
Pilzinfektion – oder doch etwas anderes?
Bericht: Claudia Benetti
Medizinjournalistin
Review:
Dr. med. Paul Scheidegger
Facharzt Dermatologie und Venerologie
Haut-, Allergie- und Venenpraxis
5200 Brugg AG
Konsiliararzt Kantonsspital Baden und aarReha Schinznach
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Eine Hautmykose lässt sich nicht immer so einfach von einem Ekzem oder einer bakteriellen Hautinfektion unterscheiden. Anamnestische Hinweise auf Tierhaltung oder spezielle Hobbys sowie die klinische Unterscheidung zwischen einem symmetrischen und einem asymmetrischen Befall können aber in der Diagnostik helfen, wie der Vortrag von Dr. med. Paul Scheidegger, Dermatologe in Brugg, am FOMF Allgemeine Innere Medizin Update Refresher zeigte.
Gleich zu Beginn präsentierte der Referent drei Hauptbotschaften: «Mykosen werden in der Allgemeinpraxis viel zu häufig diagnostiziert und behandelt, meistens handelt es sich um eine Pityriasis rosea oder ein nummuläres Ekzem und nicht um eine Pilzerkrankung. Die meisten Fussnagelprobleme sind, insbesondere bei älteren Frauen, durch zu enges Schuhwerk bedingt, das zu kumulativen Destruktionen führt. Eine Systemtherapie soll – wenn überhaupt – nur nach einer mikrobiologischen Analyse durchgeführt werden.»
Eine praxistaugliche Einteilung von Pilzinfektionen erfolgt nach dem DHS-System: Dermatophyten, Hefe- und Schimmelpilze. Dermatophyten können nach dem Übertragungsweg weiter in anthropophile, zoophile und geophile Arten unterteilt werden.
Diagnostik mit Direktpräparat und Kultur
Dermatophyten, zu denen Trichophyten, Mikrosporen und Epidermophyten zählen, sind mit 70% die häufigsten Mykoseauslöser in der dermatologischen Praxis. Sie infizieren auch gesunde Menschen, brauchen für ihre Ausbreitung allerdings ein gewisses Terrain, wie vorgeschädigte Haut oder Nägel. Hefen sind mit 24% die zweithäufigsten Auslöser einer Pilzinfektion. Sie befallen vor allem Schleimhäute, vorwiegend bei immungeschwächten Personen. Praktisch keine Relevanz haben dagegen Schimmelpilze, die meist nur kontaminant anzutreffen sind und in klinisch relevanter Form fast ausschliesslich immungeschwächte Menschen betreffen.
Goldstandard für die Diagnosestellung sind das Direktpräparat und die Kultur. Allerdings ist die Sensitivität der Kultur gering, wenn man eine Hautschuppe ins Labor schickt, da geschätzt 50% der Pilze auf dem Weg von der Praxis zum Labor absterben. «Ich beimpfe die verschiedenen Kulturmedien direkt in der Praxis, wodurch eine deutlich höhere Sensitivität erreicht werden kann», sagte Scheidegger. In Zukunft an Bedeutung gewinnen werden PCR-Tests, die für einige Pilzinfektionen bereits zur Verfügung stehen. Sie sind viel sensitiver als Direktpräparat und Kultur, aber auch deutlich teurer.
«Risikokuscheltier» Meerschweinchen und Katze
«Um eine Pilzinfektion von anderen Ursachen einer Hauterkrankung abzugrenzen, sind anamnestisch Fragen nach Tierhaltung und Hobbys hilfreich», betonte Scheidegger. Die beiden Risikokuscheltiere par excellence sind das Meerschweinchen und neuerdings auch die Katze. «Diese Haustiere erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einer Hautläsion tatsächlich um eine Mykose handelt», so der Referent. Bei Menschen, die sich hobbymässig ausgiebig mit Rosen beschäftigen, ist dagegen das Risiko für eine tiefe Dermatomykose, die Sporotrichose, erhöht.
