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„Resting state“-fMRT – Potenzial und Herausforderung bei Alzheimerdemenz

<p class="article-intro">Mit der zunehmenden Lebenserwartung steigt auch die Anzahl an Personen, die von Demenz betroffen sind. Biomarker, die die Krankheitsprogression beschreiben, werden daher dringend benötigt. Neuere bildgebende Verfahren verweisen auf die Möglichkeit, dass es sich bei der Alzheimerdemenz um ein Diskonnektionssysndrom handelt. Dies kann jedoch durch derzeit etablierte Biomarker nicht abgebildet werden. „Resting state”-Bildgebung, erhoben mittels funktioneller MRT, erwies sich in der jüngeren Vergangenheit als möglicher Kandidat, um die Änderungen der Konnektivität zu erfassen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die wissenschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung besteht im Erhalt des unabh&auml;ngigen und selbstst&auml;ndigen Lebens und der kognitiven Leistungsf&auml;higkeit sowie in der Senkung krankheitsbezogener Kosten. Derzeit werden A&szlig;42 und Phosphor-Tau im Liquor gemeinsam mit Amyloid-PET und strukturellem MRI als die am besten etablierten Biomarker der AD gesehen. Alzheimer wird aber zunehmend als Diskonnektionssyndrom bewertet, sodass die Ver&auml;nderung der funktionellen Konnektivit&auml;t des Gehirns ebenfalls als potenzieller Biomarker der Alzheimerkrankheit infrage kommt. Es wird angenommen, dass die funktionellen Ver&auml;nderungen den strukturellen vorangehen.<sup>1</sup> Gemessen werden diese funktionellen Konnektivit&auml;tsver&auml;nderungen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Es werden funktionelle kortikale Netzwerke, die an kognitiven, motorischen und sensorischen Prozessen beteiligt sind, identifiziert und man versucht, auf Basis von Netzwerk&auml;nderungen Aufschl&uuml;sse &uuml;ber die Krankheitsprogression oder andere Aspekte der Erkrankung (z.B. den kognitiven Status) zu erhalten.<br /> Die &bdquo;Resting state&ldquo;-fMRT nimmt hierbei eine Sonderstellung hinsichtlich der Netzwerkidentifikation ein. Im Vergleich zur konventionellen Aufgaben-basierten fMRT, bei der w&auml;hrend der Untersuchung eine Aufgabe vorgegeben wird, wird bei der &bdquo;Resting state&ldquo;-fMRT die intrinsische Aktivierung des Gehirns gemessen, w&auml;hrend keiner spezifischen Aufgabe nachgegangen wird. Die Erkenntnis, dass das Gehirn auch in Abwesenheit von bewusster Aktivierung spezifische Muster gleichzeitiger Aktivierung von entfernt liegenden Regionen aufweist, stellte sich als bahnbrechend heraus. Das Entscheidende dieser Erkenntnis liegt in der &Auml;hnlichkeit der Netzwerke bei tats&auml;chlicher Durchf&uuml;hrung einer Aufgabe im Vergleich zu deren Abwesenheit.<sup>2</sup><br /> Die gegenw&auml;rtig am h&auml;ufigsten eingesetzten Analysemethoden zur Identifikation der Netzwerke sind die theoriegetriebene &bdquo;Seed&ldquo;-basierte Analysemethode und die theoriefreie &bdquo;independent component Analysis&ldquo; (ICA), mittels deren eine Vielzahl von Netzwerken identifiziert werden kann (Abb. 1). Das Default-Mode-Netzwerk (DMN) ist im Kontext der AD das am h&auml;ufigsten untersuchte. Folgende Gr&uuml;nde k&ouml;nnten f&uuml;r die Popularit&auml;t des Netzwerks entscheidend sein: (1) Es weist eine bedeutende Rolle in der Koordination mit anderen Netzwerken auf, da es bei Beanspruchung des Gehirns seine Konnektivit&auml;t verringert (Deaktivierung w&auml;hrend kognitiver Aufgaben), w&auml;hrend die Konnektivit&auml;t bei geistiger Entspannung wieder zunimmt. (2) Es wurde eine Assoziation mit dem episodischen Ged&auml;chtnis berichtet. Das DMN schlie&szlig;t haupts&auml;chlich den posterioren cingul&auml;ren Kortex (PCC), den Precuneus (Prec), den medialen pr&auml;frontalen Kortex und den Hippocampus ein (Abb. 1A).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1805_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1067" /></p> <h2>Ergebnisse aus der AD-Forschung</h2> <p>&Auml;nderungen der funktionellen Konnektivit&auml;t wurden im gesamten Spektrum der Krankheit, von Mild Cognitive Impairment (MCI) bis zur sp&auml;ten AD, gefunden. Selbst im Prodromalstadium wurden bereits Abweichungen identifiziert.