© grinvalds iStockphoto

Nicht-medikamentöse Optionen sind bei Kindern zu bevorzugen

Psychologische Herangehensweise bei kindlichen Kopfschmerzen

Kopfschmerzen machen auch vor Kindern nicht halt – bis zum 12. Lebensjahr haben rund 90% aller Kinder Erfahrung mit Kopfschmerzen gemacht. Dabei wächst sich kindlicher Kopfschmerz nicht von selbst aus, sondern hat ein hohes Chronifizierungspotenzial. Bei ca. 60% der Kinder mit Migräne besteht diese auch noch im Erwachsenenalter fort. Daher müssen häufige, wiederkehrende und chronische Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter ernst genommen und rechtzeitig effektiv behandelt werden. Psychologische Verfahren haben sich dabei als zentrale Behandlungsmassnahmen etabliert.

Keypoints

  • Psychologische Behandlungsmassnahmen bei Kindern und Jugendlichen mit Kopfschmerzen sind verschiedene Verfahren, die v.a. in der Gruppe effektiv und effizient zur Verbesserung der Kopfschmerzen eingesetzt werden können.

  • Eine Behandlung sollte (nach erfolgter Diagnostik) zeitnah begonnen werden, denn kindliche Kopfschmerzen wachsen sich nicht aus – im Gegenteil: Es besteht eine hohe Chronifizierungsrate bis ins Erwachsenenalter.

  • Auch niederschwellige, präventive Ansätze z.B. in der Schule können helfen, die Entstehung oder Chronifizierung kindlicher Kopfschmerzen zu verhindern.

Kopfschmerzen im Kindesalter zu diagnostizieren ist nicht immer einfach – als entscheidende Hilfsmittel neben der Beschreibung der Schmerzen und einer körperlichen und neurologischen Untersuchung dienen dem Behandler für die Diagnosestellung daher auch bei Kindern und Jugendlichen geeignete Kopfschmerztagebücher, in denen alle Informationen über Art, Stärke und Dauer der Kopfschmerzen notiert werden. Auch mögliche Auslöser und Begleitbeschwerden werden erfragt. Manchen Kindern und Jugendlichen fällt es schwer, ihre Kopfschmerzen mit Worten zu beschreiben, dann kann auch eine Zeichnung die eigenen Kopfschmerzen veranschaulichen.

Multiprofessionelle Diagnostik im besten Fall vor der Behandlung

Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter handelt es sich in der Regel um eine primäre Kopfschmerzerkrankung, meist um Spannungskopfschmerz oder Migräne. Die im Folgenden vorgestellten psychologischen Verfahren sind für beide Kopfschmerzformen evaluiert. Nur selten haben Kopfschmerzen bei Kindern sekundäre Ursachen, dennoch sollten diese im Rahmen der ärztlichen Diagnostik zu Beginn der psychologischen Behandlung oder schon davor ausgeschlossen werden. In der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung ist daher eine Vernetzung mit anderen Behandlern, vor allem ärztlichen Kollegen, im Sinne der multimodalen Behandlung essenziell. In (teil-)stationären Behandlungsprogrammen wird diese multiprofessionelle Diagnostik in der Regel vor der Aufnahme in das Gruppenprogramm durchgeführt.

Behandlung orientiert sich am Leidensdruck

Bei der Behandlung kindlicher Kopfschmerzen sollten generell nichtmedikamentöse Massnahmen bevorzugt werden. Treten die Kopfschmerzen eher gelegentlich und mit leichter Intensität auf, können selbst akute Kopfschmerzen durch Schlaf, Ruhe und Entspannung oder durch Ablenkung mit einer positiv besetzten Beschäftigung gebessert werden. Reicht dies – bei stärkeren und häufigen Kopfschmerzen – nicht aus, sollten Medikamente dennoch grundsätzlich nur nach erfolgter Diagnostik und in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. Je häufiger Kopfschmerzen auftreten, desto wichtiger wird eine vorbeugende Behandlung, auch diese bei Kindern und Jugendlichen bevorzugt mit nichtmedikamentösen Massnahmen.

