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Interventionelle Schmerztherapie bei lumbalen und zervikalen Rückenschmerzen

<p class="article-intro">Schmerztherapeutische Interventionen spielen eine wichtige Rolle in der Behandlung von chronischen lumbalen und zervikalen Rückenschmerzen und werden idealerweise in einem multimodalen Kontext durchgeführt. Gerade bei polymorbiden Patienten sind die konservativen Möglichkeiten limitiert (z.B. mittels der Verschreibung von Analgetika) und interventionelle Verfahren bieten oft die einzige Möglichkeit einer raschen und wirksamen Symptomkontrolle.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Interventionen bei lumbalen oder zervikalen Facettengelenkssowie ISG-Schmerzen</h2> <p>Bei chronischen lumbalen R&uuml;ckenschmerzen betr&auml;gt die Pr&auml;valenz von Facettenschmerzen rund 20 % , bei chronischen Nackenschmerzen ist die Pr&auml;valenz wesentlich h&ouml;her und wird mit ca. 60 % angegeben. Obwohl die klinische Untersuchung einen wichtigen Bestandteil der Untersuchung der Patienten mit chronischen Schmerzen des Achsenskeletts darstellt, ist es praktisch unm&ouml;glich, eine zuverl&auml;ssige Diagnose von Facettenschmerzen mit entsprechender Segmentzuordnung zu stellen (viel zu hohe &laquo;interrater variability&raquo;). Auch die verschiedenen bildgebenden Verfahren (inkl. MRT) erlauben kaum je eine &laquo;Schmerzdiagnose&raquo;, da in multiplen Studien gezeigt werden konnte, dass das Ausmass der beschriebenen degenerativen Ver&auml;nderungen nicht mit den Schmerzen korreliert.<br /> Die einzige validierte Methode stellt die Diagnose von Facettenschmerzen mittels kontrollierter, diagnostischer Facettennerven- Blockaden dar. Dabei werden die Nerven&auml;ste (sog. &laquo;medial branches&raquo;), welche das Facettengelenk sensibel innervieren, mit einem Lokalan&auml;sthetikum bet&auml;ubt. Verschwindet in der Folge der Schmerz, spricht dies f&uuml;r eine Beteiligung des an&auml;sthesierten Facettengelenks am Schmerzgeschehen. Zur Sicherung der Diagnose empfehlen die meisten Gesellschaften die Durchf&uuml;hrung einer zweiten Kontrollblockade mit Verwendung eines Lokalan&auml;sthetikums mit anderer Pharmakologie als bei der ersten Blockade. Typischerweise erfolgt einmalig die Applikation des kurz wirksamen Lidocains und einmalig des lang wirksamen Bupivacains (bei geblindetem Patienten). Diese sogenannten komparativen Blockaden erm&ouml;glichen den Vergleich der Dauer der erreichten Schmerzfreiheit im Anschluss an die beiden Blockaden, wodurch die Pr&auml;valenz von falsch positiven Resultaten infolge eines Placeboeffekts deutlich reduziert werden kann.<br /> Nach einer positiven Austestung der Facettengelenke k&ouml;nnen diese in der Folge denerviert werden. Dabei werden die sensiblen Facettennerven (&laquo;medial branches&raquo;) mittels kontinuierlicher Radiofrequenzablation mit einer Temperatur von 80 bis 90&deg;C koaguliert. Dadurch gelingt eine deutliche Schmerzreduktion, welche rund ein Jahr anh&auml;lt, wobei es in der Folge zu einer Regeneration der koagulierten Nervenfasern kommt. Sollte es zu einer erneuten Schmerzzunahme kommen, kann die Intervention problemlos und mit derselben Erfolgswahrscheinlichkeit wiederholt werden.