
Fortschritte in der Behandlung von Hidradenitis suppurativa, Akne und Rosazea: ein Überblick
Autorin:
Dr. med. Karolina Reiprich
Dermatologische Poliklinik
Universitätsspital Basel
E-Mail: karolina.reiprich@usb.ch
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Dieser Artikel fasst die wesentlichen Inhalte eines Vortrags über aktuelle wissenschaftliche Fortschritte und therapeutische Ansätze bei Hidradenitis suppurativa, Akne und Rosazea zusammen. Diese drei Hauterkrankungen stellen sowohl für Patient:innen als auch für Ärzt:innen komplexe Herausforderungen dar.
Keypoints
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Differenzierte Phänotypisierung der Hidradenitis suppurativa: Es ist zu unterscheiden zwischen einer aktiven, entzündlichen Form (klassifiziert mittels IHS4) und einer vorwiegend nichtentzündlichen Form (Hurley-Stadien).
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Zur Therapieindikation und zum Therapiemonitoring bei HS-Patientinnen und -Patienten wird das IHS4 empfohlen.
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Epithelialisierte Tunnel stellen bei Hidradenitis suppurativa wesentliche Entzündungsfoci dar.
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Eine Kombination aus medikamentöser Therapie und operativen Eingriffen kann zu einer effektiveren Kontrolle des Krankheitsverlaufs und zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit HS beitragen.
Hidradenitis suppurativa
Hidradenitis suppurativa (HS), auch bekannt als Acne inversa, ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die durch schmerzhafte Knoten, Abszesse und epithelialisierte Fisteln gekennzeichnet ist. Die Erkrankung tritt überwiegend in apokrinen, drüsenreichen Körperregionen wie Achselhöhlen, Leisten und Anogenitalbereich in Erscheinung und beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Rezidive solcher Läsionen über einen Zeitraum von sechs Monaten mit mindestens zwei Läsionen an typischen Prädilektionsstellen verweisen mit einer diagnostischen Genauigkeit von 97% auf das Vorliegen von HS.1
Im Jahr 2024 wurden die neuen deutschen S2k-Leitlinien veröffentlicht, die wesentliche Fortschritte im Verständnis und in der Therapie der HS beinhalten.2
Zwei klinische Phänotypen
Die Leitlinien legen besonderen Wert auf die Einteilung in zwei klinische Phänotypen: die aktive (entzündliche) und die inaktive, vorwiegend nichtentzündliche Form. Diese beiden Phänotypen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und beeinflussen direkt die Wahl der Therapie.
Die aktive, entzündliche Form wird anhand des validierten International Hidradenitis Suppurativa Severity Score System (IHS4) beurteilt, das in den Leitlinien besonders empfohlen wird. Es basiert auf der Zählung spezifischer Hautveränderungen (Tab. 1) und bietet eine objektive Grundlage für medikamentöse Therapieentscheidungen und das Monitoring.1
Tab. 1: Klassifizierung der entzündlichen Form von Hidradenitis suppurativa mittels des International Hidradenitis Suppurativa Severity Score System (IHS4)
Die vorwiegend nichtentzündliche Form wird durch die Hurley-Stadien klassifiziert, die das Ausmass der Strukturveränderungen berücksichtigen. Die Hurley-Stadien eignen sich nicht für das Monitoring des Krankheitsverlaufs, sondern primär zur initialen Einteilung und zur Planung chirurgischer Massnahmen, die ab Hurley-Stadium II empfohlen werden.1
Diese differenzierte Beurteilung der HS trägt dazu bei, individuell angepasste Therapiepläne zu erstellen. Die neuen Leitlinien betonen die Bedeutung einer Integration von medikamentösen und chirurgischen Ansätzen. Die Kombination von Biologika mit operativen Eingriffen kann nicht nur zu einer effektiveren Reduktion des IHS4, sondern auch zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität führen, wie die Studie mit Adalimumab gezeigt hat.3
Neuigkeiten in der Pathogenese
Hidradenitis suppurativa ist eine Erkrankung mit einer komplexen Pathogenese. Der Prozess beginnt mit einer Follikelverstopfung durch Hyperkeratose, gefolgt von bakterieller Dysbiose und einer lokalen Immunreaktion, die zu einer Infiltration von Neutrophilen und Makrophagen führt. Im weiteren Verlauf entwickeln sich epithelialisierte Tunnel, die als aktive Entzündungsherde gelten und durch die Produktion von Zytokinen wie IL-17A, IL-17F und TNFα zur Chronifizierung der Erkrankung beitragen.4,5
Therapieoptionen
Aktuelle Empfehlungen in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung wurden in Form einer Grafik (Abb. 1) dargestellt.
