
Keine Frau muss Menopausebeschwerden hinnehmen
Unsere Gesprächspartnerin:
Dr. med. Ursula Gobrecht-Keller
Leitung Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie (RME) a.i. (ad interim)
Frauenklinik, Universitätsspital Basel
E-Mail: ursula.gobrecht@usb.ch
Das Interview führten
Regina Scharf, MPH
Dr. Corina Ringsell
Redaktorinnen
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Über Wechseljahrsbeschwerden sprechen viele Frauen nicht gern. Wenn sie sich dann doch ihren Hausärzt:innen anvertrauen, kann es sein, dass sie zu hören bekommen: «Da muss man eben durch.» Dass das nicht sein muss, erläutert Dr. med. Ursula Gobrecht-Keller, Fachärztin Gynäkologie und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie.
Frau Dr. Gobrecht-Keller, die Veränderung der hormonellen Situation während des Klimakteriums verursacht Symptome, die behandlungsbedürftig sein können. Sind die Hausärztin oder der Hausarzt die richtigen Ansprechpartner:innen in dieser Situation?
U. Gobrecht-Keller: Hausärztinnen und -ärzte sind oft Vertrauenspersonen, die die Patientinnen schon lange kennen. Häufig sind sie die ersten, an die sich die Frauen wenden. Daher denke ich, es ist wichtig, dass sie ein gewisses gynäkologisches Grundverständnis haben und das Thema ernst nehmen. Wenn es um die Abklärung und Therapie von klimakterischen Symptomen geht, plädiere ich dafür, dass die Hausärzte und -ärztinnen nur dann Diagnostik und Therapien indizieren, wenn sie sich sehr gut auf dem Gebiet auskennen. Ansonsten empfehle ich, die Patientinnen für die Hormontherapie-Beratung und den Therapiebeginn an den Gynäkologen oder die Gynäkologin, welche sich mit Hormontherapie auskennen, oder direkt zum Spezialisten zu überweisen.
Es gibt zahlreiche klimakterische Beschwerden. Welche belasten die Frauen am meisten?
U. Gobrecht-Keller: Am schlimmsten werden meist die Hitzewallungen empfunden. Sie können extrem störend sein, etwa wenn man eine Präsentation hält, in Schweiss ausbricht und dann nervös wird. Im Privaten kann es bis zum sozialen Rückzug führen, weil sie den Frauen so unangenehm sind, dass sie gar nicht mehr aktiv am Leben teilnehmen möchten. Hitzewallungen treten auch oft in der Nacht auf und führen zu häufigem Aufwachen und schlechter Schlafqualität, sodass die Frauen unausgeruht und tagsüber schläfrig sind. Bei starken Schweissausbrüchen muss gelegentlich die ganze Bettwäsche und die Nachtwäsche gewechselt werden. Manche Frauen genieren sich auch vor dem Partner, der mit ihnen im gleichen Bett schläft. All das kann sehr einschränken.
Daneben beschreiben viele Frauen psychische Veränderungen, etwa, dass sie sich ängstlicher fühlen, auch bei Aufgaben, die für sie normalerweise Routine sind, zum Beispiel Situationen im Job wie Vorträge, geschäftliche Präsentationen oder Meetings. Sie beschreiben, dass sie eine ängstliche Grundstimmung haben oder eine Traurigkeit, eine depressive Verstimmung, bis hin zur Aggressivität ihren Mitmenschen gegenüber, selbst bei ihren Kindern oder dem Partner. Auf Nachfragen wird oft geäussert, dass die Frauen sich selber nicht mehr erkennen, dass sie anecken und sehr launisch sind.
Ein weiteres Problem ist die vulvovaginale Atrophie, die mit trockenen Schleimhäuten im Genitalbereich einhergeht, sodass der Geschlechtsverkehr unter Umständen schmerzhaft ist und seltener wird oder mehr Harnwegsinfekte auftreten. Bei diesen Beschwerden muss man öfter schon etwas gezielter nachfragen, um die Antworten zu bekommen.
Wann ist ein Zusammenhang mit der Menopause nicht sofort erkennbar?
