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Europäischer Nierenkongress ERA-EDTA in Madrid

«Sich vorwärtsbewegen»

<p class="article-intro">Biomarker, um herauszufinden, welche Patienten von Immunsuppressiva profitieren, ernüchternde Ergebnisse für Vitamin-D-Analoga bei Dialysepatienten, eine verblüffend einfache Strategie zur Reduktion der Hospitalisationsrate bei Dialysepatienten: Der Kongress der Europäischen Gesellschaften für Nierenkrankheiten, Dialyse und Transplantationen (ERAEDTA) bot ein breites Spektrum an Themen. Wir berichten für Sie über einige Highlights.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Nephrologie war die erste Disziplin, die es geschafft hat, die Funktion eines Organs mittels Ersatztherapie f&uuml;r viele Jahre aufrechtzuerhalten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir auch die ersten sein werden, die die Organfunktion vollumf&auml;nglich werden regenerieren k&ouml;nnen. &raquo; Voller Enthusiasmus er&ouml;ffnete der Kongresspr&auml;sident Prof. Dr. med. Jorge B. Cannata-And&iacute;a aus Spanien den 54. Kongress der Europ&auml;ischen Gesellschaften f&uuml;r Nierenkrankheiten, Dialyse und Transplantationen (ERA-EDTA). Als Motto f&uuml;r den diesj&auml;hrigen Kongress habe er &laquo;Moving forward&raquo; gew&auml;hlt, weil immer noch viele meinten, die Nephrologie besch&auml;ftige sich nur mit den Nieren. &laquo;Wir m&uuml;ssen unsere Disziplin aber breiter wahrnehmen&raquo;, forderte Cannata-And&iacute;a. &laquo;Bei Nierenkrankheiten geht es um eine Art systemische Krankheit. Sie betreffen auch andere Organsysteme und verursachen viele Komorbidit&auml;ten. &raquo; Abgesehen davon sei Nephrologie ein sehr innovatives Fachgebiet und w&uuml;rde sich auch deshalb st&auml;ndig vorw&auml;rtsbewegen.</p> <h2>Spezifische Therapie f&uuml;r das nephrologische Sorgenkind</h2> <p>Ein st&auml;ndiges &laquo;Sorgenkind&raquo; der Nephrologen sind die Glomerulonephritiden (GN). Sie sind in Europa nach der diabetischen und der hypertensiven Nephropathie der dritth&auml;ufigste Grund f&uuml;r eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz oder ein Nierenversagen. Die IgA-Nephropathie ist die h&auml;ufigste idiopathische GN, und sie ist der h&auml;ufigste Grund daf&uuml;r, dass junge Erwachsene dialysiert werden m&uuml;ssen. Eine zentrale Rolle bei der Pathogenese spielen Ablagerungen von Galaktose-defizientem IgA1 (Gd-IgA1) in den Glomeruli, welche die Entz&uuml;ndung vorantreiben. Die Behandlung der IgA-Nephropathie basiert immer noch zum gr&ouml;ssten Teil auf Expertenmeinung oder auf schwacher Evidenz. Jetzt k&ouml;nnte endlich ein spezifisches Medikament f&uuml;r die IgA-Nephropathie gefunden worden sein. Es handelt sich um eine neue Formulierung von Budesonid (&laquo;targeted- release formulation&raquo;, TRF). Seit mehr als 50 Jahren werden antiinflammatorische Medikamente und Immunsuppressiva eingesetzt, unter anderem Kortikosteroide und sogar Zytostatika. Alle diese Medikamente gehen aber mit potenziell schweren Nebenwirkungen einher. Bei TRF-Budesonid wird der Wirkstoff erst im distalen Ileum freigesetzt. Dort soll es gezielt die Produktion von Gd-IgA1 hemmen und gleichzeitig mit einem geringeren Risiko f&uuml;r steroidbedingte Nebenwirkungen einhergehen. In der NEFIGANStudie reduzierte die neunmonatige Behandlung mit TRF-Budesonid zus&auml;tzlich zu einer optimalen RAS-Blockade die Proteinurie und stabilisierte die glomerul&auml;re Filtrationsrate bei Patienten mit fortgeschrittener IgA-Nephropathie. Die Nebenwirkungsrate war gleich hoch wie in der Kontrollgruppe.