
Gepante am Horizont – was ändert sich?
Bericht: Torsten U. Banisch, PhD
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Der Vormarsch der neuen Generation von Gepantetherapien bei Clusterkopfschmerz und Migräne erlaubt neue Behandlungsansätze im akuten und prophylaktischen Setting. Daten zur Wirkung, Wirkungsdauer, Sequenzierung der neuen Therapien und mögliche Nebenwirkungen wurden bei der Dreiländertagung Kopfschmerz angeregt diskutiert.
Wirkungsvoll in der Erstlinie und nach Triptanversagen
Der Behandlungsstandard (SOC) bei Clusterkopfschmerz und Migräne ist eine Triptantherapie. Jedoch sind nur circa 30% der Patient:innen zwei Stunden nach Triptaneinnahme schmerzfrei und 30–40% erfahren einen Rebound. PDDr.med.Ruth Ruscheweyh vom LMU Klinikum München erklärte, dass sich laut einer aktuellen Studie (n=2284) die Anzahl der Patient:innen häuft, die nicht auf Triptane ansprechen oder unverträglich sind (42,5% Non-Responder), die resistent gegenüber ≥2 Triptanen sind (13,1% resistent) oder kein Ansprechen auf ≥3 Triptane (3,9% refraktär) zeigen.1,2 Gerade für diese Patient:innenpopulation sind zwingend neue Therapien erforderlich. Als Alternative gelten die «calcitonin-gene-related-peptid»-Rezeptor(CGRP-R)-Antagonisten, die Gepante, welche die Vasodilatation an Duragefässen und die Aktivierung von benachbarten nozizeptiven Fasern reduzieren.3 In der ersten Generation traten jedoch Lebertoxizitäten auf, wodurch sie 2011 eingestellt wurden; dies ist bei den neuen Generationen nicht mehr der Fall.4 Es gibt aktuell drei Medikamente als Akuttherapie (Ubrogepant, Rimegepant, Zavegepant) und zwei in der Prophylaxe (Atogepant, Rimegepant), wobei zurzeit Rimegepant in der Akuttherapie und Prophylaxe und Atogepant in der Prophylaxe zugelassen sind.5–11
Verbesserung in der Akuttherapie, auch bei Triptan-Non-Respondern
Gepante konnten bereits signifikante Verbesserungen in der Akuttherapie erreichen: Eine Phase-III-Studie zu nasal appliziertem Zavegepant (n=1405) konnte eine Schmerzbesserung nach bereits 15 Minuten feststellen, mit einer 2-h-Schmerzfreiheit bei 24% der Patient:innen gegenüber 15% unter Placebo und einer 2-h-MBS («most bothersome symptom»)-Freiheit bei 40% gegenüber 31%.7
Gepante können sowohl in der Aktutherapie als auch in der Prophylaxe eingesetzt werden
Diese Ergebnisse entsprechen auch denen anderer Studien, wonach Gepante allgemein nach zwei Stunden eine Schmerzfreiheit bei 19–24% der Patient:innen erreichten; im indirekten Vergleich lag die 2-h-Schmerzfreiheit unter Triptantherapie bei circa 30%.5,6,7,12 Diese Ergebnisse stiessen die Frage auf, ob eine Wirksamkeit auch bei Triptan-Non-Respondern besteht. Die Phase-III-Studien zu Ubrogepant (n=1799) und Rimegepant (n=3507) konnten keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen Triptan-naiven Patient:innen, Triptan-Respondern und Triptan-Non-Respondern zeigen.13,14
Langzeitwirkung in der Prophylaxe ermöglicht neue Therapieansätze
Prof. Dr.med.Andreas Gantenbein von der «Neurologie am Untertor» in Bülach beschrieb den Wandel in der Prophylaxe-Therapielandschaft. Der SOC liegt hier bei Antikörpertherapien, doch wurden rezent Atogepant bei Migräne und Rimegepant bei episodischer Migräne zugelassen.8,10,15 Grundlage war, dass eine prophylaktische Behandlung mit Rimegepant oder Atogepant die Patient:innenanzahl mit ≥50%iger Reduktion der Migränetage gegenüber Placebo nach 9–12 Wochen erhöhte.9,11 Besonders hervorzuheben ist die Langzeitwirkung dieser Therapien. Bei einem Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr konnte eine 100%ige Reduktion bei fast 50% der Patient:innen erreicht werden; somit waren diese für mindestens einen Monat migränefrei.16
Kombinationstherapien und Sequenzierung von Gepanten
Eine rezente Studie verglich eine Galcanezumab-Antikörpertherapie mit Rimegepant bei der Prävention episodischer Migräne.17 Hier konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit ermittelt werden. Da Gepante zudem sehr wahrscheinlich keinen Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch verursachen, eröffnet sich ein neuer Behandlungsansatz: eine Gepantetherapie bei akuter Migräne mit zusätzlicher prophylaktischer Wirkung.18 Solch eine Option ist besonders bei Bestätigung der Langzeitstudiendaten im klinischen Alltag attraktiv.16,19
Offen bleibt, wie mit Patient:innen umgegangen werden soll, die auf eine Antikörpertherapie nicht ansprechen. Es gibt bereits positive Erfahrungen aus der klinischen Praxis mit nachgeschalteten Gepantetherapien; zudem erforschen rezente und laufende Studien den Nutzen von Kombinationstherapien aus Gepanten und Antikörpern.20,21 Diese Ansätze könnten in Zukunft personalisierte Therapien erlauben, eine modulare Behandlung wäre zum Beispiel bei menstrueller Migräne vorteilhaft.