U. Gobrecht-Keller: In der Transition treten zum Beispiel typischerweise Gelenkbeschwerden auf. Das möchte ich Hausärzten und -ärztinnen dringend ans Herz legen: Werden Sie hellhörig, wenn eine Frau im typischen Alter ist und Gelenkbeschwerden angibt! Wir bekommen manchmal Frauen zur Abklärung, die jahrelang auf alles Mögliche untersucht wurden – bis hin zu Rheuma. Am Ende merkt man, dass es die Menopause ist, die Beschwerden auslöst.
Gewichtsveränderungen sind ebenfalls sehr häufig, meist eine plötzliche Akzeleration der Gewichtszunahme. Zudem Haut- und Haarveränderungen: Die Frauen bekommen schütteres Haupthaar oder zeigen leichte Androgynisierungserscheinungen. Sie haben dann vielleicht Haare an Stellen, die bei Frauen ungewöhnlich sind. Auch Akne kann auftreten. Dies sind alles Zeichen, die man nicht auf den ersten Blick mit der Menopause verbindet.
Wenn Sie sagen, dass man einen Schweissausbruch bekommt, während man einen Vortrag hält, passiert das ganz plötzlich oder wird es durch den Stress stimuliert?
U. Gobrecht-Keller: Durch den Östrogenmangel wird die thermoneutrale Zone, die jeder von uns hat, eingeschränkt. Dadurch können kleine Schwankungen der äusseren Temperatur schnell zu Hitzewallungen führen und im Anschluss daran Frösteln auslösen. Ursachen können zum Beispiel ein heisses Getränk sein oder Alkohol, ebenso ein scharfes Essen, aber auch eine emotionale Aufregung, indem man sich freut, ärgert, aufgeregt ist – alles kann Hitzewallungen triggern.
Wie hat sich der Umgang mit diesen Beschwerden in den letzten Jahren verändert? Reden Frauen eher darüber und kommen die Männer auch mit in die Sprechstunde?
U. Gobrecht-Keller: Die Frauen sprechen schon offener darüber. Es ist auch öfter so, dass neue Patientinnen zu mir kommen, die sagen «meine Freundin hat mir erzählt, sie nimmt jetzt Hormone, da habe ich mir gedacht, das schaue ich mir auch mal an». Ich stelle fest, dass die Frauen mehr untereinander kommunizieren und das Thema nicht mehr totgeschwiegen wird.
Das wird natürlich auch durch die Medien gefördert, und ich finde es sehr positiv, dass die Menopause immer mehr in den Fokus rückt und mehr darüber berichtet wird. Ich selbst bin in der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie, Kontrazeption und Menopause (SGEM) aktiv und versuche, aufzuklären. Ausserdem gibt es gute Bücher zum Thema. Ein berühmtes Buch ist «Women on Fire», das die Frauen lesen, untereinander austauschen und plötzlich kommen sie auf die Idee, «vielleicht ist es doch nicht mehr so ein Tabuthema und ich kann mich dessen auch mal annehmen».
Was die Männer angeht: Es kommt praktisch nie eine Patientin mit Partner in die Sprechstunde. Das ist wirklich äusserst selten, vielleicht einmal im Jahr. Und dass sie mit den Männern darüber sprechen, berichten wenige. Es ist zum Beispiel eher so, dass der Partner ihnen sagt, sie seien plötzlich so aggressiv. Manchmal kommt es über die nachlassende Libido zu Gesprächen. Die Frauen sagen, sie hätten überhaupt keine Lust mehr und würden mit dem Partner darüber sprechen – und der ist entweder verständnisvoll oder auch nicht. Andere machen sich insgeheim Sorgen, dass die Beziehung leiden könnte, weil sie nicht regelmässig Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner haben. Sie sprechen nicht offen mit den Männern über ihre menopausalen Beschwerden, vielleicht aus Scham. Aber immerhin öffnet sich die Welt, dass Frauen untereinander mehr darüber sprechen.
Wie lange nach dem Beginn der Menopause können die Beschwerden anhalten?