<sup>1</sup> &laquo;Die Resultate weisen darauf hin, dass mit TRF-Budesonid das Risiko f&uuml;r eine weitergehende Progression bis hin zum terminalen Nierenversagen reduziert werden kann&raquo;, so das Fazit von Studienleiter Prof. Dr. med. Bengt Fellstr&ouml;m von der Universit&auml;t Uppsala (Schweden). &laquo;Durch den gezielten Ansatz an der gest&ouml;rten mukosalen Immunit&auml;t im Darm k&ouml;nnte TRF-Budesonid die erste spezifische Therapie der IgA-Nephropathie werden.&raquo;</p> <h2>Neuer Biomarker</h2> <p>Andere Forscher versuchen indes herauszufinden, bei welchen Patienten mit einer IgA-Nephropathie man auf Immunsuppressiva verzichten k&ouml;nnte. Die STOP-IgAN-Studie<sup>2</sup> wies darauf hin, dass eine unterst&uuml;tzende Therapie, im Sinne einer maximalen antihypertensiven und antiproteinurischen Behandlung, bei vielen Patienten genauso effektiv sein k&ouml;nnte wie Immunsuppressiva. Manche Patienten profitieren aber durchaus von Immunsuppressiva und erreichen darunter eine vollst&auml;ndige klinische Remission. Unklar war bisher jedoch, wie diese Patienten erkannt werden k&ouml;nnen. Bisher wurden nur wenige Biomarker zur Vorhersage des Progressionsrisikos vorgeschlagen. Jetzt hat die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. med. J&uuml;rgen Floege, Direktor der Klinik f&uuml;r Nierenund Hochdruckkrankheiten an der Universit&auml;tsklinik Aachen, m&ouml;glicherweise einen geeigneten Marker gefunden: In einer Studie, die unter &laquo;late breaking clinical trials&raquo; vorgestellt wurde, fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen h&ouml;heren Gd-IgA1-Serumspiegeln und einem schlechteren Outcome.<sup>3</sup> Daf&uuml;r analysierten sie die Gd-IgA1-Spiegel der Patienten, die in der STOP-IgAN-Studie nicht auf die unterst&uuml;tzende Therapie angesprochen hatten. Von den 104 Non-Respondern hatten die Patienten, die sp&auml;ter ein terminales Nierenversagen erlitten hatten, deren eGFR um mehr als 30ml/ min/1,73m<sup>2</sup> gesunken war oder die keine vollst&auml;ndige klinische Remission erreicht hatten, zu Studienbeginn h&ouml;here Gd-IgA1- Spiegel. &laquo;Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit hohen Gd-IgA1-Spiegeln Hochrisikopatienten sind&raquo;, so das Fazit von Floege. &laquo;Die Gd-IgA1-Spiegel vor Therapiebeginn k&ouml;nnten ein guter Biomarker sein, um die Patienten herauszufiltern, die eine intensivere Therapie ben&ouml;tigen.&raquo;</p> <h2>Vitamin-D-Forschung</h2> <p>Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Aktivierung von Vitamin D extrem eingeschr&auml;nkt &ndash; vor allem wenn der Patient h&auml;modialysiert wird. Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass der Einsatz von Vitamin-D-Rezeptor-Aktivatoren (VDRA) bei Dialysepatienten mit einer geringeren kardiovaskul&auml;ren und Gesamtmortalit&auml;t assoziiert war &ndash; unabh&auml;ngig vom Parathormon( PTH)-Spiegel.<sup>4</sup> Prof. Dr. med. Tesuo Shoji von der Universit&auml;t Osaka (Japan) und sein Team untersuchten nun, ob Dialysepatienten mit normalen PTH-Spiegeln von einer VDRA-Therapie profitieren. Die Ergebnisse der randomisierten J-DAVID- Studie (Japan Dialysis Active Vitamin D) mit 976 Patienten, die in Madrid ebenfalls als &laquo;late breaking clinical trial&raquo; pr&auml;sentiert wurde, entt&auml;uschten jedoch.