Pilzbefall an Kopf und Körper
Typisch für eine Tinea corporis sind multipel oder solitär auftretende, ringförmige Plaques mit randständiger Betonung (Abb. 1). In den Krusten am Rand sitzen die vitalen Infektionserreger. Hier wird daher auch die Gewebeprobe für die Mikrobiologie entnommen. «Eine wichtige Differenzialdiagnose bei einer solitären Ringstruktur mit verdicktem Rand ist die Borreliose», erläuterte Scheidegger. Manchmal ist zur Unterscheidung eine kleine Biopsie vom Rand der Läsion nötig. Bei Borreliose finden sich in der Histologie Plasmazellen, bei einem Trichophyten-Befall dagegen neutrophile Zellen. «Machen Sie bei Hautbeteiligung aber auf keinen Fall eine Borrelienserologie, sie hat keine Bedeutung für die aktive Erkrankung», betonte er.
Abb. 1: Tinea corporis im Bereich von Hals und rechter Schulter bei einer jungen Frau (links) und am Arm bei einem Mann (rechts)
Auch im Gesichts- (Tinea facialis) und im Kopfbereich (Tinea capitis) treten Pilzinfektionen auf (Abb. 2) – seit einiger Zeit sogar vermehrt, wie Scheidegger anmerkte.
Ein wichtiges Hilfsmittel in der Diagnostik ist das klinische Befallsbild, also das symmetrische oder asymmetrische Auftreten. «Alles, was sich in Bezug auf die befallenen Körperteile einseitig auf der Haut manifestiert, ist bis zum Beweis des Gegenteils infektiöser Genese und sollte rasch abgeklärt werden – auch mikrobiologisch», erklärte der Referent. Symmetrie dagegen ist nicht typisch für einen Pilzbefall und lässt eher an eine nicht infektiöse Ursache wie ein Ekzem denken.
Hinter einer solitären runden Plaque mit verdicktem Rand verbirgt sich allerdings nicht selten auch ein nummuläres Ekzem. Hier ist es sinnvoll, die Plaque primär als nummuläres Ekzem zu behandeln (z.B. mit Halometason plus Triclosan [Sicorten® plus Creme] zweimal täglich) und erst, wenn es innerhalb von zwei Wochen zu keiner Besserung kommt, in einem weiteren Schritt eine mykologische Diagnostik durchzuführen.
Abb. 2: Tinea capitis am behaarten Kopf (links) und einseitiger fistulierender, entzündlicher Pilzbefall im Bereich des Oberlippenbartes (rechts)
Pityriasis versicolor
Eine Pityriasis versicolor, verursacht durch den Hefepilz Malassezia furfur, kommt ausschliesslich zusammen mit einer Seborrhö vor (Abb. 3). Ohne Seborrhö gibt es kein Sporenwachstum. «Das bedeutet, dass wir die Seborrhö behandeln müssen und nicht den Pilz. Dafür braucht es eine gute Hautpflege und, um Rezidive zu verhindern, sollten die Patienten zweimal pro Woche ein Ketoconazol-haltiges Shampoo (z.B. Terzolin®) verwenden», so Scheidegger.
Tinea manus et pedis versus Ekzem
Beim Handekzem ist die dominante Hand häufig deutlich stärker betroffen als die nicht dominante und kann im Befallsmuster einer Tinea manus (Abb. 4) ähneln. «Um bei Hautläsionen die Symmetrie respektive Asymmetrie beurteilen zu können, muss man daher oft sehr genau hinsehen», betonte der Dermatologe.
Die Tinea pedis wiederum kann klinisch mit dem dyshidrotischen Fussekzem (Abb. 5) verwechselt werden, das zehnmal häufiger vorkommt als ein Pilzbefall am Fuss. Auch hier hilft in der Diagnostik das Befallsbild. «Sind beide Füsse betroffen, handelt es sich praktisch immer um ein dyshidrotisches Fussekzem.» Die Tinea pedis kann klinisch auch wie eine Psoriasis imponieren. «Schauen Sie unbedingt auch den anderen Fuss an; ist er ebenfalls betroffen, handelt es sich um eine Psoriasis und nicht um eine Mykose», riet Scheidegger
Die intertriginöse Tinea pedis, die sich typischerweise mit Hautschüppchen zwischen den Zehen präsentiert, wird am besten mit einer Zink-Cremepaste behandelt. Diese trocknet die mazerierte Haut aus, entzieht Erregern den Nährboden für eine Infektion und beugt einem Erysipel vor. Bei älteren Menschen und Personen mit Diabetes mellitus mit Krallenfüssen und/oder einer peripheren Neuropathie lohnt sich die präventive Anwendung der Cremepaste. «Das einzige rezeptierbare Präparat ist in der Schweiz die Clotrimazol-haltige Imazol® Cremepaste. Die früher verfügbare Zinci pasta mollis ist leider nicht mehr erhältlich», so der Referent.
