
Risikoreduktion in der Stillzeit
Bericht: Dr. rer. nat. Doris Maugg
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Stillen bietet einen gesundheitlichen Vorteil für das Kind und stärkt die Mutter-Kind-Beziehung, jedoch stellt es bei Müttern mit Substanzkonsumstörung ein Risiko für das Kind dar. Dr. med. Francina Fonseca vom Hospital del Mar, Parc de Salut Mar, und von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, Spanien, erklärte auf dem EPA-Kongress, wie Mütter mit Substanzkonsumstörung unterstützt werden können, ohne stigmatisiert zu werden, und wie das Risiko für das Baby gesenkt werden kann.
Im Vergleich zu vergangenen Dekaden, in denen die Paradigmen der Stigmatisierung oder der Abstinenz im Vordergrund standen, liegt heute der Fokus auf der Aufklärung und der Unterstützung der Mütter, ohne diese zu stigmatisieren, erklärte Fonseca. Die WHO empfiehlt bei Müttern mit Substanzkonsumstörung eine Risikobewertung, in welche die Alkohol- oder Drogenexposition des Kindes durch die Muttermilch einbezogen sowie der HIV-Status und die Gewohnheiten des Substanzkonsums berücksichtigt werden.1
Im Fall von Alkohol- oder Drogenkonsum sollte das Stillen vermieden und eine sichere Substituierung, soweit möglich, gefunden werden. Dies setzt einen guten Zugang zu Informationen für die Betroffenen voraus, deren Babys möglicherweise neonatale Entzugssymptome zeigen. Die Qualität der Evidenz zu Substanzkonsum während der Schwangerschaft und des Stillens sei jedoch gering, betonte Fonseca. «Erstaunlicherweise hat die legale Droge Alkohol den stärksten Effekt auf das Ungeborene und ist aber am schlechtesten erforscht», sagte die Expertin.
Massnahmen zur Risikoreduktion
Dr. med. Fonseca fasste Empfehlungen zum Stillen unter Substanzkonsum und zur Risikoreduktion zusammen: «Ein erster Schritt zur Risikoreduktion ist ein guter und vertrauensvoller Kontakt zur Mutter.» Es gehe darum, den betroffenen Frauen einen sicheren Raum zu bieten. Urintests sollten zum Beispiel als Evaluierung der Situation verstanden werden und nicht als Kontrollmassnahme oder Bestrafung der Mutter. Wichtig sei auch das Umfeld der Mutter und des Kindes. So sollten weitere im Haushalt lebende Personen aufgeklärt und deren Konsum ebenfalls reduziert werden. Frauen mit Erhaltungstherapie kann das Stillen empfohlen werden.
Eine ausreichende Vorbereitung und Unterstützung von Mitarbeitenden des Gesundheitswesens, die sich um suchtkranke Mütter und ihre Kinder kümmern, sei ebenfalls essenziell, so die Psychiaterin. Das medizinische Personal fühle sich häufig verunsichert im Umgang mit Müttern, die Drogen konsumieren, da sich aus der Betreuung eine Verantwortung für die Gesundheit von Mutter und Kind ergebe und zudem das Risiko bestehe, dass der Mutter das Kind unter bestimmten Bedingungen entzogen werden müsse. Die Kommunikation mit den Müttern solle jedoch vorurteilsfrei und auf Augenhöhe erfolgen. Wichtig sei auch, «die Mütter an Entscheidungen teilhaben zu lassen».
Aktuelle Empfehlungen bei bestimmten Substanzen
In den 2023 überarbeiteten Empfehlungen der US-amerikanischen «Academy of Breastfeeding Medicine» (ABM) zum Stillen bei Substanzkonsum und Substanzkonsumstörung wird hervorgehoben, wie wichtig die Betreuung der Frauen in der peripartalen Periode ist.2 Das Protokoll enthält Empfehlungen zum Stillen bei nicht verschriebenem Opioid-, Stimulanzien-, Sedativa-, Hypnotika-, Alkohol-, Nikotin- und Cannabiskonsum.
Unter einer Erhaltungstherapie mit Methadon, Buprenorphin und dosisabhängig bei Naltrexon ist Stillen möglich, erklärte Fonseca die aktuellen Empfehlungen. Eine Nikotinersatztherapie (NRT) ist ebenfalls kompatibel mit dem Stillen. Bei anderen Substanzen, die substitutiv eingenommen werden, wie Bupropion oder Vareniclin, ist zum Teil Vorsicht geboten, da die Evidenz gering ist und daher der Grad der Empfehlung ebenfalls als gering angesehen wird.
Da es weiterhin an Informationen zu Risiken des Substanzkonsums mangle, arbeitet Fonseca mit dem katalanischen Gesundheitsdepartment aktuell an Richtlinien zum Stillen unter Substanzkonsum. Dazu wird ein Expertengremium befragt, welches sich aus Mitarbeitenden verschiedener Disziplinen des Gesundheitswesens zusammensetzt, unter anderem aus Geburtshilfe und Pädiatrie sowie Rechts- und Sozialwissenschaften. Ziel ist eine zusammenfassende Empfehlung für alle gängigen Substanzen.
Quelle:
32nd European Congress of Psychiatry, 6.–9. April 2024, Budapest, Ungarn
Literatur:
1 Harris M et al.: Breastfeed Med 2023; 18(10): 715-33 2 World Health Organization (WHO): Geneva 2014
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