<br /> Auch das Iliosakralgelenk (ISG) kann mittels thermischer Radiofrequenzablation der sensiblen Gelenksnerven zumindest partiell denerviert werden. Dabei handelt es sich um den Ramus dorsalis L5 sowie die Rami laterales S1&ndash;S3. Da diese Nerven vorwiegend die dorsalen Teile des ISG innervieren, ist die entsprechende Denervation nie vollst&auml;ndig und die Resultate sind etwas weniger zuverl&auml;ssig.<br /> W&auml;hrend die Evidenz betreffend Wirksamkeit der Facettendenervation im zervikalen Bereich unbestritten ist, sind die Resultate der Studien im lumbalen Bereich sowie ISG wesentlich durchmischter. Dies erkl&auml;rt sich durch die ohnehin geringere Pr&auml;valenz von Facettenschmerzen im lumbalen Bereich sowie durch die in den verschiedenen Studien leider unterschiedlich angewandte Patientenselektion und Denervationstechnik. Unter Anwendung der oben erw&auml;hnten rigiden Patientenselektion mittels komparativer Blockaden sowie einer aufwendigen Denervationstechnik mit multiplen thermischen L&auml;sionen sind aber auch lumbal gute Ergebnisse m&ouml;glich.<br /> Intraartikul&auml;re Steroidinfiltrationen machen vor allem bei subakuten Schmerzzust&auml;nden Sinn. Im chronischen Setting ist die Wirkdauer sehr begrenzt. Dennoch kann der Patient von der tempor&auml;ren Schmerzlinderung profitieren, um so maximalen Nutzen aus einer aufbauenden Physiotherapie zu ziehen und den Teufelskreis der zunehmenden Dekonditionierung zu durchbrechen.</p> <h2>Infiltrationen bei radikul&auml;ren Schmerzen</h2> <p>Bei radikul&auml;ren Schmerzen erfolgt mit der epiduralen Infiltration eine der h&auml;ufigsten Interventionen &uuml;berhaupt. Der Zugang zum Epiduralraum erfolgt entweder interlamin&auml;r, transforaminal oder via Hiatus sacralis. Durch die alleinige Applikation eines Lokalan&auml;sthetikums via transforaminalen Zugang ist zudem eine differenzierte segmentale Schmerzdiagnostik m&ouml;glich, insbesondere wenn in der Bildgebung multisegmentale enge Verh&auml;ltnisse zur Darstellung kommen und die Klinik nicht eindeutig ist.<br /> Die Evidenzlage der epiduralen Infiltrationen ist ebenfalls durchmischt. Beim interlamin&auml;ren Zugang sowie bei der kaudalen epiduralen &Uuml;berflutung zeigen die Studien kaum bessere Resultate als eine gleich dosierte systemische Steroidapplikation. Dies erkl&auml;rt sich wahrscheinlich damit, dass bei diesen Zug&auml;ngen vorwiegend der dorsale Epiduralraum erreicht wird und nicht resp. kaum der anteriore, welcher gerade bei Diskushernien wesentlich relevanter w&auml;re. Nur durch den transforaminalen Zugang ist eine zuverl&auml;ssige Applikation des Medikamentes im anterioren Epiduralraum m&ouml;glich, selbst bei der Verabreichung eines geringen Injektionsvolumens von 1&ndash;2ml. Die Studien zeigen deshalb konsistent bessere Kurz- und Langzeitresultate bei der Anwendung eines transforaminalen Zuganges im Vergleich zu den anderen Zug&auml;ngen, weshalb die meisten interventionellen Gesellschaften prim&auml;r diesen Zugang bei der Behandlung von lumbalen radikul&auml;ren Schmerzen empfehlen.<br /> In der Halswirbels&auml;ule ist die Situation etwas anders. Aufgrund der zahlreichen Fallberichte von schwerwiegenden Komplikationen im Zusammenhang mit zervikalen transforaminalen Steroidinfiltrationen und aufgrund der ohnehin schwachen Evidenzlage wird von deren routinem&auml;ssiger Durchf&uuml;hrung abgeraten. Nur spezialisierte Zentren mit gen&uuml;gend Erfahrung sollten diese Intervention durchf&uuml;hren.