
Covid-19 und die Niere
Bericht:
Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
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Zu Covid-19 gibt es in Bezug auf die Niere zwei Fragen von besonderem Interesse: Haben Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf, wenn sie an Covid-19 erkranken? Und welche Effekte haben das SARS-CoV-2-Virus und die Covid-19-Erkrankung auf die Niere? Prof. Dr. med. Thomas Fehr, Ärztlicher Direktor, Chefarzt und Departementsleiter Innere Medizin am Kantonsspital Graubünden in Chur, gab im Rahmen des Update Refresher Innere Medizin im Dezember 2020 Antworten auf diese beiden Fragen.
Covid-19 und chronische Nierenerkrankung
Bereits am europäischen Nephrologiekongress ERA-EDTA im Frühsommer 2020 wurde berichtet, dass erste Daten aus verschiedenen Ländern darauf hindeuten, dass Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) eine schlechtere Prognose und ein höheres Sterberisiko hatten, wenn sie an Covid-19 erkrankten, als Nierengesunde. Eine besonders schlechte Prognose zeichnete sich für Patienten mit einer schweren CKD und für Nierentransplantierte ab.
Eine im Dezember 2020 publizierte Subanalyse einer grossangelegten epidemiologischen Studie, welche die Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit bei Covid-19 untersuchte, bestätigt diese ersten Vermutungen. Die Studie basiert auf einem grossen elektronischen Krankenaktensystem aus Grossbritannien, das Gesundheitsdaten von über 17 Mio. Erwachsenen enthält. In diesem Datensatz wurden fast 11000 Personen identifiziert, die während der ersten Pandemiewelle im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben sind.1 Dank der Grösse der Studienpopulation war es den Forschern möglich, viele verschiedene Subgruppen zu untersuchen.
Für die CKD-Patienten gab es drei Subgruppen: Stadium 3 (eGFR: 30–60ml/min/1,73m2), Stadium 4 (eGFR: <30ml/min/1,73m2) und dialysepflichtige CKD. Eine weitere Subgruppe enthielt alle Organtransplantierten. Die Autoren vermerken, dass es keine Angaben zum transplantierten Organ gab, dass es sich beim grössten Teil der Patienten in dieser Gruppe aber um Nierentransplantierte handeln dürfte.
Mortalität assoziiert mit Schwere der CKD
Beim Vergleich der CKD-Subgruppen fällt auf, dass das Risiko, an Covid-19 zu sterben, mit zunehmender Schwere der CKD deutlich zunahm.1 Patienten mit einer mittelschwer eingeschränkten Nierenfunktion (Stadium 3) hatten ein ähnlich hohes Risiko für einen fatalen Covid-19-Verlauf wie Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz oder einem gut eingestellten Diabetes, aber schon bei einer CKD im Stadium 4 war das Sterberisiko höher als in den bekannten Risikopopulationen. Und für Patienten mit einer dialysepflichtigen CKD und für Nierentransplantierte lag die adjustierte Hazard-Ratio nahe bei 4 und war damit fast doppelt so hoch wie diejenige der Hochrisikopatienten mit morbider Adipositas oder unkontrolliertem Diabetes (Abb. 1).1 «Dies zeigt einmal mehr, dass die nephrologischen Patienten zu der vulnerabelsten Gruppe gehören und dass sie ein Anrecht darauf haben, dass wir sie in dieser Pandemie besonders gut schützen», betonte Fehr.
Abb. 1: Risikofaktoren für Covid-19-assoziierte Todesfälle (adaptiert nach Gansevoort und Hilbrands)1
Covid-19 und akutes Nierenversagen
Auch zur zweiten eingangs genannten Frage nach den Auswirkungen von Covid-19 auf die Niere gibt es aktuelle Erkenntnisse. In einer Kohorte von mehr als 5000 US-Veteranen, die von Mitte März bis Mitte Juli 2020 wegen Covid-19 hospitalisiert werden mussten, trat bei 32% ein akutes Nierenversagen (AKI) auf.2 Bei 58% dieser Patienten lag ein AKI vom Schweregrad 1 vor, bei 13 resp. 16% ein Grad 2 resp. 3, und 12% benötigten eine Nierenersatztherapie. Bei 8% der Betroffenen trat das AKI am ersten Hospitalisationstag auf und bei 47% kehrte der Kreatininwert bis zur Entlassung nicht auf den Ausgangswert zurück. Als Prädiktoren für das Auftreten eines AKI während einer Covid-19-bedingten Hospitalisation wurden höheres Alter, schwarze Hautfarbe, männliches Geschlecht, Adipositas, Diabetes, Hypertonie sowie eine eingeschränkte GFR identifiziert.
Zudem war das Auftreten eines AKI assoziiert mit einem höheren Risiko für eine mechanische Beatmung (Odds-Ratio: 6,71), einem längeren Spitalaufenthalt (plus 5,56 Tage) und einem höheren Sterberisiko (OR: 6,71). Interessanterweise war im Verlauf des Beobachtungszeitraums von circa vier Monaten eine Abnahme der AKI-Rate und der Fälle mit schweren AKI-Formen zu beobachten. «Wir haben bei uns den Eindruck, dass die AKI-Inzidenz in der 2. Welle noch einmal abgenommen hat. Warum das so ist, wissen wir aber nicht», so Fehr. Ein sehr ähnliches Bild zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie aus dem Mount Sinai Hospital in New York. Von circa 4000 Covid-19-Patienten, die während der ersten Pandemiewelle hospitalisiert worden sind, haben 46% ein AKI erlitten und 19% benötigen eine Nierenersatztherapie.3 Auch in dieser Studie war die Mortalität der Patienten mit einem akuten Nierenversagen um ein Vielfaches höher als bei Covid-19-Patienten ohne AKI (50% vs. 8%). Und nur bei 30% der Betroffenen hat sich die Nierenfunktion bis zum Spitalaustritt wieder normalisiert.
«Die Frage, ob es sich beim AKI um eine Reaktion der Niere auf die schwere systemische Entzündung und die Gerinnungsstörungen im Sinne einer Tubulusnekrose handelt oder ob es auch eine direkte Infektion der Nieren durch SARS-CoV-2 gibt, wie im letzten Frühling vermutet wurde, wird derzeit noch engagiert diskutiert», sagte Fehr abschliessend.
Quelle:
FomF Update Refresher Innere Medizin, 1. bis 5. Dezember 2020 (virtuell)
Literatur:
1 Gansevoort RT, Hilbrands LB: CKD is a key risk factor for COVID-19 mortality. Nat Rev Nephrol 2020; 16: 705-6 2 Bowe B et al.: Acute kidney injury in a national cohort of hospitalized US veterans with COVID-19. Clin J Am Soc Nephrol 2020; 16: 14-25 3 Chan L et al.: AKI in hospitalized patients with COVID-19. J Am Soc Nephrol 2021; 32: 151-60
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