© Getty Images

Migräneprophylaxe

Was leisten die neuen CGRP-Antikörper?

<p class="article-intro">Mit der Antikörper-vermittelten Antagonisierung des Neuropeptids CGRP („calcitonin gene-related peptide“) hat ein neues Wirkprinzip Einzug in die Migräneprophylaxe gehalten. Auf der AAN-Jahrestagung 2019 wurden zu den bisher zugelassenen CGRP- Antikörpern Erenumab (Aimovig<sup>®</sup>), Fremanezumab (Ajovi<sup>®</sup>) und Galcanezumab (Emgality<sup>®</sup>) neue Langzeitdaten aus offenen Extensionsstudien („open label extension“, OLE) und verblindeten Langzeitstudien zur Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit episodischer Migräne (EM) und chronischer Migräne (CM) bis zu einer Therapiedauer von einem Jahr sowie Post-hoc-Subgruppenanalysen der Phase-III-Basisstudien vorgestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Besondere Aufmerksamkeit galt dabei in den Studienprogrammen der Gruppe schwer behandelbarer Patienten mit schlechter Prognose. Dazu geh&ouml;ren vor allem mehrfach erfolglos vorbehandelte Patienten sowie Migr&auml;nepatienten mit Medikamenten&uuml;bergebrauch. Erenumab wurde bei EM-Patienten in den Phase-III-Studien STRIVE und LIBERTY untersucht. In der LIBERTY-OLE erreichten unter Erenumab 70 und 140 mg &uuml;ber die H&auml;lfte der Patienten mit mehr als einer vergeblichen Prophylaxe (52 % bzw. 55 %) eine Reduktion der monatlichen Anzahl an Migr&auml;netagen (MMT) &ge; 50 %. Bei 75 % waren es noch rund ein Drittel (29 % bzw. 33 %), jeweils vs. Therapiebeginn vor 52 Wochen (Abb. 1).<sup>1</sup> Eine noch etwas deutlichere Reduktion der MMT erreichte die STRIVE-OLE mit Patienten mit EM und &ge; 2 vergeblichen Prophylaxen. Gleichzeitig blieb der in der Basisstudie erreichte signifikante R&uuml;ckgang der physischen Behinderungen im MPFID Physical Impairment Score und der Aktivit&auml;ten des Alltags im MPFID-EA (&bdquo;Migraine Physical Function Impact Diary &ndash; Everyday Activities&ldquo;) in der OLE erhalten.<sup>2</sup><br /> In den Phase-III-Studien HALO EM und HALO CM wurden die monatlichen Migr&auml;ne- bzw. Kopfschmerztage (prim&auml;re Endpunkte) durch den vollhumanen monoklonalen CGRP-Antik&ouml;rper (IgG2&Delta;2) Fremanezumab signifikant verringert. Desgleichen wurden die sekund&auml;ren klinischen und Patienten-relevanten Endpunkte verbessert.<sup>3</sup> In der OLE erhielten die Patienten verblindet entweder Fremanezumab einmal monatlich 225 mg oder einmal viertelj&auml;hrlich 675 mg. Zahlreiche Patienten hatten bereits &ge; 1 vergebliche Prophylaxe. Bei den CM-Patienten mit komorbider schwerer Depression hielt die in der Doppelblindphase erreichte Reduktion der monatlichen Anzahl an Migr&auml;netagen bis Woche 52 an<sup>4</sup> und der Verbrauch an Akutmedikamenten sank. Die Migr&auml;ne-assoziierte Behinderung verringerte sich ebenfalls.<sup>5</sup> Begleitend ging auch die mit der CM assoziierte Depressivit&auml;t zur&uuml;ck; Lebensqualit&auml;t und Patientenzufriedenheit verbesserten sich bis Woche 52.<sup>4, 6</sup> 548/813 Patienten mit CM erreichten nach 12 Monaten eine Konversion zu einer EM.