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Arzneimittelfälschungen: «Fälscher werden immer besser»

Arzneimittelengpässe verschärfen das Problem von Fälschungen, sagten Expert:innen diese Woche bei einem Hintergrundgespräch. Das Geschäft sei lukrativer als Drogenhandel.

Schachen. Weltweit machen die skrupellosen Erzeuger und Händler von gefälschten Medikamenten jährlich bereits Umsätze zwischen 200 und 300 Milliarden US-Dollar. «Laut Weltgesundheitsorganisation sind je nach Weltregion zwischen zwei und 30 Prozent der verkauften Medikamente Fälschungen», sagte Stephanie Beer, Mitarbeiterin des Forensic Lab von MSD in Schachen bei einem Hintergrundgespräch vor Journalist:innen. Im Grunde genommen gibt es kaum eine kriminell lukrativere Aktivität als das Fälschen von Arzneimitteln. «Da füllt man Kochsalzlösung in Fläschchen ab und verkauft sie um 1500 US-Dollar, wenn nicht um mehr», lautete eine der Aussagen in Schachen. Gefälscht werden aber auch moderne und komplexe Krebsmedikamente. Die Fälscher würden immer besser, hiess es. Der Gewinn sei grösser als das Risiko, entdeckt zu werden – und lukrativer als das Geschäft mit Drogen. «Drogenhandel ist ein Dreck dagegen. Die Margen sind enorm», sagte Nicolas Florin vom Schweizerischen Verband für die Verifizierung von Arzneimitteln.
Arzneimittelengpässe würden das Problem zusätzlich verschärfen. Auch der Parallelhandel mache das Problem komplexer, weil mehr Marktteilnehmer kontrolliert werden müssen. Das Risiko für Drogenhändler, erwischt zu werden, und die Strafen seien wesentlich höher. Arzneimittelfälschungen würden oft nur als Betrug klassifiziert oder als Verstoss gegen Patentverletzungen. «Arzneimittelfälschungen sollen in Europa kein Geschäftsmodell sein. Die Sicherheit wurde erhöht. Was man dem Konsumenten aber raten muss: Arzneimittel sind am besten über die Apotheken zu beziehen. Da ist in Europa das Risiko für Fälschungen gering», sagte Florin.
Vor einigen Jahren reichte es dem US-Pharmakonzern MSD: 2017 wurde in Westpoint (USA) das erste forensische Labor zur Untersuchung von möglichen Arzneimittel-Fakes etabliert. 2018 folgte für Europa, Russland und Zentralasien ein Labor in Schachen, im Jahr darauf wurde in Singapur die dritte derartige Einrichtung für den Fernen Osten etabliert. Stephanie Beer: «Im Jahr 2022 hat unser Team 2102 Fälle im Zusammenhang mit Produktsicherheit in 90 Staaten bearbeitet. Das führte zu 166 Festnahmen und zur Sicherstellung von 11009 Einheiten gefälschter oder illegaler Versionen unserer Produkte.» Die Untersuchung von Biotech-Produkten sei noch komplizierter als die von kleinen Molekülen. Im Endeffekt will der Konzern mit den Labors die Trennlinie zwischen Fälschungen und legalen Liefer- und Vertriebswegen für Arzneimittel schmaler machen. Ein deutlicher Fortschritt war vor rund fünf Jahren die in der EU etablierte Serialisierung jeder einzelnen Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die vom Produzenten per QR-Code, Seriennummer und Versiegelung in das EU-weite System eingebucht und vom Leistungserbringer – das sind vor allem Apotheken und Krankenhäuser – am Ende wieder ausgebucht wird. Österreich gilt hier als internationales Vorbild. In der Schweiz soll das Programm ab 2026 verpflichtend werden. (rüm)

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