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Die medikamentöse Therapie des idiopathischen Parkinsonsyndroms

Nicht sparen, sondern die Lebensqualität im Auge behalten

Vor nunmehr über 200 Jahren wurde das idiopathische Parkinsonsyndrom durch James Parkinson beschrieben und wir sind immer noch nicht in der Lage, diese Erkrankung zu heilen. Insbesondere zu Beginn können wir aber die Beschwerden medikamentös und im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf auch durch invasive Therapiemassnahmen gut beeinflussen.

Bekanntermassen handelt es sich um eine hypokinetische Bewegungsstörung mit einem typischerweise asymmetrisch auftretenden motorischen Parkinsonsyndrom, bestehend aus Rigor, Bradykinesie und pathologischen Stellreflexen. Besonders charakteristisch ist ein Ruhetremor mit einer Frequenz von 5–6Hz, welcher bei kognitiver Aktivität (rückwärts rechnen lassen) zunimmt und bei Initiierung einer Bewegung verschwindet, bevor er möglicherweise im Sinne eines Re- Emerging wieder auftritt. Letzteres ist pathognomonisch für das idiopathische Parkinsonsyndrom (IPS). Auch wenn das fortgeschrittene Lebensalter weiterhin der grösste Risikofaktor für das Auftreten eines IPS ist, sind viele Patienten unserer Bewegungsstörungsambulanzen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung jünger als 40 Jahre. Sie stehen somit in ihrer beruflichen und familiären Lebensmitte und haben einen langen Krankheitsverlauf vor sich, mit entsprechend grosser Wahrscheinlichkeit, dass sich Komplikationen und schwer lösbare Situationen ergeben. Sie werden an dieser Erkrankung nicht sehr viel früher sterben als Personen, die nicht daran erkrankt sind, müssen aber lernen, damit zu leben.

Die Parkinsonkrankheit ist eine progrediente neurodegenerative Störung. In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass dem motorischen Parkinsonsyndrom häufig eine Reihe nicht motorischer Symptome wie autonome Störungen (Verstopfung, Blutdruckregulationsstörungen, sexuelle Dysfunktion, Blasenstörungen, Schlafstörungen und psychiatrische Beschwerden) vorausgehen können. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sind bereits 50% der dopaminergen Neurone zugrunde gegangen. Im weiteren Krankheitsverlauf entwickeln die Patienten nach einem initial guten Ansprechen auf L-Dopa (Honeymoon-Phase) Wirkungsfluktuationen, L-Dopa-induzierte Dyskinesien und ausgeprägte «On/Off»-Phänomene.1

Makroskopisch zeigt sich der dopaminerge Zelluntergang im Sinne eines Verlustes der Substantia nigra, deren Melaninfärbung in der Tiefe des zentralen Nervensystems liegen, zu welchem kein Licht vordringt, was weiterhin ein gewisses Mysterium ist. Nuklearmedizinisch können wir das präsynaptische dopaminerge Defizit unter anderem mit einem DATScan-SPECT erfassen. Dies hilft uns, es z.B. von Dystonien oder einem essenziellen Tremor zu differenzieren, nicht jedoch von anderen, atypischen Parkinsonsyndromen wie der progressiven supranukleären Blickparese, der Multisystematrophie oder der kortikobasalen Degeneration.2

Das idiopathische Parkinsonsyndrom ist eine Alpha-Synucleinopathie, deren histopathologisches Korrelat der Nachweis von Lewy-Körperchen im zentralen Nervensystem, aber auch im übrigen gesamten Menschen ist. Wir können durchaus von einer Multisystemerkrankung sprechen, da sich Lewy-Körperchen auch in den Speicheldrüsen, im Magendarmtrakt, in der Haut, in sympathischen Ganglien usw. finden.3