Abb. 1: Algorithmus der Therapie der HS/AI. Therapie der aktiven (entzündlichen) HS/AI, Therapie der inaktiven (nichtentzündlichen) HS/AI
Die Behandlungslandschaft entwickelt sich dynamisch. Neben bewährten Therapien wie Adalimumab und Secukinumab rückt in diesem Jahr Bimekizumab in den Fokus. Dieser duale IL-17A/F-Inhibitor wurde 2024 in der Europäischen Union zur Behandlung der moderaten bis schweren HS zugelassen.6 Die Phase-III-Studien BE HEARD I und II sowie die offene Extensionsstudie BE HEARD EXT liefern umfassende Einblicke in die Wirksamkeit und Sicherheit von Bimekizumab. In diesen Studien zeigte das Medikament eine signifikante Reduktion beim IHS4 sowie bei der Anzahl drainierender Fisteln, wodurch es insbesondere für Patienten mit schwerer Krankheitsform eine vielversprechende Behandlungsoption darstellt.6
Es wird intensiv an neuen Therapieansätzen geforscht. Vielversprechende Ergebnisse liefern u.a. JAK-Inhibitoren wie Upadacitinib und Povorcitinib, die Ruxolitinib-Creme, der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Remibrutinib, IL-17A und der IL-17F-Nanobody Sonelokimab sowie der CXCR1/2-Antagonist Eltrekibart.7
Ein weiterer innovativer Ansatz sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Liraglutid und Semaglutid,8 die laut einer Metaanalyse von 25 Studien sowohl gewichtsreduzierende als auch antiinflammatorische Effekte durch Hemmung von TNFα, IL-17 und NF-κB zeigen. Insbesondere bei metabolischen Komorbiditäten könnten sie die HS-Therapie bereichern.
Komorbiditäten-Screening
Hidradenitis suppurativa ist mit einer Vielzahl von Komorbiditäten assoziiert, darunter Psoriasis, entzündliche Darmerkrankungen, Depressionen, Spondylarthritis und kardiovaskuläre Risiken. Ein systematisches Screening auf diese Begleiterkrankungen sollte bei der Erstvorstellung und regelmässig im Verlauf durchgeführt werden.2 Neben der medizinischen Untersuchung ist die Erhebung psychosozialer Aspekte, wie der Lebensqualität und der emotionalen Belastung, essenziell.2
Akne: bewährte und innovative Optionen
Akne betrifft weltweit Millionen von Menschen und reicht von milden Formen bis zu schweren, narbenbildenden Varianten. Die Einführung neuer Therapieansätze bietet Patienten Hoffnung auf bessere Behandlungsergebnisse.
Eine neue interessante Option, deren Zulassung auf dem europäischen Markt Mitte 2025 erwartet wird, ist Clascoteron 1%-Creme, der erste topische Androgenrezeptorhemmer. Clascoteron blockiert die Aktivierung von Androgenrezeptoren in den Talgdrüsen, was die Sebumproduktion und die Entzündung reduziert. Klinische Studien zeigten, dass Clascoteron bei moderater bis schwerer Akne bereits nach zwei Wochen sichtbare Verbesserungen bewirkt und dabei gut verträglich ist.9
Für erwachsene Frauen hat sich Spironolacton als effektive und gut verträgliche Alternative zu Antibiotika wie Doxycyclin etabliert. Die Studie FASCE zeigte, dass die Erfolgsraten mit Spironolacton nach sechs Monaten 2,87-mal höher waren als mit Doxycyclin.10 Diese Ergebnisse sind besonders relevant angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen.
Tab. 2: Klassifizierung der vorwiegend nichtentzündlichen Formen von Hidradenitis suppurativa nach Hurley
Es gibt Bedenken zur Sicherheit gängiger Aknebehandlungen: Ein Bericht des unabhängigen Labors Valisure zeigt, dass benzoylperoxid(BPO)haltige Cremes unter thermischer oder UV-Belastung Benzol freisetzen können – ein potenzielles Karzinogen.11 Bis zu ein Drittel der getesteten Produkte überschritten die empfohlenen Benzolgrenzwerte, darunter frei verkäufliche und rezeptpflichtige Präparate, die häufig in der Aknetherapie eingesetzt werden. Die Studienergebnisse sind kontrovers, da nicht alle Expert:innen die Methodik und die klinische Relevanz der Benzolwerte anerkennen. Die EADV empfiehlt daher Vorsicht: BPO-Präparate sollten unter 25°C gelagert, innerhalb von 3–6 Monaten verbraucht und vor UV-Exposition geschützt werden. Tests unter realen Lagerbedingungen sind weiterhin notwendig.