Mögliches vaskuläres Risiko
Zwar sind Gepante der neuen Generation sehr verträglich, doch werden sie medial oft mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht. Assoz. Prof. PD Dr.med.Gregor Brössner von der Medizinischen Universität Innsbruck verdeutlichte, dass hauptsächlich Migränepatient:innen mit einer Aura eine erhöhte Risikokonstellation haben, die zu einem Schlaganfall führen könnte. Diese Patient:innengruppe neigt zu endothelialen Dysfunktionen und einem erhöhten Ischämierisiko bei kortikaler Streudepolarisierung (CSD) und Durchblutungsstörungen; zudem besteht ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern.22 Darüber hinaus könnten angewendete Therapien zu einer Störung der Homöostase führen. Neben diesen Risikofaktoren spielt das medikamentös regulierte CGRP eine zentrale physiologische Rolle – unter anderem bei der Vasodilatation, der Herzremodellierung – und hat immunologische Funktionen.23 Zu beachten ist auch, dass CGRP im pathologischen Setting (Bluthochdruck, Herzversagen) eine protektive Rolle einnimmt.24
In einer viel zitierten Studie wurden in einem Mausmodell artifiziell Schlaganfälle verursacht und das Infarktvolumen mit und ohne Gepantegabe wurde ermittelt.25 Unter CGRP-Blockade stieg das Infarktvolumen, die zerebrale Durchblutung und das neurologische Outcome waren verschlechtert.25 Da es sich um eine Mausstudie handelte, kann jedoch nicht ohne Weiteres auf den Menschen geschlossen werden. Zudem wurde im Falle von Olcegepant die 10-fache und bei Rimegepant die 100-fache Dosis verabreicht. Auch die intraperitoneale Applikation im Tierversuch steht im Kontrast zur oralen/nasalen Gabe beim Menschen.
In den Zulassungsstudien der Gepante wurde kein erhöhtes vaskuläres Risiko festgestellt.5–7 Auch die Wirkungsweise der Gepante, welche im Gegensatz zu Triptanen nicht zu einer Vasokonstriktion führen, sondern die Vasodilatation hemmen, bekräftigt diese Einschätzung.26
Quelle:
9. Dreiländertagung Kopfschmerz, 25.–27. April 2024, Interlaken, Schweiz
Literatur:
1 Sacco S et al.: J Headache Pain 2022; 23(1): 133 2 Ruscheweyh R et al.: J Headache Pain 2023; 10; 24(1): 135 3 Rissardo JP et al.: Brain Sci 2022; 12(12): 1612 4 Lo Castro F et al.: Drug Health Patient Saf 2021; 13: 233-40 5 Dodick DW et al.: N Engl J Med 2019; 381(23): 2230-41 6 Lipton RB et al.: N Engl J Med 2019; 381(2): 142-9 7 Lipton RB et al.: Lancet Neurol 2023; 22(3): 209-17 8 Vydura Fachinformationen, Stand Mai 2022 9 Croop R et al.: Lancet 2021; 397(10268): 51-60 10 Aquipta Fachinformationen, Stand August 2023 11 Pozo-Rosich P et al.: Lancet 2023; 402(10404): 775-85 12 Ruscheweyh R et al.: Nervenheilkunde 2021; 40(03): 140-8 13 Blumenfeld AM et al.: Headache 2021; 61(3): 422-9 14 Lipton RB et al.: Cephalalgia 2023; 43(2) 15 Kumar A, Kadian R: Migraine prophylaxis. StatPearls Publishing 2023 16 Ashina M et al.: Headache 2023; 63(1): 79-88 17 Schwedt TJ et al.: Neurol Ther 2024; 13(1): 85-105 18 Navratilova E et al.: Cephalalgia 2020; 40(9): 892-902 19 Gantenbein AR, Kleinschmidt A: J Headache Pain 2023; 24(1): 33 20 Waliszewska-Prosół M et al.: J Headache Pain 2023; 24(1): 163 21 Alsaadi T et al.: Neurol Ther 2024; 13(2): 465-73 22 Øie LR et al.: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2020; 91(6): 593-604 23 Kim YJ et al.: Brain Behav Immun Health 2021; 18: 100361 24 Zupan M et al.: Biomed Res Int 2021; 2021: 5540254 25 Mulder IA et al.: Ann Neurol 2020; 88(4): 771-84 26 Chan KY et al.: J Pharmacol Exp Ther 2010; 334(3): 746-52