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REM-Schlafstörung bei Demenz und Morbus Parkinson

<p class="article-intro">Morbus Parkinson und Lewy-Körper-Demenz gehören neuropathologisch zur gleichen Krankheitsentität. Sie zeichnen sich neben der Kernsymptomatik (motorische und kognitive Störungen) auch durch Schlafstörungen aus, insbesondere die REM-Schlaf- Verhaltensstörung. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist damit ein Symptom beider Erkrankungen, sie kann beiden Erkrankungen aber auch als Frühsymptom vorausgehen. Daher müssen Patienten mit RBD, die (noch) keine weiteren Symptome einer Parkinsonerkrankung oder einer Lewy-Körper-Demenz aufweisen, im Hinblick auf die Entwicklung von kognitiven und motorischen Störungen gut untersucht werden, um frühzeitig eine Therapie einleiten zu können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Idiopathischer Morbus Parkinson (IMP) und die Lewy-K&ouml;rper-Demenz (&bdquo;Lewy body dementia&ldquo;, LBD) sind neurodegenerative Erkrankungen, die mit Schlafst&ouml;rungen einhergehen. Sie geh&ouml;ren aus neuropathologischer Sicht zu den sogenannten Alpha-Synukleinopathien. Bei diesen Erkrankungen kommt es zur intrazellul&auml;ren Ablagerung von aggregiertem Alpha- Synuklein, einem normalerweise l&ouml;slichen Protein in den Nervenzellen, und damit zur Ausbildung von neuronalen Einschlussk&ouml;rperchen, die sich im Perikaryon der Neurone als Lewy-K&ouml;rper, in den Axonen als Lewy-Neuriten manifestieren und zu definierten Funktionseinschr&auml;nkungen des Gehirns f&uuml;hren.<sup>1, 2</sup><br /><br /> Beide Erkrankungen zeichnen sich neben einer gemeinsamen neuropathologischen Grundlage durch klinische &Auml;hnlichkeiten wie extrapyramidal-motorische St&ouml;rungen, Aufmerksamkeits- und Ged&auml;chtnisst&ouml;rungen, psychopathologische Symptome wie optische Halluzinationen oder auch Schlafst&ouml;rungen aus.<br /><br /> Eine charakteristische Schlafst&ouml;rung, die bei beiden Erkrankungen auftritt, ist die REM-Schlaf-Verhaltensst&ouml;rung (&bdquo;REM Sleep Behavior Disorder&ldquo;, RBD), sie ist damit gleichzeitig ein wichtiges Symptom bei der Differenzialdiagnose von Demenzen (Tab. 1). Die RBD kann aber auch als Fr&uuml;hsymptom dem Auftreten eines IMP oder einer LBD &uuml;ber Jahre vorausgehen. So geht das Krankheitsbild der RBD in ca. 18&ndash;63 % der F&auml;lle in ein idiopathisches Parkinsonsyndrom (IPS) oder eine Multisystematrophie (MSA) &uuml;ber.<sup>3</sup> Auch die Symptome Obstipation, Hyposmie und Miktionsst&ouml;rungen k&ouml;nnen beiden Erkrankungen bereits Jahre vorausgehen.<sup>4</sup></p> <p><sup><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1805_Weblinks_s25_tab1.jpg" alt="" width="922" height="1571" /></sup></p> <h2>REM-Schlaf-Verhaltensst&ouml;rung &ndash; RBD</h2> <p>Die RBD, die zu den sogenannten Parasomnien z&auml;hlt, kann somit als Symptom eines IMP oder einer LBD gesehen werden, sie kann symptomatisch auch bei weiteren Hirnsch&auml;digungen jeglicher Art (Isch&auml;mien, Tumoren, MS), durch entz&uuml;ndliche Prozesse oder auch unter der Gabe bestimmter Medikamente (u.a. Antidepressiva) auftreten. Sie ist aber auch als isoliertes Krankheitsbild im Sinne einer idiopathischen RBD (iRBD) beschrieben (in Oertel et al. 2014)<sup>4</sup>.<br /><br /> Die RBD ist durch eine fehlende Hemmung des physiologisch verminderten Muskeltonus im REM-Schlaf und eine damit einhergehende erh&ouml;hte Muskelaktivit&auml;t charakterisiert. Als Folge treten motorische Bewegungen w&auml;hrend des REMSchlafs auf. Dadurch kommt es u.a. zum Ausagieren von Trauminhalten bis zu fremd- oder selbstsch&auml;digendem Verhalten. <sup>5, 6</sup> Beim Wecken berichten die Patienten h&auml;ufig &uuml;ber Trauminhalte, die mit den beobachteten Bewegungen &uuml;bereinstimmen.<sup>4</sup><br /> Ursache der fehlenden Hemmung ist als Hauptl&auml;sionsort der pontine Coeruleus- Subcoeruleus-Komplex, indem durch die L&auml;sion der inhibitorische Input auf die Muskelaktivit&auml;t wegf&auml;llt.