
Langzeitfolgen der Erkrankung, Prävention und Behandlung
Autorinnen:
Dr.med. Eva Hägler-Laube1
Dr.med. Rachel Pesce2
Dr.med. Katharina Gut-Fischer2
Prof. Dr.med. Cornelia Leo3
Prof. Dr.med. Maria Wertli2
1Abteilung für Kardiologie
2Departement Medizin
3Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Kantonsspital Baden
Korrespondierende Autorin:
Dr.med. Eva Hägler-Laube
Abteilung für Kardiologie
Kantonsspital Baden
E-Mail: eva.haegler-laube@ksb.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Dank neuer Therapieoptionen bei Brustkrebs verbessert sich die Fünfjahresüberlebensrate stetig, sie lag 2021 in der Schweiz bei rund 88%. Der Begriff «Cancer Survivor» wird für Patienten ab der Diagnose einer Krebserkrankung bis zu ihrem Lebensende verwendet.1 Die Langzeitnachsorge beginnt rund fünf Jahre nach Therapieabschluss. Obwohl zu diesem Zeitpunkt häufig von einer Heilung ausgegangen werden kann, sind Betroffene mit vielfältigen Folgen und Veränderungen konfrontiert, welche die Lebensqualität direkt oder indirekt beeinflussen. Es ist daher wichtig, früh präventive Massnahmen zu ergreifen und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, um die Prognose zu verbessern und das Gesamtüberleben zu verlängern.
Gemäss schweizerischem Krebsregister erkrankten im Jahr 2021 schätzungsweise 6876 Frauen neu an Brustkrebs.2 Dank verbesserter Therapieoptionen lag die Fünfjahresüberlebensrate bei rund 88% und die Zehnjahresüberlebensrate bei 80%. Gemäss einer Schätzung des BAG wurde zwischen 2011 und 2021 bei 50660 Patientinnen eine Brustkrebsdiagnose gestellt. Je nach zugrunde liegender Tumorbiologie unterscheiden sich die Therapien bei Brustkrebs. Wichtige therapierelevante Eigenschaften und mögliche Langzeitfolgen sind in Tabelle 1 dargestellt.3
Werden Patientinnen während der aktiven Therapie engmaschig begleitet, wird die Nachsorge häufig an niedergelassene Gynäkolog:innen und Hausärzt:innen übergeben. Studien haben gezeigt, dass Grundversorger oftmals die möglichen Spätfolgen einer Tumorerkrankung nicht kennen und diese daher nicht in die Nachsorge einfliessen.4 Zudem ist der Zeitdruck in einer Hausarztpraxis gross und Kosten (hoher Selbstbehalt) können dazu führen, dass keine Nachsorgen stattfinden. Des Weiteren wird bei der Übergabe in die Grundversorgung häufig kein Nachsorgeplan erstellt, sodass unklar ist, welche Untersuchungen von Bedeutung sind. Es ist daher wichtig, früh zu erfassen, mit welchen Spätkomplikationen gerechnet werden muss. Mögliche Langzeitfolgen beinhalten kardiovaskuläre, endokrine, neuropathische und psychische Probleme sowie ein Risiko für Tumorrezidive wie auch Zweittumoren. Tabelle 2 gibt einen Überblick über mögliche Langzeitfolgen.
Kardiovaskuläre Folgeerkrankungen
Cancer Survivors haben ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und erkranken früher als vergleichbare Personen ohne Krebserkrankung.5 Die Ursachen dafür sind divers und reichen von gemeinsamen pathophysiologischen Triggern (wie z.B. Inflammation) über direkte Einwirkung der Tumorerkrankung selbst bis zu Nebenwirkungen der onkologischen Therapien. So können z.B. Anthrazykline, je nach Risikoprofil und Dosierung, auch viele Jahre nach der Behandlung noch zu symptomatischer Herzinsuffizienz führen. Das Risiko steigt zusätzlich beim Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren sowie vorgängig manifester kardiovaskulärer Erkrankung. Die Risikostratifizierung und Empfehlungen zur Nachsorge von erwachsenen Cancer Survivors erfolgen gemäss den ESC-Guidelines für Kardioonkologie.6
Folgen einer Bestrahlung von sensiblen Strukturen des Herzens, wie z.B. Herzklappen oder Herzkranzgefässen, sind eine vorzeitige atherosklerotische Veränderung der Herzkranzgefässe sowie die Degeneration der Herzklappen. Das Risiko ist abhängig von der Strahlendosis. Neue Techniken, wie z.B. «breathhold and deep inspiration» reduzieren dieses Risiko bereits, können es aber nicht ganz eliminieren.
