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Alltag mit Morbus Parkinson

Parkinson und Familie

Viele Parkinsonbetroffene stellen sich nach der Diagnose die Frage: „Warum gerade ich?“ Betroffene und deren Angehörige haben für diese neue Situation noch keine angemessene Antwort parat. Wird bei Familienmitgliedern eine unheilbare Erkrankung festgestellt, braucht es anfangs Zeit, sich an die veränderte Situation zu gewöhnen. Der Rückhalt und die Unterstützung der Familie sind für alle Betroffenen besonders wichtig.

Da Parkinson die zweithäufigste neurologische Erkrankung nach Alzheimer ist und in Österreich rund 20000 Menschen an dieser immer noch unheilbaren Krankheit leiden, ist es wichtig, aufzuzeigen, mit welchen Problemen die Betroffenen und ihre Angehörigen täglich zu kämpfen haben. Wenn ein Familienmitglied erkrankt, sind Angehörige immer mitbetroffen. Das gemeinsame Leben und die Zukunftspläne geraten gleichermaßen aus dem Gleichgewicht. Damit nicht alle in eine Schockstarre verfallen, ist es wichtig, dass man über die neue Situation spricht. So fühlt sich der Betroffene mit der neuen Lebenssituation nicht allein gelassen und kann seine Sorgen und Ängste kundtun.

Wie jemand mit einer Situation umgeht, ist natürlich abhängig davon, in welchem Abschnitt des Lebens er sich gerade befindet. Bei älteren Menschen in einer Partnerschaft ändert sich dadurch meist nicht viel, man trägt die neue Situation gemeinsam, auch im Wissen darum, dass man im Lauf des Lebens schon viele schwierige Situationen erfolgreich gemeistert hat.

Bei jüngeren Paaren ist das nicht so selbstverständlich. Betroffene und ihre Partner können oft mit ungewissen Zukunftsaussichten nicht umgehen, und das hat leider oft Trennungen zur Folge. Für die erkrankte Person ist es dann oft schwierig, neue und langfristige Beziehungen aufzubauen. Die Menschen leben dann oft einsam und zurückgezogen.

Erhaltung der Beweglichkeit

Bewegung steigert die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Bei Parkinsonbetroffenen gibt es gerade zu Beginn der Erkrankung keine Einschränkungen und die Betroffenen können nach Herzenslust aktiv sein.

Ein aktiver Lebensstil ist aber auch in der späteren Phase der Erkrankung sehr von Vorteil. Denn Bewegung wirkt einerseits positiv auf Folgeerscheinungen wie Rückenschmerzen oder Muskelsteifheit, und andererseits auf nichtmotorische Symptome wie Müdigkeit und Depression. Deshalb sollte Bewegung ein fixer Bestandteil im Leben eines an Parkinson erkrankten Menschen sein. Überanstrengung sollte aber vermieden werden.

In einigen Krankenanstalten werden Gruppenkurse für Parkinsonbetroffene angeboten. Dort können neue Bekanntschaften geknüpft und Erfahrungen ausgetauscht werden. Und Sport in der Gruppe macht bekanntlich noch mehr Spaß. Die neurologische Therapie der Tirol Kliniken bietet Parkinsonpatienten ein umfangreiches Angebot an Sportaktivitäten wie z.B. Boxen, Turnen in der Parkinsongruppe sowie bei Bedarf Intensiveinheiten über 4 Wochen mit dem „LSVT® Big/Loud“-Programm.

Denn Physiotherapie, Ergotherapie sowie Logopädie sind neben der Medikamentenverabreichung wichtige Säulen der Parkinsonbehandlung. Leider zeigt sich in der Praxis oft, dass es für Betroffene nicht immer einfach ist, die Behandlung regelmäßig in Anspruch zu nehmen, da es einen großen Unterschied macht, ob man in Ballungszentren lebt – und damit in unmittelbarer Nähe zu Krankenanstalten – oder in ländlichen Gebieten, die eine weite Anreise erforderlich machen.

Die Krankheit im Alltag

Bei Menschen, die noch mitten im Berufsleben stehen, kommen sehr viele zusätzliche Belastungen hinzu. Existenzängste sowie verminderter Selbstwert sind nur einige davon. Die Familie ist in diesem Fall stark gefordert, da es immer aufs Neue gilt, den Angehörigen aus dieser für ihn ausweglosen Situation zu holen.

Natürlich zählen zur Familie nicht nur Lebenspartner, sondern auch Kinder, Geschwister, Enkel etc. – alle, die zum Leben eines Menschen gehören. Es ist auch wich-tig, dass Freunde und Arbeitskollegen über die Erkrankung eines Menschen Bescheid wissen. Nur so können sie das erforderliche Verständnis für bestimmte Veränderungen eines betroffenen Menschen aufbringen. Gerade die verlangsamten Bewegungs-abläufe bei der Parkinsonkrankheit stellen in unserer schnelllebigen Zeit eine große Herausforderung für die Erkrankten dar. Denn gewisse Handlungsabläufe können nicht mehr in dem Tempo durchgeführt werden, in dem dies vor der Erkrankung möglich war. Im weiteren Krankheitsverlauf ist es deshalb sehr wichtig, dass das Umfeld des betroffenen Menschen mit viel Geduld und Verständnis für diesen da ist. Natürlich ist das nicht immer möglich, und so kann es im Alltag auch vermehrt zu Konflikten kommen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Angehörige sich vor Augen halten, dass die Veränderung des Betroffe-nen durch die Krankheit geschieht und er diese nicht beeinflussen kann.