<sup>7</sup> Zus&auml;tzliche Schlafprobleme treten bei RBD lediglich im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf auf und sind durch eine signifikant verminderte Gesamtschlafzeit charakterisiert. Sowohl die NREM-Stadien als auch der REM-Schlaf scheinen nicht wesentlich ver&auml;ndert zu sein. Dar&uuml;ber hinaus treten kognitive Defizite v.a. auf der Ebene des deklarativen Ged&auml;chtnisses und der Visuokonstruktion, aber auch in Teilbereichen der exekutiven Funktionen auf.<sup>8, 9</sup><br /><br /> Bisher ist jedoch nicht gekl&auml;rt, welche Patienten mit RBD eine der o.g. Krankheiten entwickeln und wie diese Patienten sich von denen mit einer idiopathischen RBD unterscheiden lassen. Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass sich RBD-Patienten, die im weiteren Krankheitsverlauf eine Alpha-Synuklein-bedingte Erkrankung entwickeln, im Vergleich zu iRBD-Patienten in einigen Symptomen signifikant unterscheiden. So geht eine RBD bei Patienten, die eine Beeintr&auml;chtigung im Farbensehen haben, signifikant h&auml;ufiger in eine Alpha-Synukleinopathie &uuml;ber und geht &ndash; wie das Symptom der Hyposmie &ndash; der Entwicklung einer Alpha-Synukleinopathie um ca. 5 Jahre voraus.<sup>10, 11</sup><br /><br /> Da die RBD wie oben beschrieben in einen IMP und eine LBD &uuml;bergehen kann, sollten die betroffenen Patienten immer gut in Hinblick auf die Entwicklung motorischer wie auch kognitiver St&ouml;rungen untersucht werden.</p> <h2>Schlafst&ouml;rungen bei Lewy-K&ouml;rper-Demenz</h2> <p>Patienten mit Lewy-K&ouml;rper-Demenz weisen neben dem Auftreten einer RBD weitere Ver&auml;nderungen des Schlafs auf. Die Schlafeffizienz ist vermindert, der Wachanteil nach Schlafbeginn ist erh&ouml;ht mit vermehrten Arousal- Reaktionen, zudem kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Reduktion des REM-Schlafs und einer Verlangsamung der Frequenzen im REM-Schlaf.<sup>12</sup> Die Verlangsamung der REM-Schlaf-Frequenz bei RBD-Patienten ist mit dem Auftreten von kognitiver Verschlechterung verbunden.<sup>13</sup> Zudem muss bei diesen Patienten auch auf das Vorliegen weiterer prim&auml;rer Schlafst&ouml;rungen wie schlafbezogener Atemst&ouml;rungen und Restless Legs oder auch periodischer Beinbewegungen w&auml;hrend des Schlafs (&bdquo;periodic limb movement during sleep&ldquo;, PLMS) geachtet werden.<sup>4</sup></p> <h2>Schlafst&ouml;rungen bei Morbus Parkinson</h2> <p>Neben dem m&ouml;glichen Vorliegen einer RBD h&auml;ngen die bei Patienten mit IMP auftretenden Schlafst&ouml;rungen sowohl von der Dauer als auch der Auspr&auml;gung und Progredienz der Krankheit ab.<sup>4</sup> Dabei tritt neben einer Reduktion der Schlafeffizienz bzw. der Gesamtschlafzeit auch eine St&ouml;rung der Schlafarchitektur auf.<sup>14&ndash;16</sup> Auf kognitiver Ebene entwickeln IMP-Patienten regelm&auml;&szlig;ig Defizite in Teilen der exekutiven Funktionen, des Arbeitsged&auml;chtnisses wie auch des deklarativen Ged&auml;chtnisses. Bei bis zu 50 % der Patienten entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine Demenz.<sup>17&ndash;19</sup><br /><br /> Schlafst&ouml;rungen geh&ouml;ren zu den h&auml;ufigsten nicht motorischen Symptomen beim IMP, nahezu jeder Patient mit IMP leidet im Verlauf der Erkrankung darunter. Am h&auml;ufigsten sind Einschlafst&ouml;rungen, Durchschlafst&ouml;rungen, n&auml;chtliche Akinese und REM-Schlaf-Verhaltensst&ouml;rung (&bdquo;REM sleep behaviour disorder&ldquo;, RBD) mit n&auml;chtlichen Vokalisationen und komplexen Bewegungen. Diese Schlafst&ouml;rungen nehmen mit Progression der Krankheit zu, ebenso die Tagesschl&auml;frigkeit.<sup>4</sup> Schwere Schlafunterbrechungen sind besonders h&auml;ufig bei &auml;lteren Patienten mit On-off-Ph&auml;nomen oder Halluzinationen. Pl&ouml;tzliches Einschlafen w&auml;hrend des Tages tritt etwa 7-mal h&auml;ufiger bei Parkinsonpatienten als bei gesunden &Auml;lteren auf, abh&auml;ngig von der Dauer der Erkrankung und in Zusammenhang mit der Gabe von L-Dopa.