
Pubertätsinduktion und Glukokortikoidtherapie bei Jugendlichen
Bericht:
Mag. Harald Leitner
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Die Standardtherapie der Muskeldystrophie Duchenne (DMD) ist mit zahlreichen Nebenwirkungen assoziiert, die nicht zuletzt die Pubertät und sexuelle Entwicklung der Knaben betreffen. Das dissoziative Glukokortikoid Vamorolon soll die Wirksamkeit von Glukokortikoiden bieten, bei gleichzeitig signifikant geringeren Nebenwirkungen.
Sexuelle Gesundheit erfordert laut WHO-Definition eine positive und respektvolle Einstellung und die Möglichkeit, Sexualität frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt zu leben.1 Physische Behinderung, psychologische Belastung, Schmerzen und Müdigkeit sind jedoch Hindernisse, die eine gelebte Sexualität für Patienten mit DMD erschweren oder verunmöglichen.
Befragt nach ihren Sorgen und Ängsten gaben Jugendliche im Pubertätsalter mit DMD an, am meisten unter ihrer geringen Körpergröße, mangelndem Selbstvertrauen, Kommunikationsproblemen und mangelndem Vertrauen in Pflegende zu leiden.2 Dahinter steht der Wunsch, so zu sein, wie die anderen aus der Peergroup. Besonders bei dieser früh im Leben auftretenden Erkrankung ist es schwierig, eine sexuelle Identität zu entwickeln, die Voraussetzung für erfüllte Sexualität ist. Dazu ist eine positive Einstellung der primären Bezugspersonen wie Eltern oder der medizinischen Betreuungspersonen essenziell. Unsicherheit, fehlendes Wissen, mangelnde Kommunikationsfähigkeit sowie die Einschätzung, dass der Betroffene „zu krank“ ist, stehen jedoch häufig entgegen.
Pubertätsinduktion
Die Pubertät beim Knaben läuft typischerweise im Alter zwischen 9 und 14 Jahren ab. Tritt sie nach dem 14. Lebensjahr ein, spricht man von Pubertätsverzögerung. Die physische Entwicklung während der Pubertät lässt sich anhand der Tanner-Stadien und des Hodenvolumens bestimmen. Laborchemisch gibt die Bestimmung von LH (luteinisierendes Hormon), FSH (follikelstimulierendes Hormon) und des Testosterons Auskunft über den Entwicklungsstand. Darüber hinaus kann der Zustand der Hypophysenfunktion mit einem LHRH-Test geprüft werden.
Die als Standardtherapie bei DMD eingesetzten Glukokortikoide beeinflussen das Wachstum sowie die Pubertät der Betroffenen. So verursachen sie zusätzlich zum krankheitsbedingten Kleinwuchs eine Wachstumshormonverminderung und -resistenz und haben „toxische“ Effekte auf die Wachstumsfuge, wo sie die Differenzierung von Chondro- und Osteoblasten vermindern und die Kollagensynthese reduzieren.3 Bezüglich der Pubertät sind unter Glukokortikoidtherapie ein hypogonadotroper Hypogonadismus sowie verminderte Leydigzellzahlen im Hoden zu beobachten.
In einer Studie wurden 15 Knaben mit DMD im Alter zwischen 12 und 16 Jahren und im Mittel 8 Jahren Glukokortikoidbehandlung über 2 Jahre einer Pubertätsinduktion mittels Testosteron unterzogen.4 Die Behandlung resultierte in einer Steigerung der Wachstumsgeschwindigkeit, einer Reduktion des Körpergewichts sowie einem positiven Effekt auf die Knochen- und Muskelmasse. Nach Absetzen des Testosterons kam es zu einer Zunahme des Hodenvolumens und der Gonadotropinspiegel. Zudem nomalisierten sich bei der Mehrzahl der Probanden die Testosteronspiegel.
Daraus kann geschlossen werden, dass durch die Testosteron-Behandlung ein Reifungsvorgang eingeleitet wurde, der zur Induktion der eigenen Pubertät führte. Weitere Konsequenzen waren die Verbesserung der psychischen Gesundheit und die Steigerung der Lebensqualität.2
Dissoziativer Entzündungshemmer
Vamorolon ist das erste antiinflammatorische Steroidanalogon, das herkömmliche Glukokortikoide in der Behandlung der DMD ersetzen soll.5 Wie Glukokortikoide bindet auch Vamorolon an den Glukokortikoid-Rezeptor (GR) in der Zelle, wobei vorwiegend die antiinflammatorische Transrepression induziert wird, wogegen es zu keiner oder nur geringer Transaktivierung kommt, die im Wesentlichen für die Nebenwirkungen verantwortlich ist. Aufgrund dieser Veränderung der dem GR nachgeschalteten Aktivität gilt Vamorolon als „dissoziativer Entzündungshemmer“. Darüber hinaus ist Vamorolon im Gegensatz zu Glukokortikoiden ein Mineralokortikoid-Rezeptor(MR)-Antagonist. Aufgrund der dualen Affinität zu den beiden Rezeptoren GR und MR ist Vamorolon eine Therapieoption gegen die Inflammation und die DMD-assoziierte Kardiomyopathie.6
Die Wirkung von Vamorolon in zwei Dosierungen im Vergleich zu Prednison und Placebo auf motorische Parameter, das Wachstum, den Knochenstoffwechsel und die adrenokortikotrope Achse (ACTH) wurde in einer klinischen Studie an 121 Knaben mit DMD evaluiert.7 Es zeigte sich, dass sich sämtliche motorischen Parameter unter Vamorolon im Vergleich zu Placebo signifikant verbesserten, wobei die höhere Dosierung die besten Ergebnisse erzielte. Im Gegensatz zu Prednison gingen die Knochenumbau-Marker unter Vamorolon nicht zurück, und das Wachstum wurde weniger beeinträchtigt. In allen Gruppen zeigte sich eine Verminderung der ACTH-stimulierten Cortisol-Ausschüttung sowie eine gesteigerte Inzidenz an Nebenniereninsuffizienzen.
Die Autoren schließen aus diesen Daten, dass Vamorolon eine im Vergleich zu Prednison sicherere Therapieform der Muskeldystrophie Duchenne ist.
Quelle:
UpDate Muskelforschung 2023, 17. 2. 2023, Wien
Literatur:
1 Areskoug-Josefsson K.: OA Musculoskeletal Medicine 2013; 1: 17 2 Wood CL et al.: Neuromuscul Disord 2021; 31: 1259-65 3 McDonald CM et al.: Lancet 2018; 391: 451-61 4 Wood CL et al.: Eur J Endocrinol 2021; 184: 67-79 5 Kourakis S et al.: Orphanet J Rare Dis 2021; 16: 117 6 Heier CR et al.: Life Sci Alliance 2019; 2: e201800186 7 Guglieri M et al.: JAMA Neurol 2022; 79: 1005-14
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