
©
Getty Images/iStockphoto
Behandlung von Schlaganfällen durch Elektrostimulation
Jatros
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Standardtherapien bei Schlaganfällen sind die Thrombolyse oder, bei Okklusion großer proximaler Arterien, die Thrombektomie. Sind diese Verfahren nicht möglich, können Patienten mit einem Hirnrindeninfarkt erfolgreich mittels einer sogenannten Ganglionstimulation behandelt werden, wie eine aktuelle Studie zeigte.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bei der Behandlung des ischämischen Schlaganfalls ist entscheidend, dass möglichst schnell die Durchblutung wiederhergestellt wird. Das kann durch eine sogenannte systemische i.v. Lysetherapie erreicht werden. Sie hat ein Zeitfenster von maximal 4,5 Stunden und birgt das Risiko der Einblutung in das Infarktareal. Eine andere Therapiemöglichkeit ist die interventionelle Entfernung des Thrombus durch einen Stent-Retriever aus dem Blutgefäß mittels eines Kathetereingriffes, die Thrombektomie. Für dieses Verfahren kommen vor allem Verschlüsse der großen proximalen intrakraniellen Arterien infrage, bei denen durch die Lyse eine Rekanalisation meist nicht möglich ist.</p> <h2>Ganglionstimulation steigert Durchblutung des Infarktareals</h2> <p>Sind diese Verfahren aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich, können Patienten mit einem Hirnrindeninfarkt erfolgreich mittels einer sogenannten Ganglionstimulation behandelt werden, wie eine aktuelle Studie zeigte.<sup>1</sup> Die Durchblutung des Gehirns ist von etlichen Faktoren abhängig, sie wird unter anderem von einem Nervenzellknoten an der Schädelbasis gesteuert, dem Flügelgaumen-Ganglion (Ganglion sphenopalatinum/GSP, auch Meckel-Ganglion). Die Stimulierung des GSP bewirkt eine Steigerung der Durchblutung durch die Weitstellung kleiner Hirngefäße und stabilisiert die Blut-Hirn- Schranke. Dadurch wird die Restdurchblutung des Infarktareals gesteigert, begleitenden Ödemen entgegengewirkt und die gesamte Ausdehnung des Schlaganfalls deutlich reduziert.<br /> Die randomisierte ImpACT-24B-Studie<sup>1</sup> untersuchte das Verfahren der Ganglionstimulation an 1078 Patienten in 73 Zentren aus 18 Ländern in den Jahren 2011 bis 2018. Die eingeschlossenen Schlaganfallpatienten waren zwischen 40 und 85 Jahre alt, hatten keine Lysetherapie oder Thrombektomie erhalten und wurden innerhalb von 8 bis 24 Stunden nach dem Ereignis mit der minimal invasiven elektrischen GSP-Stimulation oder einem Scheineingriff (Placebogruppe) behandelt. Dazu wurde direkt am Patientenbett unter örtlicher Betäubung eine dünne, ca. 2 cm lange Elektrode mittels eines speziellen Injektionsgerätes vom Gaumen aus in den knöchernen Nervenkanal eingebracht, in dem sich das Ganglion befindet (unter bildlicher Positionskontrolle). Die Elektrode verblieb dort über fünf Tage und mit einem außen seitlich an das Gesicht gehaltenen Transmitter wurde täglich eine vierstündige Elektrostimulation durchgeführt.</p> <p> </p> <h2>Signifikanter Behandlungserfolg bei Patienten mit Hirnrindeninfarkt</h2> <p>Die Häufigkeit von Therapienebenwirkungen bzw. unerwünschten Ereignissen unterschied sich zwischen Interventions- und Placebogruppe nicht. Von den Patienten, die ausgewertet werden konnten, erreichten 49 % (234/481) der Interventionsgruppe und 45 % (236/519) der Placebogruppe ein 3-Monats-Outcome, welches die funktionellen Erwartungen übertraf. Der Unterschied war insgesamt statistisch nicht signifikant – anders jedoch in der Untergruppe der Patienten, die bei dem Schlaganfall eine Beteiligung der Hirnrinde hatten. Bei diesen Patienten (insgesamt 520) war in der Interventionsgruppe bei 50 % (121/244) und in der Placebogruppe bei 40 % (110/276) ein Behandlungserfolg zu verzeichnen (Unterschied signifikant, p = 0,0258). Außerdem gab es bei den Patienten mit Hirnrindeninfarkt eine U-förmige Beziehung zwischen der Intensität der Elektrostimulation und dem Outcome: Bei einer leichten bis mittelstarken Stimulation konnte bei 70 % der Patienten ein Behandlungserfolg erreicht werden, bei einer hohen Intensität jedoch nur bei 40 % wie in der Placebogruppe.<br /> „Wir konnten zeigen, dass die Methode der GSP-Stimulation für viele Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall zu einem Behandlungserfolg führte und sicher ist, sogar auch, wenn der Hirninfarkt schon bis zu 24 Stunden zurückliegt“, so Prof. Hans- Christoph Diener, Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen und Mitautor der Studie. „Obwohl das Ergebnis in der Gesamtauswertung statistisch nicht signifikant war, konnten wir eine Untergruppe identifizieren, die künftig von dem Verfahren profitieren könnte. Gerade bei Patienten mit Schlaganfällen durch einen Hirnrindeninfarkt – das waren in der Studie mehr als die Hälfte –, bei denen Kontraindikationen zur Lyse oder zur interventionellen Therapie bestehen, könnte diese Ganglienstimulation eine neue Möglichkeit darstellen, das Outcome deutlich zu verbessern.“ (red)</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Medienmitteilung der DGN vom 3. Juni 2019
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bornstein N et al.: Lancet 2019. doi: https://doi. org/10.1016/S0140-6736(19)31192-4</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Alzheimer: Was gibt es Neues in der Biomarker-Entwicklung?
Schätzungen zufolge leben in Österreich 115000 bis 130000 Menschen mit einer Form der Demenz. Eine Zahl, die sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird.1 Antikörper-Wirkstoffe könnten in der ...
Kappa-FLC zur Prognoseabschätzung
Der Kappa-freie-Leichtketten-Index korreliert nicht nur mit der kurzfristigen Krankheitsaktivität bei Multipler Sklerose, sodass er auch als Marker zur Langzeitprognose der ...
Fachperson für neurophysiologische Diagnostik – Zukunftsperspektiven eines (noch) unterschätzten Berufes
Die Aufgaben der Fachperson für neurophysiologische Diagnostik (FND) haben sich in den letzten Jahren verändert. Dies geht zum einen mit den erweiterten Diagnostikmöglichkeiten und zum ...