Weitere Erkrankungen
Die Einnahme von Aromatase-Inhibitoren kann zu vorzeitiger Osteoporose und erhöhtem Frakturrisiko führen. Weitere Folgeprobleme, die die Lebensqualität beinträchtigen, sind z.B. Polyneuropathie, verminderte Libido sowie vaginale Trockenheit. Langzeitstudien bei v.a. in jungen Jahren an Krebs erkrankten Patientinnen zeigten eine deutlich verminderte körperliche Aktivität und ein erhöhtes Risiko für Adipositas, Diabetes, arterielle Hypertonie sowie Dyslipidämie auf.7,8 Bei Brustkrebspatientinnen wird dies gerade durch die endokrine Therapie (v.a. Aromatase-Inhibitoren), welche häufig über Jahre eingenommen werden muss, noch verstärkt.9
Psychische und soziale Folgen
Cancer Survivors leiden vermehrt an Depressionen, Angststörungen und an der Angst, an einem Rezidiv oder Zweittumor zu erkranken. Damit assoziiert kann es zu einem gesteigerten Substanzabusus kommen. Soziale Stresssituationen oder Spannungen können auch nach der Therapie anhalten oder sogar erst dann relevant werden. Viele Cancer Survivors klagen über Ermüdbarkeit (Fatigue) und verminderte Leistungsfähigkeit oder kognitive Dysfunktionen. Diese werden oft erst manifest, wenn nach der Heilung wieder eine volle Leistungsfähigkeit gefordert wird. Verschiedene Faktoren beeinflussen zudem die Lebensqualität (bspw. verändertes Selbstbild, Hautveränderungen, Ödembildung, chronische Schmerzen).
Empfehlungen
Neben dem regelmässigen Screening auf Langzeitfolgen und Erkrankungen sollte in der Nachsorge der Prävention ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Tabelle 3 fasst Empfehlungen für die Nachsorge von Patientinnen nach einer Brustkrebsbehandlung zusammen. Inaktivität, Adipositas, Diabetes, arterielle Hypertonie und Dyslipidämie sollten konsequent erkannt und behandelt werden, da gezeigt wurde, dass damit eine Reduktion der Zahl an kardiovaskulären Ereignisse erreicht werden konnte. Bereits die regelmässige körperliche Aktivität (Kombination aus Ausdauertraining und Krafttraining, 30–45 Minuten, 2 bis 4x/Woche) führte zu einer deutlichen Reduktion der Gesamtmortalität. Wird die körperliche Aktivität noch mit einer mediterranen Diät kombiniert, könnte die Gesamtmortalität um 22–40% gesenkt werden.10
Das Risiko für eine Fatigue kann bereits während, aber auch nach der Behandlung durch körperliche Aktivität (schon in niedrig bis moderater Intensität von 20 Minuten/Tag, 3x/Woche) sowie Achtsamkeitseinheiten (z.B. Yoga) reduziert werden.
Die Nachsorge bei Cancer Survivors sollte regelmässig erfolgen und die Bedürfnisse der betroffenen Personen erfassen. Es besteht ein grosses ungenutztes Potential, um die Prognose und die Lebensqualität betroffener Frauen zu verbessern.