Rosazea: Fortschritte bei hartnäckigem Erythem und Flush
Rosazea ist eine häufige Erkrankung, die insbesondere das Gesicht betrifft und zu Rötungen, Flush-Episoden und entzündlichen Läsionen führen kann.
In der letzten Zeit zeigten sich einige neue Ergebnisse, die insbesondere für die Erythemreduktion neue Hoffnungen wecken. Ein besonders interessanter Ansatz ist die Verwendung von Botulinumtoxin Typ A (BoNT-A) in intrakutaner Gabe. Eine Metaanalyse von 17 Studien bestätigt, dass BoNT-A Gesichtserythem und Flush signifikant reduziert. Die Wirkung hält in der Regel drei bis sechs Monate an, was regelmässige Nachbehandlungen erforderlich macht. Grössere klinische Studien sind notwendig, um optimale Dosierungen, Wiederholungsbedarf und Langzeiteffekte besser zu definieren.12
Eine weitere interessante Option ist Paroxetin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In einer randomisierten Studie mit 97 Teilnehmern zeigte Paroxetin eine signifikante Reduktion von Erythem, Flush und subjektivem Brennen der Haut.13 Diese Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, insbesondere für Patient:innen mit refraktären Formen der Rosazea.
Fazit
Die dermatologische Forschung hat in den letzten Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht, die das Spektrum an Therapieoptionen für Akne inversa, Akne und Rosazea erheblich erweitert haben. Neue Therapien haben das Potenzial, die Behandlungsergebnisse und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig zu verbessern.
Literatur:
1Zouboulis CC et al.: Development and validation of the International Hidradenitis Suppurativa Severity Score System (IHS4): A novel dynamic scoring system to assess HS severity. Br J Dermatol 2017; 177(5): 1401-9 2 Deutsche S2k-Leitlinien: Leitlinien zur Behandlung der Hidradenitis suppurativa 2024, AWMF; Registernummer 013 -012 3 Aarts P et al.: Adalimumab in conjunction with surgery compared with adalimumab monotherapy for hidradenitis suppurativa: A randomized controlled trial in a real-world setting. J Am Acad Dermatol 2023; 89(4): 677-84 4 Krueger JG et al.: Hidradenitis suppurativa: new insights into disease mechanisms and an evolving treatment landscape. Br J Dermatol 2024; 190(2): 149-62 5 Navrazhina K et al.: Epithelialized tunnels are a source of inflammation in hidradenitis suppurativa. J Allergy Clin Immunol 2021; 147(6): 2213-24 6 Kimball AB et al.: Efficacy and safety of bimekizumab in patients with moderate-to-severe hidradenitis suppurativa (BE HEARD I and BE HEARD II): two 48-week, randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre phase 3 trials. Lancet 2024; 403(10443): 2504-19 7 Krueger JG et al.: Hidradenitis suppurativa: new insights into disease mechanisms and an evolving treatment landscape. Br J Dermatol 2024; 190(2): 149-62 8 Krajewski PK et al.: The therapeutic potential of GLP-1 receptor agonists in the management of hidradenitis suppurativa: a systematic review of anti-inflammatory and metabolic effects. J Clin Med 2024; 13(21): 6292 9 Adelaide H et al.: Efficacy and safety of topical clascoterone cream, 1%, for treatment in patients with facial acne: two phase 3 randomized clinical trials. JAMA Dermatol 2020; 156(6): 621-30 10 Dreno B et al.: Efficacy of spironolactone compared with doxycycline in moderate acne in adult females: results of the multicentre, controlled, randomized, double-blind prospective and parallel female acne spironolactone vs doxycycline efficacy (FASCE) study. Acta Derm Venereol 2024; 104: adv26002 11 Kucera K et al.: Evaluation of benzene presence in benzoyl peroxide products. J Invest Dermatol 2024; S0022-202X(24)02155-9 12 Alsaati A et al.: The efficacy and safety of botulinum toxin a for the treatment of rosacea: a systematic review. Cureus 2023; 15(12): e51304 13 Wang B et al.: Paroxetine is an effective treatment for refractory erythema of rosacea: Primary results from the Prospective Rosacea Refractory Erythema Randomized Clinical Trial. J Am Acad Dermatol 2023; 1300-7
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