Die Relevanz von schlafbezogenem Elternwissen unter besonderer Berücksichtigung von Co-Sleeping
Autorin:
Anika Werner, M.Sc.
Entwicklungspsychologie, Fakultät für Psychologie
Universität Bielefeld
E-Mail: anika.werner@uni-bielefeld.de
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Schlafbezogenes Elternwissen ist vor allem in Bezug auf einen sicheren und guten Schlaf bei Kleinkindern essenziell. Da jedoch viele Eltern über ein lücken- und fehlerhaftes schlafbezogenes Wissen verfügen, ist besonders die Aufklärung von Eltern in diesem Bereich notwendig.
Schlafbezogenes Elternwissen
Elternwissen bezieht sich auf alle Fakten, Informationen und Fähigkeiten, die die betreffenden Elternteile durch Erfahrungen und Erziehung sowie durch das Verstehen eines Sachverhaltes erlangt haben.1 Dieses Konstrukt ist im Kontext des Themas Schlaf besonders in Hinblick auf einen sicheren und guten kleinkindlichen Schlaf von Bedeutung. Der sichere Schlaf im Kleinkindalter umfasst viele Facetten, aber vor allem in Bezug auf den plötzlichen Kindstod und damit verbundenen Empfehlungen zum elterlichen Verhalten, das der Prävention dessen dienen soll, ist die Anwendung des Elternwissens von großer Relevanz.2 Dabei zeigte sich jedoch in einer empirischen Studie, dass Eltern zwar überwiegend über die Empfehlungen zur Prävention des plötzlichen Kindstodes Bescheid wussten, diese aber nicht immer anwandten.2 Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Wissen zwar eine notwendige, aber vielleicht nicht immer hinreichende Bedingung für die Umsetzung in tatsächliches Handeln ist. Ob die Eltern die Empfehlungen befolgten, hing von verschiedenen Faktoren (z.B. ob sie diese als effektiv betrachteten und der Art der Vermittlung) ab. Eine weitere Studie zeigte außerdem, dass besonders Einstellungen der Eltern mit den tatsächlichen Praktiken zusammenhingen, das alleinige Elternwissen jedoch nicht.3 Außerdem kannten in der betreffenden Studie lediglich 40% der Eltern alle Fakten über den sicheren Schlaf ihres Kleinkindes, weshalb auch hier noch viel Aufklärungsbedarf besteht.
Schlafbezogenes Elternwissen und (klein-)kindlicher Schlaf
Nicht nur in Bezug auf sicheren Schlaf, sondern auch hinsichtlich der Güte des Schlafs von Kleinkindern ist Elternwissen von besonderer Bedeutung. Grundsätzlich zeigte sich in Studien ein positiver Zusammenhang zwischen schlafbezogenem Elternwissen und gesunden Schlafgewohnheiten der Kinder.4
Außerdem beantworteten Eltern von schlafgestörten Kindern signifikant weniger Fragen richtig oder wussten die korrekten Anworten häufiger nicht als Eltern von Kindern ohne Schlafprobleme.5 Auch das elterliche Wissen über das sogenannte Co-Sleeping (das Schlafen von Elternteil und Kind in einem gemeinsamen Bett) hat besonders in Bezug auf das Säuglingsalter eine große Bedeutung. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt diesbezüglich, das Kind in ein eigenes Bett zu legen und kein Co-Sleeping zu betreiben.6 Eine Metaanalyse zeigt in Bezug darauf, dass Co-Sleeping mit häufigerem Erwachen der Kinder einhergeht.7 Daher erscheint auch eine Verbesserung des Elternwissens über Co-Sleeping und damit verbundene Faktoren als sinnvoll.
Die Studie
In einer querschnittlichen Fragebogenerhebung wurden 89 Mutter-Vater-Dyaden von Kleinkindern im Alter von 0 bis 3 Jahren (M=20,08 Monate; SD=11,25) gebeten, Fragen zum schlafbezogenen Elternwissen8 sowie zu den Schlafproblemen ihres Kleinkindes9 zu beantworten. In Bezug auf die Schlafprobleme der Kleinkinder wurden die Eltern jeweils gebeten, Fragen über die Häufigkeit gewisser Schlafprobleme (z.B. „Das Kind hat Angst, alleine zu schlafen“) zu beantworten. Je höher der Gesamtwert eines Elternteils, desto größer ist die fremdberichtete Schlafproblematik der Kleinkinder. Hinsichtlich des Elternwissens wurden Mutter und Vater jeweils zu ihrem eigenen Fakten- (z.B. „Schlafstörungen bei Kleinkindern können körperlich bedingt sein“) und Anwendungswissen (z.B. „Ausreichend Bewegung am Tag ist wichtig für einen guten Nachtschlaf“) befragt. Anschließend wurde die Anzahl richtig beantworteter Fragen in Bezug auf die zwei Domänen (Fakten- und Anwendungswissen) ermittelt. Außerdem beantworteten Mutter und Vater gemeinsam, ob ihr Kind ein Bett mit den Eltern/den Geschwistern teilte (Co-Sleeping) oder nicht (unabhängiger Schlaf).
Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Eltern nur circa zwei Drittel aller Fragen richtig beantworteten (Tab. 1) und ein großer Anteil unsicher in Hinblick auf die richtigen Antworten war bzw. die Fragen falsch beantwortete.