Literatur:
1 Denlinger CS et al.: NCCN Guidelines Insights: Survivorship, Version 2.2020. J Natl Compr Canc Netw 2020; 18(8): 1016-23 2 Bundesamt für Statistik: Schweizerischer Krebsbericht 2021 - Stand und Entwicklungen. verfügbar unter https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankheiten/krebs.assetdetail.19305696.html (zuletzt aufgerufen am 10.4.2024) 3 European Society for Medical Oncology (ESMO): ESMO Clinical Practice Guidelines: Breast Cancer. ESMO 2020; verfügbar unter https://www.esmo.org/guidelines/guidelines-by-topic/breast-cancer (zuletzt aufgerufen am 6.2.2024) 4 Michel G et al.: Physicians’ experience with follow-up care of childhood cancer survivors - challenges and needs. Swiss Med Wkly 2017; 147: w14457 5 Florido R et al.: Cardiovascular disease risk among cancer survivors: the atherosclerosis risk in communities (ARIC) study. J Am Coll Cardiol 2022; 80(1): 22-32 6 Lyon AR et al.: 2022 ESC Guidelines on cardio-oncology developed in collaboration with the European Hematology Association (EHA), the European Society for Therapeutic Radiology and Oncology (ESTRO) and the International Cardio-Oncology Society (IC-OS). Eur Heart J 2022; 43(41): 4229-361 7 Glenn BA et al.: Obesity, physical activity, and dietary behaviors in an ethnically-diverse sample of cancer survivors with early onset disease. J Psychosoc Oncol 2018; 36(4): 418-36 8 Armenian SH et al.: Cardiovascular disease among survivors of adult-onset cancer: a community-based retrospective cohort study. J Clin Oncol 2016; 34(10): 1122-30 9 Okwuosa TM et al.: Impact of hormonal therapies for treatment of hormone-dependent cancers (breast and prostate) on the cardiovascular system: effects and modifications: A scientific statement from the American Heart Association. Circ Genom Precis Med 2021; 14(3): e000082 10 Chen G et al.: The role of the mediterranean diet in breast cancer survivorship: a systematic review and meta-analysis of observational studies and randomised controlled trials. Nutrients 2023; 15(9): 2099 11 Bergom C et al.: Past, present, and future of radiation-induced cardiotoxicity: refinements in targeting, surveillance, and risk stratification. JACC CardioOncol 2021; 3(3): 343-59 12 Ganz PA et al.: Long-term follow-up of cardiac function and quality of life for patients in NSABP protocol B-31/NRG oncology: a randomized trial comparing the safety and efficacy of doxorubicin and cyclophosphamide (AC) followed by paclitaxel with AC followed by paclitaxel and trastuzumab in patients with node-positive breast cancer with tumors overexpressing human epidermal growth factor receptor 2. J Clin Oncol 2017; 35(35): 3942-8 13 Khoury K et al.: Long-term follow-up assessment of cardiac safety in SAFE-HEaRt, a clinical trial evaluating the use of HER2-targeted therapies in patients with breast cancer and compromised heart function. Breast Cancer Res Treat 2021; 185(3): 863-8 14 Kenyon M et al.: Late and long-term effects of breast cancer treatment and surveillance management for the general practitioner. J Obstet Gynecol Neonatal Nurs 2014; 43(3): 382-98 15 Rock CL et al.: American Cancer Society nutrition and physical activity guideline for cancer survivors. CA Cancer J Clin 2022; 72(3): 230-62 16 Krist AH et al.: Behavioral counseling interventions to promote a healthy diet and physical activity for cardiovascular disease prevention in adults with cardiovascular risk factors: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA 2020; 423(20): 2069-75 17 Davidson KW et al.: Screening for prediabetes and type 2 diabetes: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA 2021; 326(8): 736-43 18 Woopen H et al.: GCIG-Consensus guideline for Long-term survivorship in gynecologic Cancer: A position paper from the gynecologic cancer Intergroup (GCIG) symptom benefit committee. Cancer Treat Rev 2022; 107: 102396 19 Perperidi M et al.: Identifying the effective behaviour change techniques in nutrition and physical activity interventions for the treatment of overweight/obesity in post-treatment breast cancer survivors: a systematic review. Cancer Causes Control 2023; 34(8): 683-703
Das könnte Sie auch interessieren:
Standard oder ein verzichtbarer Mehraufwand?
Die durchschnittliche Patientin mit einer zervikalen intraepithelialen Neoplasie (CIN) ist im reproduktiven Alter, im Mittel 30 Jahre alt und tendenziell werden die Patientinnenimmer jünger.1 Nahezu jede Exzisionsart an der Zervix uteri ist mit einer erhöhten perinatalen Morbidität behaftet. Die LLETZ («large loop excision of the transformation zone») und die LEEP («loop ...
Neues zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen
Ob in der Hausarztpraxis oder beim Spezialisten: Harnwegsinfektionen sind häufig. Gemäss dem Expertenbrief No.58 der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist die ...
Betroffenheit oder Gefährdung erkennen und Hilfe leisten
Die weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C) ist infolge der Migration aus praktizierenden Ländern auch in der Schweiz eine Realität. Insbesondere Gesundheitsfachpersonen kommen mit ...