Die Parkinsonkrankheit verläuft nicht bei jedem gleich. In den meisten Fällen schreitet sie aber etappenweise über mehrere Jahre voran. Es ist wichtig und rich-tig, die guten Momente und die Freiheit zu genießen, die man trotz Diagnose hat. Trotzdem ist es ratsam, dass die Betroffenen und ihre Familien sich allmählich überlegen, welche Maßnahmen und Hilfsmittel zukünftig erforderlich werden. Das Umfeld der erkrankten Person ist dazu angehalten, die Unterstützung immer an die momentanen Bedürfnisse anzupassen.

Im frühen Stadium führen viele Betroffene ein selbstständiges Leben. An der Aufgaben- und Rollenverteilung ändert sich deshalb zunächst nicht viel. Auch in den sogenannten On-Phasen, in denen die Medikamente im Tagesverlauf besonders gut wirken, können die Betroffenen ihre alltäglichen Aktivitäten allein gut meistern.

In der späteren Phase der Erkrankung bzw. in den Off-Phasen kommt es durch die krankheitsbedingten Beschwerden jedoch oft zu Einschränkungen, und die Erkrankten benötigen oft Hilfe im Alltag. Für die gesunden Partner bzw. Familienmitglieder bedeutet dies, aufmerksam zu bleiben und dem erkrankten Angehörigen trotz aller Schwierigkeiten etwas zuzutrauen und Zeit zu geben. Häufig begehen Angehörige jedoch den Fehler, die erkrankte Person vollständig zu „entlasten“, also von allen Aufgaben des täglichen Lebens zu entbinden. Was zur Folge hat, dass der Erkrankte immer mehr an Selbstwert verliert, denn er verfolgt das Ziel, seine Unabhängigkeit möglichst lange zu wahren, auch wenn normale Alltagshandlungen immer mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Was kann man als Angehöriger tun?

Als Angehöriger möchte man die erkrankte Person bestmöglich unterstützen. In erster Linie ist es wichtig, sich über die Krankheit zu informieren, um Zukunfts-ängsten zu begegnen und eine gute Hilfeleistung zu gewährleisten. Es ist eine Unterstützung für die Betroffenen, wenn die Angehörigen sie bei Arztbesuchen sowie bei Besuchen in Selbsthilfegruppen begleiten. Diese Besuche sind auch für Angehörige von großer Bedeutung. In Gesprächen mit Ärzten, Pflegepersonal, Therapeuten sowie Personen aus Selbsthilfegruppen kann auch die Familie wieder neue Kraft schöpfen. Man erhält vielleicht Antworten auf offene Fragen und Unsicherheiten und kann später mit verschiedenen Situationen besser umgehen.

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Parkinsonbetroffene brauchen bei fortschreitendem Krankheitsverlauf immer mehr Unterstützung von ihren Angehörigen. Diese sollten dafür frühzeitig sensibilisiert werden

Der Bedarf an Unterstützung verändert sich mit dem Verlauf der Erkrankung. Es kann dann oft auch zu tageszeitlichen Un-terschieden kommen. Deshalb ist eine genaue Medikamenteneinnahme unumgänglich für das Wohlbefinden von Parkinsonbetroffenen. Da muss der Angehörige zu Beginn vielleicht unterstützend zur Seite stehen und die betroffene Person an die Einnahme erinnern. In den meisten Fällen sind Parkinsonbetroffene aber selbst sehr genau mit der Medikamenteneinnahme. Wenn noch Kinder im gemeinsamen Haushalt leben, sollte man offen über die Erkrankung des Angehörigen sprechen. Sie sollen auch wissen, warum dieser plötzlich nicht mehr wie gewohnt am Familienalltag teilnehmen kann. Für Kinder ist auch wichtig, zu wissen, dass sie keine Angst haben müssen, in gewohnter Art und Weise mit dem erkrankten Familienmitglied umzu-gehen. So können Hilfeleistungen wie Unterstützung beim Einkaufen oder Aus der Zeitung-Vorlesen die Bindung stärken.

Partnerschaft und Sexualität bei Morbus Parkinson

Auch im 21. Jahrhundert stellt Sexualität nicht nur bei chronisch Erkrankten nach wie vor ein Tabuthema dar. Viele Betroffene scheuen sich immer noch davor, mit ihrem Vertrauensarzt darüber zu sprechen. Dabei haben gerade Parkinsonbetroffene sehr mit den motorischen Einschränkungen zu kämpfen. Denn der oft rasche Wechsel vom On ins Off, der Tremor, die Rigidität sowie die Hypersalivation erschweren die sexuelle Aktivität. Der Partner weiß auch oft nicht, wie er mit dieser Situation umgehen soll. So entsteht rasch ein Teufelskreis aus Versagensängsten mit zusätzlicher Einschränkung der sexuellen Funktion. Oft ist es nicht möglich, dass Paare durch gemeinsame Gespräche die Probleme beseitigen können, und es ist unumgänglich, dass sie mit ihrem Vertrauensarzt darüber sprechen. Gerade die Gespräche über Wünsche und Ängste in einer Partnerschaft können zur Lösung vieler Probleme beitragen.

Abschließend möchte ich anmerken, dass es sehr wichtig wäre, ein flächendeckendes und leicht zugängliches Informationsangebot für Erkrankte sowie deren Angehörige zu schaffen. Da die Parkinsonkrankheit eine vielschichtige Erkrankung ist, muss ein niederschwelliges und multiprofessionelles Versorgungsangebot für Betroffene geschaffen werden, das es den Familien erleichtert, den Betroffenen so lange wie möglich im gewohnten Umfeld zu betreuen. Denn viele Familien von Parkinsonbetroffenen versorgen ihre Angehörigen selbst und leisten tagtäglich Großartiges.

1Ebersbach G et al.: Pflege von Menschen mit Parkinson, 2021: 11-25; online: www.ucbcares.de/patienten/de/content/128622270/familie-partnerschaft , 15. Sept. 2023, virtuell

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