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Schlafstörungen bei Morbus Parkinson

Wenn die Nacht zum Tag wird

<p class="article-intro">Schlafstörungen sind aufgrund der integralen Rolle von Dopamin in der Regulation des zirkadianen Rhythmus inhärente Störungen des Morbus Parkinson. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, die Hypersomnie, Schlafapnoesyndrome und die Insomnie stellen die Hauptvertreter der Schlafstörungen in diesem Patientenkollektiv dar. Die exakte Diagnose und Therapie fußen auf einer ausführlichen (Außen-) Anamnese und dem Goldstandard der schlafmedizinischen Diagnostik, der Videopolysomnografie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>St&ouml;rungen des Schlaf-wach- Rhythmus von Parkinsonpatienten st&ouml;ren sowohl die Lebensqualit&auml;t der Betroffenen als auch die der Betreuungspersonen empfindlich.</li> <li>Neben medikament&ouml;ser Therapie sprechen pathophysiologische &Uuml;berlegungen f&uuml;r den Einsatz von Chronotherapeutika (helles Licht am Morgen, Melatonin, Vermeidung von Tagschlaf).</li> <li>Die n&auml;chtliche CPAP-Maskenbeatmung stellt erwiesenerma&szlig;en eine effiziente Therapie der obstruktiven Schlafapnoe bei Parkinsonpatienten dar.</li> <li>Modafinil verringert in einer Dosierung von 200&ndash;400mg/d signifikant eine exzessive Tagesschl&auml;frigkeit, wobei die Nebenwirkungen zumeist mild ausgepr&auml;gt sind.</li> </ul> </div> <h2>Schlafst&ouml;rungen &ndash; signifikante Belastung im Alltag</h2> <p>Es gilt mittlerweile als bekannt, dass Patienten mit einem Morbus Parkinson &uuml;berdurchschnittlich h&auml;ufig von St&ouml;rungen der Schlaf-Wach-Regulation betroffen sind. Je nach Studienlage finden sich bei 60&ndash;98 % der Patienten ein Schlafapnoesyndrom, eine REM-Schlaf-Verhaltensst&ouml;rung (RBD) oder eine Insomnie bzw. Hypersomnie. Dadurch kommt es zu einer deutlichen Einschr&auml;nkung der Lebensqualit&auml;t nicht nur der Patienten, sondern auch der sogenannten &bdquo;Caregiver&ldquo;, also derjenigen, die die Patienten betreuen. In einer rezenten Arbeit konnte gezeigt werden, dass 40 % der Caregiver auch regelm&auml;&szlig;ig nachts aktiv zur Verf&uuml;gung stehen und helfen und dass 20 % mehr als 12 Stunden pro Tag in der Betreuung t&auml;tig sind. Insgesamt wurden neben St&ouml;rungen des vegetativen Nervensystems (v.a. Inkontinenz) Schlafst&ouml;rungen als wichtigster Faktor hinsichtlich der &bdquo;caregiver burden&ldquo;, also der Belastung der Betreuungspersonen, angef&uuml;hrt.</p> <h2>Marker der Krankheitsprogression</h2> <p>Schlafst&ouml;rungen werden in den letzten Jahren im Zusammenhang mit verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie z.B. dem &bdquo;mild cognitive impairment&ldquo;, der Demenz vom Alzheimertyp und dem Morbus Parkinson auf ihre Aussagekraft als Marker der Krankheitsprogression getestet. In einer Fall-Kontroll-Studie mit einer Follow-up-Dauer von 24 Monaten wurde ein Panel von 10 m&ouml;glichen Markern analysiert. Darunter fanden sich die Scores der Epworth Sleepiness Scale (ESS) und des RBD Screening Questionnaire sowie die Pr&auml;valenz der RBD in der Polysomnografie (PSG). Mit der Krankheitsprogression kam es bei den Patienten zu einer signifikanten Verschlechterung in der ESS sowie im RBD Screening Questionnaire und zu einer Erh&ouml;hung der RBD-Pr&auml;valenz in der PSG. Somit bieten sich diese schlafbezogenen Parameter in Hinkunft als Marker der Krankheitsprogression bei Morbus Parkinson an.</p> <h2>Pathophysiologie der Schlafst&ouml;rungen bei Morbus Parkinson</h2> <p>Dopamin spielt in der Regulation des zirkadianen Rhythmus eine wesentliche Rolle, indem es die rhythmische Expression von Melanopsin in retinalen Ganglienzellen reguliert und dar&uuml;ber das zirkadiane Entrainment moduliert. Durch Stimulation von D2-Rezeptoren wird weiters die Expression von zwei wesentlichen Clock-Genen (Per 1 und Per 2) im Striatum gesteuert. Dopamin reguliert die Aktivit&auml;t des Heterodimers Bmal1/Clock, der wiederum die Transkription der Clock-Gene beeinflusst. &Uuml;ber die Stimulation von D4-Rezeptoren steuert Dopamin die zirkadiane Synthese des &bdquo;Schlafhormons&ldquo; Melatonin.