</p> <h2>Interventionen bei diskogenen R&uuml;ckenschmerzen</h2> <p>Den &laquo;Goldstandard&raquo; in der Diagnosestellung von diskogenen R&uuml;ckenschmerzen stellt nach wie vor die provokative Diskografie dar (Bandscheibenstimulation). Dabei wird die als schmerzrelevant vermutete Bandscheibe unter Durchleuchtungskontrolle punktiert und in der Folge wird Kontrastmittel in die Bandscheibe injiziert, wobei eine spezielle Spritze mit integriertem Manometer verwendet wird, um den verabreichten Druck der Kontrastmittelapplikation (Stimulation) genau zu monitorisieren.<br /> Ein positives Stimulationsresultat liegt dann vor, wenn der dem Patienten bestens bekannte Zielschmerz bereits bei geringem Stimulationsdruck provoziert werden kann. Zur Erh&ouml;hung der Spezifit&auml;t dieser diagnostischen Intervention muss zudem die Stimulation einer benachbarten Bandscheibe negativ ausfallen. Es muss betont werden, dass die provokative Diskografie eine rein diagnostische Intervention ist. Die Durchf&uuml;hrung macht nur Sinn, wenn der Fall des Patienten vorher interdisziplin&auml;r mit einem Kollegen der Wirbels&auml;ulenchirurgie besprochen wurde, damit die therapeutischen Konsequenzen einer positiven Diskografie (z.B. Fusionsoperation) allen Beteiligten klar sind.<br /> Die Durchf&uuml;hrung der Bandscheibenstimulation wird nach wie vor von den wichtigsten Gesellschaften empfohlen. Dies wird nun vermehrt infrage gestellt, da einerseits Bedenken bestehen, dadurch die Bandscheibendegeneration wesentlich zu beschleunigen, andererseits wird die Validit&auml;t des Testes infrage gestellt, da Patienten mit chronischen R&uuml;ckenschmerzen infolge der praktisch immer vorliegenden zentralen Hypersensibilisierung viel zu oft falsch positive Stimulationsresultate aufweisen.<br /> Einen Versuch, dieses Dilemma zu l&ouml;sen, stellt die vor Kurzem beschriebene Blockade der Bandscheibennerven dar. Durch die An&auml;sthesie der sinuvertebralen Nerven werden v.a. die hinteren Teile der Bandscheibe blockiert. Da diese in der Regel am schmerzrelevantesten sind (z.B. bei der Anulus-Ruptur), ist der Ansatz nat&uuml;rlich sehr vielversprechend. Aufgrund der unzureichenden Studienlage ist es aber noch zu fr&uuml;h, anl&auml;sslich dieses Artikels eine Empfehlung zur Handhabung dieser Technik im klinischen Alltag zu geben.</p> <h2>Ultraschallgesteuerte interventionelle Schmerztherapie</h2> <p>Die in diesem Artikel erw&auml;hnten Interventionen werden in aller Regel unter Durchleuchtungskontrolle oder allenfalls CT-Kontrolle durchgef&uuml;hrt. Aufgrund der dramatischen Entwicklung der Ultraschallger&auml;te in den letzten 15 Jahren hat sich nun auch diese Bildgebung als &auml;usserst attraktive Alternative etabliert, wodurch viele standardisierte Interventionen (z.B. Infiltrationen der ISG sowie der lumbalen und zervikalen Facettengelenke) zuverl&auml;ssig und v&ouml;llig strahlenfrei durchgef&uuml;hrt werden k&ouml;nnen. Aber auch der Ultraschall weist seine Grenzen auf und sollte als wertvolle Erg&auml;nzung gehandhabt werden, er ersetzt nicht die klassischen bildgebenden Verfahren (Durchleuchtung, CT).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s72_abb1_2_3.jpg" alt="" width="2150" height="960" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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