U. Gobrecht-Keller: Im Schnitt halten die Symptome ungefähr sieben Jahre an. Doch die Schwankungen sind gross: Es gibt einen beträchtlichen Anteil von Frauen, die auch nach über zehn Jahren nach der Menopause noch Beschwerden haben.
Durch die gestiegene Lebenserwartung nimmt auch die Anzahl von Jahren in der Postmenopause zu. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hat das?
U. Gobrecht-Keller: Bis zur Menopause schützt das Östrogen die Frauen vor Osteoporose, Herzinfarkt und anderen kardiovaskulären Krankheiten. Das erklärt, warum Frauen erst etwa zehn Jahre später als Männer Herzinfarkte bekommen. Dann wird die Östrogenproduktion durch die Ovarien plötzlich eingestellt. Und weil wir heute viel älter werden als vor 200 Jahren, ist dies, wenn man so will, ein Organversagen des Ovars mitten im Leben – mit allen negativen Konsequenzen für die Knochen, das Herz-Kreislauf-System etc.
Wie sollten Hausärzt:innen bei der Abklärung von klimakterischen Beschwerden vorgehen?
U. Gobrecht-Keller: Wenn die Frau über 45 Jahre alt ist, seit mehr als einem Jahr keine Periode mehr hat, in der Anamnese die klassischen Symptome schildert und andere Krankheiten ausgeschlossen werden können, dann darf man die Diagnose «Menopause» klinisch stellen. Da ist zum Beispiel der Menopause-Rating-Scale, den man die Patientin zu Hause ausfüllen lassen kann. Sie wird gefragt, wie oft sie Hitzewallungen hat, wie stark sie sind, welche Beschwerden sie sonst hat, etwa vulvovaginale Trockenheit, Gelenkbeschwerden und so weiter. Bei Frauen in der Perimenopause muss der Zyklus erfragt werden: Ist er unregelmässig geworden oder hat er ganz aufgehört? Da in dieser Zeit auch extrem starke Blutungen auftreten können, ist es wichtig, an einen Eisenmangel zu denken.
Aber es gibt auch Frauen, die eine Hormonspirale haben und darunter amenorrhoisch sind. In diesen Fällen kann man sich mit der Messung von FSH behelfen. Wenn die Patientin noch Zyklen hat, sollte immer frühzyklisch, am dritten, vierten oder fünften Zyklustag, gemessen werden, weil die Hormone sich zur Mitte des Zyklus hin stark verändern: Dann steigt Östradiol zum Eisprung hin an und unterdrückt durch ein negatives Feedback das FSH. Idealerweise sollte die Diagnose nicht auf einer einzigen Messung beruhen, sondern in unklaren Fällen auf zwei Messungen mit einem gewissen Abstand.
Wenn bei jüngeren Frauen eine Amenorrhö auftritt, können natürlich auch andere Ursachen dahinterstecken, die man differenzialdiagnostisch ausschliessen muss. Infrage kommen zum Beispiel Schilddrüsenstörungen, Prolaktin-Probleme wie eine Hyperprolaktinämie oder ein Prolaktinom in der Hypophyse. Die Gründe für eine verfrühte Menopause können sich aus der Anamnese ergeben: Hatte die Patientin vielleicht in der Vergangenheit eine Chemotherapie oder eine Radiotherapie der Ovarien? Hatte sie einen Eingriff am Eierstock oder wurde er entfernt? Hatte sie eine schwere Endometriose? Alles, was den Pool an Eizellen oder das Eierstockgewebe verringert, kann zu einer früheren Menopause führen. Die Hausärztin oder der Hausarzt sollte dabei schon gynäkologisch bewandert sein oder die Frau an eine gynäkologische Praxis überweisen.
Welche Möglichkeiten stehen für die Behandlung klimakterischer Beschwerden zur Verfügung und von welchen Faktoren ist die Wahl abhängig?
U. Gobrecht-Keller: Viele Frauen versuchen es mit Entspannungstechniken wie autogenem Training oder Yoga. Auch pflanzliche Arzneimittel wie die Traubensilberkerze werden gern genommen. Dazu haben wir aber nicht genug gute Daten, um zu wissen, ob es hilft.
