
©
Getty Images/iStockphoto
„Resting state“-fMRT – Potenzial und Herausforderung bei Alzheimerdemenz
Jatros
Autor:
Ass.-Prof. Mag. Dr. Marisa Koini
Medizinische Universität Graz<br> Univ.-Klinik für Neurologie<br> Abteilung für Neurogeriatrie<br> Graz<br>E-Mail: marisa.koini@medunigraz.at
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt
Medizinische Universität Graz<br> Univ.-Klinik für Neurologie<br> Abteilung für Neurogeriatrie<br> Graz
30
Min. Lesezeit
01.11.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Mit der zunehmenden Lebenserwartung steigt auch die Anzahl an Personen, die von Demenz betroffen sind. Biomarker, die die Krankheitsprogression beschreiben, werden daher dringend benötigt. Neuere bildgebende Verfahren verweisen auf die Möglichkeit, dass es sich bei der Alzheimerdemenz um ein Diskonnektionssysndrom handelt. Dies kann jedoch durch derzeit etablierte Biomarker nicht abgebildet werden. „Resting state”-Bildgebung, erhoben mittels funktioneller MRT, erwies sich in der jüngeren Vergangenheit als möglicher Kandidat, um die Änderungen der Konnektivität zu erfassen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die wissenschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung besteht im Erhalt des unabhängigen und selbstständigen Lebens und der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie in der Senkung krankheitsbezogener Kosten. Derzeit werden Aß42 und Phosphor-Tau im Liquor gemeinsam mit Amyloid-PET und strukturellem MRI als die am besten etablierten Biomarker der AD gesehen. Alzheimer wird aber zunehmend als Diskonnektionssyndrom bewertet, sodass die Veränderung der funktionellen Konnektivität des Gehirns ebenfalls als potenzieller Biomarker der Alzheimerkrankheit infrage kommt. Es wird angenommen, dass die funktionellen Veränderungen den strukturellen vorangehen.<sup>1</sup> Gemessen werden diese funktionellen Konnektivitätsveränderungen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Es werden funktionelle kortikale Netzwerke, die an kognitiven, motorischen und sensorischen Prozessen beteiligt sind, identifiziert und man versucht, auf Basis von Netzwerkänderungen Aufschlüsse über die Krankheitsprogression oder andere Aspekte der Erkrankung (z.B. den kognitiven Status) zu erhalten.<br /> Die „Resting state“-fMRT nimmt hierbei eine Sonderstellung hinsichtlich der Netzwerkidentifikation ein. Im Vergleich zur konventionellen Aufgaben-basierten fMRT, bei der während der Untersuchung eine Aufgabe vorgegeben wird, wird bei der „Resting state“-fMRT die intrinsische Aktivierung des Gehirns gemessen, während keiner spezifischen Aufgabe nachgegangen wird. Die Erkenntnis, dass das Gehirn auch in Abwesenheit von bewusster Aktivierung spezifische Muster gleichzeitiger Aktivierung von entfernt liegenden Regionen aufweist, stellte sich als bahnbrechend heraus. Das Entscheidende dieser Erkenntnis liegt in der Ähnlichkeit der Netzwerke bei tatsächlicher Durchführung einer Aufgabe im Vergleich zu deren Abwesenheit.<sup>2</sup><br /> Die gegenwärtig am häufigsten eingesetzten Analysemethoden zur Identifikation der Netzwerke sind die theoriegetriebene „Seed“-basierte Analysemethode und die theoriefreie „independent component Analysis“ (ICA), mittels deren eine Vielzahl von Netzwerken identifiziert werden kann (Abb. 1). Das Default-Mode-Netzwerk (DMN) ist im Kontext der AD das am häufigsten untersuchte. Folgende Gründe könnten für die Popularität des Netzwerks entscheidend sein: (1) Es weist eine bedeutende Rolle in der Koordination mit anderen Netzwerken auf, da es bei Beanspruchung des Gehirns seine Konnektivität verringert (Deaktivierung während kognitiver Aufgaben), während die Konnektivität bei geistiger Entspannung wieder zunimmt. (2) Es wurde eine Assoziation mit dem episodischen Gedächtnis berichtet. Das DMN schließt hauptsächlich den posterioren cingulären Kortex (PCC), den Precuneus (Prec), den medialen präfrontalen Kortex und den Hippocampus ein (Abb. 1A).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1805_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1067" /></p> <h2>Ergebnisse aus der AD-Forschung</h2> <p>Änderungen der funktionellen Konnektivität wurden im gesamten Spektrum der Krankheit, von Mild Cognitive Impairment (MCI) bis zur späten AD, gefunden. Selbst im Prodromalstadium wurden bereits Abweichungen identifiziert.