<sup>1</sup> Longitudinale Studien konnten zeigen, dass der posteriore Anteil des DMN (PCC/Prec) eine progrediente Diskonnektion aufweist, w&auml;hrend die Konnektivit&auml;t in frontalen Arealen bei MCI und AD mit kurzer Krankheitsdauer zunimmt, mit Krankheitsprogression jedoch ebenso abnimmt. Diese anf&auml;ngliche Zunahme in frontalen Arealen wurde als kompensatorischer Mechanismus interpretiert. Bemerkenswert ist, dass die Konnektivit&auml;tsver&auml;nderungen im DMN auch dem Verlauf der neuropathologischen Ablagerungen, wie Braak und Braak sie beschrieben haben,<sup>3</sup> &auml;hneln.<br /> Weiters wurden Unterschiede in der funktionellen Konnektivit&auml;t zwischen gesunden Tr&auml;gern und Nichttr&auml;gern des ApoE-&szlig;4-Allels, eines Risikofaktors f&uuml;r AD, bereits vor einer &szlig;-Amyloid-Ablagerung gefunden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der genetische Effekt von ApoE &szlig;4 bereits vor dem Einsetzen pathologischer Ver&auml;nderungen sichtbar ist.</p> <h2>Einsatzm&ouml;glichkeiten in der Diagnose der AD</h2> <p>Das Potenzial der &bdquo;Resting state&ldquo;-fMRT bei AD ist vielf&auml;ltig und soll hier kurz skizziert werden:</p> <ol> <li>Es k&ouml;nnte zur Fr&uuml;herkennung der AD bereits in der prodromalen Phase eingesetzt werden, also in einer Phase, in der die Neurodegeneration noch wenig fortgeschritten ist.</li> <li>&bdquo;Resting state&ldquo; ist insbesondere bei AD leichter einsetzbar als &bdquo;Task&ldquo;-basiertes fMRT, da kein spezifisches Verst&auml;ndnis f&uuml;r eine Aufgabe gegeben sein muss; der Teilnehmer liegt, gleich wie bei der strukturellen Bildgebung, ruhig im Scanner. Dies erleichtert auch eine Implementierung der &bdquo;Resting state&ldquo;-Sequenz in eine Routineuntersuchung, da keine zus&auml;tzlichen Apparaturen ben&ouml;tigt werden.</li> <li>&bdquo;Resting state&ldquo; k&ouml;nnte zur Messung der Wirksamkeit von medikament&ouml;sen Therapien beitragen, da &bdquo;Resting state&ldquo;-Messungen eine nicht invasive, sensitive und seriell einsetzbare Methode darstellen, die auf pharmakodynamische Effekte reagiert.</li> <li>&bdquo;Resting state&ldquo;-Messungen k&ouml;nnten als Tool f&uuml;r die Differenzialdiagnose dienen.</li> </ol> <h2>Herausforderungen auf dem Weg zum klinisch relevanten Biomarker</h2> <p>Es bedarf jedoch noch zahlreicher zuk&uuml;nftiger Entwicklungen vor der Implementierung von &bdquo;resting state&ldquo; als Standardbiomarker. Einige dieser Herausforderungen sind die folgenden: (1) Die wohl gr&ouml;&szlig;te Einschr&auml;nkung der fMRT besteht derzeit in der Interpretierbarkeit der Netzwerk&auml;nderungen auf Einzelpersonenebene; derzeit beruhen alle Ergebnisse auf Gruppenanalysen. Um individuelle Aussagen &uuml;ber die Diagnosen und den Verlauf machen zu k&ouml;nnen, braucht es einen spezifischeren methodischen und analytischen Zugang. (2) Eine schwer zu l&ouml;sende Aufgabe stellt die Differenzierung der &Auml;nderungen in der funktionellen Konnektivit&auml;t, die auf normalen Alterungsprozessen basieren, im Kontrast zu Konnektivit&auml;ts&auml;nderungen beim Auftreten der ADPathologie dar. (3) Die Implementierung eines einheitlichen Scan- und Analyseprotokolls sowie die Homogenisierung der Ein- und Ausschlusskriterien von Untersuchungsteilnehmern zur besseren Vergleichbarkeit der Studienergebnisse. (4) Ein pr&auml;limin&auml;res &Uuml;bereinkommen &uuml;ber die Anzahl der Netzwerke. Die meisten Studien beschreiben zwischen acht und 20 unterschiedliche Netzwerke.</p> <h2>Res&uuml;mee</h2> <p>&bdquo;Resting state&ldquo; hat das Potenzial, eine wichtige Rolle in der AD-Forschung und folglich im klinischen Alltag einzunehmen. Die Krankheitsfr&uuml;herkennung, die Beschreibung des Krankheitsverlaufs und die Wirksamkeit von Medikamenten erwiesen sich bereits in der Vergangenheit als potenzielle Einsatzm&ouml;glichkeit.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Damoiseaux JS: Resting-state fMRI as a biomarker for Alzheimer&rsquo;s disease? Alzheimers Res Ther 2012; 4(2): 8 <strong>2</strong> Smith SM et al.: Correspondence of the brain&rsquo;s functional architecture during activation and rest. Proc Natl Acad Sci U S A 2009; 106(31): 13040-5 <strong>3</strong> Braak H, Braak E: Neuropathological stageing of Alzheimer-related changes. Acta Neuropathol 1991; 82(4): 239-59</p> </div> </p>
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