Vieles spricht dafür, dass Alpha-Synuclein neurotoxisch ist. So kann es zu einer Down-Regulation der mitrochondrialen Komplex-1-Aktivität führen, Schädigungen des endoplasmatischen Reticulums hervorrufen, neuroinflammatorisch wirken, eine Störung der Zellmembranintegrität bewirken, das Ubiquitin-Proteasom-System, welches für den Abbau von Alpha-Synuclein verantwortlich ist, inhibieren und die lysosomalen Abbauprozesse hemmen.4

Unter diesem Gesichtspunkt wäre es therapeutisch am wichtigsten, die Anhäufung von Alpha-Synuclein zu verhindern. Hierzu gibt es tatsächlich erste therapeutische Ansätze. Patienten, welche unter der lysosomalen Speichererkrankung Morbus Gaucher mit der entsprechenden genetischen Mutation (GBA1-Gen) leiden, zeigen ein erhöhtes Risiko, ein Parkinsonsyndrom zu entwickeln. Die GBA1-Gen-Mutation ist so mit ein wichtiger genetischer Risikofaktor für das Parkinsonsyndrom. Die Glucocerebrosidase-Aktivität ist auch bei anderen Parkinsonpatienten vermindert und somit einer erhöhten Anhäufung von Alpha-Synuclein assoziiert. Der Hustenlöser Ambroxol steigert die Glucocerebrosidase-Aktivität und erleichtert den Transport von Glucocerebrosidase zum Lysosom. Er könnte somit den Abbau von Alpha-Synuclein beschleunigen. Dies konnte in einer ersten Studie gezeigt werden, wobei noch weitere kontrollierte Phase-III- Studien nötig sind.5

Bis dahin steht uns aber die Vielzahl der verschiedenen medikamentösen Therapien zur Verfügung, die wir ausschöpfen sollten (Tab. 1). Die Wirksamkeit dieser Medikationen ist in vielen kontrollierten Studien untersucht worden.6

Mit diesen medikamentösen Therapien gelingt insbesondere zu Beginn der Parkinsonerkrankung eine Besserung der Beschwerden, wir sprechen in dieser Zeit von einer «Honeymoon-Phase». Dies kann sich jedoch im Langzeitverlauf zu einem verlorenen Paradies entwickeln, da es zu Wirkungsfluktuationen, nicht motorischen Fluktuationen, verzögerten Ons und Offs, Dyskinesien, Dystonien und psychiatrischen Nebenwirkungen kommen kann.

Dies führte dazu, dass wir in der Vergangenheit jüngere Patienten, d.h. Menschen zwischen 60 und 70 Jahren, primär mit Dopaminagonisten behandelt haben, um im Langzeitverlauf L-Dopa einzusparen. Neuere Publikationen stellen jedoch dieses Vorgehen infrage. Es stellt sich die Frage wann, warum und wie mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden soll.7

Bis heute steht uns keine neuroprotektive Substanz zur Verfügung. Viele Untersuchungen seit Anfang der 1990er-Jahre haben leider nur negative Ergebnisse gebracht. Dies gilt für Substanzen wie Tocopherol, Deprenyl und andere Antioxidanzien. Ebenso stellte sich die Frage, ob L-Dopa selbst neurotoxisch ist, worauf sich in der Grundlagenforschung ebenfalls Hinweise ergeben haben.8