Nagelpilz – ein hartnäckiger Begleiter
Ein Pilzbefall der Nägel ist, besonders an den Füssen, kein seltener Befund. Ausgelöst wird er meist durch Dermatophyten und imponiert als weisslich-gelbliche bis bräunliche Verfärbung des Nagels ausgehend vom vorderen Rand des Nagels bis hin zur Nagelplatte. «Auch wenn ein Nagel dunkel verfärbt ist, handelt es sich nicht immer um ein Melanom», betonte Scheidegger. Pigmentierte Onychomykosen durch Dermatophyten, Hefe- und Schimmelpilze manifestieren sich klinisch auf die gleiche Art (Abb. 6).
«Die Onychomykose ist stark überdiagnostiziert und kommt häufig gleichzeitig mit einer destruierten Nagelmatrix vor. Da die Heilungschancen bei vorgeschädigtem Nagel sehr schlecht sind und die systemische Therapie mit Terbinafin, die über drei Monate durchgeführt werden müsste, lebertoxisch wirken kann, rate ich – ausser in gewissen Ausnahmen – davon ab, die Onychomykosen zu behandeln», erklärte der Dermatologe. Ausnahmen, in denen eine Systemtherapie allerdings zwingend notwendig ist, sind der mykotische Befall der Nagelmatrix sowie Nagelpilz bei Patienten, die wegen eines Erysipels hospitalisiert werden, oder bei solchen mit chronischem Lymphödem, peripherer Neuropathie, Diabetes oder Durchblutungsstörungen. In Abhängigkeit von Patientenalter und Erregerart werden neben Terbinafin auch Fluconazol oder Itraconazol eingesetzt. «Terbinafin wird tendenziell bevorzugt, weil es im Gegensatz zu den Azol-Antimykotika kaum Interaktionen mit anderen Medikamenten aufweist», so Scheidegger.
Entzündungen im Bereich der Nägel
Bei einer Entzündung im Bereich der Nägel (Panaritium, «Umlauf») ist es in der Praxis meist sehr schwierig, eine Gewebeprobe für eine mikrobiologische Untersuchung zu gewinnen (Abb. 7). «In dieser Situation darf ausnahmsweise blind behandelt werden», so der Referent. Entscheidend sei aber auch hier die Anamnese. Hat sich das Panaritium fulminant innerhalb von drei Tagen entwickelt, handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine Infektion durch Streptokokken oder Staphylokokken, die mit Amoxicillin/Clavulansäure behandelt werden muss. Hat sich die Entzündung langsam über drei oder mehr Wochen entwickelt, weist dies auf eine Candida-Paronychie hin, die mit einem Azol-Derivat (z.B. Fluconazol oder Itraconazol) therapiert wird.
Quelle:
FOMF Allgemeine Innere Medizin Update Refresher, 15. bis 18. November 2023, Zürich
Das könnte Sie auch interessieren:
KI in der Dermatologie
Die Dermatologie zählt zu den Fachgebieten der Medizin, in denen visuelle Befunde eine zentrale Rolle spielen. Die Haut als grösstes Organ des Menschen erlaubt oftmals eine Vorhersage ...
Systemtherapie des HER2-low fortgeschrittenen Mammakarzinoms
HER2-low- und HER2-ultralow-Mammakarzinome stellen besondere Herausforderungen dar, da sie sich sowohl in ihrer Prognose als auch im Therapieansprechen von HER2-positiven und HER2-zero- ...
Die menschliche Haut in der modernen Kunst
Dr. Ralph Ubl, Professor für neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel, stellte sich der schwierigen Herausforderung, einem Raum voller erwartungsvoller Dermatologen das Organ Haut ...