20 Jahren, die gezeigt hatten, wie schädlich Sitzen für die Gesundheit ist. Wer viel sitzt, erhöht demnach sein Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Diabetes und vorzeitige Mortalität. Selbst regelmässiger Sport kann das erhöhte Risiko nicht ganz kompensieren.1

Menschen sitzen jeden Tag zu lange und das Problem wird immer gravierender, wie Forscher von der Universität in Madrid mit Daten aus Ländern der Europäischen Union zeigten.2 Der Anteil der Personen, die täglich mehr als 4,5 Stunden sitzen – das wird als kritische Schwelle für ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko betrachtet –, stieg demnach von 2002 bis 2017 in fast allen europäischen Ländern an.

Für die Schweiz wurden als Nicht-EU-Land keine Daten aufgeführt. Es gibt aber Daten von der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, die aktuellsten stammen aus dem Jahr 2017. Demnach sitzt jeder siebte Mensch (14,7%) in der Schweiz an den Wochentagen 10 Stunden und mehr. Zu diesen «Vielsitzern» gehören mehr Männer (17,8%) als Frauen (11,5%), und am meisten sitzen junge Leute (Abb.1). Immerhin ist der Anteil der Personen, die die Empfehlungen zu körperlicher Bewegung erfüllen, zwischen 2002 und 2017 gestiegen, nämlich von 62% auf 72%.3

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Abb. 1: Im Mittel sitzen die Schweizer*innen pro Tag 5,6 Stunden, wobei es erhebliche Unterschiede nach Alter und Erwerbstätigkeit gibt (Quelle: Bundesamt für Statistik [BFS]: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2017)3

Welchen Einfluss die Pandemie auf Sport und Bewegung hat, werden die Ergebnisse der Gesundheitsbefragung von 2022 zeigen. Er fürchte, durch das weitverbreitete Homeoffice sässen die Menschen heute noch mehr als früher, sagt Prof. Dr. med. Thomas Felix Lüscher, Director of Research, Education & Development am Royal Brompton & Harefield Hospital Trust und Imperial College in London. Das ständige Sitzen zu unterbrechen kann sich auszahlen: Menschen, die weniger sitzen, hatten in Studien bessere Stoffwechselwerte als die Dauersitzer, was auf ein verringertes gesundheitliches Risiko hinweist.4

«Früher dachten wir, das ständige Sitzen ist nur für den Rücken schlecht», sagt PD Dr. phil. Pavel Dietz, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. «Als dann die Studien über die weiteren Nachteile des ständigen Sitzens rauskamen, wurde in arbeitsmedizinischen Fortbildungen immer mehr darauf hingewiesen, dass es nicht nur für den Rücken wichtig ist, das Sitzen zu unterbrechen, sondern auch, um chronische Krankheiten zu vermeiden.»

Als Mediziner in Klinik oder Praxis läuft man ja meist den ganzen Tag hin und her, steht auf, setzt sich hin, beugt sich über den Patienten und ist so ständig in Bewegung. Nicht aber als Büroarbeiter, und es schadet nichts, seine Patienten immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, während des Arbeitens in Bewegung zu bleiben.

Ein Fahrradergometer ohne Lenker

Manche schwören auf die dicken grünen Sitzbälle, andere kippeln lieber auf dem Swopper-Hocker oder schaukeln auf einem Kniehocker – all das ist gut, um «dynamisch» zu sitzen. Manche kaufen oder basteln sich Steh-Sitz-Schreibtische, quasi ein Tisch auf einem Tisch, einen zum Arbeiten im Sitzen und einen zum Arbeiten im Stehen. Ein relativ neuer Trend sind Tischvelos oder Schreibtischlaufbänder. Die Velos – auch Deskbike genannt – sehen aus wie Fahrradergometer ohne Lenker. Es gibt Versionen mit und ohne integrierte Arbeitsplatte. Auch Laufbänder gibt es schon ohne den üblichen Vorbau mit Haltegriffen und Display oder sogar als Kombination mit einem Schreibtisch. Man geht ungefähr mit einer Geschwindigkeit zwischen 1,6 und 2,5 Kilometern pro Stunde, manchmal auch bis 3,2 km/h – das entspricht ziemlich langsamem bis normal schnellem Gehen.