<sup>5</sup> VDRA reduzierten das Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Krankheiten nicht &ndash; im Gegenteil: Es war sogar ein wenig h&ouml;her, wenn auch nicht statistisch signifikant. &Uuml;ber die Ergebnisse l&auml;sst sich bisher nur spekulieren. VDRA erh&ouml;hen die Serumspiegel von Kalzium und FGF23, die beide mit einem erh&ouml;hten kardiovaskul&auml;ren Risiko assoziiert sind. &laquo;Diese Effekte k&ouml;nnten den potenziellen Benefit einer Supplementierung mit aktivem Vitamin D aufheben&raquo;, erkl&auml;rte Shoji.</p> <h2>Mit einem einfachen Sportprogramm das Outcome verbessern</h2> <p>Eine andere Massnahme zeigte dagegen positive Effekte &ndash; und dazu ist sie auch noch einfach und preiswert. Dialysepatienten, die zu Hause ein Trainingsprogramm absolvierten, schnitten nach sechs Monaten im 6-Minuten-Gehtest und im Sitzen-stehen-sitzen-Test deutlich besser ab als zu Studienbeginn.<sup>6</sup> In der Kontrollgruppe ohne Training wurden solche Ver&auml;nderungen erwartungsgem&auml;ss nicht beobachtet. Auch die kognitiven Funktionen und die Qualit&auml;t der sozialen Interaktionen besserten sich in der Trainingsgruppe mehr als in der Kontrollgruppe. Nach 36 Monaten ging das k&ouml;rperliche Training mit einem reduzierten Risiko f&uuml;r Hospitalisierungen einher. Dabei hatten die Patienten, die das &Uuml;bungsprogramm am strengsten befolgten, das geringste Risiko. &laquo;Ein einfaches, individuelles &Uuml;bungsprogramm mit geringer Intensit&auml;t, das die Patienten zu Hause machen k&ouml;nnen und das vom Dialysepersonal koordiniert werden kann, verbessert bei Patienten, die dabeibleiben, die k&ouml;rperliche Leistungsf&auml;higkeit und die Lebensqualit&auml;t und reduziert das Risiko f&uuml;r Hospitalisationen&raquo;, so das Fazit von Studienleiterin Prof. Dr. med. Francesca Mallamaci, Direktorin der Abteilung f&uuml;r Nephrologie, Hypertonie und Nierentransplantation am Ospedale Bianchi Melacrino Morelli, Reggio Calabria (Italien).</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 54. Kongress der ERA-EDTA, 3.–6. Juni 2017, Madrid </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Fellstr&ouml;m BC et al.: Targeted-release budesonide versus placebo in patients with IgA nephropathy (NEFIGAN): a double-blind, randomised, placebo-controlled phase 2b trial. Lancet 2017; 389: 2117-27 <strong>2</strong> Rauen T et al.: Intensive supportive care plus immunosuppression in IgA nephropathy. N Engl J Med 2015; 373: 2225-36 <strong>3</strong> Floege J et al.: Galactose-deficient IgA1 levels predict renal outcome in the STOP-IgAN trial cohort. ERA-EDTA 2017, Abstract #3409 <strong>4</strong> Teng M et al.: Activated injectable vitamin D and hemodialysis survival: a historical cohort study. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 1115-25 <strong>5</strong> Shoji T et al.: Active vitamin D in the prevention of cardiovascular events in haemodialysis patients: the Japan Dialysis Active Vitamin D (J-DAVID) trial. ERA-EDTA 2017, Abstract #3404 <strong>6</strong> Mallamaci F et al.: A personalized walking exercise program reduces the risk of hospitalization in dialysis patients. ERA-EDTA 2017, Abstract #3410</p> </div> </p>
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