© Getty Images/iStockphoto

Depressionen im Alter

Was ist die korrekte Therapie?

<p class="article-intro">Ältere Menschen mit Depressionen werden häufig nicht adäquat thera- piert, so Prof. Robert Perneczky aus München. Wir haben den Psychiater gefragt, warum das so ist und wie die korrekte Behandlung aussieht.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Perneczky, warum sind Senioren mit Depressionen untertherapiert?<br /> R. Perneczky:</strong> Viele bekommen &uuml;berhaupt keine Therapie oder eine zu geringe Dosis des Antidepressivums oder sie werden zu kurz behandelt. Dabei ist es besonders wichtig, &auml;ltere Menschen mit Depressionen gut zu behandeln, denn die Prognose einer unbehandelten Depression scheint bei &auml;lteren Patienten schlechter zu sein und sie haben ein h&ouml;heres Suizidrisiko im Vergleich zu j&uuml;ngeren Patienten.<br /><br /><strong> Woran liegt das?<br /> R. Perneczky:</strong> Depressionen k&ouml;nnen somatische Erkrankungen verschlechtern, unter denen &Auml;ltere h&auml;ufiger leiden als J&uuml;ngere, zum Beispiel Diabetes oder Bluthochdruck. Andersherum erh&ouml;hen diese Erkrankungen selbst das Risiko f&uuml;r eine Depression.<br /><br /><strong> Warum ist das so?<br /> R. Perneczky:</strong> Das ist einerseits psychosozial zu verstehen, andererseits gibt es wahrscheinlich auch biologische Verbindungen zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen. Vermutete Mechanismen, die im Rahmen einer Depression k&ouml;rperliche Erkrankungen beg&uuml;nstigen, umfassen beispielsweise eine vegetative Dysregulation, eine Verminderung der Herzraten-Variabilit&auml;t mit Aktivierung des Sympathikus und die Hochregulation der Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse.<br /><br /><strong> Die Symptome sind bei &Auml;lteren nicht unbedingt anders als bei J&uuml;ngeren. Warum ist die Diagnose trotzdem manchmal schwierig?<br /> R. Perneczky:</strong> Weil die Beschwerden doch oft etwas anders sind, sodass man nicht gleich darauf kommt. &Auml;ltere Menschen klagen &ouml;fter &uuml;ber somatische Beschwerden wie Ersch&ouml;pfung, Gewichtsverlust, diffuse Schmerzen oder Vergesslichkeit. Bei diesen Symptomen denkt man als Arzt nicht gleich an eine Depression.<br /><br /><strong> Wie behandelt man Senioren mit Depressionen?<br /> R. Perneczky:</strong> Das Grundprinzip ist so wie bei J&uuml;ngeren: Medikamente in Kombination mit Psychotherapie, die in leichteren F&auml;llen zun&auml;chst ausreicht. In erster Linie wird eine kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Weitere Therapiebausteine sind k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t, Milieutherapie und soziale Aktivierung, also die Umgebung umgestalten: ausreichend Tageslicht, Stressreize eliminieren und den Betroffenen kognitiv stimulieren. Au&szlig;erdem ist es wichtig, die Angeh&ouml;rigen mit einzubeziehen.<br /><br /><strong> Aber diese leiden oftmals ja sehr unter einem depressiven Angeh&ouml;rigen. Wie sorgen sie daf&uuml;r, dass es ihnen selbst gut dabei geht und sie nicht in die Depression &bdquo;mit hineingezogen&ldquo; werden?<br /> R. Perneczky:</strong> Ich rate den Angeh&ouml;rigen, sich nicht selbst aufzugeben und nicht nur noch in der Rolle des Betreuers oder Pflegers zu existieren. Einen Menschen mit Depression &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum zu unterst&uuml;tzen, kann sehr anstrengend sein und f&uuml;hrt auch &ouml;fter dazu, dass der Betreuende selbst somatisch oder psychisch erkrankt. Die Angeh&ouml;rigen sollten sich daher ausreichend Freir&auml;ume schaffen, sich Zeit f&uuml;r sich selbst nehmen und Hilfe von au&szlig;en akzeptieren.