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Schlaganfall: neueste Studienerkenntnisse zu Prävention, Behandlung und Reha
Jatros
30
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06.09.2018
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<p class="article-intro">Die 4. European Stroke Organisation Conference (ESOC) demonstrierte ihren beachtlichen Umfang mit Präsentationen der neuesten Ergebnisse aus führenden Studien in den Bereichen Schlaganfallprävention, Akutbehandlung und Rehabilitation. Etwa 4500 Kardiologen, Neurologen und andere Experten in der Behandlung und Pflege von Schlaganfallpatienten aus 90 Ländern besuchten die verschiedenen Präsentationsformate und Netzwerkaktivitäten. Einige Höhepunkte des Treffens in Göteborg sind in diesem Bericht zusammengefasst.</p>
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<p class="article-content"><h2>Wichtige Erkenntnisse aus großen Kollaborationen</h2> <p>TIARegistry.com, ein Forscher-Register mit Daten von 42 Zentren aus 21 Ländern (n=3847 Patienten), untersuchte die Kurz- (1 Jahr) und Langzeitergebnisse (5 Jahre) bei Patienten mit transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder einem geringfügigen ischämischen Schlaganfall, um die Risikobewertung nach TIA oder leichterem Schlaganfall zu präzisieren. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Schlaganfall, Myokardinfarkt oder vaskulärem Tod. Die Ergebnisse zeigten, dass das 5-Jahres-Risiko nach einer TIA oder einem geringfügigen ischämischen Schlaganfall bei großen kardiovaskulären Ereignissen (12,9 % ) und bei wiederkehrenden Schlaganfällen (9,5 % ) hoch bleibt.<sup>1</sup> Die Hälfte der Ereignisse ereignete sich zwischen dem ersten und dem fünften Jahr.<br /><br /> Zwei große Kollaborationen, AURORA und The Stroke Thrombolyse Trialists’ Collaboration, bewerteten, welche Patienten am meisten von einer akuten Schlaganfallbehandlung profitieren könnten.<br /><br /> Für AURORA wurden 458 Patienten in diese vordefinierte Metaanalyse auf Patientenebene der Studien DAWN, DEFUSE 3, ESCAPE, POSITIVE und REVASCAT eingeschlossen. Ziel war die Verbesserung der Genauigkeit der Schätzung der positiven Wirkung der Thrombektomie nach 6 Stunden für akute ischämische Schlaganfälle in Verbindung mit großem Gefäßverschluss und die Identifizierung jener Untergruppen, die am wahrscheinlichsten von dieser Methode profitieren. Im Durchschnitt wurde die Reperfusion nach ungefähr 12 Stunden durchgeführt.<sup>2</sup> Es wurde eine signifikante Verbesserung des funktionellen Outcomes beobachtet, wobei es der Behandlung von 2,5 Patienten bedurfte, um das funktionelle Outcome nach 90 Tagen zu verbessern. 46,7 % der behandelten Patienten versus 16,7 % erreichten ein gutes funktionelles Ergebnis, trotz eines nicht signifikanten Anstiegs der symptomatischen Blutungen (OR 1,75; p=0,26). Sowohl in der Gesamtanalyse von AURORA2 als auch in einer gesonderten Präsentation von Prof. Albers aus der DEFUSE- 3-Studie3 zeigte sich ein größerer offensichtlicher Nutzen bei Patienten mit anhaltender Inkongruenz bei der Bildgebung trotz einer längeren Zeit seit Beginn des Schlaganfalls.<br /><br /> Die Stroke Thrombolysis Trialists’ Collaboration ist eine individuelle Patienten- Metaanalyse von vordefinierten Untergruppen, die randomisiert zu Alteplase im Vergleich zu Placebo sind. Bei 6756 Patienten in neun randomisierten kontrollierten Thrombolysetests bei akutem Schlaganfall zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Nutzen der Thrombolyse gemäß der vordefinierten Untergruppe des Patienten, einschließlich Alter, Geschlecht, Blutdruck, Diabetes, Vorhofflimmern, Schlaganfallgeschichte, Einnahme von Aspirin, und eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schlechten Ergebnisses.<sup>4</sup> Daher sind alle Patienten gleichermaßen für eine Behandlung mit Thrombolyse geeignet.</p> <h2>Schlaganfallversorgung und Rehabilitation</h2> <p>Megastroke, eine große internationale Kollaboration von Experten für Schlaganfallgenetik, bewertete DNA-Proben von mehr als einer halben Million europäischer, nord- und südamerikanischer, asiatischer, afrikanischer und australischer Teilnehmer, von denen 67 000 einen Schlaganfall erlitten hatten. Die Studie identifizierte 22 neue genetische Risikofaktoren für einen Schlaganfall, wobei die Gesamtzahl der Loci 32 betrug.<sup>5</sup> Die Ergebnisse zeigen eine gemeinsame genetische Variation mit etablierten vaskulären Risikofaktoren wie Blutdruck, Koronararterienerkrankung und Vorhofflimmern sowie spezifische Assoziationen mit bekannten Schlaganfall-Subtypen.<br /><br /> SETIN-Hypertension ist eine Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit von therapeutisch induzierter Hypertonie bei Patienten mit akutem nicht kardioembolischem ischämischem Schlaganfall. In die Studie aufgenommen waren 163 Patienten von acht Standorten in Südkorea, um eine standardisierte medizinische Behandlung oder eine induzierte Hypertonie zu erhalten. Die Studie zeigte, dass eine therapeutisch induzierte Hypertonie bei Patienten, die nicht für eine intravenöse Thrombolyse infrage kommen, durchführbar und gut verträglich war.