Die ELLDOPA-Studie von 20049 untersuchte an 361 Patienten unterschiedliche Dosen von L-Dopa. Die Patienten wurden über 40 Wochen behandelt und einer zweiwöchigen Auswaschphase unterzogen. Es zeigte sich, dass nach Abschluss der Studie die motorische Verschlechterung, gemessen mit der üblicherweise angewandten UPDRS-Skala, in der Gruppe, die 600mg L-Dopa, erhielt sogar geringer war als in der Placebogruppe. So stelle sich die Frage ob, L-Dopa sogar neuroprotektiv sein könnte. Begleitende nuklearmedizinische Untersuchungen ergaben jedoch auch zum Teil verminderte präsynaptische dopaminerge Anreicherungen, was wiederum für eine Schädigung der dopaminergen Neurone durch L-Dopa sprechen könnte. Klarheit in diese Diskussion brachte die LEAP-Study von 2019.10 Hier wurde das „Delayed start“-Design verwendet, was die beste klinische Methode zu sein scheint, um Neuroprotektion zu erforschen. 345 Patienten, die in einem frühen Stadium erkrankt waren, erhielten entweder 300mg L-Dopa oder Placebo. Nach 40 Wochen erhielten beide Gruppen die gleiche Dosis L-Dopa wiederum für 40 Wochen. Nach 80 Wochen zeigte sich kein Unterschied in der Symptomausprägung oder im Grad der Verminderung der Lebensqualität und kein Unterschied im Auftreten von motorischen Fluktuationen und Dyskinesien. Somit ergab sich kein Hinweis auf einen neuroprotektiven Effekt, aber auch kein Hinweis auf einen schädlichen Effekt von L-Dopa. Daraus ergibt sich, dass die Indikation für eine medikamentöse Therapie bessere Lebensqualität durch Verbesserung der motorischen Funktion sein sollte und nicht die Hoffnung auf Neuroprotektion. Dies wird durch eine andere Untersuchung an Parkinsonpatienten in Italien und Ghana bestätigt.11 Hier wurden 91 Patienten aus Ghana und Italien untersucht. Die Patienten in Ghana erhielten später Levodopa als die in Italien. Die Dauer bis zum Auftreten von Dyskinesien und Fluktuationen war im Krankheitsverlauf ähnlich. Die Patienten aus Ghana erlitten nicht später Komplikationen, nur weil L-Dopa später eingesetzt wurde.

Demnach hängt das Auftreten von Dyskinesien nicht mit der Dauer der L-Dopa-Therapie, sondern wahrscheinlich mit der Krankheitsdauer selbst zusammen. Auch diese Ergebnisse sprechen dafür, dass der verzögerte Einsatz von L-Dopa dazu führt, dass Patienten mehr unter den Beschwerden der Parkinsonkrankheit leiden, aber nicht dazu, dass später Dyskinesien auftreten. Man kann also einerseits zwischen der Strategie, früh mit L-Dopa zu beginnen, und andererseits der Strategie, L-Dopa zu sparen, unterscheiden und wählen. Wird früh mit L-Dopa begonnen, haben die Patienten die Möglichkeit, von der guten Wirksamkeit von L-Dopa zu profitieren. Im Langzeitverlauf kommt es jedoch zu Wirkungsfluktuationen, auf welche wir dann entsprechend mit unserer medikamentösen Einstellung reagieren müssen. Dank der heutzutage verfügbaren invasiven Therapiemöglichkeiten können wir diesen Patienten jedoch viel anbieten, einschliesslich auch die Möglichkeit der tiefen Hirnstimulation.

Dagegen zeigt die Strategie, L-Dopa zu sparen und primär mit Dopaminagonisten zu behandeln, in gewisser Hinsicht eher Nachteile. Dopaminagonisten sind weniger gut wirksam als L-Dopa und es mangelt den Patienten entsprechend an Lebensqualität. Ebenso können zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen der Dopaminagonisten, z.B. Impulskontrollstörungen, auftreten, worunter die Patienten selbst, aber auch die Familien sehr leiden. Im Langzeitverlauf steht uns die Behandlung durch eine intrajejunale Gabe von L-Dopa (Duodopa®) zur Verfügung, wovon viele Patienten sehr profitieren. Ebenso konnte eine neue Studie zeigen, dass auch weiterhin Apomorphin, s.c. über eine Pumpe, aber auch – für schwere Off-Phasen – über einen Pen applizierbar, die Lebensqualität stark verbessern kann.12 Das heisst, in diesem Moment, nach Ausschöpfen der medikamentösen Therapien und bestehender eingeschränkter Lebensqualität der Patientinnen und Patienten, muss dringend daran gedacht werden, auch invasive Therapien wie die Gabe von Duodopa®, Apomorphin, aber auch stereotaktische Operationen wie die tiefe Hirnstimulation zu nutzen. Möglicherweise kann Apomorphin zukünftig auch sublingual angewendet werden, wie eine neuere Phase-III-Studie zeigen konnte. Das Wirkprinzip ist vielversprechend, allerdings brach ein Drittel der Patienten die Studie aufgrund von oropharyngealen Nebenwirkungen ab. Hier müssen noch die Langzeiterfahrungen abgewartet werden.13