<sup>1</sup> Longitudinale Studien konnten zeigen, dass der posteriore Anteil des DMN (PCC/Prec) eine progrediente Diskonnektion aufweist, während die Konnektivität in frontalen Arealen bei MCI und AD mit kurzer Krankheitsdauer zunimmt, mit Krankheitsprogression jedoch ebenso abnimmt. Diese anfängliche Zunahme in frontalen Arealen wurde als kompensatorischer Mechanismus interpretiert. Bemerkenswert ist, dass die Konnektivitätsveränderungen im DMN auch dem Verlauf der neuropathologischen Ablagerungen, wie Braak und Braak sie beschrieben haben,<sup>3</sup> ähneln.<br /> Weiters wurden Unterschiede in der funktionellen Konnektivität zwischen gesunden Trägern und Nichtträgern des ApoE-ß4-Allels, eines Risikofaktors für AD, bereits vor einer ß-Amyloid-Ablagerung gefunden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der genetische Effekt von ApoE ß4 bereits vor dem Einsetzen pathologischer Veränderungen sichtbar ist.</p> <h2>Einsatzmöglichkeiten in der Diagnose der AD</h2> <p>Das Potenzial der „Resting state“-fMRT bei AD ist vielfältig und soll hier kurz skizziert werden:</p> <ol> <li>Es könnte zur Früherkennung der AD bereits in der prodromalen Phase eingesetzt werden, also in einer Phase, in der die Neurodegeneration noch wenig fortgeschritten ist.</li> <li>„Resting state“ ist insbesondere bei AD leichter einsetzbar als „Task“-basiertes fMRT, da kein spezifisches Verständnis für eine Aufgabe gegeben sein muss; der Teilnehmer liegt, gleich wie bei der strukturellen Bildgebung, ruhig im Scanner. Dies erleichtert auch eine Implementierung der „Resting state“-Sequenz in eine Routineuntersuchung, da keine zusätzlichen Apparaturen benötigt werden.</li> <li>„Resting state“ könnte zur Messung der Wirksamkeit von medikamentösen Therapien beitragen, da „Resting state“-Messungen eine nicht invasive, sensitive und seriell einsetzbare Methode darstellen, die auf pharmakodynamische Effekte reagiert.</li> <li>„Resting state“-Messungen könnten als Tool für die Differenzialdiagnose dienen.</li> </ol> <h2>Herausforderungen auf dem Weg zum klinisch relevanten Biomarker</h2> <p>Es bedarf jedoch noch zahlreicher zukünftiger Entwicklungen vor der Implementierung von „resting state“ als Standardbiomarker. Einige dieser Herausforderungen sind die folgenden: (1) Die wohl größte Einschränkung der fMRT besteht derzeit in der Interpretierbarkeit der Netzwerkänderungen auf Einzelpersonenebene; derzeit beruhen alle Ergebnisse auf Gruppenanalysen. Um individuelle Aussagen über die Diagnosen und den Verlauf machen zu können, braucht es einen spezifischeren methodischen und analytischen Zugang. (2) Eine schwer zu lösende Aufgabe stellt die Differenzierung der Änderungen in der funktionellen Konnektivität, die auf normalen Alterungsprozessen basieren, im Kontrast zu Konnektivitätsänderungen beim Auftreten der ADPathologie dar. (3) Die Implementierung eines einheitlichen Scan- und Analyseprotokolls sowie die Homogenisierung der Ein- und Ausschlusskriterien von Untersuchungsteilnehmern zur besseren Vergleichbarkeit der Studienergebnisse. (4) Ein präliminäres Übereinkommen über die Anzahl der Netzwerke. Die meisten Studien beschreiben zwischen acht und 20 unterschiedliche Netzwerke.</p> <h2>Resümee</h2> <p>„Resting state“ hat das Potenzial, eine wichtige Rolle in der AD-Forschung und folglich im klinischen Alltag einzunehmen. Die Krankheitsfrüherkennung, die Beschreibung des Krankheitsverlaufs und die Wirksamkeit von Medikamenten erwiesen sich bereits in der Vergangenheit als potenzielle Einsatzmöglichkeit.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Damoiseaux JS: Resting-state fMRI as a biomarker for Alzheimer’s disease? Alzheimers Res Ther 2012; 4(2): 8 <strong>2</strong> Smith SM et al.: Correspondence of the brain’s functional architecture during activation and rest. Proc Natl Acad Sci U S A 2009; 106(31): 13040-5 <strong>3</strong> Braak H, Braak E: Neuropathological stageing of Alzheimer-related changes. Acta Neuropathol 1991; 82(4): 239-59</p>
</div>
</p>