
Review: Bedeutung patient:innenorientierter Therapieziele bei ALS
Bericht:
Mag. Nicole Bachler
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In einem Review von Chio et al. wurden der Stellenwert effizienter Endpunkte für die Forschung an amyotropher Lateralsklerose (ALS) sowie die Einbindung von Patient:innen diskutiert.
Trotz mehr als 100 randomisierter kontrollierter Studien (RCT) in den letzten 20 Jahren konnte bisher kein therapeutischer Ansatz zum Anhalten der Progression von amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder zu ihrer dauerhaften Verlangsamung gefunden werden.1,2
Im vorliegenden Review3 wurden die häufigsten RCT-Endpunkte und ihre Evidenz untersucht. Diskutiert werden ebenso die Sicht der Patient:innen auf das Studiendesign und die Therapieziele aus Patient:innensicht.
Um welchen Nutzen und welches Überleben geht es bei ALS?
Der minimale klinisch bedeutsame Unterschied (MCID) ist die kleinste durch den Arzt als lohnenswert bewertete Verbesserung, während sich der minimale bedeutsame Unterschied (MID) auf die Patient:innenperspektive bezieht. MCID und MID werden im Folgenden skizziert.
Obwohl die meisten Phase-II- und -III-Studien das Überleben als primären oder sekundären Endpunkt bewerten, wird immer noch diskutiert, welcher Grad des Überlebens für ALS-Patient:innen klinisch relevant ist: Ist ein verlängertes Überleben als solches bereits als klinischer Erfolg zu werten oder wäre eher ein verlängertes Überleben mit besserer Lebensqualität anzustreben?
Welche Skaleneinteilung sollte bei ALS verwendet werden?
Zahlreiche RCT-Studien nutzen die Progression der überarbeiteten ALS Functional Rating Scale (ALSFRS-R) als primären oder sekundären Endpunkt. ALSFRS-R ist eine multidimensionale Skala, die die motorische Funktion und Atemfunktion evaluiert und mit dem Überleben korreliert.
Trotz der positiven Eigenschaften gibt es signifikante Einschränkungen in der ALSFRS-R, die durch Fluktuation der individuellen Symptome, begleitende Medikationen oder Komorbiditäten beeinflusst wird. Daher wäre unter Berücksichtigung der Heterogenität der Erkrankung und der Vielzahl an ALS-Phänotypen eine Definition von ALSFRS-R in Kombination mit MCID/MID sinnvoll. Als eine gute und verlässliche Alternative zur ALSFRS-R hat sich die Rasch-Built Overall Amyotrophic Lateral Sclerosis Disability Scale (ROADS) hervorgetan. Im Vergleich zur ALSFRS-R unterscheidet sie sowohl zwischen den Ebenen der Gesamteinschränkung besser als auch zwischen den Ebenen sehr ausgeprägter oder sehr geringer Einschränkung.
Verschiedene Stadieneinteilungen
Derzeit werden bei ALS hauptsächlich zwei Stadieneinteilungssysteme eingesetzt. Das King’s Clinical Staging System hat eine höhere Präzision in frühen bis mittleren Stadien der Erkrankung, während das Milano Torino Staging System die fortgeschritteneren Stadien besser darstellt, wenn bereits funktionelle Einschränkungen manifestiert sind. Obwohl der Endpunkt verständlich ist, berücksichtigt keines der beiden Systeme Einschränkungen der Kognition und im Verhalten und spiegelt damit nicht das volle Bild der Erkrankung wider.
Biomarker und diagnostische Methoden bei ALS
Im neurodegenerativen Prozess der ALS scheinen Neurofilamente (NF) gute prognostische Biomarker darzustellen. Eines der in der ALS-Pathologie besonders vielversprechenden Dipeptidproteine dürfte das Glycin-Prolin-Protein (poly-GP) sein, das auch als pharmakodynamischer Marker bei bestimmten Therapien eingesetzt werden kann. Als starker diagnostischer Biomarker hat sich die Elektroenzephalografie (EEG) qualifiziert, da diese Methode Subtypen der ALS-Phänotypen differenzieren kann. Positronenemissionstomografie (PET) eignet sich bei ALS als Methode für die Beschreibung von Mustern des Hyper- und Hypometabolismus in bestimmten Regionen des Gehirns. Aktuelle Evidenz zeigt, dass der Schlüssel zu einem effektiven diagnostischen Neuroimaging-Biomarker bei ALS der simultane Einsatz von PET und MRI ist.
Patient:innenorietierung
Bei der Auswahl der Therapie ist es wesentlich, die Präferenzen und Prioritäten der Patient:innen einzubeziehen, damit die Therapielast minimiert und Nachteile durch eine potenzielle Überbehandlung limitiert werden. In der ALS-Population haben Faktoren wie Verlängerung des Lebens, das Überleben, bis Funktionen wie die verbale Kommunikation verloren gehen, und unterstützende Pflege Priorität. Für viele Patient:innen stellt der Einfluss einer neuen Therapie auf die Lebensqualität einen wichtigen Faktor dar. Auch gilt es, Faktoren wie realistische Erwartungen an Therapie, Kosten, Therapiezufriedenheit sowie den Einfluss auf die Lebensqualität abzuwägen. Auch der jeweilige Phänotyp und Verlauf der Erkrankung können die Wahl der Therapie beeinflussen. Die grössten Hoffnungen von ALS-Patient:innen an zukünftige Therapien richten den Fokus auf die Atemfunktion, den Stopp der Progression und den Erhalt der Sprechfähigkeit.
Conclusio
Die wissenschaftliche ALS-Gemeinschaft ist bemüht, effizientere Endpunkte zu identifizieren, um die Aussagekraft der klinischen Studien zu erhöhen und wirksame Therapien zu erforschen. Abgesehen von diesen wichtigen Bemühungen gilt es, die Notwendigkeit von wissenschaftlich fundierten Studien zu unterstreichen sowie auch die Erwartungen der Patient:innen im Sinne einer Reduktion der Belastung, der Dauer und des Placebogebrauchs im Studiendesignzu berücksichtigen.
Literatur:
1 Petrov D et al.: ALS clinical trials review: 20 years of failure. Are we any closer to registering a new treatment? Front Aging Neurosci 2017; 9:68 2 Chiò A et al.: Disease-modifying therapies in amyotrophic lateral sclerosis. Neuropharmacology 2020; 167: 107986 3 Chio A et al.: Minimum clinically important difference for drug effectiveness in an area of patient-oriented therapeutic goals in amyotrophic lateral sclerosis. Amyotroph Lateral Scler Frontotemporal Degener 2025; 11: 1-10
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