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Parkinsonkrankheit nicht heilbar, aber gut behandelbar ist, insbesondere zu Beginn. Die Einleitung einer medikamentösen Therapie mit L-Dopa sollte zum Ziel haben, die Lebensqualität zu verbessern, aber nicht, L-Dopa zu sparen, um neuroprotektiv zu wirken. Leider ist bis heute keine neuroprotektive Substanz verfügbar. Beim Beginn von Wirkungsfluktuationen und Dykinesien sollte frühzeitig auch an eine invasive Therapie (Apomorphin, Duodopa, tiefe Hirnstimulation) gedacht werden. An dieser Stelle sei betont, dass bei unseren Parkinsonpatienten auch alle nicht medikamentösen Therapiestrategien dringend ausgeschöpft werden sollten. Hierzu gehören regelmässige Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage, Ergotherapie, Logopädie, achtsame Bewegungstherapie wie z.B. Tai-Chi und die eindringliche Empfehlung, allgemein in Bewegung zu bleiben und regelmässig Sport zu treiben.

1 Kalia LV, Lang AE: Parkinson’s disease. Lancet 2015; 386(9996): 896-912 2 Kägi G et al.: The role of DAT-SPECT in movement disorders. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2010; 81(1): 5-12 3 Tolosa E, Vilas D: Peripheral synuclein tissue markers: a step closer to Parkinson’s disease diagnosis. Brain 2015; 138(Pt 8): 2120-2 4 Naomi P Visanji et al.: Beyond the synucleinopathies: alpha synuclein as a driving force in neurodegenerative comorbidities. Transl Neurodegener 2019; 8: 28 5 Mulin S et al.: Ambroxol for the treatment of patients with Parkinson disease with and without glucocerebrosidase gene mutations: a nonrandomized, noncontrolled trial. JAMA Neurol 2020 7(4): 427-34 6 Fox SH et al.: International Parkinson and movement disorder society evidence-based medicine review: Update on treatments for the motor symptoms of Parkinson’s disease. Mov Disord 2018; 33(8): 1248-1266 7 De Bie RMA et al: Initiation of pharmacological therapy in Parkinson’s disease: when, why, and how. Lancet Neurol 2020; 19(5):452-61
8 Burbulla LF et al.: Dopamine oxidation mediates mitochondrial and lysosomal dysfunction in Parkinson’s disease. Science 2017; 357(6357): 1255-61 9 Fahn S et al.: Levodopa and the progression of Parkinson‘s disease. N Engl J Med 2004; 351(24): 2498-508 10 Verschuur CVM et al.: Randomized delayed-start trial of levodopa in Parkinson’s disease. N Engl J Med 2019; 380(4): 315-24
11 Cilia R et al.: The modern pre-levodopa era of Parkinson’s disease: insights into motor complications from sub-Saharan Africa. Brain: 2014; 137(Pt 10): 2731-42 12 Katzenschlager R et al.: Apomorphine subcutaneous infusion in patients with Parkinson’s disease with persistent motor fluctuations (TOLEDO): a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2018; 17(9): 749-59 13 Olanaow CW et al.: Apomorphine sublingual film for off episodes in Parkinson’s disease: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 3 study. Lancet Neurol 2020; 19(2): 135-44

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