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Wichtigstes europäisches Forum für Schlaganfallforschung
Jatros
30
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Die 5. Jahreskonferenz der European Stroke Organisation (ESOC) präsentierte Entwicklungen im vollen Umfang des Versorgungsspektrums – von akuten Eingriffen bis hin zur robotergestützten Rehabilitation und Sekundärprävention.</p>
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<p class="article-content"><p>Die European Stroke Organisation Conference (ESOC) ist aktuell die größte Schlaganfallkonferenz. Man verzeichnete bei der diesjährigen 5. Jahrestagung die doppelt so viele Teilnehmer wie bei der Eröffnungsveranstaltung im Jahr 2015. Die ESOC 2019 eröffnete mit Vorträgen aus einem umfangreichen Spektrum führender Studien zur Schlaganfallprävention, -behandlung, -therapie und -rehabilitation. Der Vorsitzende der Konferenzplanungsgruppe, Prof. Jesse Dawson, begrüßte die Delegierten: „Ich glaube, dass eine große Anzahl qualitativ hochwertiger Forschungstätigkeiten, die wir heute sehen werden, eine bemerkenswerte Veränderung auf dem Gebiet der Schlaganfallforschung darstellt“, sagte er. „In den letzten Jahren hat sich die Dynamik auf diesen Konferenzen verschoben, sodass wir jetzt die Konferenzen mit Informationen verlassen, die die klinische Praxis maßgeblich verändern oder verbessern.“ Rund 5600 Neurologen und andere Experten für die Behandlung und Pflege von Schlaganfallpatienten aus 94 Ländern nahmen an den Symposien, Posterpräsentationen, Workshops und Netzwerkaktivitäten teil.</p> <h2>Robotergestütztes Training für obere Extremitäten</h2> <p>Die RATULS-Studie<sup>1</sup> ist die größte Studie zur Beurteilung, ob robotergestütztes Training die Wiederherstellung der Funktion der oberen Extremitäten nach dem Schlaganfall verbessert. 770 Teilnehmer, die an vier Studienzentren eingeschrieben waren, wurden nach dem Zufallsprinzip wie folgt eingeteilt: i) roboterunterstütztes Training, ii) verbesserte Therapie der oberen Extremitäten, iii) Standardversorgung durch das nationale Gesundheitssystem. Roboterunterstütztes Training verbesserte die Funktion der oberen Extremitäten drei Monate nach dem Schlaganfall nicht signifikant im Vergleich zu den anderen beiden Therapieoptionen im Hinblick auf den primären Endpunkt. Es gab jedoch einige Verbesserungen bei den sekundären Endpunkten. Verbesserte Pflege verbesserte jedoch die Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens nach drei und sechs Monaten durchzuführen. <br />Obwohl RATULS ein neutrales Gesamtergebnis erzielte, erklärte die Studienleiterin Prof. Helen Rodgers, dass das roboterassistierte Training möglicherweise eine klinisch signifikante Verbesserung der Funktion zeigte: „Hier gab es statistisch signifikante Unterschiede in einer Reihe anderer Faktoren, von denen jedoch keiner klinisch bedeutsam war. Die Studie hat aber viele interessante Informationen zu den potenziellen Vorteilen von roboterunterstützten Anwendungen geliefert.“</p> <h2>MRT-gesteuerte Thrombolyse mit Alteplase</h2> <p>Die Thrombolyse zur Behandlung von Blutgerinnseln ist eine wirksame Behandlung für akute Schlaganfälle innerhalb von 4,5 Stunden nach Beginn. Es besteht jedoch weiterhin Unsicherheit darüber, wie Patienten zu behandeln sind, die mit Schlaganfallsymptomen aufwachen oder bei denen die Zeit, die seit Symptombeginn verstrichen ist, nicht bekannt ist. In der klinischen Phase-III-Studie THAWS sollte geprüft werden, ob eine niedrigere Thrombolysedosis wirksam und sicher ist bei jener Kohorte von Patienten, bei denen eine „Nichtübereinstimmung“ in der MRT-Bildgebung darauf hindeutet, dass der Schlaganfall nicht gut verlaufen ist.