<sup>7</sup> In der 9-monatigen OLE der Phase-IIIStudie REGAIN erhielten die Patienten mit CM entweder Galcanezumab 120 oder 240 mg s.c. monatlich. Rund drei Viertel der Teilnehmer waren vortherapiert. In allen Gruppen nahm in der Folge die MMT bis Ende der OLE noch weiter ab (Abb. 2). Begleitend verbesserte sich die Rollenfunktion im Migr&auml;ne-spezifischen Lebensqualit&auml;tsfragebogen (MSQ) kontinuierlich.<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Neuro_1903_Weblinks_jatros_neuro_1903_s23_abb1_kretzschmar.jpg" alt="" width="1419" height="847" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Neuro_1903_Weblinks_jatros_neuro_1903_s23_abb2_kretzschmar.jpg" alt="" width="1431" height="944" /></p> <h2>Eine Frage der Dosis?</h2> <p>Die Daten zeigen insgesamt keinen gro&szlig;en Wirkunterschied zwischen beiden Erenumab-Dosierungen. In speziellen Behandlungssituationen erwies sich jedoch Erenumab 140 mg gegen&uuml;ber 70 mg als &uuml;berlegen. Hinsichtlich des Sicherheitsprofils bestanden in den Studien keine relevanten Unterschiede. Bei Fremanezumab waren die Wirksamkeit und Sicherheit der monatlichen und der viertelj&auml;hrlichen Gabe in den vorliegenden klinischen Studien vergleichbar.<sup>4, 9</sup></p> <h2>Konsistente Sicherheitsdaten</h2> <p>Als hoffnungsvoll f&uuml;r eine Migr&auml;neprophylaxe &uuml;ber l&auml;ngere Zeitr&auml;ume mit den drei zugelassenen CGRP-Antik&ouml;rpern ist zu bewerten, dass ihr Sicherheitsprofil auch in den OLE demjenigen in den Kurzzeitstudien ohne neue Signale entsprach und im Wesentlichen auf Placeboniveau lag. Eine Ausnahme bildete die erh&ouml;hte Drop-out- Rate wegen unerw&uuml;nschter Ereignisse unter Galcanezumab 240 mg.<sup>10</sup> Am h&auml;ufigsten &ndash; und teilweise h&auml;ufiger als unter Placebo &ndash; wurden Reaktionen an der Injektionsstelle beobachtet.<sup>1, 2, 4, 8, 11, 12</sup></p> <h2>Offene Fragen</h2> <p>Alle Pr&auml;sentatoren warnten davor, die bei den verschiedenen Antik&ouml;rpern erreichten Ergebnisse direkt zu vergleichen &ndash; zu gro&szlig; sind die Unterschiede bei den Patientengruppen und Studiendesigns. Prof. Peter Goadsby, London, ist davon &uuml;berzeugt, dass die Unterschiede im Bindungsverhalten &ndash; Erenumab bindet an den CGRP-Rezeptor, die &uuml;brigen Antik&ouml;rper interagieren direkt, aber laut Goadsby nicht an identischen Bindungsstellen mit dem Neuropeptid &ndash; auch klinisch erkennbar werden. Mit den jetzt zunehmend generierten Daten zur Langzeitanwendung der neuen CGRP-Antik&ouml;rper wird man das Nutzen-Risiko-Profil der verschiedenen Wirkstoffe besser differenzieren k&ouml;nnen, so seine Hoffnung.