<br /><br /><strong> Bei mittel- bis schwerergradiger Depression kommen wie bei J&uuml;ngeren Medikamente zum Einsatz. Was ist bei &Auml;lteren zu beachten?<br /> R. Perneczky:</strong> Sie sprechen zwar &auml;hnlich gut auf Antidepressiva an wie J&uuml;ngere, aber der antidepressive Effekt ist mit steigendem Alter geringer, was wahrscheinlich sowohl an zu niedrig verordneten Dosen liegt als auch an somatischen Komorbidit&auml;ten. Ausgepr&auml;gte zerebrovaskul&auml;re L&auml;sionen sind zum Beispiel h&auml;ufig mit Depression assoziiert. Man behandelt dann nur die Symptome, aber nicht die eigentliche Ursache, was den Therapieerfolg einschr&auml;nkt im Vergleich zu einer rein &bdquo;endogenen&ldquo; Depression.<br /><br /><strong> Welche Antidepressiva verschreibt man am besten?<br /> R. Perneczky:</strong> Erste Wahl sind selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), denn sie haben weniger kardiale und anticholinerge Nebenwirkungen und sind einfacher aufzudosieren als die klassischen trizyklischen Antidepressiva. Au&szlig;erdem ist das Risiko einer lebensgef&auml;hrlichen &Uuml;berdosierung geringer (siehe Tab. 1).<br /><br /><strong> Was macht man bei therapierefrakt&auml;rer Depression?<br /> R. Perneczky:</strong> Die Dosis steigern, verschiedene Pr&auml;parate kombinieren, also zum Beispiel einen SSRI mit Mirtazapin, auf eine andere Wirkstoffklasse wechseln, also zum Beispiel von SSRI auf ein dual wirksames Pr&auml;parat (Noradrenalin- Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer), oder zus&auml;tzliche Medikamente zur Augmentation dazugeben wie Lithium, Antipsychotika oder Schilddr&uuml;senhormone. Und parallel hilft es, die Psychotherapie und andere nicht medikament&ouml;se Ma&szlig;nahmen zu intensivieren.<br /><br /><strong> Wie lange brauchen die Senioren Antidepressiva?<br /> R. Perneczky:</strong> Hierzu gibt es nur wenig Evidenz. Es gibt aber Hinweise, dass die &Auml;lteren die Erhaltungstherapie mit SSRI oder Trizyklika gut vertragen. Die Behandlung lohnt sich: Nehmen Senioren das Antidepressivum weiter, haben 18 Prozent R&uuml;ckf&auml;lle, ohne Erhaltungstherapie sind es 36 Prozent.<br /><br /><strong> Einschl&auml;gige Richtlinien empfehlen f&uuml;r &auml;ltere Patienten die Dosis der Akutphase f&uuml;r mindestens ein Jahr. Wann kann man das Antidepressivum absetzen?<br /> R. Perneczky:</strong> Wenn es innerhalb dieses Jahres zu keinem erneuten depressiven Einbruch gekommen ist, kann man in den meisten F&auml;llen die medikament&ouml;se Therapie guten Gewissens beenden. Bekommt der Betroffene aber eine zweite depressive Phase, sollte man &uuml;ber mindestens drei Jahre oder lebenslang das Antidepressivum weiternehmen. Bei der Therapieentscheidung sollten aber immer auch der Patientenwunsch, der Schweregrad der Depression, der Abstand zwischen den Episoden, Nebenwirkungen und die soziale Einbindung ber&uuml;cksichtigt werden. Ein starker sozialer R&uuml;ckhalt ist ebenso wichtig f&uuml;r eine effektive R&uuml;ckfallprophylaxe wie eine konsequent weitergef&uuml;hrte Pharmakotherapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1804_Weblinks_s29_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="1795" /></p> <p>Lesen sie auch: <a href="1000000555">Depressiver Senior? M&ouml;glicherweise ein Fr&uuml;hzeichen von Alzheimer</a></p></p>
Back to top