</p> <p>Aufgrund des vorzeitigen Stopps und der positiven Ergebnisse der WAKE-UPStudie wurde auch THAWS vorzeitig abgebrochen, nachdem 131 der geplanten 300 Patienten rekrutiert worden waren. THAWS zeigte keinen Unterschied im Anteil von Patienten ohne Symptome oder mit milden nicht behindernden Symptomen (mRS 0–1) nach 3 Monaten, im Risiko für eine Blutung im Gehirn sowie Tod. Der Principal Investigator, Professor Masatoshi Koga, kommentierte: „Es gab keine Unterschiede im positiven Ergebnis zwischen den Gruppen. Die Sicherheit war vergleichbar mit jener der Standardbehandlung. <br />Aufgrund des vorzeitigen Studienabbruchs können jedoch keine endgültigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Zusätzliche Untersuchungen können gerechtfertigt sein.“</p> <h2>„Take Charge“ nach Schlaganfall</h2> <p>„Take Charge“ ist ein Rehabilitationsprogramm zur Selbstverwaltung mit dem Ziel, Menschen zu befähigen, nach einem Schlaganfall die eigene Genesung zu steuern und so die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu verbessern. Eine „Take Charge“-Sitzung wird von einem geschulten Kliniker in der Form einer Gesprächstherapie beim Patienten zu Hause durchgeführt – fragend, um die Selbststeuerung zu erleichtern, aber nicht richtungsweisend. <br />400 Menschen aus 7 Zentren, die innerhalb von 16 Wochen nach ihrem Schlaganfall aus dem Spital entlassen wurden und wieder in ihrer gewohnten Umgebung lebten, wurden nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeteilt: i) einer einzelnen „Take Charge“-Sitzung, ii) zwei „Take Charge“-Sitzungen im Abstand von 6 Wochen oder iii) einer Kontrolle (sie erhielten Broschüren der Stroke Foundation). <br />Das „Take Charge“-Programm, ob als einzelne Sitzung oder als zwei Sitzungen, führte zu einer Verbesserung der durch die Patienten berichteten gesundheitsbezogenen Lebensqualität nach einem Schlaganfall. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass „Take Charge“ möglicherweise eine kostengünstige Intervention zur Selbstverwaltung ist. <br />Die Studienleiterin, Dr. Vivian Fu, erklärte: „,Take Charge‘ war der einfachen Kontrolle der Lebensqualität, der Unabhängigkeit und der Aktivitäten des täglichen Lebens überlegen. Unsere kombinierte Metaanalyse ergab, dass von jeweils neun Patienten, die mit ,Take Charge‘ behandelt wurden, einer nach 12 Monaten die Selbstständigkeit erreicht.“</p> <h2>Beurteilung der akuten Schlaganfallbehandlung durch Rettungssanitäter</h2> <p>Die Thrombolyse nach einem akuten ischämischen Schlaganfall sollte innerhalb von 4,5 Stunden nach dessen Eintritt erfolgen. Ein rascher Transport des Patienten in eine Klinik ist also geboten. Die Optimierung des Service, um eine schnelle und kostengünstige Einlieferung in die Klinik zu erreichen, kann jedoch eine Herausforderung sein. In einer Studie wurde geprüft, ob die gezielte Beurteilung des Gesundheitszustandes durch die anwesenden Sanitäter die Thrombolyserate und ihre Kosteneffizienz im britischen Gesundheitswesen verbesserte. <br />Von 1214 Patienten, die in 3 Ambulanzdiensten und 15 Krankenhäusern in Großbritannien eingeschrieben waren, wurden 500 von in „Paramedic Acute Stroke Treatment Assessment“ (PASTA) geschulten Personen (PASTA-Sanitäter) beurteilt, während 714 von Standard-Pflegesanitätern bewertet wurden. Die PASTA-Intervention erhöhte nicht die Anzahl der Patienten, die eine Thrombolyse erhielten, und es zeigte sich ein nicht signifikanter Trend hin zu weniger Patienten, die eine Thrombolyse erhielten. Es gab jedoch eine nicht signifikante Verbesserung im Outcome nach drei Monaten. Dies führte zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch kürzere Krankenhausaufenthalte und zu einem geringeren Rehabilitationsbedarf. <br />Dr. Christopher Price stellte die Ergebnisse vor und erklärte: „Durch die Intervention konnten Kosten gespart werden. Speziell durch niedrigere Rehabilitationskosten und eine kürzere Verweildauer im Krankenhaus, trotz niedrigerer Thrombolyseraten.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 5<sup>th</sup> European Stroke Organisation Conference, 22. bis 24.
Mai 2019, Mailand
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<p><strong>1</strong> Rodgers H et al.: Lancet 2019; 394: 51-62</p>
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