Was wirklich hilft, ist die Hormonersatztherapie (HRT). Sie ist das Mittel der ersten Wahl, sofern die Patientin keine Kontraindikationen hat. Sie sollte besonders bei Frauen erwogen werden, die vorzeitig, unter 40 Jahren, oder frühzeitig, unter 45 Jahren, in die Menopause kommen. Aber auch bei Frauen, die regulär mit 51 menopausal werden, kann man überlegen, ob die Hormongabe ihre Gefäss- und Knochengesundheit verbessert.
Behandelt werden sollten vor allem die symptomatischen Patientinnen. Bei allen Frauen in der Peri- und Postmenopause ist zudem auf einen gesunden Lebensstil zu achten: normales Körpergewicht, nicht rauchen, körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung und für die Knochengesundheit genügend Kalzium und Vitamin D zu sich nehmen. Das ist den Internist:innen hinreichend bekannt.Wenn die Patientin noch eine Gebärmutter hat, dann muss man immer und unbedingt ein Gestagen dazugeben, entweder natürliches Progesteron oder ein synthetisches Gestagen, um das Endometrium zu schützen. Es wäre ein grosser Fehler, das nicht zu tun. Das gilt auch für Patientinnen, die eine Endometriumablation hatten, sonst steigt das Risiko für ein Endometriumkarzinom.
Klare Kontraindikationen gegen die Hormonbehandlung sind hormonabhängige Tumoren, sprich Mamma- oder Endometriumkarzinome. Weitere Kontraindikationen sind eine aktuell bestehende Thrombose oder ein früherer Myokardinfarkt, weil die Patientin in diesem Fall bereits einen Gefässschaden hat. Die Hormone on top können ihr dann schaden. Bei Frauen mit erhöhter Gefährdung für thromboembolische Ereignisse (Adipositas, Nikotinabusus) ist die transdermale Hormongabe indiziert, da sie den First-Pass-Effekt der Leber umgeht und somit die Gerinnungsfaktoren nicht aktiviert im Gegensatz zur oralen Gabe.
Bei der Indikationsstellung zur Hormontherapie bei Frauen mit Migräne muss ebenso das erhöhte Thromboembolierisiko beachtet werden. Eine generelle Kontraindikation zur Hormontherapie bei Frauen mit Migräne (auch mit Aura) besteht nicht.
Die HRT war wegen des Verdachts, das Risiko für Brustkrebs und Thromboembolien zu erhöhen, umstritten. Wie ist der aktuelle Wissensstand und wie lassen sich Risiken reduzieren?
U. Gobrecht-Keller: Das thromboembolische Risiko ist schon etwas erhöht, was sich durch die transdermale Anwendung vermeiden lässt. Das Brustkrebsrisiko ist wohl nur minimal höher. Verantwortlich sind anscheinend vor allem die Gestagene. Wenn man Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben, reine Östrogene gibt, scheint das Risiko auch bei längerer Gabe nicht erhöht zu sein. Wenn wir aber, wie gesagt, Gestagene geben müssen, um das Endometrium zu schützen, dann steigt das Brustkrebsrisiko nach einigen Jahren leicht an. Daten zeigen neun Fälle mehr pro 10000 Frauen. Man könnte auch sagen, der Risikoanstieg beträgt <0,1%, entsprechend einer Inzidenz von <1 Fall pro 1000 Frauen pro Anwendungsjahr.
Ausserdem lässt sich das Risiko durch eine geschickte Wahl des Progesterons oder des synthetischen Gestagens reduzieren. Ein natürliches mikronisiertes Progesteron wie Utrogestan®, das es in der Schweiz gibt, scheint das Risiko im Vergleich zu anderen Gestagenen am wenigsten zu steigern.
Welche unerwünschten Wirkungen können unter der HRT auftreten?
