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Update Refresher Innere Medizin, 22. 11. 2016, Zürich

Was man als Internist über Nierensteine wissen sollte

<p class="article-intro">Das Thema Nierensteine wird in der Ausbildung oft etwas stiefmütterlich behandelt. Man sollte sich aber damit auskennen und wissen, wie man ein Rezidiv verhindert. Denn damit kann die Nierenfunktion erhalten werden und man erspart dem Patienten unnötige Schmerzen. Wie man ein Nierensteinleiden korrekt abklärt und die passende Metaphylaxe wählt, erklärte PD Dr. med. Nilufar Mohebbi, Oberärztin Nephrologie am Universitätsspital Zürich, am Update Refresher Zürich.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Nierensteine sind h&auml;ufig: Einer von 11 M&auml;nnern in den USA hatte oder hat Nierensteine, und die Pr&auml;valenz hat sich in den vergangenen 15 Jahren von 6,3 % auf 10,6 % fast verdoppelt.<sup>1</sup> Der Anstieg ist unter anderem mit den ver&auml;nderten Ern&auml;hrungsgewohnheiten zu erkl&auml;ren: US-Amerikaner essen immer mehr st&auml;rkehaltiges Fast Food, mehr Salz, Fruktose und tierische Proteine. Eine weitere Rolle spielt der Klimawandel mit steigenden Temperaturen.<sup>2</sup></p> <h2>Jeden abkl&auml;ren, aber nicht alle gleich</h2> <p>Alle Patienten, bei denen man einen Nierenstein diagnostiziert hat, sollte man abkl&auml;ren &ndash; jedoch nicht alle gleich. So wird man zum Beispiel bei einem gesunden 40-j&auml;hrigen Mann, der zum ersten Mal einen Nierenstein hat, andere Untersuchungen anordnen als bei einem Patienten, der zum f&uuml;nften Mal einen Nierenstein hat und unter einem metabolischen Syndrom leidet, famili&auml;r vorbelastet ist oder andere Risikofaktoren f&uuml;r Nierensteine hat.<br /> Eine Steinanalyse sollte man immer anstreben &ndash; daraus lassen sich wertvolle Informationen gewinnen. Handelt es sich um einen Cystinstein, liegt eine genetische Ursache vor, und es ist klar, dass der Patient immer wieder Steine bekommen wird. Ein solcher Patient braucht auf jeden Fall eine Stein-Metaphylaxe. Anders bei Kalzium-Oxalatsteinen: Dies sind die h&auml;ufigsten Nierensteine, und der Patient muss sich nach dem Erstereignis in erster Linie an die allgemeinen Massnahmen halten. Erst bei h&auml;ufigeren Rezidiven k&ouml;nnen spezifische Massnahmen n&ouml;tig werden, wie etwa der Einsatz von Thiaziden. &laquo;Fordern Sie Ihren Patienten auf, den Stein mitzubringen &raquo;, sagte Mohebbi. Einige Patienten w&uuml;rden ihre Steine n&auml;mlich zu Hause aufbewahren. &laquo;Auch wenn der Stein schon wochenlang zu Hause liegt, kann man ihn immer noch untersuchen lassen &ndash; an der Zusammensetzung &auml;ndert sich nichts.&raquo;<br /> Die Zusammensetzung des Steins l&auml;sst sich mittels Infrarot-Spektroskopie oder R&ouml;ntgen-Diffraktometrie bestimmen. &laquo;Beide Methoden sind gleichwertig und werden von allen Laboren in der Schweiz angeboten &raquo;, so Mohebbi. Danach ist das Wichtigste eine Basisabkl&auml;rung in Urin und Blut, die man bei jedem Nierensteinpatienten machen sollte. &laquo;Es reichen eine Handvoll Untersuchungen&raquo;, sagte Mohebbi (Tab. 1).<sup>3</sup> Weiterf&uuml;hrende Untersuchungen sind nur dann erforderlich, wenn der Patient bestimmte Risikofaktoren hat (Abb. 1). &laquo;Dies l&auml;sst sich h&auml;ufig schon mit einer gr&uuml;ndlichen Anamnese herausfinden &ndash; man muss sich daf&uuml;r Zeit nehmen.&raquo;<br /> Je nach Risikofaktoren ordnet die Nephrologin dann spezifische Untersuchungen im 24-Stunden-Urin an. &laquo;Um Schwankungen im Rahmen der Trink- und Essgewohnheiten zu vermeiden, empfehle ich, zweimal einen 24-Stunden-Urin zu sammeln.&raquo; Hierzu raten auch die Fachgesellschaften. Die Sammlung sollte fr&uuml;hestens 20 Tage nach dem Steinabgang oder nach einer Intervention begonnen werden und der Urin sollte bis zur Untersuchung m&ouml;glichst bei =8&deg;C aufbewahrt werden. Im 24-Stunden-Urin werden Kreatinin, Kalzium, Phosphat, Magnesium, Natrium, Chlorid, Citrat, Oxalat, Harns&auml;ure und Ammonium bestimmt. Der pH wird in einer frischen Urinprobe oder im 24h-Urin, der unter &Ouml;l gewonnen wurde, gemessen. Bei speziellen Fragestellungen sind noch weitere Untersuchungen notwendig. &laquo;Vor der Sammlung sollte man mit dem Labor Kontakt aufnehmen&raquo;, riet Mohebbi. &laquo;Es gibt gewisse Parameter, f&uuml;r die der 24h- Urin anges&auml;uert werden muss. Das sollte man dem Patienten genau erkl&auml;ren.