Tab. 1: Häufigkeit richtiger Antworten in Prozent
Weiterhin fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen Müttern und Vätern im Elternwissen. Dieser Befund betraf sowohl das Fakten- als auch das Anwendungswissen. Für das mütterliche sowie väterliche Anwendungswissen zeigte sich jedoch ein signifikanter Unterschied zwischen Eltern, die in Co-Sleeping involviert waren, und denen, die kein Co-Sleeping betrieben. So war das Anwendungswissen bei jenen Eltern, die Co-Sleeping mit ihrem Kind betreiben, signifikant geringer. Dieser Befund zeigte sich jedoch nicht für das Faktenwissen der Eltern (Tab. 2).
Tab. 2: Deskriptive Statistiken für das Elternwissen getrennt nach Co-Sleeping und unabhängigem Schlaf (in Prozent)
Auch die Schlafproblematik wurde in der Co-Sleeping-Gruppe von den Eltern größer eingeschätzt als in der Vergleichsgruppe ohne Co-Sleeping. Darüber hinaus wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen kleinkindlichen Schlafproblemen (in der mütterlichen und väterlichen Einschätzung) und mütterlichem Anwendungswissen gefunden. Je umfangreicher das mütterliche Anwendungswissen war, als desto weniger problematisch wurden die Schlafprobleme von Mutter (r=–,38) und Vater (r=–,36) eingeschätzt. Besonders das mütterliche Anwendungswissen scheint demnach mit dem Auftreten von kleinkindlichen Schlafproblemen zusammenzuhängen.
Implikationen für die Praxis
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit bisheriger Forschung zu schlafbezogenem Elternwissen und kleinkindlichem Schlaf. Es zeigt sich, dass Eltern von Kleinkindern vielfach Unsicherheiten in Bezug auf schlafbezogene Praktiken und sicheres Schlafen der Kleinkinder berichten. Weiterhin hatten Eltern, deren Kinder in Co-Sleeping involviert waren, ein geringeres Anwendungswissen als Eltern, deren Kinder unabhängig schliefen. Dieser Umstand könnte auf ein Wissensdefizit der Eltern hinweisen, was möglicherweise auch die Co-Sleeping-Praktik zur Folge haben könnte. Außerdem zeigten auch Kinder in der Co-Sleeping-Gruppe eine größere von den Eltern berichtete Schlafproblematik. Es muss jedoch beachtet werden, dass eine kausale Richtung der Zusammenhänge aufgrund der querschnittlichen Erhebung nicht angenommen werden kann. Es ist demnach denkbar, dass Kinder mit Schlafproblemen eher in Co-Sleeping involviert werden, um beispielsweise durch die Mutter oder den Vater beruhigt zu werden. Alternativ wäre aber auch möglich, dass Kinder, die in Co-Sleeping involviert sind, schlechter schlafen. Auch wenn sich diese Befunde eher auf die Qualität und Güte des kleinkindlichen Schlafs beziehen, sollte auch in Hinblick auf die Sicherheit des Schlafs und die Prävention des plötzlichen Säuglingstodes besonders im ersten Lebensjahr darauf geachtet werden, eher den Raum als das Bett zu teilen (also kein Co-Sleeping zu betreiben) sowie das Kind in Rückenlage zu legen.10
Weiterhin scheint besonders das mütterliche Anwendungswissen für den kleinkindlichen Schlaf relevant zu sein, vermutlich auch deswegen, weil Mütter in der Mehrheit der Fälle die Hauptbetreuungspersonen darstellen. Dennoch sollten präventive und interventive Strategien zur Informationsvermittlung und Aufklärung über die Relevanz schlafbezogenen Elternwissens stets beide Elternteile inkludieren, damit beide Elternteile über ein hinreichendes schlafbezogenes Wissen verfügen. Besonders niedrigschwellige Angebote sollten ausgebaut werden, um das schlafbezogene Anwendungswissen der Eltern zu verbessern. Da häufig der Kinderarzt/die Kinderärztin die erste Anlaufstelle für Eltern von Kindern mit Schlafproblemen ist, wäre eine umfassende präventive und interventive Aufklärung über das sichere und gute Schlafen von Kleinkindern empfehlenswert.
Literatur:
1 National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. Parenting matters: supporting parents of children ages 0-8. Washington, DC: The National Academies Press 2016 2 Hackett M, Simons H: Parental adherence to infant sleep safety recommendations. Journal of Community Medicine & Health Education 2013; 3(4) 3 Chung-Park MS: Knowledge, opinions, and practices of infant sleep position among parents. Military Medicine 2012; 177(2), 235-9 4 McDowall PS et al.: Parent knowledge of children‘s sleep: A systematic review. Sleep Medicine Reviews 2017; 31, 39-47 5 Kanis JB et al.: Parent perceptions and practices regarding sleep in children. Somnologie-Schlafforschung und Schlafmedizin 2015; 19(4), 263-70 6 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Schlafempfehlungen für das erste Lebensjahr. 2020; Verfügbar unter https://www.kindergesundheit-info.de/themen/schlafen/ 0-12-monate/schlafumgebung/sicher-schlafen/ 7 Peng X et al.: Cosleeping and sleep problems in children: a systematic review and meta-analysis. Sleep and Biological Rhythms 2019; 17(4): 367-78 8 Kanis JB: Elterliches Wissen, Selbsthilfe und psychotherapeutische Intervention bei nicht-organischen Schlafstörungen im Kleinkindalter. 2016; https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/frontdoor/index/index/year/2017/docId/13343 9 Schlarb AA et al.: Validation and psychometric properties of the German version of the Children’s Sleep Habits Questionnaire (CSHQ-DE). Somnologie-Schlafforschung und Schlafmedizin. 2010; 14(4), 260-6 10 Andreotta J et al.: Safe sleep practices and discharge planning. Journal of Neonatal Nursing 2015; 21(5), 195-9
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