Komplexität kindlicher Kopfschmerzen erfordert bio-psycho-sozialen Behandlungsansatz

Mit zunehmenden Kopfschmerzattacken mehren sich oft Ängste und damit verbundenes Vermeidungsverhalten (vermutete Auslöser, sogenannte «Triggerfaktoren», werden vermieden). Ziehen sich betroffene Kinder und Jugendliche aber von sozialen Kontakten (Freundeskreis, Schule, Freizeitaktivitäten) immer weiter zurück, kann das zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität bis hin zu depressiver Symptomatik führen. Daraus können u.a. schulischer Leistungsabfall, häufige Schulfehltage bis hin zur Schulangst (oder Prüfungsängsten) sowie Konflikte in der Familie resultieren. Dadurch wird das Schmerzerleben aufrechterhalten bzw. weiter verstärkt und ein Teufelskreis ist entstanden. Der Kopfschmerz bei diesen Kindern und Jugendlichen ist dann eine komplexe, meist multifaktoriell entstandene (oder aufrechterhaltene), oft über viele Jahre fortdauernde (und damit chronische) Erkrankung. Die psychologische Herangehensweise bei kindlichen Kopfschmerzen hat daher nicht nur die Besserung der Schmerzen zum Ziel, sondern setzt auch an der Reduktion des Vermeidungsverhaltens sowie der Rückzugstendenzen an, um das soziale Funktionieren und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern. Basierend auf dem bio-psycho-sozialen Modell empfiehlt sich ein multimodaler Behandlungsansatz, um subjektive Beschwerden, die familiäre Situation, Behandlungsmotivation sowie den individuellen Krankheitsverlauf einzubeziehen.

Anwendung als Einzelverfahren

Psychologische Behandlungsmassnahmen können als Einzelstrategien (z.B. durch selbstständiges Erlernen eines Entspannungsverfahrens, Durchführung einer Biofeedbackbehandlung) zur Anwendung kommen. In Studien zeigen sich Entspannungsverfahren und Biofeedbackverfahren ähnlich wirksam. Jedoch haben Entspannungsverfahren den entscheidenden Vorteil, dass sie von Geräten unabhängig im Alltag jederzeit einsetzbar sind (z.B. in Prüfungssituationen in der Schule, in jeglicher Stresssituation). Problematisch ist jedoch der Mangel an (niederschwelligen) Angeboten zum (kindgerechten) Erlernen eines Entspannungsverfahrens. Auch die Durchführung einer Biofeedbackbehandlung ist oft nur in spezialisierten Zentren oder Praxen mit entsprechend wenig Kapazitäten möglich.

Multimodale, psychotherapeutisch orientierte Behandlungsprogramme

Psychologische Massnahmen zur Behandlung kindlicher Kopfschmerzen sind ausserdem im Rahmen einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung im Einzel-/oder Gruppensetting möglich. Vor allem für Kinder und Jugendliche, die besonders stark unter Kopfschmerzen leiden oder bei denen das selbstständige Durchführen von einzelnen Behandlungsmassnahmen keinen ausreichenden Erfolg gebracht hat, empfiehlt sich die Teilnahme an einem ambulanten oder stationären multimodalen Kopfschmerzprogramm. Diese meist in der Gruppe durchgeführten Behandlungsprogramme beinhalten vielfältige psychologisch-verhaltensmedizinische Methoden zur Schmerz- und Stressbewältigung für betroffene Kinder und Jugendliche. Auch die Eltern werden in die Behandlung einbezogen und über Kopfschmerzen und den richtigen Umgang damit informiert. Solche verhaltenstherapeutisch orientierten Trainingsprogramme in der Gruppe (z.B. «Stopp den Kopfschmerz») erreichen eine bedeutsame Verbesserung (60–75%) der Kopfschmerzen. Im Vergleich zu Erwachsenen ist ausserdem eine deutlich geringere Sitzungszahl bei gleichzeitig höheren Erfolgsraten notwendig. Es wird empfohlen, die Behandlung möglichst frühzeitig zu beginnen, zum einen, um eine Chronifizierung bereits im Kindesalter zu verhindern, und zum anderen, da die Erfolgsraten bei Jugendlichen geringer zu sein scheinen.

Präventive Ansätze gegen kindliche Kopfschmerzen

Neben der Behandlung bereits bestehender chronischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter gibt es auch Ansätze, niederschwellig und möglichst präventiv der Entstehung bzw. Chronifizierung einer Kopfschmerzerkrankung vorzubeugen. Die «Kopfschmerz-Schule» beispielsweise stellt online kostenlos fertig ausgearbeitete Unterrichtssequenzen sowie das ergänzende Unterrichtsmaterial für LehrerInnen zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, die SchülerInnen über Kopfschmerzerkrankungen und vorbeugende Verhaltensmassnahmen zu informieren und bei Bedarf spezielle Massnahmen einzuleiten bzw. (Behandlungs-)Empfehlungen zu geben.

Links/Material:
Flyer Patienteninformation «Kopfschmerzen bei Kindern» der DMKG-Initiative «Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen»; www.attacke-kopfschmerzen.de/services (letzter Zugriff am 27.08.2020)

bei der Verfasserin

Back to top