<sup>6</sup> Die Behandlung mit intravenösem Phenylephrin war mit einer frühen neurologischen Verbesserung und einer verbesserten funktionellen Unabhängigkeit nach 3 Monaten verbunden, wobei dies bei 8 Patienten, die eine Behandlung benötigten, zu einer signifikanten Verbesserung führte. Diese Ergebnisse rechtfertigen eine weitere Validierung in einer großen randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie.</p> <h2>Neue Akutbehandlungsmöglichkeiten</h2> <p>POINT: Diese Phase-III-Studie an Patienten, die in den vorangegangenen zwölf Stunden einen geringfügigen ischämischen Schlaganfall oder transiente ischämischen Attacken (TIA) mit hohem Risiko erfahren hatten, untersuchte, ob eine Kombination von Aspirin und Clopidogrel die Rate der großen ischämischen Ereignisse im Vergleich zu Aspirin reduzieren könnte. Das Datenüberwachungsgremium der Studie stoppte die Randomisierung, nachdem 4890 Patienten von geplanten 5840 rekrutiert worden waren. POINT zeigte, dass eine Clopidogrel-Aspirin-Kombination im Vergleich zu Aspirin während einer 90-tägigen Behandlung den primären Endpunkt (Risiko eines ischämischen Schlaganfalls, Myokardinfarkts und ischämischen vaskulären Todes) bei 15 Patienten von 1000 behandelten Patienten verhinderte, auf Kosten von 5 weiteren Patienten, die schwere Blutungen erlitten. <sup>7</sup> Der größte Nutzen der Behandlung wurde in den ersten 30 Tagen gesehen.<br /><br /> Die Phase-III-Studie WAKE-UP (503 Patienten mit akutem Schlaganfall mit unbekanntem Symptombeginn) untersuchte, ob eine erweiterte Bildgebung verwendet werden kann, um die Anzahl jener Patienten zu erhöhen, welchen Gerinnselauflösende Medikamente verabreicht werden, und zwar um die Zahl jener Patienten, die beim Erwachen einen Schlaganfall erleiden. WAKE-UP zeigte, dass bei Patienten mit unbekanntem Symptombeginn und einem MRI-Muster, das ein DWIFLAIR- Mismatch zeigte, ein früherer Zeitpunkt des Auftretens wahrscheinlich war. Die Behandlung mit Alteplase führte zu einem besseren funktionellen Ergebnis nach 90 Tagen bei zusätzlichen 11 % der behandelten Patienten im Vergleich zu Placebo, trotz eines erhöhten Risikos für intrazerebrale Blutungen.<sup>8</sup> Die Effektgröße der MRT-gesteuerten Thrombolyse bei unbekanntem Symptombeginn war vergleichbar mit der Wirksamkeit der Thrombolyse <4,5 Stunden. Es bestand jedoch ein Trend zu einem erhöhten Risiko für einen frühen Tod. Den Autoren zufolge stellen diese Daten einen Paradigmenwechsel bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten mit einem unbekannten Zeitpunkt des Symptombeginns dar. Dies ist die erste positive Studie zur intravenösen Thrombolyse, die auf der Patientenselektion durch fortgeschrittene Bildgebung des Gehirns basiert, ohne dass Informationen über die Zeit des Symptombeginns vorliegen.<br /><br /> DATAS ist eine multizentrische randomisierte, offene, verblindete Studie mit 300 Teilnehmern mit nicht kardioembolischer transitorischer ischämischer Attacke/ ischämischem Schlaganfall (NIHSSScore <9) und diffusionsgewichteten MRT-Volumina <25ml. Diese Phase-II-Sicherheitsstudie untersucht die frühe Antikoagulation mit Dabigatran bei Patienten mit akutem transitorischem ischämischem Schlaganfall als Mittel zur Verringerung von rezidivierenden frühen ischämischen Ereignissen und beurteilt, ob weitere Untersuchungen gerechtfertigt sind. Die Teilnehmer wurden innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn randomisiert zu Aspirin 81mg einmal täglich oder Dabigatran 150/110mg zweimal täglich für 30 Tage. Es gab keine symptomatischen intrazerebralen Blutungen in beiden Gruppen und keinen signifikanten Unterschied in der Rate der asymptomatischen Blutungen bei einer wiederholten MRT-Untersuchung am Tag 30.<sup>9</sup> Dies deutet auf ein ähnliches Sicherheitsprofil von Dabigatran und Aspirin beim akuten ischämischen Schlaganfall hin. (red)</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 4<sup>th</sup> European Stroke Organisation Conference, 16.–18. Mai
2018, Göteborg
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Amarenco P et al.: ESOC 2018; Abstract AS03-004 <strong>2</strong> Jovin T et al.: ESOC 2018; Abstract AS02-037 <strong>3</strong> Albers GW et al.: ESOC 2018; Abstract AS02-026 <strong>4</strong> Lees KR et al.: ESOC 2018; Abstract AS02-011 <strong>5</strong> Dichgans M et al.: ESOC 2018; Abstract AS29-015 <strong>6</strong> Chung JW et al.: ESOC 2018; Abstract AS01-009 <strong>7</strong> Johnston SC et al.: ESOC 2018; Abstract AS03-012 <strong>8</strong> Thomalla G et al.: ESOC 2018; Abstract AS02- 009 <strong>9</strong> Buck B et al.: ESOC 2018; AS01-017</p>
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