<br /> Patienten mit Morbus Parkinson zeigen einige signifikante Ver&auml;nderungen, die zur Dysregulation des Schlaf-Wach- Rhythmus beitragen: Die Amplitude der zirkadianen Bmal1-Expression ist reduziert, die Cortisolspiegel sind erh&ouml;ht und die Melatoninspiegel vermindert. MRTbasierte Studien konnten zeigen, dass es im Laufe der Erkrankung zu einer hypothalamischen Atrophie und dadurch zu einem Verlust von orexinergen Neuronen kommt bzw. die Melatoninspiegel direkt proportional zum Ausma&szlig; der Atrophie abnehmen. In einer rezenten Arbeit konnte in einer Fall-Kontroll-Studie gezeigt werden, dass Parkinsonpatienten unter einer dopaminergen Therapie einerseits im Vergleich zu unbehandelten Patienten und Kontrollen signifikant h&ouml;here Gesamtmelatoninspiegel aufwiesen, jedoch andererseits einen signifikant gr&ouml;&szlig;eren &bdquo;entrainment phase angle&ldquo; hatten, d.h., dass der Zeitraum zwischen dem Beginn der abendlichen Melatoninsekretion und dem Schlafbeginn am gr&ouml;&szlig;ten war. M&ouml;glicherweise, so lassen es diese Ergebnisse vermuten, spielt die dopaminerge Therapie in der Entstehung von Schlafst&ouml;rungen bei Parkinsonpatienten eine Rolle.</p> <h2>REM-Schlafverhaltensst&ouml;rung (&bdquo;REM behaviour disorder&ldquo;, RBD)</h2> <p>Das Konzept der sogenannten idiopathischen RBD (iRBD) ist mittlerweile nicht mehr aufrechtzuerhalten, da in der Vergangenheit bereits gezeigt werden konnte, dass RBD-Patienten im Zeitraum von ca. 10&ndash;15 Jahren nach der Diagnosestellung eine neurodegenerative Erkrankung entwickeln. Eine 2016 publizierte Studie pr&auml;sentierte in einer retrospektiven Analyse den klinischen Verlauf von 203 Patienten mit einer &bdquo;idiopathischen&ldquo; RBD (Abb. 1). Davon entwickelten 69 (34 % ) eine neurodegenerative Erkrankung. Die h&auml;ufigsten Entit&auml;ten waren die Demenz mit Lewy-K&ouml;rperchen (46 % ), Morbus Parkinson (32 % ) und ein &bdquo;mild cognitive impairment&ldquo; (19 % ). Ebenfalls relevant erscheint die Information der Studienautoren, dass die meisten der RBD-Patienten von einer guten Schlafqualit&auml;t berichteten und u.a. deswegen eine verl&auml;ssliche Au&szlig;enanamnese f&uuml;r die Diagnostik essenziell ist.<br /> Welche Marker zeigen uns nun, welche RBD-Patienten eine neurodegenerative Erkrankung entwickeln werden? Die Daten lassen darauf schlie&szlig;en, dass eine olfaktorische Dysfunktion ein guter Pr&auml;diktor f&uuml;r die Konversion in eine Demenz mit Lewy-K&ouml;rperchen ist. iRBD-Patienten weisen subtile Defizite in der posturalen Kontrolle auf, die mit denen von Parkinsonpatienten mit bzw. ohne &bdquo;freezing of gait&ldquo; vergleichbar sind.<br /> Die symptomatische medikament&ouml;se Therapie der RBD fu&szlig;t leider auf nur sp&auml;rlicher Evidenz und basiert auf dem Einsatz von Clonazepam (0,25&ndash;2mg), Melatonin (3&ndash;12mg) und Rivastigmin (4,6mg). Zuletzt konnte mit dem Melatoninrezeptoragonisten Ramelteon in einer offenen Studie in einer Dosierung von 8mg t&auml;glich eine Verbesserung der subjektiven RBDBeschwerden gezeigt werden. Allerdings wurden keine polysomnografischen Daten erhoben und 14 % der Patienten brachen die Studie aufgrund von Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Schwindel und Obstipation) ab.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1701_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="983" /></p> <h2>Schlafapnoesyndrom</h2> <p>Bis zu 60 % aller Parkinsonpatienten leiden unter einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS), sodass der Therapie dieser h&auml;ufigsten schlafbezogenen Atmungsst&ouml;rung in dieser Population eine gro&szlig;e Bedeutung zukommt. Klinisch &auml;u&szlig;ert sich das OSAS durch kognitive Einbu&szlig;en, exzessive Tagesschl&auml;frigkeit, n&auml;chtliche Verwirrtheitszust&auml;nde, kardiale Arrhythmien, n&auml;chtlichen Harndrang und morgendliche Kopfschmerzen. Polysomnografisch l&auml;sst sich eine Verminderung der Gesamtschlafzeit, der Tiefschlafstadien und ein Anstieg des Leichtschlafanteils verzeichnen.