Die aktiven Arbeitsplätze sind nicht billig: Einen guten Steh-Sitz-Schreibtisch gibt es ab 100 Franken, für Schreibtischvelos muss man einige hundert und für ein stabiles Laufband mehr als 1000 Franken investieren. Was soll man seinen Patienten sagen, wenn sie fragen, ob sich eine solche Ausgabe lohnt? Natürlich seien solche Geräte keine Garantie, dass man nicht krank werde, sagt Prof. Dr. PH Jens Bucksch, Professor für Prävention und Gesundheitsförderung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. «Aber sie können ein Mosaikstein sein zu einem gesünderen Leben.»

Fit, aber unkonzentriert?

Es gibt einige Studien, die die gesundheitlichen Effekte solcher aktiven Arbeitsplätze untersucht haben.5,6 Radeln am Schreibtischvelo oder Gehen auf dem Laufband erhöhte den Energieumsatz der Probanden, senkte ihren Blutdruck und verbesserte die Blutzuckerwerte – all das können Hinweise darauf sein, dass die Betroffenen fitter werden und ihr Risiko für chronische Krankheiten sinkt. Übergewichtige nahmen ab und ihre Cholesterinwerte bewegten sich in den gesunden Bereich. Personen mit chronischen Rückenschmerzen hatten weniger Beschwerden, wenn sie an einem Steh-Sitz-Schreibtisch arbeiteten.7

Das Erinnerungsvermögen kann sich mit Laufband und Fahrrad bessern, manche arbeiteten aufmerksamer und ihnen war nicht so langweilig. Allerdings kann sich das «unstete Arbeiten» auf die Leistung im Job auswirken. In einer Analyse von 18 Studien mit insgesamt 722 Teilnehmern tippten die Probanden am Schreibtisch-Fahrrad und am Laufband langsamer und machten mehr Fehler.8 Dies scheint aber nicht daran zu liegen, dass es für das Gehirn kompliziert ist, gleichzeitig eine grobe und eine feine Bewegung auszuführen. In standardisierten Hirnfunktionstests schnitten die Teilnehmer nämlich genauso gut ab wie solche, die im Sitzen arbeiteten. Möglicherweise habe es damit zu tun, diskutieren die Autoren, dass die Personen die Geräte und das gleichzeitige Sich-Bewegen und Arbeiten nicht gewohnt waren. Mit Übung kann es aber gelingen, zwei gleichzeitig durchgeführte, voneinander unabhängige Bewegungen zu verbesssern.9–11 «Schnelligkeit und Genauigkeit beim Tippen könnten sich also mit zunehmender Benutzung der Geräte wieder bessern», spekuliert Bucksch. Er fände es gut, wenn mehr Firmen aktive Arbeitsplätze anbieten würden. «Aber es darf sich niemand gezwungen fühlen, das dann auch zu nutzen.»

Bucksch warnt auch davor, die Studien überzuinterpretieren: «Es gibt diverse Faktoren, die die Ergebnisse verzerren könnten.» So ist zum Beispiel nicht auszuschliessen, dass jemand, der an einer solchen Studie teilnahm, sich neuerdings auch sonst gesundheitsbewusster verhielt und mehr Sport trieb und sich deshalb Blutdruck und Zuckerstoffwechsel verbesserten. Und vielleicht machten manche Probanden mehr Fehler, weil sie zufällig gerade müder waren als sonst. Das würde erklären, warum es immer wieder Studien gibt, die keinen Einfluss auf Blutdruck oder Stoffwechsel zeigten oder bei denen sich das radelnde oder gehende Arbeiten nicht negativ auf die Arbeitsleistung auswirkte. Abgesehen davon gibt es insgesamt noch nicht so viele Studien zum Nutzen der aktiven Arbeitsplätze, und meist wurden relativ wenige Teilnehmehr eingeschlossen. Auch wurden die Geräte mitunter nur unter Laborbedingungen getestet und nicht im «wirklichen» Leben. Um sicher sagen zu können, welchen Effekt die Geräte haben, müsste man Tausende von Teilnehmern in grossen Studien und in der realen Bürowelt über einen längeren Zeitraum untersuchen, meint Bucksch.