<br /> Damit werden nach Ansicht der Experten auch einige der noch offenen Fragen zu Unterschieden und Gruppeneffekten der neuen Antik&ouml;rper beantwortet. Dies betrifft vor allem m&ouml;gliche Sequenztherapien bei Patienten, die auf einen CGRPAntik&ouml;rper nicht ansprechen oder Unvertr&auml;glichkeiten entwickeln. Die CGRP-Antik&ouml;rper werden auch bei anderen Schmerz- bzw. Kopfschmerzindikationen untersucht. Hier reduzierte Galcanezumab 300 mg s.c. bei 49 Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen in einer 8-w&ouml;chigen Doppelblindstudie gegen&uuml;ber Placebo (n = 57) die Frequenz der w&ouml;chentlichen Cluster-Attacken in den Wochen 1&ndash;3 (prim&auml;rer Endpunkt) signifikant st&auml;rker. Der globale Eindruck der Verbesserung der Patienten (PGI-I) war nach Woche 4 unter Galcanezumab signifikant gr&ouml;&szlig;er, nicht aber nach Woche 8.<sup>13</sup></p> <p>&nbsp;</p> <div id="fazit"> <h2>Gepante wieder ante portas?</h2> <p>Die Entwicklung der CGRP-Antik&ouml;rper wurde forciert, nachdem mehrere orale CGRP-Antagonisten (Gepante) als neue Klasse von Medikamenten zur akuten Behandlung der Migr&auml;neattacken aufgrund von Lebertoxizit&auml;t noch sp&auml;t in der Phase III scheiterten. Auf dem AAN 2019 wurden jetzt mehrere erfolgreiche Phase-II/III-Studien zu verschiedenen neuen &bdquo;Gepant-small molecules&ldquo; zur Migr&auml;neprophylaxe (Atogepant) bzw. Akuttherapie (Ubrogepant) vorgestellt. Atogepant erreichte in einer Phase-IIb/III-Studie bei Patienten mit im Mittel 7,67 (4&ndash;14) Migr&auml;netagen pro Monat nach 12-w&ouml;chiger Therapie mit allen Dosierungen (10 mg/qd; 30 mg/bid oder qd; 60 mg/bid oder qd) gegen&uuml;ber Placebo eine Reduktion der Migr&auml;netage (prim&auml;rer Endpunkt), die in etwa in der Gr&ouml;&szlig;enordnung der CGRPAntik&ouml;rper lag. Das Sicherheitsmonitoring zeigte bei 0,6 % der Patienten eine Leberwerterh&ouml;hung &ge; 5 x ULN (&bdquo;upper limit of normal&ldquo;; Placebo: 0 %) sowie zwischen 0,6 % und 2,2 % einen ALT- oder AST-Anstieg &ge; 3 x ULN (Placebo: 1,1 %).<sup>14</sup> In einer Sicherheitsstudie entwickelten unter Ubrogepant bei hochfrequenter intermittierender Hochdosisgabe (100 mg) 0,8 % der 256 Teilnehmer eine AST-/ALTErh&ouml;hung gegen&uuml;ber 1,9 % unter Placebo (n = 260).<sup>15</sup></p> </div></p> <p class="article-quelle">Quelle: 71. Jahrestagung der American Academy of Neurology (AAN), 4.–10. April 2019, Philadelphia </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Reuter U et al.: Poster P01.10-020; AAN 2019 <strong>2</strong> Chou D et al.: Oral Session S38.005 (STRIVE); AAN 2019<strong> 3</strong> Lawrence C et al.: Oral Session S38.001: AAN 2019 <strong>4</strong> Lipton R et al.: Poster P1.10-024; AAN 2019 <strong>5</strong> McAllister P et al.: Poster P2.10-015; AAN 2019 <strong>6</strong> Cohen JM et al.: Poster P2.10-023; AAN 2019 <strong>7</strong> Lipton R et al.: Poster P2.10-013; AAN 2019 <strong>8</strong> Detke H et al.: Poster P2.10-010; AAN 2019 <strong>9</strong> Blaiss C et al.: Poster P2.10-013; AAN 2019 <strong>10</strong> Bangs ME et al.: Poster 10-014; AAN 2019 <strong>11</strong> Tepper S et al.: P1.10- 016 ; AAN 2019 <strong>12</strong> Goadsby P et al.: Oral Session S38.004; AAN 2019 <strong>13</strong> Bardos J et al.: Clinical Trails Session; AAN 2019<strong> 14</strong> Goadsby P et al.: Oral Session S17001; AAN 2019 <strong>15</strong> Goadsby P et al.: Oral Session S17009; AAN 2019</p> </div> </p>
Back to top