<br /> Zuletzt konnte in einer placebokontrollierten Therapiestudie die Effizienz des Goldstandards der OSAS-Therapie, der CPAP-Maskenbeatmung, belegt werden. Nach 3 bzw. 6 Wochen CPAP-Therapie zeigte sich eine signifikante Reduktion des Apnoe/Hypopnoe-Index (AHI) und des Zeitraums w&auml;hrend des Schlafes, den die Patienten mit einer Sauerstoffs&auml;ttigung unter 90 % verbrachten. Besonders bemerkenswert imponiert der Umstand, dass die CPAP-Therapie zu einer signifikanten Verbesserung der Vigilanzkontrolle f&uuml;hrte. Die Studienautoren konnten letztlich zeigen, dass die CPAP-Therapie zu einer signifikanten Verl&auml;ngerung der mittleren Schlaflatenz im multiplen Schlaflatenztest (MSLT) f&uuml;hrte.<br /> Es sollte allerdings nicht unerw&auml;hnt bleiben, dass im Falle der CPAP-Therapie die Adh&auml;renz der Patienten h&auml;ufig unzufriedenstellend ist. Eine m&ouml;gliche Therapiealternative, v.a. bei der lageabh&auml;ngigen obstruktiven Schlafapnoe, stellt das Night- Balance&reg; dar. Dieses System basiert auf einem Aktigrafen, der, am Oberk&ouml;rper mittels Gurt angebracht, den Patienten in R&uuml;ckenlage durch ein Vibrationssignal in eine alternative Position bringt.</p> <h2>Insomnie</h2> <p>Gerade die Insomnie, definiert als Einund/ oder Durschlafst&ouml;rung mit Beeintr&auml;chtigung der Befindlichkeit untertags, die zumindest 3x pro Woche auftritt, ist mit einer durchschnittlichen Pr&auml;valenz von ca. 30 % besonders h&auml;ufig bei Parkinsonpatienten. Daten einer 5-Jahres-Studie belegen, dass depressive Symptome, die Schwere der motorischen Fluktuation und h&ouml;here Dosen von Dopaminagonisten mit der Entwicklung einer Insomnie assoziiert sind. Was die evidenzbasierte medikament&ouml;se Therapie betrifft, herrscht leider weitgehend Nihilismus vor. Doxepin (10mg abends) f&uuml;hrte zu einer Verbesserung der subjektiven Schlafqualit&auml;t, Lebensqualit&auml;t und Kognition. Rotigotin f&uuml;hrte in einer PSG-kontrollierten Studie zur Verbesserung mehrerer objektiver Schlafparameter, wobei hier die Verbesserung der Schlafeffizienz und die Erh&ouml;hung des REM-Schlafanteils signifikant waren.<br /> Im Hinblick auf die pathophysiologischen Mechanismen, die einer Insomnie bei Parkinsonpatienten zugrunde liegen (verminderte Melatoninspiegel, Degeneration hypothalamischer Neurone, vermehrte Cortisolsekretion), sollten aus Sicht des Autors vermehrt chronotherapeutische Interventionen in der Therapie zur Anwendung gebracht werden. Dazu z&auml;hlen in erster Linie eine mittels Schlaftagebuch dokumentierte Eingrenzung der Schlafzeiten mit Reduktion der Schlafphasen tags&uuml;ber, die Einnahme von Melatonin 0,5&ndash; 1mg abends und die Anwendung von Licht am Morgen (1000&ndash;5000 Lux).</p> <h2>Hypersomnie</h2> <p>Neben Schlafapnoesyndromen gilt es in der Praxis die dopaminerge Therapie selbst als m&ouml;glichen Ausl&ouml;ser bzw. Verst&auml;rker einer exzessiven Tagesschl&auml;frigkeit zu beachten. Grunds&auml;tzlich erh&ouml;hen D1- Agonisten sowie niedrig dosiertes L-Dopa die Feuerrate von vigilanzf&ouml;rdernden orexinergen Neuronen des lateralen Hypothalamus. D2-Agonisten und hoch dosiertes L-Dopa vermitteln den gegenteiligen Effekt und f&uuml;hren dadurch zu einer vermehrten Schl&auml;frigkeit.<br /> Eine rezente Metaanalyse der medikament&ouml;sen Therapie der Hypersomnie bei Morbus Parkinson demonstrierte einen signifikanten positiven Effekt von Modafinil (200&ndash;400mg/d) im Vergleich zu Placebo. Angesichts der durchwegs milden Nebenwirkungen, von denen in den untersuchten Studien keine zum Abbruch der Therapie f&uuml;hrte, erscheint das Nutzen- Risiko-Profil der Substanz akzeptabel.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Autor</p> </div> </p>
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