&raquo; Wird der Urin nicht anges&auml;uert, k&ouml;nnte zum Beispiel Oxalat ausgef&auml;llt werden und man w&uuml;rde es in der Messung &uuml;bersehen. Bei Auff&auml;lligkeiten in der 24h-Urinuntersuchung sollte zur Kl&auml;rung der Ursache ein Nephrologe hinzugezogen werden.<br /> 40 % der Patienten erleiden mindestens ein Rezidiv, 10 % sogar f&uuml;nf oder mehr Rezidive. <sup>4</sup> In den ersten vier Jahren ist das Rezidivrisiko am h&ouml;chsten. Ein erh&ouml;htes Risiko haben M&auml;nner sowie Patienten mit multiplen Steinen, Steinen in der unteren Kelchgruppe, mit positiver Familienanamnese oder Komplikationen nach der Steinentfernung. Wichtig zu wissen ist, dass Nierensteinpatienten ein doppelt so hohes Risiko f&uuml;r die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz bis hin zur Dialysepflichtigkeit haben, das unabh&auml;ngig ist von anderen Risikofaktoren wie Diabetes oder Hypertonie.<sup>5&ndash;7</sup> &laquo;Auch deshalb ist eine Metaphylaxe so wichtig&raquo;, betonte Mohebbi. Ausserdem haben Nierensteinpatienten auch ein erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko.<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s72_tab1.jpg" alt="" width="250" height="1241" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s72_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="989" /></p> <h2>Eine Basis-Metaphylaxe brauchen alle</h2> <p>Die &laquo;Basis-Metaphylaxe&raquo;, die alle Patienten brauchen, umfasst folgende Empfehlungen:</p> <ul> <li>so viel trinken, dass die Urinmenge mehr als 2 Liter pro Tag betr&auml;gt</li> <li>viel Gem&uuml;se und Ballaststoffe</li> <li>wenig Salz (4&ndash;5g/d) und Proteine (0,8&ndash;1g/kg/d) bei normaler Kalziumzufuhr</li> <li>Vermeiden von Stress</li> <li>viel Bewegung</li> </ul> <p>Patienten mit Risikofaktoren ben&ouml;tigen zus&auml;tzliche Massnahmen. Zum Beispiel D-Penicillamin bei Cystinsteinen oder Hydrochlorothiazid bei Kalzium-Oxalatsteinen und Hyperkalziurie. &laquo;F&uuml;r jeden Steintyp gibt es in der Leitlinie ganz spezifische Empfehlungen mit genauer Dosierung der Medikamente&raquo;, sagte Mohebbi. &laquo;Am besten h&auml;lt man R&uuml;cksprache mit dem Nephrologen, denn diese Therapien sind auch f&uuml;r uns eine Herausforderung.&raquo; Manche Patienten vertragen gewisse Behandlungen beispielsweise nicht gut, weshalb man nach wirksamen Alternativen suchen muss. Die Furcht, dass Thiazide das Diabetesrisiko erh&ouml;hen, ist unbegr&uuml;ndet, wie eine Langzeitstudie &uuml;ber 27 Jahre zeigte.<sup>9</sup> Das Problem ist vielmehr, dass Thiazide zwar weltweit seit Jahrzehnten zur Stein- Metaphylaxe eingesetzt werden, dass ihre Wirksamkeit aber nicht gut belegt ist (s. auch Kasten).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s72_kasten.jpg" alt="" width="1594" height="1945" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Update Refresher Innere Medizin, 22. 11. 2016, Zürich </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kirkali Z et al: Urinary stone disease: progress, status, and needs. Urology 2015; 86: 651-3 <strong>2</strong> Romero V et al: Kidney stones: a global picture of prevalence, incidence, and associated risk factors. Rev Urol 2010; 12: e86-96 <strong>3</strong> www. uroweb.org/guideline/urolithiasis <strong>4</strong> Strohmaier WL: Course of calcium stone disease without treatment. What can we expect? Eur Urol 2000; 37: 339-44 <strong>5</strong> El-Zoghby ZM et al: Urolithiasis and the risk of ESRD. Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7: 1409-15 <strong>6</strong> Alexander RT et al: Kidney stones and kidney function loss: a cohort study. BMJ 2012; 345: e5287 <strong>7</strong> Keddis MT, Rule AD: Nephrolithiasis and loss of kidney function. Curr Opin Nephrol Hypertens 2013; 22: 390-6 <strong>8</strong> Meneses JA et al: The impact of metaphylaxis of kidney stone disease in the renal function at long term in active kidney stone formers patients. Urol Res 2012; 40: 225-9 <strong>9</strong> Singh P et al: Thiazide diuretic prophylaxis for kidney stones and the risk of diabetes mellitus. J Urol 2014; 192: 1700-4 <strong>10</strong> http://p3.snf.ch/project-166785 und www.nostone.ch</p> </div> </p>
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