Muskelschmerzen und Überlastungsreaktionen

Ungeklärt ist auch noch, wie sicher die Geräte sind. In der Fachliteratur finden sich keine Berichte über schwere Unfälle oder Verletzungen, nur von Muskelschmerzen ist in manchen Studien die Rede. «Ich könnte mir vorstellen, dass man falsch tritt oder umknickt, weil man sich zu sehr auf den Computer konzentriert», sagt Dr. med. Yannic Bangert, Leiter des Bereichs Sportorthopädie und Sporttraumatologie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg. Es könne auch zu Überlastungsreaktionen kommen, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch radle oder gehe. Am ehesten seien dann Sehnenreizungen, etwa der Achillessehne, oder Rückenschmerzen durch Fehlbelastung oder Fehlhaltung die Folge. «Im Extremfall kann man sich natürlich auch ein Fraktur oder einen Bänderriss zuziehen, wenn man von Rad oder Laufband stürzt», sagt Bangert. «Aber das halte ich für äusserst unwahrscheinlich.» Trotzdem solle man seinen Patienten ein paar Tipps geben, wie sie Unfälle vermeiden können:

  • Die Geschwindigkeit von Velo oder Laufband nicht zu hoch einstellen.

  • Nicht dauerhaft auf dem Rad oder Laufband unterwegs sein; das hilft, Überlastung zu vermeiden.

  • Gut sitzende Turnschuhe tragen, um Fussverletzungen vorzubeugen.

  • Ein drahtloses Headset verwenden, um Stolpern über Kabel zu vermeiden.

  • Genügend Platz um das Laufband lassen und es nur betreten, wenn es still steht.

Einige Länder haben in ihren Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung inzwischen das Sitzen thematisiert und wie wichtig es ist, das ständige Sitzen zu vermeiden. «Schreibtischvelo und Laufband können hier sehr hilfreich sein», sagt Sportwissenschafter Pavel Dietz. «Als Arbeitgeber und auch als Privatmensch würde ich aber kritisch überlegen, ob sich die Investition lohnt.» Die Motivation mag am Anfang gross sein, aber will man wirklich jahrelang vor dem Computer radeln oder gehen? Oder steht nachher das teure Gerät in der Ecke und verstaubt?

«Viel wichtiger, als aktive Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, wäre es, wenn Arbeitgeber diverse Anreize anbieten, damit die Beschäftigten das Sitzen gerne unterbrechen», sagt Dietz. «Alles ist gut, was Lust macht, ab und zu mal aufzustehen.» Das könnte zum Beispiel eine gute Espressomaschine sein, die die Mitarbeiter einlädt, sich ab und zu einen Kaffee zu holen. Oder Teamtreffen im Besprechungsraum im anderen Gebäude anzusetzen, zu dem alle erst ein paar Minuten hingehen müssen. Oder kurze Pausen für gemeinsame Gymnastik anzusetzen.

Das seien alles gute Tipps, sagt Kardiologe Lüscher, man dürfe aber die anderen Risikofaktoren nicht ausser Acht lassen. «Wenn man nach der Arbeit raucht, keinen Sport macht und übergewichtig ist, bringen Stehtisch, Deskbike oder Laufband wenig.»

Kommentar

Bewegung ist natürlich immer gut, auch im Büroalltag – das können wir jedem Patienten sagen. Ob er aber am Schreibtisch radeln oder auf einem Band gehen soll, ist schwierig zu beurteilen. Vielleicht ist es genauso effektiv für die Gesundheit, wenn man alle 20 Minuten aufsteht und sich bewegt. Wichtig ist sicherlich, dass man nicht 8,5 Stunden einfach nur sitzt. Wenn man den Studien zu Deskbike und Schreibtischlaufband Glauben schenken darf, machen die Studienteilnehmer mehr Fehler und arbeiten weniger effizient.

