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Nebenwirkungen nach mechanischer Thrombektomie
Jatros
Autor:
Mag. Robert Emprechtinger
Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment, Wien<br> E-Mail: robert.emprechtinger@hta.lbg.ac.at
30
Min. Lesezeit
09.03.2017
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<p class="article-intro">Die mechanische Thrombektomie beim ischämischen Schlaganfall stellte sich als wirksame Behandlungsmethode für ausgewählte Patienten heraus. Allerdings zeigen die Daten auch ein erhöhtes Risiko für Subarachnoidalblutungen, Vasospasmen und neuerliche Schlaganfälle.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die mechanische Thrombektomie mittels Stent Retriever konnte zeigen, dass sie für eine sorgfältig ausgewählte Patientengruppe eine wirksame Behandlung des ischämischen Schlaganfalls darstellt.</li> <li>Gerade deshalb ist es wichtig, ein besonderes Augenmerk auf potenzielle Nebenwirkungen zu richten. Hier sind Subarachnoidalblutungen, Vasospasmen und neue Schlaganfälle von besonderer Bedeutung.</li> <li>All diese Nebenwirkungen stehen miteinander in Verbindung und wurden in den Studien vermehrt nach einer mechanischen Thrombektomie mittels Stent Retriever beobachtet.</li> <li>Dementsprechend sollten diese Nebenwirkungen in der Nachsorge, der Routinedokumentation (z.B. in Registern) und der zukünftigen Studienplanung besonders berücksichtigt werden.</li> </ul> </div> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1701_Weblinks_seite31_web.jpg" alt="" width="820" height="249" /></p> <p>Der Schlaganfall ist nach der koronaren Herzkrankheit die zweithäufigste Todesursache in Europa. Doch auch wenn der Schlaganfall überlebt wird, sind oft weitreichende Einschränkungen im Leben der Patienten die Folge. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der ischämische Schlaganfall, der mit fast 9 von 10 Fällen deutlich häufiger auftritt als der hämorrhagische Schlaganfall (Hirnblutung). Um bleibende Schäden oder Tod durch Sauerstoffmangel bei einem ischämischen Schlaganfall zu verhindern, zielt die Therapie darauf ab, die Durchblutung möglichst schnell wiederherzustellen. Dies geschieht in der Regel mittels blutverdünnender Medikamente. Neue Verfahren ermöglichen es nun, das Gerinnsel, welches für den Schlaganfall verantwortlich ist, mechanisch zu entfernen („mechanische Thrombektomie“).</p> <h2>Stent Retriever</h2> <p>2015 wurden fünf Studien veröffentlicht, die zeigten, dass die mechanische Thrombektomie mittels eines bestimmten Devices eine wirksame Behandlungsmethode für ausgewählte Patienten mit ischämischem Schlaganfall ist. Dieses als „Stent Retriever“ bezeichnete Device ist ein selbstexpandierendes Drahtgeflecht, welches mit einem Katheter intravaskulär zu dem Gerinnsel geführt wird. Mithilfe dieses Drahtgeflechts, welches im expandierten Zustand das Gerinnsel umschließt, kann das Gerinnsel entfernt werden.</p> <h2>Wirksamkeit und Patienten</h2> <p>Die fünf Primärstudien zeigten, dass durch die mechanische Thrombektomie die Wahrscheinlichkeit für bleibende Behinderungen reduziert werden kann. Die Sterblichkeit blieb allerdings unverändert. In allen Primärstudien wurden lediglich Patienten behandelt, bei denen sich der Gefäßverschluss im anterioren Kreislauf ereignete. Außerdem wurde vorausgesetzt, dass seit dem Einsetzen der Symptome ein bestimmtes Zeitfenster nicht überschritten wurde (das größte Zeitfenster war 12h). Das Mindestalter aller Patienten war 18 Jahre und es wurde meistens auch eine gewisse Schwere der Symptomatik vorausgesetzt (z.B. NIHSS ≥2). Diese Auswahlkriterien führten dazu, dass nur ein geringer Teil der Patienten mit ischämischem Schlaganfall tatsächlich für die mechanische Thrombektomie infrage kam.</p> <h2>Ergebnisse aus systematischen Übersichtsarbeiten</h2> <p>Als Reaktion auf diese Publikationen folgte eine Reihe von systematischen Übersichtsarbeiten, die die Ergebnisse der Primärstudien zusammenfassten und dabei auch potenzielle Nebenwirkungen genauer betrachteten. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass die Thrombektomie mittels Stent Retriever bei einer bestimmten Patientengruppe wirksam und, bis auf asymptomatische Hirnblutungen, auch frei von Nebenwirkungen ist. Lediglich in einer dieser systematischen Übersichtsarbeiten zeigte sich eine statistisch nicht signifikante Tendenz zu vermehrten neuerlichen Schlaganfällen nach der mechanischen Thrombektomie.</p> <h2>Auslöser von neuerlichen Schlaganfällen</h2> <p>Vasospasmen sind als Auslöser für Schlaganfälle bekannt. Diese krampfartigen Gefäßverengungen, die zu einer massiven Reduktion der Durchblutung (bis hin zu ischämischen Schlaganfällen) führen können, werden wiederum häufig von Subarachnoidalblutungen ausgelöst. In einem aktuellen Bericht des Ludwig-Boltz­mann-Instituts für Health Technology <br />Assessment wertete man daher die Daten der Primärstudien in Verbindung mit diesem Nebenwirkungskomplex aus. Es wurde in der statistischen Analyse ein statistisch signifikantes dreifach erhöhtes Risiko für Subarachnoidalblutungen, verbunden mit der Thrombektomie, festgestellt („fixed effects model“: RR: 3,27; 95 % CI: 1,08–9,91; p=0,036; „random effects model“: RR: 3,19; 95 % CI: 1,04–9,76; p=0,042). Nur eine Primärstudie berichtete auswertbare Ergebnisse zu Vasospasmen: Alle 14 Fälle wurden in der Interventionsgruppe festgestellt. Bei neuerlichen Schlaganfällen konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang mit der Thrombektomie abhängig von der statistischen Berechnungsmethode signifikant oder nicht signifikant wurde („fixed effects model“: RR: 3,60; 95 % CI: 1,59–8,15; p=0,002; „random effects model“: RR: 3,09; 95 % CI: 0,86–11,11; p=0,08). Wie bei Subarachnoidalblutungen deuten auch hier die Ergebnisse auf ein etwa dreifach erhöhtes Risiko für neue Schlaganfälle durch die mechanische Thrombektomie hin.</p> <h2>Patientenauswahl und Nachsorge</h2> <p>Diese Ergebnisse stellen die Wirksamkeit der mechanischen Thrombektomie für die definierte Patientengruppe nicht infrage. Sie zeigen aber, dass die Behandlung mit Nebenwirkungen verbunden sein kann, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Vor allem in Verbindung mit der Tatsache, dass die mechanische Thrombektomie nun in Österreich, wie auch in anderen Ländern, zunehmend häufig eingesetzt wird oder werden soll, sind diese Ergebnisse von besonderer Bedeutung. Zum einen kann durch das Wissen von der erhöhten Wahrscheinlichkeit für wichtige Nebenwirkungen ein Schwerpunkt in der Nachsorge gelegt werden, zum anderen zeigen diese Nebenwirkungen auch, dass vorsichtig abgewogen werden muss, ob die Patienten tatsächlich die Voraussetzungen für die mechanische Thrombektomie erfüllen. Es gilt auch bei dieser Behandlung abzuwägen, ob der zu erwartende Nutzen das Risiko der Nebenwirkungen überwiegt.</p> <h2>Ergebnisse auch für künftige Forschung relevant</h2> <p>Abgesehen davon, sind die Ergebnisse auch für die weitere Forschung im Bereich der Thrombektomie relevant. Es ist wichtig, diese Nebenwirkungen in zukünftigen Studien und bei der Datenspeicherung in Schlaganfallregistern zu berücksichtigen. Dadurch können eventuell Risikogruppen oder Bedingungen ausfindig gemacht werden, unter denen besonders mit diesen Nebenwirkungen zu rechnen ist.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Emprechtinger R et al: Thrombectomy for ischemic stroke: meta-analyses of recurrent strokes, vasospasms, and subarachnoid hemorrhages. J Neurol 2016. [Online before print] • Emprechtinger R et al: Thrombektomie bei ischämischem Schlaganfall: Patientencharakteristika, strukturelle Voraussetzungen und (Differential-)Diagnostik. HTA-Projektbericht 87, 2016 • Wild C et al: Mechanische Thrombektomie bei akutem ischämischem Schlaganfall. Deutsche Kurzfassung zum gleichnamigen EUnetHTA-Bericht. Decision Support Document 94, 2016</p>
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