<sup>20</sup></p> <h2>Therapie der idiopathischen RBD sowie der RBD bei IMP und LBD</h2> <p>Erstes Ziel bei der Behandlung der RBD muss die Sicherheit des Betroffenen und des Bettnachbarn wegen der erh&ouml;hten Verletzungsgefahr beim Ausagieren der Tr&auml;ume sein. Die Schlafumgebung sollte so eingerichtet sein, dass ein maximaler Schutz f&uuml;r den Betroffenen besteht.<sup>4</sup> In einem n&auml;chsten Schritt sollte die Medikation im Hinblick auf m&ouml;gliche ausl&ouml;sende oder verst&auml;rkende Effekte auf eine RBD &uuml;berpr&uuml;ft und ggf. eine Umstellung der Medikation vorgenommen werden.<br /><br /> Die Behandlung der IMP- und LBDassoziierten RBD und der iRBD unterscheiden sich prinzipiell nicht.<sup>4</sup> Pharmakologisch stehen f&uuml;r die Behandlung der RBD haupts&auml;chlich Clonazepam und Melatonin zur Verf&uuml;gung,<sup>21, 22</sup> wobei die Evidenzlage f&uuml;r beide Substanzen gering ist. Durch Clonazepam wird die phasische REM-Schlaf- Aktivit&auml;t reduziert, eine Wirkung auf die tonische REM-Aktivit&auml;t liegt nicht vor (Einnahme 30min vor dem Zubettgehen, Dosierung 0,25 bis 2mg). Eine Alternative ist Melatonin in einer Dosierung von 3&ndash;12mg ca. 2 Stunden vor dem Zubettgehen. Weitere Medikamente, die beschrieben wurden, sind Rivastigmin, Imipramin, Gabapentin, Carbamazepin, Clonidin, Clozapin, Quetiapin, Pramipexol.<sup>4</sup> Es kann auch ein Behandlungsversuch mit REMSchlaf unterdr&uuml;ckenden Antidepressiva (v.a. SSRI, SNRI) vorgenommen werden.<br /><br /> Unter der urs&auml;chlichen Behandlung mit Dopamin-agonistischen Substanzen bei IMP oder Cholinesterasehemmern bei LBD kann es &ndash; durch die dadurch induzierte Zunahme des REM-Schlafs &ndash; auch zu einer Verschlechterung der RBD kommen, wenngleich f&uuml;r Donepezil auch ein positiver Effekt beschrieben ist.<sup>23</sup> Daher ist beim Einsatz von Cholinesterasehemmern und dopaminergen Substanzen auf eine m&ouml;gliche Entwicklung oder Intensivierung einer RBD zu achten und ggf. die Medikation anzupassen.<br /><br /> In jedem Fall sollten bei beiden Erkrankungen eine m&ouml;glichst optimale Einstellung und Behandlung der Grunderkrankung vorgenommen werden. Es soll aber auch die Auswirkung der Medikation auf den Schlaf insgesamt und insbesondere auf eine potenziell vorliegende REM-Schlaf-Verhaltensst&ouml;rung evaluiert werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Braak H et al.: Staging of brain pathology related to sporadic Parkinson&rsquo;s disease. Neurobiol Aging 2003; 24: 197-210 <strong>2</strong> Stefanis L: a-Synuclein in Parkinson&rsquo;s Disease. Cold Spring Harb Perspect Med 2012; 2; doi: 10.1101/cshperspect.a009399 <strong>3</strong> Iranzo A et al.: Characteristics of idiopathic REM sleep behavior disorder and that associated with MSA and PD. Neurology 2005; 65(2): 247-52<strong> 4</strong> Oertel WH et al.: REM sleep behavior disorder as a prodromal stage of a-synucleinopathies: symptoms, epidemiology, pathophysiology, diagnosis and therapy. Nervenarzt 2014; 85(1): 19-25 <strong>5</strong> Boeve BF et al.: Synucleinopathy pathology and REM sleep behavior disorder plus dementia or parkinsonism. Neurology 2003; 61(1): 40-5 <strong>6</strong> Boeve BF: REM sleep behavior disorder: Updated review of the core features, the REM sleep behavior disorder- neurodegenerative disease association, evolving concepts, controversies, and future directions. Ann N Y Acad Sci 2010; 1184: 15-54 <strong>7</strong> Boeve BF et al.: Pathophysiology of REM sleep behaviour disorder and relevance to neurodegenerative disease. Brain 2007; 130: 2770-88 <strong>8</strong> Massicotte-Marquez J et al.: Executive dysfunction and memory impairment in idiopathic REM sleep behavior disorder. 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