U. Gobrecht-Keller: Es kommt vor, dass das Brustgewebe reagiert und die Brust spannt. Das lässt aber in der Regel wieder nach. Dann taucht immer die Frage nach der Gewichtszunahme auf. Die Daten zeigen, dass Frauen, die Hormone nehmen, im Vergleich zu denen, die keine nehmen, weniger zunehmen. In der Menopause und durch den Alterungsprozess kommt es zu einer Umverteilung: Die «Lean Mass», also die Muskelmasse, nimmt ab und die Fettmasse nimmt zu. Das betrifft vor allem das «metabolisch schlechte» viszerale Fett, das Bauchfett. Dies kann unter anderem das Entstehen von Diabetes fördern und das kardiovaskuläre Risiko steigern. Vor der Menopause bieten die Östrogene einen gewissen Schutz und in der Menopause kann man dem im Idealfall mit einer Hormongabe entgegenwirken. Ich würde aber sehr davon abraten, Hormone einzunehmen, nur, weil einen die Bauchform stört, wenn man sonst keinerlei Beschwerden hat. Es handelt sich um ein Medikament, das Nebenwirkungen haben kann, und nicht um eine Lifestyle-Pille.
Wann startet man optimalerweise mit einer Hormontherapie und wie sollten die Patientinnen nachverfolgt werden?
U. Gobrecht-Keller: Man sollte unbedingt das «Window of Opportunity» beachten, das bedeutet, dass man nie mehr als zehn Jahre nach der Menopause beginnt. Und idealerweise fängt man vor dem 60. Lebensjahr an. Wenn Beschwerden mehr als zehn Jahre nach der Menopause auftreten, dann stimmt irgendetwas nicht. Dann muss man klären, warum die Patientin plötzlich Beschwerden hat, die sie vorher nicht hatte. Alle Patientinnen, denen ich Hormone gebe, möchte ich jedes Jahr einmal sehen – oder zumindest von ihnen hören, um zu wissen, wie es ihnen geht. Ich mache jedes Jahr wieder eine Evaluation und schaue, ob die Vorteile der Behandlung immer noch die Nachteile überwiegen. Ich achte darauf, ob neue Risikofaktoren hinzugekommen sind. Hat die Patientin beispielsweise neu eine Hypertonie? Was macht die Brust? Die Brust untersuche ich alle zwei Jahre durch eine Mammografie und Abtasten.
Und dann möchte ich jedes Jahr zusammen mit der Patientin neu entscheiden, ob die Therapie weitergeführt wird oder wir über einen Stopp nachdenken wollen. Es gibt keine willkürliche Grenze für die Hormontherapie, sondern es ist wichtig, dass wir jedes Mal Risiko und Nutzen gegeneinander abwägen. Will man die Hormone absetzen, kann man sie ausschleichen oder einfach absetzen oder vielleicht mit einer niedrigeren Dosis fortfahren.
Eine Neuigkeit bei den nichthormonellen Therapien ist der NK-3-Rezeptorantagonist Fezolinetant. Wie wirkt er?
U. Gobrecht-Keller: Dieser Signalweg wurde erst kürzlich beschrieben. Im Hypothalamus laufen gewisse Signalwege über Neurokinin 3 (NK-3) ab. Diese werden durch Östradiol über ein negatives Feedback gehemmt. Fällt das Östradiol weg, dann bindet NK-3 vermehrt an den NK-3-Rezeptor. Als Folge hypertrophieren wärmeableitende Neuronen. Das ist der Mechanismus für die Hitzewallungen. NK-3-Rezeptorantagonisten hemmen den Neurokinin-3-Rezeptor und mindern entsprechend die Hitzewallungen. Auf Knochen, Gelenke, Herz-Kreislauf-System und die vulvovaginale Trockenheit haben sie allerdings keinen Effekt, nur auf Hitzewallungen. Das Medikament Veoza® ist in der Schweiz schon zugelassen, wird aber aktuell nicht von der Kasse übernommen.
Zum Schluss: Was würden Sie sich von den hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen für Patientinnen mit Menopausebeschwerden wünschen?
U. Gobrecht-Keller: Das Wichtigste ist, dass sie den Frauen zuhören und ihre Beschwerden ernst nehmen. Weil es aber viele Dinge zu beachten sowie viele Feinheiten bei der Diagnostik und Therapie gibt, finde ich es sinnvoll, die Abklärung und Einleitung der Therapie in der Regel den Fachärzt:innen zu übergeben.
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