Das ist verlorene Arbeitszeit und muss natürlich im Alltag aufgeholt werden. Ich würde diese Zeit lieber dazu nutzen, um am Abend fokussiert Sport zu machen. Das halte ich für sinnvoller, als abgelenkt auf einem Laufband zu gehen oder zu radeln. Das Training auf diesen Geräten gibt einen funktionellen Reiz, um die Durchblutung anzuregen, die Grundspannung der Muskulatur zu erhöhen, ist förderlich für die Ernährung der Gelenkknorpel und regt das Herz-Kreislauf-System etwas an. Die Ausdauer und die Kraft werden durch diese Geräte jedoch nicht gesteigert.

Ich würde kein Laufband oder Deskbike verwenden, da ich mich nicht auf Arbeiten und Gehen oder Laufen konzentrieren kann. Ein Stehpult finde ich persönlich eine gute Sache, da man zumindest die Position verändern kann. Auch ein höhenverstellbarer Tisch hat für mich absolut Sinn. Er kann besser an Körpergrösse und Sitzposition angepasst werden und verbessert somit die Ergonomie allgemein. Ausserdem kann man die Position zwischendurch schnell und einfach wechseln.

Wenn einer unserer Patienten mich fragen würde, würde ich ihm nicht von Laufband oder Schreibtisch-Velo abraten. Aber ich würde ihn warnen, dass die Geräte auch Risiken haben. Bei einem Schreibtischlaufband sehe ich beispielsweise die Gefahr, dass bei der Arbeit vor lauter Konzentration das «Gehen» vergessen wird und man rückwärts vom Laufband befördert wird. Bei einem Deskbike sehe ich die Gefahr eher in der Sitzposition. Dadurch, dass die Beine auf dem Bike vom Boden entfernt sind und man sich in einer sitzenden Position befindet, kommt man automatisch in eine stärkere Flexionsposition der Wirbelsäule. Sprich: Die Wirbelsäule wird noch mehr gekrümmt und man kommt in eine schlechtere Sitzposition. Mein Fazit: Wie man am besten zur Bewegung kommt, muss jeder individuell entscheiden.

Kommentar von:
Roger Wendelspiess
Sportphysiotherapeut und Bereichsleiter Therapien & Training, Schulthess Klinik Zürich

1 Ekelund U et al.: Does physical activity attenuate, or even eliminate, the detrimental association of sitting time with mortality? A harmonised meta-analysis of data from more than 1 million men and women. Lancet 2016; 388(10051): 1302-10 2 López-Valenciano A et al.: Changes in sedentary behaviour in European Union adults between 2002 and 2017. BMC Public Health 2020; 20(1): 1206 3 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/determinanten/koerperliche-aktivitaet.assetdetail.9546738.html 4 Healy GN et al.: Replacing sitting time with standing or stepping: associations with cardio-metabolic risk biomarkers. Eur Heart J 2015; 36(39): 2643-9 5 Straker L: Evidence to design ‚just right‘ work using active workstations is currently limited. Occup Environ Med 2019; 76(5): 279-80 6 Torbeyns T et al.: Active workstations to fight sedentary behaviour. Sports Med 2014; 44(9): 1261-73 7 Ognibene GT et al.: Impact of a sit-stand workstation on chronic low back pain: results of a randomized trial. J Occup Environ Med 2016; 58(3): 287-93 8 Podrekar N et al.: The effects of cycle and treadmill desks on work performance and cognitive function in sedentary workers: a review and meta-analysis. Work 2020; 65(3): 537-45 9 Pashler H et al.: attention and performance. Annu Rev Psychol 2001; 52: 629-51 10 Schumacher EH et al.: Virtually perfect time sharing in dual-task performance: uncorking the central cognitive bottleneck. Psychol Sci 2001; 12(2): 101-8 11 Ruffieux J et al.: Changes in standing and walking performance under dual-task conditions across the lifespan. Sports Med 2015; 45(12): 1739-58

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